Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 3. September 2013
Aktenzeichen: 4a O 108/12 U.

(LG Düsseldorf: Urteil v. 03.09.2013, Az.: 4a O 108/12 U.)

Tenor

. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, die an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

lichtemittierende Vorrichtungen, die ein lichtemittierendes Teil und einen Leuchtstoff enthalten, der in der Lage ist, einen Teil des vom lichtemittierenden Teil ausgesandten Lichts zu absorbieren und Licht mit einer Wellenlänge auszusenden, die sich von der des absorbierten Lichtes unterscheidet,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

wobei das besagte lichtemittierende Teil einen Verbindungshalbleiter auf der Grundlage von GaN und der besagte Leuchtstoff ein GranatFluoreszenzmaterial entsprechend der Formel X mit X enthält, in der Al mindestens teilweise durch Ga und/oder In ersetzt sein kann, und in der das besagte lichtemittierende Teil eine blaue lichtemittierende Diode (LED) ist und in der der besagte Leuchtstoff sich in einem direkten oder indirekten Kontakt mit der besagten blauen lichtemittierenden Diode befindet, und in der ein Hauptemissionspeak der lichtemittierenden Diode innerhalb des Bereichs von X nm bis X nm liegt und eine Hauptemissionswellenlänge des Leuchtstofls so liegt, dass sie länger als der Hauptemissionspeak des lichtemittierenden Teils ist;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 23.09.2000 begangen haben, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen und bestellten zu Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer;

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und unter Angabe von Typenbezeichnungen sowie aufgeschlüsselt nach den Namen und den Anschriften der gewerblichen Abnehmer;

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in dem Verzeichnis enthalten ist;

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, der Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der jeweiligen Domain, Zugriffszahlen und Schaltungszeiträume;

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten, einschließlich Bezugspreisen, und des erzielten Gewinns;

wobei hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und lit. b) jeweils in Kopie die Einkaufs- oder Verlaufsbelege (Rechnungen) oder, falls keine Rechnungen ausgestellt wurden, Lieferpapiere vorzulegen sind, und wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3. die vorstehend zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 01.09.2008 in den Verkehr gelangten und im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, schriftlich darüber informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents XX erkannt hat, und sie ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse die Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der durch die Rückgabe entstehenden Verpackungs- und Transport- bzw. Versandkosten zugesagt wird.

4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 23.09.2000 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird;

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

IV. Das Urteil ist in Bezug auf die Verurteilung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung (Ziff. I. 2. des Tenors) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 50.000,- und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 450.000,- vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

X

Gründe

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents XX (im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.

Das Klagepatent wurde am 29.07.1997 von der Klägerin unter Inanspruchnahme von fünf japanischen Prioritäten vom 29.07.1996, 17.09.1996, 18.09.1996, 27.12.1996 und 31.03.1997 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents erfolgte am 23.08.2000.

Gegen die Erteilung des Klagepatents wurde Einspruch erhoben, wobei das Klagepatent dabei im Hinblick auf den hier allein streitgegenständlichen Patentanspruch 1 am 26.02.2007 unverändert aufrecht erhalten wurde. Hinsichtlich des vollständigen Inhalts der Einspruchsentscheidung wird auf die Anlage X Bezug genommen. Die Klägerin reichte beim Deutschen Patent- und Markenamt eine nach Art. II § 3 Abs.3 IntPatÜbkG berichtigte Übersetzung der Klagepatentschrift ein, die unter dem Aktenzeichen X am 07.10.2010 veröffentlicht wurde. Das Klagepatent steht in Kraft. Mit Schriftsatz vom 09.03.2012 erhob die Firma X, ein taiwanesischer Hersteller von LED’s, jedoch Nichtigkeitsklage, über die das Bundespatentgericht noch nicht entschieden hat.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung "X" ("X"). Patentanspruch 1 des Klagepatents ist wie folgt gefasst:

"A Iight emitting device, comprising a light emitting component (X) and a phosphor (X) capable of absorbing a part of the Iight emitted by the Iight emitting component and emitting Iight of wavelength different from that of the absorbed light; wherein said Iight emitting component (X) comprises a GaN based compound semiconductor and said phosphor contains a garnet fluorescent material according to the formula:

XX

wherein X wherein Al may be at least partially substituted by Ga and/or In, and wherein said light emitting component (X) is a blue light emitting diode (LED), and wherein said phosphor is located in direct or indirect contact with said blue light emitting diode, and wherein a main emission peak of the Iight emitting diode is set within the range from X nm to X nm and a main emission wavelength of the phosphor is set to be longer than the main emission peak of the Iight emitting component."

