Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg:
Urteil vom 7. Dezember 2015
Aktenzeichen: 3 Ta 21/15

(LAG Baden-Württemberg: Urteil v. 07.12.2015, Az.: 3 Ta 21/15)

1. Ist ein Nichtabhilfebeschluss im Beschwerdeverfahren fehlerhaft allein vom Vorsitzenden statt von der Kammer erlassen worden, so ist auch im Rechtswegsbestimmungsverfahren nach § 48 Abs. 1 ArbGG iVm. § 17 a Abs. 4 GVG eine Zurückverweisung wegen dieses Verfahrensfehlers weder zwingend geboten noch von vornherein ausgeschlossen. Die mit einer Zurückverweisung verbundene Verfahrensverzögerung dürfte es jedoch regelmäßig angezeigt erscheinen lassen, dass das Landesarbeitsgericht selbst eine Sachentscheidung trifft.

2. Eine unerlaubte Handlung steht nur dann iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang, wenn sie zum Arbeitsverhältnis der Parteien in einer inneren Beziehung steht. Eine nur zufällige Beteiligung verschiedener Arbeitnehmer reicht nicht aus.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kn. Aalen - vom 07.05.2015 - 27 Ca 163/14 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

4. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Rahmen einer Klage auf Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für materielle und immaterielle Schäden über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

Der am ...1978 geborene Kläger ist bei der Firma € zu einem durchschnittlichen Netto-Monatslohn von 1.100,- EUR als Gebäudereiniger beschäftigt. Am 17.04.2012 war der Kläger auf dem Gelände der €, die die Firma mit der Fensterreinigung am dortigen Gebäude beauftragt hatte, eingesetzt. Der dortige Hallenbereich ist an die Beklagte zu 2, eine Dienstleisterin der €, vermietet. Der Beklagte zu 1 ist bei der Beklagten zu 2 als Gabelstaplerfahrer beschäftigt.

Mit seiner am 29.04.2014 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage nimmt der Kläger die Beklagten zu 1-3 als Gesamtschuldner auf Schmerzensgeld und die Feststellung der Schadensersatzpflicht hinsichtlich sämtlicher materieller und immaterieller Schäden aus einem Unfallereignis vom 17.04.2012 in Anspruch. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er am 17.04.2012 in der auf dem Betriebsgelände der befindlichen Halle, die auch an die Beklagte zu 3 vermietet worden sei, auf einer Leiter in ca. 5 Meter Höhe gestanden habe, um die Fenster zu reinigen. Der Beklagte zu 1 sei in der dortigen Halle mit seinem Gabelstapler aus einem Gang ausgefahren, ohne ausreichende Sicht auf die Fahrbahn zu haben, und habe dabei die Leiter, auf der sich der Kläger befand, am linken Leiterfuß erfasst und die Leiter umgestoßen, weshalb der Kläger aus ca. 5 Meter Höhe auf den Betonboden gefallen sei und sich dabei schwer verletzt habe. Damit habe der Beklagte zu 1 in Ausübung seiner Tätigkeit als Gabelstaplerfahrer widerrechtlich den Körper und die Gesundheit des Klägers verletzt und hafte demzufolge nach § 823 BGB. Die Beklagten zu 2 und zu 3 hafteten vollumfänglich als Gesamtschuldnerinnen über ein Auswahl- bzw. Organisationsverschulden, denn sie hätten in der Halle durch geeignete Sicherheitsmaßnahmen für einen risikofreien, vom Gabelstaplerverkehr getrennten Bereich für Fußgänger sorgen müssen. Ein Mitverschulden des Klägers scheide aus.

Die Beklagten haben vorgetragen, dass der Beklagte zu 1 nicht mit dem Gabelstapler gegen den Leiterfuß oder die Leiter gestoßen sei und den Unfall nicht verursacht habe. Das angerufene Gericht sei nicht zuständig, da eine €gemeinsame Betriebsstätte€ nicht vorhanden sei und auch kein gemeinsames Zusammenwirken vorliege.

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger mit Beschluss vom 24.07.2014 unter Beiordnung von Rechtsanwalt € Prozesskostenhilfe bewilligt. Dieser hat am 15.12.2014 die Aufhebung seiner Beiordnung beantragt. Am 18.12.2014 hat Rechtsanwältin € angezeigt, den Kläger künftig zu vertreten.

