Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. März 2006
Aktenzeichen: 10 W (pat) 44/02

(BPatG: Beschluss v. 02.03.2006, Az.: 10 W (pat) 44/02)

Tenor

1. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Prüfungsstelle für Klasse G 06 F - vom 11. September 2002 wird aufgehoben.

2. Den Anmeldern wird Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 9. Jahresgebühr gewährt.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Terminal mit Computercode & Telefon für chinesische Schriftzeichen" wurde am 16. März 1993 beim Patentamt eingereicht und befindet sich noch im Prüfungsverfahren.

Mit Bescheid vom 6. August 2001 benachrichtigte das Patentamt gemäß § 17 Abs. 3 PatG die Anmelder, dass die Anmeldung als zurückgenommen gelte, wenn die 9. Jahresgebühr samt Zuschlag nicht innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Monats, in dem diese Benachrichtigung zugestellt worden sei, entrichtet werde. Eine Zahlung erfolgte zunächst nicht.

Am 26. Februar 2002 haben die Anmelder Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 9. Jahresgebühr mit Verspätungszuschlag gestellt. Zur Begründung wird vorgetragen, die anwaltlichen Vertreter hätten den in Taiwan lebenden Anmeldern im August 2001 über die Benachrichtigung berichtet und auf eine Anfrage mit E-Mail vom 20. Dezember 2001 darauf hingewiesen, dass die Frist zur Zahlung der Jahresgebühr nicht verlängerbar sei, und um einen Kostenvorschuss gebeten. Da bis zum 28. Dezember 2001 keinerlei Reaktion erfolgt sei, habe sich Patentanwalt A..., der nicht mehr täglich in der Kanzlei, son- dern gewöhnlich zuhause in B... arbeite, entschlossen, die fälligen Gebühren auszulegen und brieflich einen Verrechnungsscheck an das Patentamt zu senden. Diesen Brief habe er am 28. Dezember 2001 zusammen mit der sich während der Feiertage angesammelten abgehenden Post auf ein Tischchen in der Diele gelegt und seine Frau gebeten, die Post, wenn sie zum Einkaufen fahre, in den Briefkasten zu werfen. Bei ihrer Rückkehr habe er sich vergewissert, dass sie die Post eingeworfen habe. Mitte Januar 2002 sei dieser Brief, zusammen mit einem weiteren, beim Saubermachen unter dem Garderobenschrank in der Diele entdeckt worden, wohin er vielleicht durch einen Windstoß oder die im Haus herumtobenden Enkelkinder gelangt sei. Die 9. Jahresgebühr ist am 28. Februar 2002 nachgezahlt worden.

In der nachgereichten eidesstattlichen Versicherung hat die Ehefrau den vorgetragenen Sachverhalt bestätigt; ihr Mann habe sie am 28. Dezember 2001 nach dem Mittagessen gebeten, die in der Diele bereitliegende Post gleich in den Briefkasten zu werfen, da die Post noch am selben Tag abgehen sollte; sie habe die Postsachen vor der Leerung (15 Uhr) in den Briefkasten geworfen und dies ihrem Mann auf dessen Rückfrage bestätigt.

Die Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 11. September 2002 den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Nachholungsfrist zur Zahlung der 9. Jahresgebühr zurückgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, die übliche Sorgfalt erfordere es, bei fristwahrenden Schriftstücken den Boten auf die Bedeutung des speziellen Briefes hinzuweisen, was im vorliegenden Fall nicht geschehen sei. Das Fehlen einer festen, verlässlichen Büroorganisation im häuslichen Umfeld (insbesondere die Vermischung mit privater, nicht dringlicher Post und die Anwesenheit spielender Kinder) verlange ebenfalls, einen höheren Maßstab an die erforderliche Sorgfalt anzulegen.

Hiergegen wenden sich die Anmelder mit der Beschwerde und tragen zur Begründung vor, der Patentanwalt habe seine Ehefrau ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Post vor der um 15 Uhr erfolgenden Leerung des Briefkastens eingeworfen werden müsse. Er habe also einen einzuhaltenden Termin explizit angegeben und sich außerdem bei seiner Ehefrau nach deren Rückkehr versichert, dass sein Auftrag termingerecht ausgeführt worden sei. Es sei auch nicht einzusehen, wieso die Vermischung mit privater Post einen Mangel an Sorgfalt darstelle, da ja die ganze Post als fristgebunden bezeichnet worden sei.

Die Anmelder beantragen, den Beschluss aufzuheben und Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 9. Jahresgebühr zu gewähren.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Patentanwalt u. a. auf Nachfrage des Gerichts noch vorgetragen, der Platz auf dem Tisch in der Diele, an dem der Brief an das Patentamt, zusammen mit etwa 5 bis 6 anderen Briefen, bis zur Mitnahme durch die Ehefrau abgelegt worden sei, sei in seinem Hause der übliche Platz für abgehende Post. Weder vorher noch nachher sei irgendwann jemals Post dort verloren gegangen. Seine Ehefrau habe mitbekommen, dass er einen Brief an das Patentamt geschrieben habe, weil er diesen nicht wie üblich in seinem häuslichen Arbeitszimmer, sondern im Wohnzimmer mit der Schreibmaschine geschrieben habe, denn der Drucker in seinem Arbeitszimmer habe keine Tinte mehr gehabt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Den Anmeldern kann die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

1. Die Anmelder haben die Frist zur Zahlung der 9. Jahresgebühr versäumt. Diese ist gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 PatG in der hier maßgeblichen, bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung am 31. März 2001 fällig gewesen und konnte bis 31. Mai 2001 zuschlagsfrei gezahlt werden. Da eine Zahlung innerhalb dieser Frist nicht erfolgt ist, hätten die Anmelder die Gebühr mit einem Verspätungszuschlag noch innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Gebührennachricht vom 6. August 2001 zahlen können, § 17 Abs. 3 Satz 3 PatG a. F., also bis zum 31. Dezember 2001. Die Zahlung ist erst am 28. Februar 2002 erfolgt und somit verspätet.