In der eingetragenen deutschen Übersetzung des Klagepatents nach der T4-Schrift ist Patentanspruch 1 wie folgt formuliert:

"Eine lichtemittierende Vorrichtung, die ein lichtemittierendes Teil (X) und einen Leuchtstoff (X) enthält, der in der Lage ist, einen Teil des vom lichtemittierenden Teil ausgesandten Lichtes zu absorbieren und Licht mit einer Wellenlänge auszusenden, die sich von der des absorbierten Lichtes unterscheidet, wobei das besagte lichtemittierende Teil (X) einen Verbindungshalbleiter auf der Grundlage von GaN und der besagte Leuchtstoff ein Granat-Fluoreszenzmaterial entsprechend der Formel

XX

mit X enthält, in der Al mindestens teilweise durch Ga und/oder In ersetzt sein kann, und in der das besagte lichtemittierende Teil (X) eine blaue lichtemittierende Diode (LED) ist und in der der besagte Leuchtstoff sich in einem direkten oder indirekten Kontakt mit der besagten blauen lichtemittierenden Diode befindet, und in der ein Hauptemissionspeak der lichtemittierenden Diode innerhalb des Bereichs von X nm bis X nm liegt und eine Hauptemissionswellenlänge des Leuchtstoffs so liegt, dass sie länger als der Hauptemissionspeak des lichtemittierenden Teils ist."

Hinsichtlich Formulierung der lediglich im Rahmen eines "insbesondere, wenn"-Antrages geltend gemachten Unteransprüche 2 und 9 wird auf die Klagepatentschrift Bezug genommen.

Nachfolgend werden in leicht verkleinerter Form aus der Klagepatentschrift stammende zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung und verschiedene Spektren des von einer erfindungsgemäßen Vorrichtung emittierten Lichts abgebildet. In den Figuren 19A bis 19C sind die Emissionsspektren des Leuchtstoffs XX (Figur 19A), der lichtemittierenden Komponente (Figur 19B) und der gesamten lichtemittierenden Diode eines Ausführungsbeispiels (Figur 19C) abgebildet.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Spezialvertriebsunternehmen für LED Lampen und LED Leuchtmittel.

Dieses bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland die nachstehend eingeblendete Deckeneinbaulampe der X GmbH mit der Typenbezeichnung X = X mit weiß leuchtenden LED-Röhren.

Die mit der angegriffenen Ausführungsform OL-Deluxe vertriebenen LED-Röhren, werden auch einzeln angeboten und vertrieben und tragen die Typenbezeichnung - X

Hinsichtlich der Einzelheiten des Angebotes der Beklagten und der technischen Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform wird auf die Anlage TW 7 Bezug genommen. Einen Kaufbeleg, den die Beklagte anlässlich eines Testkaufes durch die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland am 11.11.2011 ausgestellt hat, hat die Klägerin als Anlage TW 6 zur Akte gereicht.

Nach Auffassung der Klägerin, der die Beklagte nicht entgegen getreten ist, machen die angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen, wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise:

das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Rechtsbeständigkeit des Klagepatents X in dem gegen das Patent anhängigen Nichtigkeitsverfahren auszusetzen.

Die Klägerin ist dem Aussetzungsantrag entgegen getreten.

Nach Auffassung der Beklagten ist das Klagepatent nicht schutzfähig.

Zunächst werde die technische Lehre des Klagepatents bereits in den Dokumenten X und X neuheitsschädlich vorweggenommen. Dabei handele es sich um Flyer, die im Jahr 1995 von der X GmbH und der X GmbH veröffentlicht und verteilt worden seien. Begleitschreiben zu diesen Flyern, in denen die darin offenbarten Produkte teilweise näher erläutert und angeboten werden, würden zeigen, zu welchen Zeitpunkten die X und die X der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden seien.

Des Weiteren beruhe das Klagepatent auch auf einer unzulässigen Erweiterung. Nach der technischen Lehre des Klagepatents sei das Vorhandensein eines Leuchtstoffes zwingend, der sich in einem direkten oder indirekten Kontakt mit der blauen, lichtemittierenden Diode befinde. Erforderlich sei demnach ein direkter oder indirekter Kontakt zwischen Leuchtstoff und Diode. Die Ursprungsanmeldung offenbare jedoch weder das eine, noch das andere, da die Begriffe "direkt" oder "indirekt" dort zur Beschreibung des Verhältnisses zwischen Diode und Leuchtstoff nicht verwendet würden. Stattdessen gehe die Beschreibung nur von einer räumlichen Nähe von Leuchtstoff und Diode aus.

Aus dem gleichen Grund nehme das Klagepatent auch die Priorität der japanischen Schriften nicht wirksam in Anspruch, da deren Offenbarungsgehalt nicht über den Offenbarungsgehalt der Ursprungsanmeldung hinausgehe.

Folglich seien auch die X und die X (Inhalt eines Vortrages am XX), in welchen die technische Lehre des Klagepatents neuheitsschädlich offenbart werde, zu berücksichtigender Stand der Technik.

Schließlich beruhe das Klagepatent im Hinblick auf eine Kombination der X in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

EntscheidungsgründeDie zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG, 242, 259 BGB zu.

I.

Das Klagepatent betrifft eine lichtemittierende Diode, die einen Leuchtstoff enthält, der die Wellenlänge des Lichts, das von einem lichtemittierenden Bauteil ausgesendet wird, umwandelt und Licht aussendet.

In der Klagepatentschrift wird zum Stand der Technik ausgeführt, eine lichtemittierende Diode sei kompakt und sende Licht mit einem hohen Wirkungsgrad aus. Sie brenne auch nicht durch und habe gute Anlaufeigenschaften, eine hohe Rüttelfestigkeit und Beständigkeit gegen wiederholtes Ein- und Ausschalten, weil es sich um ein Halbleiterbauelement handele. Daher werde sie im großen Umfang in solchen Anwendungsfällen wie verschiedenartigen Anzeigeelementen und verschiedenartigen Lichtquellen genutzt. In jüngster Zeit seien lichtemittierenden Dioden für die RGB-Farben (rot, grün und blau) mit einer äußerst hohen Leuchtdichte und hohem Wirkungsgrad entwickelt worden. LED-Displays mit solchen Dioden könnten mit geringerer Leistung betrieben werden; sie zeichneten sich durch gute Eigenschaften wie geringes Gewicht und lange Lebensdauer aus.

