Amtsgericht Hameln:
Urteil vom 17. Februar 2003
Aktenzeichen: 31 F 391/02

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung iHv. 500,00 € abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beklagte ist vor der Eheschließung des Klägers mit der gesetzlichen Vertreterin der Beklagten geboren worden. Der Kläger hat die Vaterschaft zu der Beklagten in der vor dem Standesamt Hess. Oldendorf erstellten Urkunde vom 01.08.1988 anerkannt. Die gesetzliche Vertreterin der Beklagten hat der Anerkennung in derselben Urkunde zugestimmt.

Die Ehe des Klägers mit der gesetzlichen Vertreterin ist durch Urteil des Amtsgerichts Hameln vom 27.06.1991 € 15 F 15004/91 € geschieden worden. In dem Urteil ist das Sorgerecht für die Beklagte auf deren jetzige gesetzliche Vertreterin übertragen worden.

Etwa im Oktober 2002 bekam der Kläger Zweifel daran, ob er tatsächlich der Vater der Beklagten ist, da diese nach seiner Einschätzung in ihrer Statur und ihrer Gestik sowie im Aussehen starke Ähnlichkeiten mit der Mutter seines ehemaligen Geschäftspartners habe. Der Kläger schickte deshalb zwei Speichelproben, von denen er behauptet, dass diese von ihm und der Beklagten stammten, zur Firma LabTest nach Berlin, um ein DNA-Gutachten erstellen zu lassen. Dieses kam zum Ergebnis, dass eine Vaterschaft des Klägers zur Beklagten ausgeschlossen werden könne.

Weder die Beklagte selbst noch die gesetzliche Vertreterin der Beklagten haben der Begutachtung zugestimmt.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass er nicht der Vater der Beklagten ist.

Die gesetzliche Vertreterin der Beklagten stellt keinen Gegenantrag.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

1. Der Kläger gilt gemäß § 1592 Nr. 2 BGB als Vater des Kindes, weil er die Vaterschaft anerkannt hat.

2. Gemäß §§ 1600, 1600 e Abs. 1, 1589 BGB hat das Gericht auf die erhobene Anfechtungsklage zu entscheiden, ob die Beklagte tatsächlich, also genetisch von dem Kläger abstammt. Hierbei war von § 1600 c Abs. 1 BGB bzw. §§ 1600c Abs. 2, 123, 1600d Abs. 2 BGB auszugehen, wonach zunächst vermutet wird, dass die Beklagte vom Kläger abstammt.

3. Der Kläger hat keine verwertbaren Tatsachen iSv. § 1600b Abs. 1 BGB vorgetragen, die Zweifel an dieser Vermutung begründen.

12a) Es kann dahingestellt bleiben, ob hinreichend dargelegt worden ist, dass als Grundlage des eingereichten anonymen Abstammungsgutachtens tatsächlich Zellmaterial der Parteien verwendet worden ist. Das Gutachten ist nämlich nicht verwertbar, da es rechtswidrig erlangt worden ist.

aa) Es ist anerkannt, dass rechtswidrig erlangte Beweismittel jedenfalls dann im Prozess nicht verwertbar sind, wenn sie unter Verletzung eines Grundrechtes und hier insbesondere des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes erlangt worden sind (BverfGE 34, 245 = NJW 1973, 891 und BGH NJW 1988, 1016 für heimliche Tonbandaufnahmen; BGHSt 19, 325 für Tagebücher und intime Briefe; BGHZ 30, 7; 35, 363 für Fotos; BGH NJW 1995, 1955 für Filmaufnahmen; Zöller, ZPO-Kommentar, 23. Auflage, § 286 Rn. 15b mwN.)

Es ist kein Grund ersichtlich, diesen Grundsatz nicht auf diesen Rechtsstreit zu übertragen, in dem es ähnlich dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nur um die Darlegung des begründeten Anfangsverdachtes und damit um die Ingangsetzung eines Amtsermittlungsverfahrens gem. §§ 640 Abs. 1, 616 ZPO geht. Bei einer Verwertung des Gutachtens käme der Kläger trotz rechtswidrigen Handelns iSv. § 823 Abs. 1 BGB (Allgemeines Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht) bzw. § 823 Abs. 2 BGB iVm. BDSG als Schutzgesetz mittelbar zum Erfolg, da ein vom Gericht in Auftrag gegebenes Gutachten mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei Verwendung desselben Zellmaterials das Ergebnis des Privatgutachtens bestätigen würde.

15bb) Die Einholung und Verwendung des vom Kläger eingereichten Abstammungsgutachtens greift in das aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein, da bei der Untersuchung genetische Daten der Beklagten erhoben worden sind, die zudem Aussagen zu verwandtschaftlichen Beziehungen zulassen (vgl. Reichelt, FamRZ 1991, 1265 ff.; Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745 [1748]).