2. Der wegen Versäumung der Zahlungsfrist gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

a. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 123 Abs. 2 PatG sind eingehalten. Der Antrag ist, ausgehend davon, dass erst Mitte Januar 2002 der nicht abgesendete Brief an das Patentamt und damit das Fristversäumnis entdeckt wurde, am 26. Februar 2002 fristgerecht innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden und enthält die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen. Auch die Nachholung der versäumten Handlung, durch die Zahlung der Gebühr am 28. Februar 2002, ist rechtzeitig innerhalb der Antragsfrist erfolgt. Ebenso sind die vorgetragenen Tatsachen glaubhaft gemacht worden.

b. Die Anmelder haben in glaubhafter Weise dargetan, dass die viermonatige Zahlungsfrist ohne Verschulden versäumt worden ist. Es liegt kein den Anmeldern gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden ihres Patentanwalts vor.

Nach dem glaubhaft gemachten Vortrag, an dessen Richtigkeit kein Anhalt zum Zweifel besteht, hat hier der nicht in seiner Kanzlei, sondern zuhause tätige Patentanwalt, um die Frist zu wahren, am Freitag, den 28. Dezember 2001, einen Brief mit einem Verrechnungsscheck über die erforderliche Summe gefertigt, diesen in der Diele seines Hauses bereitgelegt und dann seiner Ehefrau die Anweisung gegeben, die gesamte bereitgelegte Post rechtzeitig vor der Briefkastenleerung um 15 Uhr in den Briefkasten zu werfen. Seine Ehefrau hat ihm auf seine Nachfrage bestätigt, dass sie die Post in den Briefkasten geworfen habe. Damit ist hier der Verfahrensbevollmächtigte seiner Sorgfaltpflicht noch hinreichend nachgekommen.

Da der Patentanwalt seine Ehefrau ersichtlich nur als Botin eingesetzt hat, kommt es auf ein etwaiges Verschulden der Ehefrau nicht an, sondern lediglich darauf, ob ihn selbst bei der Auswahl, Unterweisung oder Überwachung der Hilfsperson ein Verschulden oder sonst ein Organisationsverschulden getroffen hat (vgl Schulte, PatG, 7. Aufl., § 123 Rdn. 83, 84 ff.). Dies ist hier nicht feststellbar. Grundsätzlich darf ein Anwalt mit einfachen Verrichtungen wie dem Einwerfen von Post nicht nur Kanzleiangestellte, sondern auch Familienangehörige betrauen; dafür, dass hier die Ehefrau nicht hätte herangezogen werden dürfen, gibt es keinen Anhalt. Durch die Nachfrage, ob die Post eingeworfen worden ist, hat er auch seiner Pflicht zur Überwachung genügt. Was die Unterweisung anbelangt, so ist es zwar grundsätzlich erforderlich, eine Hilfsperson, falls diese ein fristwahrendes Schriftstück befördern soll, über den drohenden Fristablauf und die Notwendigkeit der Fristwahrung zu unterrichten, wie das Patentamt zutreffend im angefochtenen Beschluss ausgeführt hat. Eine solche Unterrichtung hat hier zwar nicht stattgefunden, dies war aber letztlich nicht ursächlich für die Fristversäumung, denn die Ehefrau hat die bereitgelegte Post tatsächlich in den Briefkasten geworfen und damit der konkreten Einzelanweisung Folge geleistet. Damit, dass von der bereitgelegten Post vor der Mitnahme durch die Ehefrau Briefe weggekommen sind, musste angesichts des Umstandes, dass dies der übliche Platz für abgehende Post war und zuvor noch keine Post dort verloren gegangen ist, nicht gerechnet werden. Die Bereitlegung des für das Patentamt bestimmten Briefes an dieser Stelle kann somit letztlich auch nicht als unsachgemäße Organisation der Postabsendung angesehen werden.

Dass ein Verrechnungsscheck übersandt worden ist, ist im übrigen nicht zu beanstanden, denn bis 31. Dezember 2001 stellte gemäß § 1 Nr. 1b PatGebZV die Zahlung mittels Schecks eine gültige Zahlungsweise dar. Ebenso durfte der Patentanwalt darauf vertrauen, dass der am Freitag eingeworfene Brief bis zum Montag seinen Empfänger erreichen werde (vgl. zu Postlaufzeiten, Schulte, a. a. O., § 123 Rdn. 125: Eingang am nächsten oder übernächsten Zustelltag). Die Fristversäumung war daher im Ergebnis unverschuldet.






BPatG:
Beschluss v. 02.03.2006
Az: 10 W (pat) 44/02


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