Weiterhin seien verschiedene Versuche unternommen worden, Quellen weißen Lichtes unter Verwendung von lichtemittierenden Dioden herzustellen. Da die lichtemittierende Diode ein günstiges Emissionsspektrum aufweise, um monochromatisches Licht zu erzeugen, erfordere die Herstellung einer Lichtquelle für weißes Licht, dass drei lichtemittierende R-, G- und B-Komponenten dicht beieinander angeordnet würden und das von diesen ausgesendete Licht gestreut und gemischt werde. In der Klagepatentschrift wird an einer derartigen Anordnung als nachteilig angesehen, dass auf Grund von Änderungen des Farbtons, der Leuchtdichte und anderer Faktoren der lichtemittierenden Komponente weißes Licht des gewünschten Tons nicht erzeugt werden konnte. Wenn die lichtemittierenden Komponenten aus unterschiedlichen Materialien bestanden, seien auch die für den Betrieb der jeweiligen Diode erforderlichen elektrischen Leistungen unterschiedlich. Es hätten daher unterschiedliche Spannungen angelegt werden müssen, was zu komplexen Stromkreisen für die Ansteuerung führe. Zudem sei - da es sich bei lichtemittierenden Komponenten um Halbleiterbauelemente handele - der Farbton Änderungen unterworfen, die auf unterschiedliches Temperaturverhalten, auf das Zeitverhalten und die Betriebsumgebung zurückzuführen seien. Aber auch durch Fehler beim gleichförmigen Mischen des von den lichtemittierenden Komponenten ausgesendeten Lichtes könnten Ungleichmäßigkeiten im Farbton verursacht werden. Daher seien lichtemittierende Dioden als lichtaussendende Vorrichtungen zur Erzeugung von individuellen Farben effektiv. Allerdings sei eine Lichtquelle, die imstande sei, durch Benutzung von lichtemittierenden Komponenten in einem zufrieden stellenden Umfang weißes Licht auszusenden, bislang nicht bekannt.

Um diese Probleme zu lösen, seien im Stand der Technik bereits lichtemittierende Dioden entwickelt worden, die die Farbe des Lichts, das von lichtemittierenden Komponenten ausgesendet wird, mittels eines Fluoreszenzmaterials gemäß den japanischen Patenten X, X, X und X umwandeln. Die lichtemittierenden Dioden, die in diesen Veröffentlichungen beschrieben würden, seien unter Benutzung der lichtemittierenden Komponenten einer gewissen Art imstande, Licht weißer oder anderer Farben zu erzeugen.

Die lichtemittierenden Dioden würden - so die Klagepatentschrift - gemäß der oben erwähnten Veröffentlichungen hergestellt, indem eine lichtemittierende Komponente mit einer hochenergetischen Bandlücke der lichtemittierenden Schicht in einer Schale angebracht werde, die sich an der Spitze einen Leitrahmens befinde und ein Fluoreszenzmaterial enthalte, das das von der lichtemittierenden Komponente ausgesendete Licht absorbiere und Licht mit einer von der Wellenlänge des absorbierten Lichts abweichenden Wellenlänge (Wellenlängenwandlung) aussende und sich in einer Harzschmelze befinde, die die lichtemittierende Komponente bedecke.

Die oben beschriebene lichtemittierende Diode, die imstande sei, weißes Licht durch das Mischen des Lichts aus einer Anzahl von Quellen auszusenden, könne dadurch hergestellt werden, dass eine lichtemittierende Komponente benutzt werde, die imstande sei, blaues Licht auszusenden, und die lichtemittierende Komponente mit einem Harz verschmelze, das ein Fluoreszenzmaterial enthalte, welches das blaue Licht der Diode absorbiert und ein gelbliches Licht aussende.

An diesen, aus dem Stand der Technik bekannten, konventionellen lichtemittierenden Dioden beschreibt das Klagepatent die Zustandsverschlechterung des Fluoreszenzmaterials als problematisch, weil sie zu einer Farbtonabweichung und zu einem Nachdunkeln des Fluoreszenzmaterials mit einer niedrigeren Ausbeute an abgegebenem Licht führe. Dieses Nachdunkeln entstehe im Falle der Benutzung eines anorganischen Fluoreszenzmaterials wie beispielsweise (Cd, Zn)S dadurch, dass ein Teil der Metallelemente, die das Fluoreszenzmaterial bilden, ausgefällt würden oder ihre Eigenschaften veränderten, oder im Fall der Benutzung eines organischen Fluoreszenzmaterials durch das Aufbrechen einer Doppelbindung im Molekül. Vor allem, wenn eine lichtemittierende Komponente aus einem Halbleiter mit einer hochenergetischen Bandlücke benutzt werde, um den Wandlungswirkungsgrad des Fluoreszenzmaterials zu erhöhen (das heißt, die Energie des von dem Halbleiter emittierten Lichts wird erhöht und die Anzahl der Photonen mit Energiewerten oberhalb eines Schwellwerts, die von dem fluoreszenten Material absorbiert werden können, steigt, was dazu führt, dass mehr Licht absorbiert wird), oder wenn die Menge an eingesetztem Fluoreszenzmaterial herabgesetzt werde (das heißt das Fluoreszenzmaterial wird mit einer relativ höheren Energie bestrahlt), nehme die vom Fluoreszenzmaterial absorbierte Lichtenergie unweigerlich zu, was zu einem stärkeren Abbau des Fluoreszenzmaterials führe. Ebenso führe die Benutzung der lichtemittierenden Komponente über einen ausgedehnten Zeitraum zu einem stärkeren Abbau des Fluoreszenzmaterials.

