Landesarbeitsgericht Nürnberg:
Beschluss vom 22. Oktober 2009
Aktenzeichen: 4 Ta 135/09

(LAG Nürnberg: Beschluss v. 22.10.2009, Az.: 4 Ta 135/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat in seinem Beschluss vom 22. Oktober 2009 entschieden, dass die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 02.09.2009 zurückgewiesen wird. Der Kläger hatte sich mit seiner Kündigungsschutzklage gegen eine ordentliche Arbeitgeberkündigung zum 31.10.2009 gewandt. Im Rahmen einer Klageerweiterung wurde zusätzlich eine weitere ordentliche Arbeitgeberkündigung zum 31.12.2009 angegriffen. Um den Rechtsstreit beizulegen, haben die Parteien einen Vergleich geschlossen. Der Vergleich regelt unter anderem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die Freistellung des Klägers von der Arbeitsleistung, die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses und die Zahlung einer Abfindung. Das Landesarbeitsgericht hat nun festgestellt, dass das Erstgericht bei der Festsetzung des Streitwertes keinen Ermessensfehler begangen hat und somit die Beschwerde nicht zu begründen ist. Das Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Nürnberg konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine entschieden werden. Es entstanden keine Kosten, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und keine Kostenerstattung stattfindet.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LAG Nürnberg: Beschluss v. 22.10.2009, Az: 4 Ta 135/09


Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 02.09.2009, Az.: 8 Ca 4803/09, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der bei der Beklagten seit dem 01.02.1990 gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt EUR 4.000,€ beschäftigte Kläger wandte sich mit seiner Kündigungsschutzklage vom 18.06.2009 gegen eine ordentliche Arbeitgeberkündigung zum 31.10.2009.

Im Wege einer Klageerweiterung wurde von ihm eine weitere ordentliche Arbeitgeberkündigung zum 31.12.2009 angegriffen.

Zur Beilegung des Rechtsstreits haben die Parteien folgenden Vergleich geschlossen:

1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten durch ordentliche, betriebsbedingte und fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 28.05.2009 mit Ablauf des 31.10.2009 beendet werden wird.

2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Kündigung der Beklagten vom 01.07.2009 gegenstandslos ist und beklagtenseits hieraus keine Rechte hergeleitet werden.

3. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Kläger ab 01.08.2009 bis zum 31.10.2009 unter Anrechnung von Urlaubs- und Freizeitansprüchen bei Fortzahlung der vollen vertraglichen Bezüge unwiderruflich von jeder weiteren Arbeitsleistung freigestellt wird.

4. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis des Klägers bis zum Beendigungstermin, den 31.10.2009, ordnungsgemäß abzurechnen und den sich hieraus ergebenden Nettolohn, vorbehaltlich auf Dritte übergegangener Ansprüche, an den Kläger auszubezahlen.

5. Für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 24.000,00 EUR brutto gem. §§ 9, 10 KSchG.

6. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger eine Arbeitsbescheinigung gem. § 312 SGB III entsprechend diesem Vergleich zu erteilen und zuzusenden.

7. Der Kläger ist berechtigt, das Arbeitsverhältnis jederzeit vorzeitig vor dem 31.10.2009, unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist von einer Woche, schriftlich zu beenden. Für diesen Fall der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet sich die Beklagte, für jeden Kalendertag der vorzeitigen Beendigung eine weitere Abfindung in Höhe von 92,00 EUR brutto zu bezahlen.

8. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger mit dessen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen und zu übersenden, das sich auf die Leistungen und das Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt, in dem in der Leistungsbeurteilung "stets zur vollen Zufriedenheit" und in der Verhaltensbeurteilung "jederzeit vorbildlich" bescheinigt wird und das mit der betriebsüblichen Formel des Dankes, des Bedauerns und der Wünsche für die Zukunft schließt.

9. Die Beklagte verpflichtet sich, auf gesondertes Anfordern des Klägers diesem ein wohlwollendes und qualifiziertes Zwischenzeugnis auszustellen und zuzusenden, das sich auf die Leistungen und das Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt und in dem in der Leistungsbeurteilung "stets zur vollen Zufriedenheit" und in der Verhaltensbeurteilung "jederzeit vorbildlich" bescheinigt wird.

10. Der Kläger verpflichtet sich, nach Wirksamwerden des Vergleiches, seinen Arbeitsplatz ordnungsgemäß und unverzüglich zu übergeben, insbesondere sämtliche Passwörter, Identifikationen u. Ä. bekannt zu geben, damit u. a. E-Mails zugänglich werden.

11. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 02.09.2009 einen Streitwert für das Verfahren von EUR 20.000,€ und einen überschießenden Vergleichswert von EUR 4.300,€ festgesetzt.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben gegen den ihnen formlos zugeleiteten Beschluss mit dem am 09.09.2009 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingereichten Schriftsatz vom 06.09.2009 Beschwerde eingelegt. Sie begehren die Festsetzung eines überschießenden Vergleichswertes von EUR 10.000,€.

Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 11.09.2009 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

Bezüglich der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

20Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren und damit auch für die Gebühren des Rechtsanwalts gemäß der §§ 63 Abs. 2 GKG, 32 Abs. 1 RVG festgesetzt worden ist.

Die Streitwertfestsetzung hat auch dann nach den vorstehenden Vorschriften und nicht nach § 33 RVG zu erfolgen, wenn infolge eines Prozessvergleichs Gerichtsgebühren nicht erhoben werden und im Hinblick auf den Inhalt des Prozessvergleichs für ihn ein Mehrwert festzusetzen ist (vgl. hierzu LAG Nürnberg vom 08.12.2008 € 4 Ta 148/08 € n. v.; LAG Hamm vom 30.06.2006 € 6 Ta 136/06 € RVG Report 2006 400; LAG Düsseldorf vom 05.12.2006 € 6 Ta 583/06 € zitiert in Juris; jeweils m. w. N.).

Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt EUR 200,€, denn die Gebührendifferenz beläuft sich hinsichtlich des Vergleichsmehrwerts insgesamt auf EUR 239,90.

Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG.

Den Prozessbevollmächtigten des Klägers steht gem. § 32 Abs. 2 RVG ein eigenes Beschwerderecht zu.

2. Die Beschwerde ist sachlich nicht begründet.

Das Erstgericht hat sein bei der Streitwertfestsetzung gegebenes Ermessen in Bezug auf den Inhalt des abgeschlossenen Vergleiches zumindest hinsichtlich des Gesamtwerts nicht überschritten.

Die im Wege des Vergleichs zusätzlich geregelten Streitpunkte sind mit einem Gesamtbetrag von EUR 4.300,€ ausreichend bewertet.

28a. Das Beschwerdegericht bleibt bei der vom Landesarbeitsgericht Nürnberg in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass die Ermessensentscheidung des Erstgerichts zwar auf Ermessensfehler zu überprüfen ist, dass das Beschwerdegericht aber keine eigene, hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat (so schon Beschluss vom 05.05.1986 € 1 Ta 3/05 € LAGE Nr. 53 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; vom 07.04.1999 € 6 Ta 61/99 € NZA 1999, 840; vom 27.11.2003 € 9 Ta 190/03 € AR-Blattei ES 160.13 Nr. 255; vom 08.12.2008 € 4 Ta 148/08 € n. v.).

b. Das Erstgericht hat für den Bestandsstreit gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG zutreffend den Vierteljahresverdienst des Klägers zugrunde gelegt.

Es hat für die angegriffene weitere Kündigung im Hinblick auf deren Beendigungstermin den maximal ansetzbaren Betrag von zwei zusätzlichen Bruttomonatsgehältern berücksichtigt.

Entsprechend der Regelung in § 42 Abs. 4 Satz 1 letzter Halbsatz GKG ist von dem Verfahrensstreitwert auch die im Vergleich geregelte Abfindung mit erfasst.

c. Für die Ziffern 3, 4 und 10 des Vergleichs hat das Erstgericht zutreffend keinen überschießenden Vergleichswert festgesetzt.

Ausweislich der Verfahrensakte ist nicht ersichtlich, inwiefern durch die Regelungen in den Ziffern 3, 4 und 10 ein konkreter Streit der Parteien über die in obigen Ziffern getroffenen Regelungsinhalte bestanden hat und durch den Inhalt des Vergleiches ein bisher bestandener Streit oder eine Rechtsunsicherheit der Parteien beseitigt worden ist. In solchen Fällen ist es ermessensfehlerfrei, von der Berücksichtigung eines Vergleichsmehrwerts gänzlich abzusehen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz vom 06.05.2008 € 1 Ta 66/08 € zitiert in Juris; LAG Nürnberg vom 27.11.2003 € 9 Ta 154/03 € AR-Blattei ES Nr. 256 zu 160.13). Hiergegen wendet sich auch die Beschwerde nicht.

d. Das Erstgericht hat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens für die Ziffern 6 bis 9 des Vergleichs einen zumindest im Gesamtbetrag nicht zu beanstandenden Wert in Höhe von EUR 4.300,€ festgesetzt.

Zwar hat es sein bei der Streitwertfestsetzung gegebenes Ermessen in Bezug auf den im Vergleich geregelten Zeugnisanspruch nicht fehlerfrei ausgeübt. In Ermangelung eines konkreten Streits der Parteien über den Zeugnisinhalt und einer Festlegung des Zeugnisinhalts im Einzelnen konnte ein überschießender Vergleichswert nur in Höhe des sogenannten Titulierungsinteresses festgesetzt werden. Insoweit kommt im vorliegenden Fall allenfalls ein Betrag von EUR 1.000,€ in Betracht.

