Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 12. Juli 2010
Aktenzeichen: AnwZ (B) 74/09

(BGH: Beschluss v. 12.07.2010, Az.: AnwZ (B) 74/09)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. März 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit 1978 im Bezirk der Antragsgegnerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Im Januar 1983 wurde er daneben auch zum Notar bestellt. Mit Bescheid vom 6. September 2007 hat ihn der Präsident des Oberlandesgerichts H. endgültig des Notaramts wegen Vermögensverfalls enthoben. Diesen Bescheid hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 28. Juli 2008 (NotZ 6/08, juris) bestätigt. Mit Bescheid vom 20. Oktober 2008 widerrief die Antragsgegnerin auch seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit welcher dieser die Aufhebung des Widerrufs erreichen möchte.

II.

Das Rechtsmittel ist nach § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F. zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126).

2. Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des Widerrufsbescheids vor.

a) Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Antragsteller in Vermögensverfall. In seinem Beschluss über die endgültige Enthebung des Antragstellers von seinem Amt als Notar vom 28. Juli 2008 (NotZ 6/08, juris) hat der Bundesgerichtshof einen Vermögensverfall unter anderem wegen folgender Verbindlichkeiten angenommen, die der Antragsteller nicht mehr ordnungsgemäß bedienen konnte:

1. Sparkasse M. (Darlehen): 313.982,10 €, 2. Me. : 100.444,84 €, 3. Sparkasse M. (Geschäftskonto): 91.100,40 €.

Die Lage des Antragstellers hatte sich bei Erlass des Widerrufsbescheids am 20. Oktober 2008 nicht verbessert, sondern verschlechtert. Zu diesem Zeitpunkt waren über diese Verbindlichkeiten hinaus noch folgende, in der Forderungsliste der Antragsgegnerin mit den Nummern 40 bis 48 bezeichnete, Zwangsvollstreckungsverfahren gegen den Antragsteller betrieben:

40.-47. Finanzamt I. (zusammen): 52.458,94 €, 48. S. : 7.529,04 €.

Zu Erfüllung dieser Verbindlichkeiten war der Antragsteller nicht in der Lage. Das zeigt, dass die Vermögensverhältnisse des Antragstellers zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geordnet waren. Bei geordneten Vermögensverhältnissen wäre es nicht notwendig gewesen, diese Forderungen zu titulieren und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu ihrer Durchsetzung einzuleiten. Sie wären erfüllt oder vertragsgemäß bedient worden.

b) Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2004, AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511; Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 33/07, juris). Anhaltspunkte dafür, dass dies hier ungeachtet des Vermögensverfalls ausnahmsweise nicht der Fall war, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor.

3. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung des Antragstellers sind auch nicht im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens entfallen.

a) Zwar scheidet nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Widerruf der Zulassung aus, wenn der Widerrufsgrund im Verlauf des Verfahrens entfällt (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150). Das setzt aber voraus, dass der Fortfall des Widerrufsgrunds, hier des Vermögensverfalls, zweifelsfrei nachgewiesen wird (Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083, 2084). Diesen Nachweis hat der Antragsteller nicht geführt.

b) Er hat seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht, wie geboten (Senat, Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 8/07, BRAK-Mitt. 2008, 221 [Ls.] = juris Rdn. 9; Beschl. v. 7. Dezember 2009, AnwZ (B) 111/08, juris Rdn. 8), umfassend dargelegt. Vor allem hat sich seine Lage nicht verbessert, sondern weiter verschlechtert. Es ist dem Antragsteller zwar gelungen, die dem Widerrufsbescheid zugrunde liegende Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger S. zu erfüllen und die Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt I. auf jetzt 10.731,15 € zurückzuführen. Es sind aber zahlreiche neue Verbindlichkeiten aufgelaufen, die der Antragsteller zum Teil erfüllt, zum überwiegenden Teil, nämlich in Höhe von etwa 145.000 € (Nr. 61, 62, 64 bis 67, 78 bis 80, 82, 83 bis 88 der Forderungsaufstellung der Antragsgegnerin) nicht erfüllt oder anders erledigt hat. Einige der Gläubiger haben Haftbefehle gegen den Antragsteller erwirkt. Noch unerledigt sind die Haftbefehle, die die Gläubiger Mei. (Nr. 62), G. Versicherung (Nr. 67), Landwirtschaftliche Alterskasse (Nr. 71) und M. Bank e.G. (Nr. 66, 80) erwirkt haben. Damit wird der weiter verfestigte Vermögensverfall jetzt auch gesetzlich vermutet.

c) Anhaltspunkte dafür, dass die Interessen der Rechtsuchenden nicht mehr gefährdet sein könnten, bestehen nicht. Die Verfestigung des Vermögensverfalls und der Erlass von Haftbefehlen gegen den Antragsteller sprechen im Gegenteil dafür, dass die Gefährdung gestiegen ist.

4. Der Senat konnte in Abwesenheit des Antragstellers entscheiden, da dieser sein Ausbleiben nicht ausreichend entschuldigt hat. Er hat sich zwar auf eine Herzerkrankung berufen und diese auch mit einem amtsärztlichen Attest belegt. Diese hat den Antragsteller aber nicht unerwartet getroffen (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 26. Februar 1996, II ZB 7/95, NJW 1996, 1540, 1541; Beschl. v. 18. September 2008, V ZB 32/08, NJW 2008, 3571, 3572). Nach dem vorgelegten Attest leidet er schon länger an seiner Herzerkrankung. Im Hinblick darauf musste er unter den derzeit gegebenen Witterungsbedingungen mit einer akuten Erkrankung rechnen, zumal er auch schon im Verfahren wegen seiner Amtsenthebung als Notar mehrfach unter Hinweis darauf um Terminsverlegung gebeten hatte, dass ihm wegen der extremen Witterungsbedingungen "Auto- und Zugfahrten" unzumutbar seien. Es oblag ihm daher, für eine Verhinderung an der Wahrnehmung des Verhandlungstermins Vorsorge zu treffen und notfalls einen Vertreter mit der Wahrnehmung des Termins zu beauftragen oder die für den Nachweis einer nachträglichen Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse ohnehin unverzichtbaren schriftlichen Nachweise nicht erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, sondern vorher vorzulegen. Bei allem kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beschwerdeführer vor dem An-

waltsgerichtshof und dem Senat bereits dreimal zuvor krankheitsbedingt kurzfristig Terminen ferngeblieben ist.

Tolksdorf Schmidt-Räntsch Fetzer Wüllrich Braeuer Vorinstanz:

AGH Hamm, Entscheidung vom 20.03.2009 - 1 AGH 103/08 -






BGH:
Beschluss v. 12.07.2010
Az: AnwZ (B) 74/09


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