Weiterhin könnten einige Fluoreszenzmaterialien durch Feuchtigkeit schneller abgebaut werden, die von außen hineingelange oder während des Herstellungsvorgangs hineingeraten sei. Weitere Ursachen für den Abbau des Fluoreszenzmaterials seien Licht und die Wärme, die von der lichtemittierenden Komponente oder durch das Sonnenlicht, wenn die Vorrichtung im Freien benutzt wird, übertragen werden. Wenn ein organischer Farbstoff mit ionischen Eigenschaften beteiligt sei, könne auch das direkte elektrische Feld in der Nähe des Chips Elektrophorese verursachen, die zu einer Veränderung des Farbtones führe.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, die oben beschriebenen Probleme zu lösen und eine lichtaussendende Vorrichtung vorzustellen, die nur einen äußerst geringen Grad der Abnahme der Intensität, des Wirkungsgrades und der Farbverschiebung des emittierten Lichts über einen langen Zeitraum der Benutzung mit hoher Leuchtdichte aufweist. Dabei soll die lichtaussendende Vorrichtung mit einer lichtemittierenden Komponente und einem Fluoreszenzmaterial die folgenden Anforderungen erfüllen:

(1) Die lichtemittierende Komponente muss imstande sein, Licht hoher Leuchtdichte und mit Kenngrößen der Lichtemission auszusenden, die über eine lange Zeit des Einsatzes stabil sind.

(2) Das Fluoreszenzmaterial in der Nähe der lichtemittierenden Komponente mit hoher Leuchtdichte muss eine ausgezeichnete Beständigkeit gegen Licht und Wärme haben, so dass sich seine Eigenschaften nicht ändern, auch wenn es über einen ausgedehnten Zeitraum benutzt und Licht hoher Intensität ausgesetzt wird, das von der lichtemittierenden Komponente ausgesendet wird.

(3) Hinsichtlich der Beziehung zur lichtemittierenden Komponente muss das Fluoreszenzmaterial imstande sein, mit einem hohen Wirkungsgrad das stark monochromatische Licht, das von der lichtemittierenden Komponente ausgesendet wird, zu absorbieren und Licht auszusenden mit einer Wellenlänge, die von der des Lichtes abweicht, das von der lichtemittierenden Komponente ausgesendet wird.

Dies soll durch den Klagepatentanspruch 1 erreicht werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

Eine lichtemittierende Vorrichtung, die enthält:

1. ein lichtemittierendes Teil (X),

1.1 das einen Verbindungshalbleiter auf der Grundlage von GaN enthält,

1.2 das eine blaue lichtemittierende Diode (LED) ist, in der ein Hauptemissionspeak innerhalb des Bereichs von X nm bis X nm liegt;

2. einen Leuchtstoff (101),

2.1 der sich in einem direkten oder indirekten Kontakt mit der besagten blauen lichtemittierenden Diode befindet,

2.2 der ein Granat-Fluoreszenzmaterial entsprechend der Formel

XX

enthält, in der Al mindestens teilweise durch Ga und/oder In ersetzt sein kann,

2.3 der in der Lage ist,

2.3.1 einen Teil des vom lichtemittierenden Teil ausgesandten Lichtes zu absorbieren und

2.3.2 Licht mit einer Wellenlänge auszusenden, die sich von der des absorbierten Lichtes unterscheidet,

3. wobei eine Hauptemissionswellenlänge des Leuchtstofffes so liegt, dass sie länger als der Hauptemissionspeak des lichtemittierenden Teils ist.

II.

Dass die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch macht, hat die Beklagte zu Recht nicht bestritten, so dass es insoweit keiner weiteren Ausführungen bedarf.

Die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland angeboten und vertrieben und damit widerrechtlich von der Lehre des Klagepatents im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG Gebrauch gemacht. Diese Benutzung des Erfindungsgegenstands durch die Beklagte begründet die nachstehenden Rechtsfolgen:

1.

Die Beklagte ist der Klägerin gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung des Erfindungsgegenstands ohne Berechtigung erfolgt.

2.

Des Weiteren hat die Beklagte der Klägerin Schadensersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.

3.

Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB).

Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Darüber hinaus wird die Beklagte durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

Soweit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist der Beklagten im Hinblick auf ihre Rechnungslegungspflicht in Bezug auf ihre nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.09.2001, Az.: 2 U 91/00).

4.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 1 PatG.

5.