Das Arbeitsgericht hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07.05.2015, zu der der Kläger mit Rechtsanwältin € erschienen war, mit Beschluss vom selben Tag festgestellt, dass der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit nicht gegeben sei, und den Rechtsstreit an das Landgericht € verwiesen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG gegeben sei. Diese Vorschrift setze voraus, dass es sich um eine Streitigkeit zwischen Arbeitnehmern aus gemeinsamer Arbeit oder aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, handele. Das Merkmal €gemeinsame Arbeit€ setze voraus, dass die Arbeitnehmer beim selben Arbeitgeber beschäftigt seien. Von einer unerlaubten Handlung, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht, könne nur dann ausgegangen werden, wenn zwischen der unerlaubten Handlung und dem Arbeitsverhältnis eine derart nahe Beziehung bestehe, dass die unerlaubte Handlung als eine Eigenart des Arbeitsverhältnisses anzusehen sei und im Arbeitsverhältnis seine Grundlage habe. Davon könne nicht ausgegangen werden, wenn die Arbeitnehmer bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt seien, sich die Arbeitsbereiche der Arbeitnehmer nur zufällig oder äußerlich berührt hätten und die unerlaubte Handlung nicht im Zuge eines Zusammenwirkens geschehen sei. Ausgehend hiervon sei der Rechtsstreit an das zuständige Landgericht zu verweisen.

Rechtsanwalt € sandte das ihm übermittelte Empfangsbekenntnis bezüglich des arbeitsgerichtlichen Beschlusses vom 07.05.2015 unter dem Datum 23.07.2015 an das Arbeitsgericht zurück, versehen mit seiner Unterschrift und dem handschriftlichen Hinweis €Wir vertreten Herrn ... nicht mehr€.

Der Kläger hat am 06.08.2015 gegen den Beschluss vom 07.05.2015 sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht mit allein durch den Kammervorsitzenden erlassenem Beschluss vom 18.08.2015 nicht abgeholfen hat.

Mit seiner Beschwerde trägt der Kläger vor:

Es sei unzutreffend, dass das Merkmal €gemeinsame Arbeit€ voraussetze, dass die Arbeitnehmer beim selben Arbeitgeber beschäftigt sind. Entscheidend sei vielmehr, dass die behauptete unerlaubte Handlung mit dem Arbeitsverhältnis der Parteien derart verknüpft sei, dass sein Bestand wesentlich zu ihrer Begehung beigetragen habe. Somit bestehe die notwendige Verknüpfung zwischen unerlaubter Handlung und dem Arbeitsverhältnis dann, wenn es zu der unerlaubten Handlung nicht gekommen wäre, hätte kein Arbeitsverhältnis bestanden. Dieser notwendige Zusammenhang sei vorliegend gegeben, da es ohne das jeweilige Beschäftigungsverhältnis nicht zu einem Zusammentreffen des Klägers und des Beklagten zu 1 gekommen wäre.

Die Beklagten verteidigen den arbeitsgerichtlichen Beschluss und weisen darauf hin, dass sich die Arbeitsbereiche der Arbeitnehmer nur zufällig oder äußerlich berührt hätten und die unerlaubte Handlung nicht im Zuge eines Zusammenwirkens geschehen sei.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers des Ausgangsverfahrens gegen den Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 07.05.2015 ist statthaft und auch im übrigen zulässig. Über sie hatte gem. § 78 Satz 3 ArbGG der Vorsitzende der Beschwerdekammer allein zu entscheiden. Dies gilt auch für eine Entscheidung nach § 17 a Abs. 4 GVG (BAG 15. März 2011 - 10 AZB 49/10 - BAGE 137, 215). Für die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges verweist § 48 Abs. 1 ArbGG auf die Vorschriften der §§ 17 - 17b GVG mit näher geregelten Maßgaben. Gegen einen Beschluss, gleichviel ob er den beschrittenen Rechtsweg für zulässig oder unzulässig erachtet, ist nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Das ist vorliegend die Zivilprozessordnung (§ 78 Satz 1 ArbGG).

Die sofortige Beschwerde des Klägers des Ausgangsverfahrens ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO).