Ein Eingriff in dieses Recht, welches den Einzelnen vor unbegrenzter Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe von persönlichen Daten schützt (BverfGE 65, 1 [43] = NJW 1984, 419; E 78, 77 [84] = NJW 1988, 2031), ist nur mit Zustimmung der betroffenen Person oder aufgrund von Gesetz (zB. § 372a ZPO für das Vaterschaftsfeststellungsverfahren) oder mit richterlicher Genehmigung (zB. § 81f StPO für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren) möglich.

Eine Zustimmung der Beklagten ist weder vor der Untersuchung noch nachträglich erteilt worden. Da auch die alleinige gesetzliche Vertreterin der Beklagten nicht informiert worden ist oder zugestimmt hat, kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte insoweit bereits einwilligungsfähig ist, was aufgrund ihres Alters allerdings naheliegend ist.

Da für das Vorgehen des Klägers zudem eine gesetzliche Grundlage fehlt, liegt eine Verletzung des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung vor (anders in einem vergleichbaren Fall offenbar OLG Karlsruhe, FamRZ 2003, 52 [53], wobei in dem dortigen Fall allerdings zusätzlich ein anderer Mann konkret als Vater benannt worden ist).

19cc) Eine rechtswidrige Verletzung des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung scheidet auch nicht deshalb aus, weil das Recht des Klägers auf Kenntnis seiner Vaterschaft (vgl. BGH NJW 1999, 1632 [1633]) im Rahmen einer Abwägung überwiegt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob sich eine solche Rechtsposition überhaupt aus Art. 2 Abs. 1 GG oder Art. 6 Abs. 2 GG als Ausfluss des Elternrechtes herleiten lässt. Ein solches Recht würde nämlich jedenfalls nicht überwiegen, da der Gesetzgeber sich bei der letzten Kindschaftsreform im Jahr 1997/1998 nicht dafür entschieden hat, in jedem Fall die Klärung der tatsächlichen genetischen Abstammung eines Kindes zuzulassen. Vielmehr soll das Wohl des Kindes, welches die Möglichkeit umfasst, wie andere in einer Familie aufzuwachsen, weiterhin im Vordergrund stehen und Vorrang vor dem Elternrecht haben (vgl. BGH aaO.; Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745 [1749]). Zwar besteht in diesem Fall, in dem die Eltern geschieden sind und das Kind in der neuen Familie der Mutter lebt, diese Möglichkeit nicht mehr. Maßgeblich sind hier aber nicht nur die äußeren Verhältnisse, sondern die inneren Verbindungen und die mit der Verwandtschaft verbundenen Rechte. Das Kind soll nicht in jedem Fall letztlich (s)einen Vater und gleichzeitig die damit verbundenen Rechte wie Unterhalts- oder Erbschaftsansprüche verlieren.

dd) Da die Einholung und Vorlage des Abstammungsgutachtens durch den Kläger bereits das Persönlichkeitsrecht der Beklagten rechtswidrig verletzt, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Verwertung des Gutachtens zugleich ein rechtswidriger Eingriff in das Sorgerecht der Kindesmutter als €Sonstiges Recht€ iSv. § 823 Abs. 1 BGB oder ein Verstoß gegen §§ 43, 44 BDSG (so Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745 [1749/1750]) entgegensteht.

b) Soweit der Kläger sich auf eine Ähnlichkeit der Beklagten mit der Mutter eines ehemaligen Geschäftspartners beruft, hätte dies im einzelnen näher erläutert werden müssen. Abgesehen davon, dass nicht einmal der Name der Mutter des Geschäftspartners mitgeteilt worden ist, kommt einer Ähnlichkeit von Verwandten 2. Grades nur ein geringe Aussagekraft zu. Außerdem hätte neben der behaupteten Ähnlichkeit dargelegt werden müssen, wieso der Kläger davon ausgeht, dass sein ehemaliger Geschäftspartner in der gesetzlichen Empfängniszeit mit der Mutter der Beklagten Geschlechtsverkehr gehabt haben soll.

c) Der Vortrag der Beklagten, ihre Mutter könne nach so langer Zeit nicht ausschließen, während der gesetzlichen Empfängniszeit noch mit einem anderen Mann Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, begründet ebenfalls nicht den erforderlichen Anfangsverdacht iSv. § 1600b Abs. 1 BGB. Zwar ist der Hinweis auf die fehlende Erinnerung wenig glaubhaft. Es wäre aber erst recht nicht glaubhaft, wenn dies von der Beklagten trotz des Gutachtens bestritten worden wäre. Sie hätte höchstens gar nichts vortragen können. Dies zeigt, dass letztlich auf Umwegen wieder dem Privatgutachten entscheidende Bedeutung zukommt, da die Mutter der Klägerin danach noch mit einem anderen Mann während der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr gehabt haben muss. Diese Bedeutung soll dem Gutachten aber, wie oben dargestellt, wegen dessen rechtswidrigen Erstellung gerade nicht zuteil werden.

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO; 12 Abs. 2 S. 3 GKG.






AG Hameln:
Urteil v. 17.02.2003
Az: 31 F 391/02


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