Schließlich kann die Klägerin von der Beklagten den Rückruf der angegriffenen Ausführungsform aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 Abs.1 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 3 PatG verlangen.

III.

Für eine Aussetzung der Verhandlung besteht keine Veranlassung, § 148 ZPO.

1.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 - Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 - Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 - Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 - Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 - Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als Solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

2.

Dies vorausgeschickt kommt eine Aussetzung der Verhandlung vorliegend nicht in Betracht.

a)

Im Rahmen der Aussetzungsentscheidung hat die Kammer zunächst zu berücksichtigen, dass sich bereits die fachkundig besetzte Einspruchsabteilung ausführlich mit der Schutzfähigkeit des hier maßgeblichen Patentanspruchs 1 beschäftigt und diesen als schutzfähig angesehen hat. Gegenstand der Zwischenentscheidung waren dabei insbesondere auch die Fragen der wirksamen Inanspruchnahme der Priorität sowie der unzulässigen Erweiterung. Zudem lagen im Einspruchsverfahren auch die Entgegenhaltungen X ("264igster Sitzungsbericht des X , vgl. Anlage X) und X (X, vgl. Anlage X) sowie der durch die Beklagte zur Begründung der fehlenden Erfindungshöhe herangezogene Aufsatz von Robertson (vgl. Anlage X) vor. Hinzu kommt, dass es sich bei der X auch um bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigten und in der Klagepatentschrift ausdrücklich gewürdigten Stand der Technik handelt (vgl. Anlage X, Abschnitt [X]).

b)

Abgesehen davon kommt eine Aussetzung im Hinblick auf eine mögliche neuheitsschädliche Offenbarung der technischen Lehre des Klagepatents in der Entgegenhaltung X, Werbeflyer "X" (Anlage B & B 6 = Anlage 1.9 zu Anlage B&B 1, nachfolgend: X) auch deshalb nicht in Betracht, weil sich nicht mit einer die Aussetzung rechtfertigenden Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass es sich bei dieser Entgegenhaltung überhaupt um im Rahmen der Neuheitsprüfung zu berücksichtigenden Stand der Technik handelt. Dies gilt auch dann, wenn man dieses Dokument für sich allein genommen oder "eigenständig" als druckschriftlichen Stand der Technik betrachtet und außer Acht lässt, dass es zusammen mit den Erfindungsgegenstand des Klagepatents verkörpernden LEDs an Dritte versandt worden sein soll. Der Aussetzungsantrag der Beklagten muss im Hinblick auf das Dokument X ohne Erfolg bleiben, weil sie die öffentliche Zugänglichkeit des in Frage stehenden Werbeflyers im vorliegenden Verletzungsstreit nicht lückenlos durch liquide Beweismittel belegt hat.

Nach § 3 Abs. 1 PatG gilt eine Erfindung dann als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfasst alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. Schriftliche Beschreibungen im vorgenannten Sinn können alle Vervielfältigungsstücke sein, gleich auf welchem Weg sie hergestellt werden, soweit sie nur objektiv zur Weiterverbreitung geeignet sind (vgl. BGH GRUR 1971, 214 (2a) - Customer Prints). Dies umfasst im Grundsatz ohne weiteres auch Firmenschriften oder Werbeprospekte, bei denen, wie bei anderen Druckschriften auch, davon auszugehen ist, dass sie im unmittelbaren Anschluss nach ihrer Herstellung verteilt zu werden pflegen, was die Annahme rechtfertigt, dass der auf der Druckschrift angegebene Zeitpunkt mit dem der öffentlichen Zugänglichkeit identisch ist. Etwas anderes gilt dann, wenn die konkreten Umstände des Einzelfalls zu Zweifeln Anlass geben. Auch wer sich im Rahmen eines Neuheitsangriffs auf eine eigene Beschreibung, etwa in einem Prospekt bezieht, muss dessen öffentliche Zugänglichkeit nachweisen, das heißt darlegen und beweisen (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 8. Auflage § 3 Rz. 45).

Dieser Nachweis kann im Rahmen des Verletzungsverfahrens - wie bei einer mündlichen Beschreibung oder einer offenkundigen Vorbenutzung - nur durch eine lückenlose Kette liquider Beweismittel geführt werden, das heißt insbesondere durch die Vorlage von Urkunden. Sofern der Beweisführer zumindest in Teilen auch auf einen Zeugenbeweis angewiesen ist, bleibt sein Aussetzungsantrag ohne Erfolg (vgl. zur gleichgelagerten Anforderung an Beweismittel für eine offenkundige Vorbenutzung, Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Auflage, Rz. 1591). Es ist nicht Sache des Verletzungsgerichts, eine im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens durch das Nichtigkeitsgericht vorzunehmende Beweisaufnahme und -würdigung zu antizipieren.

Bei Anwendung der skizzierten Grundsätze auf den vorliegenden Fall lässt sich eine Vorveröffentlichung der Entgegenhaltung X mit den im Rahmen der Aussetzungsentscheidung zur Verfügung stehenden Mitteln nicht feststellen.