36Hinsichtlich des in den Vergleich aufgenommenen Anspruchs auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis hat das Arbeitsgericht bei Ausübung seines Ermessens nicht zwischen dem bloßen Erteilungsanspruch, über den in der Regel kein größerer Streit zwischen den Parteien besteht und dessen Wert sich im Erhalt eines Titels erschöpft, und dem Anspruch auf einen bestimmten Zeugnisinhalt unterschieden. Dies ist jedoch erforderlich, um eine ermessensfehlerfreie Bewertung vornehmen zu können.

Die bloße Erteilung des Arbeitszeugnisses sagt noch nichts über dessen konkreten Inhalt aus. Ist der Arbeitnehmer mit dem Inhalt des Zeugnisses nicht einverstanden, muss er einen den konkreten Zeugnisinhalt betreffenden (Berichtigungs-/Erteilungs-) Anspruch geltend machen. Nur bei diesem aufwendigen Rechtstreit über die einzelnen Zeugnisformulierungen ist es angemessen, ein Bruttomonatseinkommen als Streitwert festzusetzen.

38Dagegen ist es gerechtfertigt, den Erteilungsanspruches, der sich regelmäßig auf das reine Titulierungsinteresse beschränkt, mit 200.€ bis 500,€ € bzw. 10 % eines Monatseinkommens zu bewerten (vgl. LAG Nürnberg v. 13.03.2008 € 6 Ta 57/08 € n. v.; LAG Düsseldorf v. 23.09.2005 € 17 Ta 528/05; LAG Köln v. 22.10.2007 € 2 Ta 279/07; LAG Hamm v. 14.07.2007 € 6 Ta 145/07; LAG Düsseldorf v. 06.07.2006 € 6 Ta 371/06; LAG Sachsen-Anhalt v. 27.09.2005 € 11 Ta 162/05; LAG Nürnberg v. 15.02.2005 € 8 Ta 26/05; LAG Nürnberg v. 19.07.2004 € 6 Ta 60/04; LAG Nürnberg v. 02.12.2003 € 9 Ta 190/03; sämtlich zitiert nach juris; LAG Hamburg v. 12.01.1998 € 4 Ta 28/97 € LAGE § 3 ZPO Nr. 9; LAG Thüringen v. 14.11.2000 € 8 Ta 134/00 € MDR 2001, 538; LAG Hessen v. 09.07.2003 € 15 Ta 123/03 € LAGE § 10 BRAGO Nr. 15, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Das in Ziffer 3 des Vergleiches festgeschriebene Gesamtprädikat für das zu erteilende Arbeitszeugnis gestattet es, einen zusätzlichen an dem bisherigen bloßen Titulierungsinteresse orientierten Wert festzusetzen.

Da wesentliche Inhalte des Zeugnisses im Vergleich nicht ebenfalls festgeschrieben worden sind, muss sich der festzusetzende Wert merklich unterhalb eines Monatsgehaltes bewegen. Die pauschale Festlegung auf ein Gesamtprädikat kann wertmäßig noch nicht einem Streit über wesentliche Inhalte eines qualifizierten Arbeitszeugnisses gleichgesetzt werden.

41Als angemessen erachtet wird ein Betrag in Höhe von 25 % des Bruttomonatseinkommens, da das Gesamtprädikat den Wert eines qualifizierten Arbeitszeugnisses ganz entscheiden prägt und andere Bewertungen im Zeugnis an Relevanz erheblich übersteigt (vgl. LAG Nürnberg v. 07.02.2006 € 9 Ta 252/05 € n. v.; v. 11.12.2008 € 4 Ta 131/08 € n. v.; Sächsisches LAG v. 19.03.2007, LAGE Nr. 3 zu § 33 RVG).

Der für die Zeugniserteilung im vorliegenden Fall angemessene Betrag von EUR 1.000,€ bezieht auch den Anspruch des Klägers auf vorzeitige Erteilung eines Zwischenzeugnisses ein, denn auch diesbezüglich bestand ausweislich der Gerichtsakte kein Streit zwischen den Parteien.

Eine mögliche Korrektur der Entscheidung des Erstgerichts gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG kann deshalb unterbleiben, da die in Ziffer 7 des Vergleichs getroffene Regelung eines jederzeitigen vorherigen Ausscheidens des Klägers unter Verzicht auf die Einhaltung einer Kündigungsfrist zusätzlich mit einem dreiviertel Bruttomonatsgehalt bewertet werden konnte. Im Hinblick auf die geregelte Ankündigungsfrist von einer Woche und die gesetzliche Kündigungsfrist von vier Wochen erscheint dieser Betrag angemessen und ausreichend für die getroffene Regelung im Vergleich.

Der im Vergleich geregelte Anspruch auf eine Arbeitsbescheinigung entsprechend den Regelungen des Vergleiches wurde vom Erstgericht bei einem pauschalen Betrag von EUR 300,€ ausreichend bewertet (vgl. LAG Nürnberg v. 10.06.2005 € 9 Ta 82/05 € n. v.). Dies wird von der Beschwerde auch nicht angegriffen.

III.

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.

Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 68 Abs. 3 GKG.






LAG Nürnberg:
Beschluss v. 22.10.2009
Az: 4 Ta 135/09


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