Die zweiwöchige Beschwerdefrist hat der Kläger durch den am 06.08.2015 bei Gericht eingegangenen Beschwerdeschriftsatz gewährt, da der Verweisungsbeschluss vom 07.05.2015 ihm am 23.07.2015 zugestellt wurde. Dies ergibt sich aus dem von Rechtsanwalt € unterzeichneten Empfangsbekenntnis (Bl. 163 d. Akte). Die Zustellung des Beschlusses erfolgte zu Recht gem. § 172 ZPO an Rechtsanwalt € als einen der für den Kläger bestellten Prozessbevollmächtigten. Der von Rechtsanwalt € unter dem Datum 12.12.2014 gestellte Antrag auf Aufhebung seiner Beiordnung im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Relevanz, da ein entsprechender Aufhebungsbeschluss nicht ergangen ist. Dass Rechtsanwalt das ausgefüllte und unterschriebene Empfangsbekenntnis mit dem Hinweis €Wir vertreten Herrn ... nicht mehr€ versehen hat, ändert nichts an dem Umstand, dass der Kläger diese Zustellung gegen sich gelten lassen muss. Rechtsanwalt € hat das Empfangsbekenntnis nicht unausgefüllt mit dem Hinweis, er sei nicht mehr Bevollmächtigter des Klägers, zurückgeschickt, sondern dieses ausgefüllt und unterzeichnet. Deshalb ist davon auszugehen, dass Rechtsanwalt € das Empfangsbekenntnis noch mit Zustellungswillen abgezeichnet hat und dem Gericht nur anzeigen wollte, dass er den Kläger künftig nicht mehr vertrete.

An diesem Ergebnis würde sich im Übrigen auch nichts ändern, wenn man das von Rechtsanwalt € ausgefüllte Empfangsbekenntnis so auslegen würde, dass Rechtsanwalt ... dem Gericht damit nur eine zuvor erfolgte Mandatsbeendigung anzeigen wollte. Denn eine gegenüber dem Gericht angezeigte €Niederlegung€ des Mandats eines im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Anwalts entfaltet keine Wirkung (Vorwerk in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht 2. Aufl. § 48 BRAO Rn. 6). Die gem. § 121 Abs. 1 ZPO erfolgte Anwaltsbeiordnung verpflichtet den Rechtsanwalt, im gerichtlichen Verfahren die Vertretung einer Partei zu übernehmen (§ 48 Abs. 1 Nr.1 BRAO) und steht einer Mandatsniederlegung durch einseitige Erklärung entgegen. Der beigeordnete Rechtsanwalt ist darauf verwiesen, gem. § 48 Abs. 2 BRAO die Aufhebung der Beiordnung zu beantragen, was €wichtige Gründe€ voraussetzt. Da der entsprechende Antrag des Rechtsanwalts € am 23.07.2015 nicht beschieden war, war der Kläger an diesem Tag weiterhin rechtlich wirksam (auch) durch Rechtsanwalt € anwaltlich vertreten (vgl. BVerwG 10. April 2006 - 5 B 87/05 - juris). Haben sich für eine Partei - wie im vorliegenden Fall für den Kläger - mehrere Prozessbevollmächtigte bestellt, so genügt die Zustellung an einen von ihnen (BGH 4. Juni 1992 - IX ZR 149/91 - BGHZ 118, 312, 322).

2. Die Beschwerde ist in der Sache unbegründet.

a) Über die Beschwerde kann in der Sache entschieden werden. Das Verfahren ist nicht wegen eines Mangels der Abhilfeentscheidung an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.

aa) Der Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - ist zwar verfahrensfehlerhaft ergangen, weil er nicht durch die Kammer, sondern durch den Vorsitzenden allein erlassen worden ist. Im Verfahren nach § 48 ArbGG iVm mit § 17 a GVG ist der Beschluss über die Nichtabhilfe genauso wie der Beschluss über die Rechtswegzuständigkeit durch die Kammer zu erlassen (LAG Hessen 15. Februar 2008 - 8 Ta 259/07 - juris; LAG Rheinland-Pfalz 25. Januar 2007 - 11 Ta 10/07 - juris; LAG Berlin 15. Februar 2006 - 13 Ta 170/06 - NZA-RR 2006, 493; LAG Baden-Württemberg 07. August 2002 - 15 Ta 12/02 - juris; Düwell/Lipke/Oesterle ArbGG 3. Aufl. § 78 Rn. 40; ErfK/Koch 16. Aufl. § 78 ArbGG Rn. 6; GMP/Müller-Glöge ArbGG 8. Aufl. § 48 Rn. 84; Schwab/Weth/Schwab ArbGG 4. Aufl. § 78 Rn. 45), denn es handelt sich insoweit um eine neue Sachentscheidung (LAG Bremen 05. Januar 2006 - 3 Ta 69/05 - juris; LAG Hessen 15. Mai 2008 - 20 Ta 80/08 - juris).

bb) Dennoch konnte über die Beschwerde ohne Zurückverweisung in der Sache entschieden werden.