Was die Tatsache und den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entgegenhaltung betrifft, hat die Beklagte zwar vorgetragen, dass das aus zwei Seiten bestehende Dokument während des Jahres 1995 in mehreren tausend Exemplaren gedruckt und an bestehende Kunden der X GmbH und der X GmbH (nachfolgend gemeinsam: die "X") versandt worden sei. Insbesondere seien 250 Exemplare mit Schreiben vom 26.04.1995 (Anlage B&B 8) verbunden mit der Bitte, diese zur Weitergabe von Informationen über weiße LEDs an Kunden zu verwenden, an Herrn X von der X Inc. aus Philadelphia, USA übergeben worden. Ein weiteres Exemplar sei an Herrn X von der X GmbH aus Wuppertal mit Schreiben von 28.09.1995 (Anlage B&B 10) versandt worden.

Allerdings hat die Klägerin den Druck der Entgegenhaltung vor dem Prioritätstag des Klagepatents, die Authentizität der als Anlagen zur Akte gereichten Kopie der Entgegenhaltung (Anlage B&B 6), des Datenblattes des in dieser in Bezug genommenen Leuchtstoffes L 175 der Firma X (Anlage B&B 4) und der Schreiben gemäß B&B 8 und B&B 10 ebenso wie die von der Beklagten behauptete Verteilung und öffentliche Zugänglichkeit der Entgegenhaltung X insgesamt bestritten, woraufhin die Nichtigkeitsklägerin im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens, abgesehen von der Ankündigung der Vorlage der Originale, keinen Beweis für eine öffentliche Zugänglichkeit der Entgegenhaltung vor dem für den Zeitraum der Anmeldung maßgeblichen Tag angeboten hat.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht in hohem Maße wahrscheinlich, dass die Durchführung einer Beweisaufnahme im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens zu einem für die Beklagte günstigen Ergebnis, das heißt der Feststellung einer Vorveröffentlichung des in Frage stehenden Dokuments, führen würde. Denn allein aus der Betrachtung des in Kopie als Anlage B&B 6 vorgelegten Werbeflyers lässt sich auch in Zusammenhang mit den Schreiben an die X Inc. (Anlage B&B 8) und an die X GmbH (Anlage B&B 10) einschließlich der Lagerentnahmeliste gemäß Anlage B&B 9 nicht erkennen, dass ein unbegrenzter Personenkreis tatsächlich die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte.

Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung des aus der Anlage B&B 6 ersichtlichen Eingangsstempels ("02.10.1995), weil sich aus diesem ein mit den X nicht identischer Dritter als Verwender nicht erkennen lässt.

Die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch einen Dritten lässt sich auch nicht aus dem Vermerk "Ware erhalten, Datum 26.04.95, gez.: X" auf der als Anlage B&B 8 vorgelegten Kopie eines Lieferscheins der X GmbH hinreichend erkennen, weil diesem eine ausdrückliche Bezugnahme auf die angeblich mit der Lieferung von 5 Produkten der Typenbezeichnung X, Farbe weiß - konvertiert" zugleich erfolgte Übergabe von 250 Stück Informationsdatenblättern nicht entnommen werden kann. Insofern kommt es bereits nicht darauf an, ob - wie die Klägerin behauptet - die bestrittene Übergabe nur einen firmeninternen Vorgang darstellen würde und damit ohnehin keine Möglichkeit einer öffentlichen Kenntnisnahme eröffnete.

Auch dem entsprechenden Vermerk in der von der X GmbH stammenden Lagerentnahmeliste vom 24.04.1995 (Anlage B&B 9) lässt sich nicht entnehmen, dass die Möglichkeit einer Kenntnisnahme für die X Inc. tatsächlich bestand, weil aus diesem Dokument allein weder folgt, dass es sich bei den entnommenen Datenblättern "X" tatsächlich um Exemplare des als Entgegenhaltung X in das vorliegende Verfahren eingeführten Datenblattes gehandelt hat, noch, dass solche tatsächlich die X Inc. erreicht haben.

Das gleiche gilt schließlich für die als Anlage B&B 10 vorgelegte Kopie eines Schreibens an die X GmbH vom 28.09.1995, das Bezug auf einen angeblich beigefügten Flyer aus dem Februar 1995 nimmt. Insoweit ist unklar, ob es sich bei dem in diesem Schreiben in Bezug genommenen Flyer tatsächlich um die als Anlage B&B 6 vorgelegte Entgegenhaltung X handelt und falls ja, ob dieser tatsächlich bei seinem Empfänger angekommen ist. Auch dahingehend stellt sich daher bereits nicht die Frage, ob eine öffentliche Zugänglichkeit gegebenenfalls auch deshalb zu verneinen wäre, weil die X GmbH als potentielle Kundin und Empfängerin von Mustern eines als vollkommen neuartig zu betrachtenden Produktes der X nicht davon ausgehen konnte, zu einer beliebigen Vervielfältigung oder Weitergabe der erhaltenen Informationen an Dritte berechtigt zu sein und die Beklagte ihrer Darlegungs- und Beweislast für einen anders lautenden Vortrag genügt hat (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 8. Auflage, § 3 Rz. 31, 34).

c)

Die vorstehenden Überlegungen gelten gleichermaßen für die von der Beklagten behauptete Vorwegnahme der Lehre des Klagepatents durch die der Entgegenhaltung X inhaltlich weitgehend entsprechende Entgegenhaltung X, Werbeflyer "Schematische Darstellungen der Lichteinstrahlungen" (vgl. Anlage B&B 11, nachfolgend: X).

