Oberlandesgericht Celle:
Beschluss vom 29. Dezember 2010
Aktenzeichen: 9 W 136/10

(OLG Celle: Beschluss v. 29.12.2010, Az.: 9 W 136/10)

Nach der Schlussverteilung im Insolvenzverfahren ist eine Fortsetzung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht mehr möglich, selbst wenn die Gesellschaft im Handelsregister noch nicht gelöscht ist.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin vom 30. November 2010 gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Hannover - Registergericht - vom 12. November 2010 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert der Beschwerde: € 50.000.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil das Registergericht die begehrten Eintragungen zu Recht versagt hat.

21. Der Alleingesellschafter der D. GmbH in Auflösung hat am 29. April 2010 beschlossen, die Gesellschaft fortzusetzen. Am 29. Juli 2010 hat er beschlossen, das Stammkapital der Gesellschaft zu erhöhen, die Firma in D. P. GmbH zu ändern, den Sitz von Hx. nach Hy. zu verlegen und den Gegenstand des Unternehmens zu ändern. Über das Vermögen der D. GmbH war zuvor das Insolvenzverfahren eröffnet, welches nach der Beendigung der Schlussverteilung aufgehoben worden ist (§ 200 InsO). Nach der Schlussverteilung ist eine Fortsetzung der nach § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG aufgelösten Gesellschaft grundsätzlich ausgeschlossen, so dass es unerheblich ist, dass die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister noch nicht vollzogen ist (h. M., vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner, GmbHG, § 60 Rn. 76 mit weiteren Nachweisen). Dies folgt einerseits aus dem Gesetzeswortlaut, der nur in zwei Ausnahmefällen die Fortsetzung einer Gesellschaft nach deren Insolvenz zulässt, nämlich bei der Einstellung des Insolvenzverfahrens auf Antrag des Schuldners oder der Bestätigung eines Insolvenzplanes, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Es ist auch auf die vergleichbare Regelung des § 274 Abs. 1 S. 1 AktG für die Aktiengesellschaft zu verweisen, nach der ein Fortsetzungsbeschluss bereits dann nicht mehr wirksam getroffen werden kann, wenn mit der Vermögensverteilung begonnen worden ist. Hier ist diese sogar - auch der Sicht des Insolvenzverfahrens - bereits abgeschlossen. Diese Zäsur der Vermögensverteilung ist so bedeutsam und erweckt den Anschein der Beendigung, dass eine Fortsetzung der Gesellschaft durch schlichten Fortsetzungsbeschluss und dessen Eintragung ohne die bei einer wirtschaftlichen Neugründung erforderliche Registerkontrolle nach §§ 7,8 GmbHG nicht möglich ist (vgl. im Ergebnis ebenso für die Aktiengesellschaft Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 274 Rn. 6). Etwas anderes kann auch nicht aus der Regelung des § 394 Abs. 1 S. 2 FamFG abgeleitet werden, die nur die Voraussetzungen der Löschung der Gesellschaft von Amts wegen betrifft, nicht aber die Frage einer Fortsetzungsfähigkeit der Gesellschaft.

Dafür, dass auch der Gesetzgeber grundsätzlich von der Unzulässigkeit der Fortsetzung nach Insolvenz ausgegangen sein dürfte, spricht auch, dass gesetzliche Regelungen z. B. darüber, ob das im Normalfall aufgezehrte Stammkapital nochmals einzuzahlen ist und ob und ggf. wodurch die Befriedigung der im Insolvenzverfahren ungedeckt gebliebenen Gläubigeransprüche nachgewiesen werden muss, nicht getroffen wurden.

2. Aber auch materiell-rechtliche Gründe verbieten hier die Fortsetzung der Gesellschaft. Wenn das Insolvenzverfahren nicht eingestellt, sondern nur aufgehoben wird, weil nach der Schlussverteilung durch den Insolvenzverwalter davon ausgegangen wird, dass das Gesellschaftsvermögen vollständig verteilt und kein Restbestand mehr vorhanden ist, scheidet eine Fortsetzung aus, weil zuvor bereits eine faktische "Beendigung" infolge der vollständigen Verteilung des Gesellschaftsvermögens erfolgt ist und kein Bedürfnis dafür besteht, die Fortsetzung einer Gesellschaft zuzulassen, deren Gesellschafter ein Insolvenzverfahren mit einem negativen Ende nicht verhindert haben. Könnte eine solche Gesellschaft fortgesetzt werden und sogar, wie hier von der Antragstellerin begehrt, die Eintragung der Kapitalerhöhung von € 25.600 auf € 50.600 (bei Einzahlung von nur 25.000,00 €) im Handelsregister erreicht werden, käme es zu einer mit dem Schutzbedürfnis der Gesellschaftsgläubiger unvereinbaren Irreführung. Das ursprüngliche Stammkapital ist nicht mehr vorhanden. Im Fall einer Fortsetzung der Gesellschaft könnten alle Gläubiger, deren Forderungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens unbefriedigt geblieben sind, ihre Ansprüche weiterhin aus dem Vermögen der Gesellschaft, insbesondere auch dem neu eingezahlten Kapital, befriedigen. Dadurch dürfte das Stammkapital von vornherein angegriffen sein, so dass - entgegen dem durch die begehrte Handelsregistereintragung erweckten Eindruck - tatsächlich das Stammkapital in Gänze als freies Vermögen für Neugläubiger nicht zur Verfügung stehen dürfte. Ggf. könnte auch sogleich Insolvenzreife gegeben sein.

3. Die Frage, ob ausnahmsweise eine Fortsetzung in Betracht kommen könnte, wenn nachgewiesen wäre, dass sämtliche Gläubiger der Gesellschaft, deren Forderungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens zur Insolvenztabelle festgestellt worden sind, vollständig befriedigt worden sind und darüber hinaus belegt wäre, dass sowohl das anfängliche Stammkapital von € 25.600 als auch der Betrag der Kapitalerhöhung von € 25.600 (nur dann könnte die Einragung eines Stammkapitals von € 50.000 gerechtfertigt sein) eingezahlt und zur freien Verfügung des Geschäftsführers stehen, muss hier nicht entschieden werden. Dass dies der Fall wäre, ist nämlich nicht erkennbar.

4. Das nach dem Vortrag der Antragstellerin bei der Gesellschaft weiterhin vorhandene Kapital ist ggf. von Amts wegen gemäß § 203 InsO im Wege der Nachtragsverteilung an die Gesellschaftsgläubiger auszukehren. Dafür bedarf es einer Fortsetzung der Gesellschaft aber nicht.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 131 c KostO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes der Beschwerde beruht auf § 41a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 KostO.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 FamFG) liegen nicht vor.






OLG Celle:
Beschluss v. 29.12.2010
Az: 9 W 136/10


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