(1) Soweit in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten wird, dass wegen des in der Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden liegenden Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) zwingend eine Zurückverweisung des Rechtsstreits zu erfolgen habe, da es sich um einen in der Beschwerdeinstanz nicht behebbaren Verfahrensmangel handele (so LAG Rheinland-Pfalz 25. Januar 2007 - 11 Ta 10/07 - juris; LAG Schleswig-Holstein 01. Juli 2005 - 2 Ta 160/05 - juris; LAG Baden-Württemberg 07. August 2002 - 15 Ta 12/02 - juris), ist dem im Hinblick auf den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht zu folgen. Gegenstand der Prüfung durch das Beschwerdegericht ist die angefochtene Entscheidung der Kammer und nicht die Nichtabhilfeentscheidung (LAG Hamm 08. September 2011 - 2 Ta 738/10 - juris). Der Sinn des Abhilfeverfahrens nach § 78 Abs. 1 ArbGG iVm § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO besteht darin, dem Ausgangsgericht aus Gründen der Prozessökonomie Gelegenheit zur Selbstkorrektur zu geben. Die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist damit nicht Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren oder für die Beschwerdeentscheidung selbst (LAG Hessen 15. Mai 2008 - 20 Ta 80/08 - juris; LAG Hessen 15. Februar 2008 - 8 Ta 259/07 - juris; LAG Berlin 15. Februar 2006 - 13 Ta 170/06 - NZA-RR 2006, 493).

(2) Auch wenn eine Zurückverweisung an das Arbeitsgericht zwecks erneuter, nunmehr ordnungsgemäßer Beschlussfassung über die Abhilfe bei einem Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters auch im Rechtswegbestimmungsverfahren nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint (a. A. GMP/Müller-Glöge ArbGG 8. Aufl. § 78 Rn. 35; Kalb in Henssler/Willemsen/Kalb Arbeitsrecht Kommentar 6. Aufl. § 78 ArbGG Rn. 26; Ostrowicz in Ostrowicz/Künzl/Scholz Handbuch des arbeitsgerichtlichen Verfahrens 5. Aufl. Rn. 653 jeweils unter Verweis auf den Beschluss des BAG vom 17. Februar 2003 - 5 AZB 37/02 - BAGE 105,1, dem allerdings kein Fall eines Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter zugrunde lag) - § 68 ArbGG findet im Beschwerdeverfahren keine Anwendung (GMP/Müller-Glöge ArbGG 8. Aufl. § 78 Rn. 35) - dürfte doch die mit einer Zurückverweisung verbundene Verfahrensverzögerung es regelmäßig und so auch im vorliegenden Fall im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung angezeigt erscheinen lassen, dass das Landesarbeitsgericht selbst eine Sachentscheidung trifft (vgl. ErfK/Koch 16. Aufl. § 78 ArbGG Rn. 6).

b) Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit zu Recht an das gemäß § 32 ZPO, §§ 23 Nr. 1,71 Abs. 1 GVG zuständige Landgericht verwiesen, weil der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet ist.

aa) Der Kläger hat geltend gemacht, dass sich im Hinblick auf die gegen den Beklagten zu 1 erhobene Klage die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts aus § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG ergebe. Wäre dies zutreffend, so wäre das Arbeitsgericht auch für die gegen die Beklagten zu 2 und 3 erhobenen Klagen rechtswegzuständig, da die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 ArbGG zweifellos vorliegen würden. Die in § 2 Abs. 3 ArbGG geregelte Zuständigkeit ist eine fakultative, der Anspruchsberechtigte kann frei entscheiden, ob er den in die Zuständigkeit des ordentlichen Gerichts gehörende Streitgegenstand vor das Arbeitsgericht bringen will oder nicht, und die rechtliche Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht damit gegebenenfalls auch auf Dritte ausdehnen (GK-ArbGG Schütz § 2 Rn. 204 f).

bb) Die Rechtswegszuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen scheitert aber daran, dass bezüglich der gegen den Beklagten zu 1 erhobenen Klage die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG nicht vorliegen.

(1) § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG regelt die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern aus gemeinsamer Arbeit und aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen.

(2) Diese Voraussetzungen sind im zu entscheidenden Fall nicht gegeben.

Eine gemeinsame Arbeitsleistung des Klägers und des Beklagten zu 1 lag offensichtlich nicht vor und wird vom Kläger auch nicht behauptet.