Auch insoweit hat die Beklagte nicht unter Vorlage einer lückenlosen Kette liquider Beweismittel dargelegt, dass ein unbegrenzter Personenkreis tatsächlich die Möglichkeit hatte, das Dokument vor dem für das Klagepatent maßgeblichen Prioritätsdatum zur Kenntnis zu nehmen.

Dies lässt sich insbesondere nicht dem Inhalt des, ebenfalls in der Anlage B&B 11 in Kopie zur Akte gereichten, Schreibens der X GmbH vom 22.09.1995 an die Firma X entnehmen, dem nach dem Inhalt des Schreibens zwei verschiedene Datenblätter beigefügt gewesen sein sollen. Auch wenn sich auf dem Schreiben eine Auftragsbestätigung befindet, die mit einem Stempel der X versehen ist, geht hieraus mangels einer konkreten Bezugnahme auf den Erhalt gerade des als Entgegenhaltung X in das vorliegende Verfahren eingeführten Werbeflyers nicht hervor, dass die Möglichkeit einer Kenntnisnahme seines Inhaltes für die X bestand. Auch insoweit kommt es für die Entscheidung über eine Aussetzung der Verhandlung schon nicht darauf an, ob - wovon die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts in ihrer Entscheidung vom 26.02.2007 ausgegangen ist - eine mögliche Übersendung der Entgegenhaltung X zudem unter einer zumindest konkludenten Verschwiegenheitsverpflichtung erfolgt wäre (vgl. Anlage TW 12, Rz. 14).

d)

Eine Aussetzung unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung scheidet bereits deshalb aus, weil sich schon die fachkundig besetzte Einspruchsabteilung - wenn auch argumentativ unter einem anderen Gesichtspunkt - mit dem Vorliegen einer unzulässigen Erweiterung beschäftigt und diese verneint hat.

Wie die Beklagte in der als Bestandteil des Anlagenkonvoluts B&B 1 vorgelegten Eingabe vom 12.10.2012, dort S. 3 unten, selbst ausführt, war dabei auch der hier erhobene Einwand bereits Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Die Einspruchsabteilung hat jedoch gleichwohl nach Rücknahme der Einsprüche offenbar keine Veranlassung gesehen, dazu ausdrücklich Stellung zu nehmen, obwohl sie in ihrer Entscheidung die Schutzfähigkeit des Klagepatents im hier streitgegenständlichen Umfang positiv festgestellt hat. Soweit die Beklagte meint, die Einspruchsabteilung habe lediglich eine "kursorische Entscheidung" getroffen und dabei den erhobenen Einwand der unzulässigen Erweiterung in Bezug auf Merkmal 2.1. übersehen, sind dafür keine Anhaltspunkte ersichtlich. Ebenso erscheint es denkbar und sogar wahrscheinlich, dass die Einspruchsabteilung den Einwand bereits von vornherein als nicht tragfähig angesehen und Ausführungen zu dieser Frage aus diesem Grund für nicht erforderlich gehalten hat.

Im Übrigen lässt sich für die nicht fachkundig besetzte Kammer auch nicht mit der für eine Aussetzung der Verhandlung erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass das Klagepatent tatsächlich, wie von der Beklagten behauptet, auf einer unzulässigen Erweiterung beruht.

Figur 2 der Offenlegungsschrift zeigt in Verbindung mit Abschnitt [X] eine Gestaltung, bei der der Leuchtstoff in der Beschichtung (X) enthalten ist, die wiederum in direktem Kontakt mit der lichtemittierenden Diode (X) steht. In Figur 1 sind zudem zwei Ausführungsbeispiele offenbart, nämlich eines, wo sich der Leuchtstoff in direktem Kontakt mit dem lichtemittierenden Element (X) befindet und eines, wo der Leuchtstoff in der Formmasse (X) und damit in indirektem Kontakt mit dem lichtemittierenden Element (X) steht (vgl. Anlage B&B 13, Abschnitte [X] und [X]).

Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass Patentanspruch 1 dahingehend allgemeiner formuliert ist, dass darunter jeder direkte oder indirekte Kontakt zwischen Leuchtstoff und Diode fällt, so dass es danach nicht erforderlich ist, dass der Leuchtstoff gerade im Überzugmaterial oder im Formstoff enthalten ist. Jedoch sind Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele nicht grundsätzlich unzulässig. Vielmehr ist ein "breit" formulierter Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung als zu der Erfindung gehörend entnehmbar sind (BGH GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentenübertragungseinrichtung). Solche Verallgemeinerungen sind insbesondere dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen sind (vgl. BGH GRUR 2012, 1124, 1128 - Polymerschaum).

Geht man davon aus, lässt sich für die Kammer vor dem Hintergrund, dass sich bereits die sachkundig besetzte Einspruchsabteilung, wenn auch im Schwerpunkt unter einem anderen Aspekt, mit der Frage der unzulässigen Erweiterung befasst hat, jedenfalls nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass das Klagepatent auf einer unzulässigen Erweiterung beruht.

e)

Soweit sich die Beklagte auf die Entgegenhaltungen X und X (264igster Sitzungsbericht des X) beruft, sind diese Schriften als Stand der Technik nur zu berücksichtigen, wenn das Klagepatent die Priorität der auf dem Deckblatt der Klagepatentschrift im Einzelnen genannten Schriften nicht wirksam in Anspruch nimmt.

Bei der Beurteilung dieser Frage hat die Kammer zu berücksichtigten, dass sich die fachkundig besetzte Einspruchsabteilung auch mit der Frage der wirksamen Inanspruchnahme der Priorität auseinandergesetzt hat und zu dem Ergebnis gelangt ist, lediglich für den Leuchtstoff In enthaltende Ausführungsformen sei das Anmeldedatum (29.07.1997) maßgeblich (vgl. Anlage TW 12, S. 13 oben). Dies sei jedoch bei der Entgegenhaltung X ( X im Nichtigkeitsverfahren) nicht der Fall.

Im Übrigen gelten die Ausführungen zur unzulässigen Erweiterung im Wesentlichen entsprechend. Dies gilt insbesondere auch für den Aussetzungsmaßstab. Denn im Rahmen der Aussetzungsentscheidung hat die Kammer eine Prognoseentscheidung über den Ausgang des Nichtigkeitsverfahrens zu treffen. Mit einer Vernichtung des Klagepatents ist jedoch nur dann zu rechnen, wenn die Entgegenhaltungen X und X als Stand der Technik zu berücksichtigen sind. Lässt sich daher - wie hier - für die Kammer die wirksame Inanspruchnahme der Priorität nicht mit hinreichender Sicherheit klären, muss dies zu Lasten der Beklagten gehen. Denn in diesem Fall fehlt es an einer hinreichend gesicherten Prognose, das Klagepatent werde im Nichtigkeitsverfahren vernichtet.

f)

Unter Berücksichtigung des in Bezug auf die fehlende erfinderische Tätigkeit geltenden Aussetzungsmaßstabes kommt eine Aussetzung in Bezug auf die Entgegenhaltung X in Verbindung mit dem Stand der Technik nicht in Betracht.

Denn bei der X handelt es sich um in Abschnitt [X] der Klagepatentbeschreibung ausdrücklich gewürdigten und daher bereits im Erteilungsverfahren durch das fachkundig besetzte Europäische Patentamt berücksichtigten Stand der Technik.

Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer nicht mit der für eine Aussetzung der Verhandlung erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass der Fachmann gleichwohl aufgrund seines allgemeinen Fachwissens diese Entgegenhaltung mit dem in Merkmal 2.2. beanspruchten und nach dem Vortrag der Beklagten im Stand der Technik seit langem bekannten Leuchtstoff kombiniert, ohne in eine stets unzulässige rückschauende Betrachtung zu verfallen.

Dies gilt umso mehr, da sowohl die X, als auch der als Anlagen B&B 22/B&B 22a vorgelegte Aufsatz von Robertson bereits im Einspruchsverfahren vorlagen (dort als Entgegenhaltungen X und X). Gleichwohl ist die Einspruchsabteilung unter Ziffer 14. zu der Auffassung gelangt, der Fachmann werde nur rückblickend einen in einem anderen Zusammenhang offenbarten Leuchtstoff zur Herstellung weiß leuchtender Dioden einsetzen.

Soweit die Beklagte demgegenüber als Anlage B&B 23 einen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vorgelegt hat, in welchem auf Seite 12 ausgeführt wird, dass der Fachmann in anderen Druckschriften eingesetzte Materialien für den Leuchtstoff verwenden würde, kann dahinstehen, ob die zu einem anderen Patent ergangenen Ausführungen überhaupt auf das Klagepatent übertragbar sind. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, lägen der Kammer dann zwei gegensätzliche fachkundige Stellungnahmen vor. Auch in einem derartigen Fall scheidet eine Aussetzung der Verhandlung unter dem Gesichtspunkt der fehlenden erfinderischen Tätigkeit jedoch ohne Weiteres aus.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Hs.) ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1; 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 500.000,- EUR festgesetzt.

Für die Gewährung der beantragten Schriftsatzfrist bestand bereits deshalb keine Veranlassung, weil der Schriftsatz der Klägerin vom 30.07.2013 bereits vor Ablauf der Wochenfrist eingegangen ist. Dass die Beklagte diesen Schriftsatz erst nach Ablauf der Wochenfrist erhalten hätte, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.

Schließlich bestand im Hinblick auf § 296a ZPO auch keine Veranlassung, den Verkündungstermin, wie dies von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angeregt wurde, im Hinblick auf einen möglichen Zwischenbescheid des Bundespatentgerichts deutlich nach hinten zu verlegen. Dies gilt umso mehr, da derzeit weder bekannt ist, wann genau mit einem derartigen Zwischenbescheid zu rechnen ist, noch, zu welchen Fragen das Bundespatentgericht dort tatsächlich Stellung nehmen wird.

Dass die Klägerin demgegenüber, wie von der Beklagten behauptet, das Nichtigkeitsverfahren derart verzögert hätte, dass allein aufgrund dieses Verhaltens bisher keine Stellungnahme des Bundespatentgerichts vorliegt, ist nicht erkennbar.

X X X

Richter am Landgericht Richter Richterin am Landgericht






LG Düsseldorf:
Urteil v. 03.09.2013
Az: 4a O 108/12 U.


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/7080bf69e16f/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_3-September-2013_Az_4a-O-108-12-U




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