Entgegen dessen Auffassung steht die seinem Vortrag nach vom Beklagten zu 1 am 17. April 2012 ihm gegenüber begangene unerlaubte Handlung aber nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, weshalb auch die zweite in § 9 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG geregelte Variante für eine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht gegeben ist. Denn diese setzt voraus, dass die unerlaubte Handlung zu dem Arbeitsverhältnis der Parteien in einer inneren Beziehung steht, dass sie in der besonderen Eigenart des Arbeitsverhältnisses und den ihm eigentümlichen Reibungen und Berührungspunkten wurzelt (BAG 11. Juli 1995 - 5 AS 13/95 - AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 32 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 30 = NZA 1996, 951; BGH 07. Februar 1958 - VI ZR 49/57 - AP ArbGG 1953 § 2 Nr. 48 = BB 1958, 306). Die unerlaubte Handlung muss als eine Eigenart des Arbeitsverhältnisses angesehen werden können und im Arbeitsverhältnis seine Grundlage haben. Bloße Ursächlichkeit im Sinne einer condicio-sine-qua-non genügt hingegen nicht (Natter/Gross/Rieker ArbGG 2. Aufl. § 2 Rn. 51). Nicht erfasst sind danach solche Streitigkeiten, an denen nur zufällig verschiedene Arbeitnehmer beteiligt sind (GK-ArbGG/Schütz § 2 Rn. 184a). Es reicht nicht aus, wenn sich die Arbeitsbereiche der bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmer zufällig berühren (Schwab/Weth/Walker ArbGG 4. Aufl. § 2 Rn. 181). Auch nach dem Vortrag des Klägers trafen er und der Beklagte zu 1 am 17. April 2012 in der Halle auf dem Betriebsgelände der zwar im Rahmen der Ausübung ihrer Arbeitstätigkeit für ihre jeweilige Arbeitgeberin, aber ansonsten zufällig aufeinander. Sie waren lediglich gleichzeitig in derselben Halle tätig, ohne, wie in einem vom Oberlandesgericht Karlsruhe entschiedenen Fall (OLG Karlsruhe 21. Januar 1994 - 18a W 38/93 - NJW-RR 1995, 64), bei der Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen oder in anderer Weise zusammengewirkt zu haben. Dies reicht für eine Begründung der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nicht aus (vgl. OLG Oldenburg 15. September 1998 - 5 W 160/98 - MDR 1999, 239; dem zustimmend GK-ArbGG/Schütz § 2 Rn. 184; Kissel/Mayer GVG 7. Aufl. § 13 Rn. 185). Der Rechtsstreit erfordert kein Eingehen auf spezifische Fragen der Arbeitsverhältnisse der Parteien, weshalb kein innerer Grund gegeben ist, der eine Entscheidung durch die Arbeitsgerichte notwendig oder auch nur zweckmäßig erscheinen ließe (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH 07. Februar 1958 aaO.; OLG Oldenburg 15. September 1998 aaO.).

III.

1. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens zu tragen.

2. Für die Kostenberechnung ist der Streitwert des Beschwerdeverfahrens maßgebend. Da in der Hauptsache selbst keine Entscheidung getroffen wird, ist der Streitwert im Rechtswegsbestimmungsverfahren regelmäßig niedriger als der Wert der Hauptsache festzusetzen. Angemessen erscheint ein Drittel des Streitwertes für das Gesamtverfahren (GMP/Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 48 Rn. 132; Schwab/Weth/Walker ArbGG 4. Aufl. § 48 Rn. 67), den das Beschwerdegericht auf 150.000,00 Euro geschätzt hat.

3. Gegen diesen Beschluss findet gem. §§ 78 Abs. 2, 72 Abs. 2 ArbGG iVm. § 17a Abs. 4 Satz 4 und Satz 5 GVG die weitere sofortige Beschwerde statt. Diese wird zugelassen, da der Rechtsfrage, ob bei unterbliebener Beteiligung der ehrenamtlichen Richter an der Nichtabhilfeentscheidung eine Zurückverweisung nach § 572 Abs. 3 ZPO zu erfolgen oder ob das Beschwerdegericht in der Sache zu entscheiden hat, grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Beantwortung dieser Frage ist entscheidungserheblich und kann potenziell auch das Ergebnis in der Sache ändern, weil nicht auszuschließen ist, dass im Fall der Zurückverweisung im Rahmen einer Kammerentscheidung der Beschwerde abgeholfen worden wäre (LAG Hessen 15. Mai 2008 - 20 Ta 80/08 - juris). Sie ist auch klärungsbedürftig, da wie dargelegt zu dieser Rechtsfrage eine uneinheitliche Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte vorliegt und eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der Zurückverweisung im Rechtswegsbestimmungsverfahren wegen unterbliebener Beteiligung der ehrenamtlichen Richter am Nichtabhilfebeschluss soweit ersichtlich noch nicht ergangen ist.






LAG Baden-Württemberg:
Urteil v. 07.12.2015
Az: 3 Ta 21/15


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