Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 5. Juni 2008
Aktenzeichen: 4a O 27/07

(LG Düsseldorf: Urteil v. 05.06.2008, Az.: 4a O 27/07)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des je-weils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die US-amerikanische Muttergesellschaft der Klägerin, die X war ursprünglich eingetragene Inhaberin des europäischen Patents X (nachfolgend auch: Klagepatent) betreffend ein mehrschichtiges Verschlusssystem (compositeprelaminated closure tape system). Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung erfolgte in englischer Verfahrenssprache am 14. Januar 1995. Die Erteilung des Klagepatents wurde am 28. Juli 1999 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft. Seit dem 27. April 2007 ist der deutsche Teil des Klagepatents auf die Klägerin, die deutsche Vertriebsgesellschaft der X umgeschrieben. Über die gegen den deutschen Teil des Klagepatents von der Beklagten zu 3) zum Bundespatentgericht erhobene Nichtigkeitsklage vom 10. September 2007 ist bislang noch nicht entschieden worden.

Mit ihrer vorliegenden, unter dem 09. Februar 2007 erhobenen, den Beklagten am 05./06. März 2007 bzw. am 07. Juni 2007 zugestellten Klage nimmt die Klägerin die Beklagten wegen Verletzung des Klagepatents auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie auf Vernichtung patentverletzender Erzeugnisse in Anspruch.

In einem unter anderem von der mit der Beklagten zu 1) verbundenen X angestrengten Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt wurde das Klagepatent mit der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Fassung seines Anspruchs 1 aufrecht erhalten, die gegenüber dem ursprünglich erteilten Klagepatent zwei Zusätze enthält. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung liegt als Anlage K3 (in deutscher Übersetzung als Anlage K3a) vor. Die unter anderem von der X gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingelegte Beschwerde hat die Technische Beschwerdekammer mit Entscheidung vom 03. November 2005 (Anlage K4, deutsche Übersetzung in Anlage K4a) zurückgewiesen und das Klagepatent nach Maßgabe der Formulierung seines Anspruchs 1 durch die Einspruchsabteilung bestätigt.

Der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents lautet in englischer Verfahrenssprache wir folgt:

A prelaminated composite tape from which a composite adhesive closure tape tab (20) for disposable articles can be cut, which comprises a support sheet (21) and a mechanical fastener (30), wherein the support sheet (21) has a fastening surface (22) with a bonding layer (24) and a back side surface (23), whereby a first axial extending section (25) of the support sheet (21) has a patch (26) comprising a mechanical fastener (30) disposed on the bonding layer (24), and a second axial extending section (31) of the support sheet has an exposed bonding layer (24) which is attached to an edge portion (14) of a disposable article (10) in a production process, characterized in that the tape is in a stable roll and the back side surface (23) of the support sheet (21) is provided with means for increasing the static friction of the back side surface (23) to the mechanical fastener (30).

In deutscher Übersetzung gemäß der T3-Schrift (Anlage K2a) hat Anspruch 1 des Klagepatents folgenden Wortlaut:

Vorlaminiertes mehrschichtiges Band, von dem ein mehrschichtiger Klebverschlussbandstreifen (20) für Wegwerfartikel abgeschnitten werden kann, das aufweist:

eine Trägerbahn (21) und einen mechanischen Verschluss (30), wobei die Trägerbahn (21) eine Befestigungsoberfläche (22) mit einer Bindeschicht (24) und eine rückseitige Oberfläche (23) hat, wobei ein erster sich axial erstreckender Abschnitt (25) der Trägerbahn (21) einen Flicken (26) hat, der einen auf der Bindeschicht (24) angeordneten mechanischen Verschluss (30) aufweist, und ein zweiter sich axial erstreckender Abschnitt (31) der Trägerbahn eine freiliegende Bindeschicht (24) hat, die in einem Herstellungsverfahren an einem Randteil (14) eines Wegwerfartikels (10) befestigt wird, dadurch gekennzeichnet, dass das Band in einer stabilen Rolle ist und die rückseitige Oberfläche (23) der Trägerbahn (21) mit einem Mittel zum Erhöhen der Haftreibung zwischen der rückseitigen Oberfläche (23) und dem mechanischen Verschluss (30) versehen ist.

Das in Figur 2 der Klagepatentschrift gezeigte Ausführungsbeispiel illustriert die technische Lehre des Klagepatents in ihren Grundzügen. Die nachfolgend wiedergegebene Figur 2 ist eine schematische Darstellung eines Querschnitts eines Verschlussbandstreifens nach dem Klagepatent, der anspruchsgemäß in Rollenform (vgl. die ebenfalls eingeblendete Figur 13) zur Verfügung gestellt wird.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführerin die Beklagte zu 2) ist, sowie die Beklagte zu 3) haben gemeinsam mit weiteren nationalen X unter anderem gegen die Muttergesellschaft der Klägerin, die X - nicht jedoch gegen die deutsche Klägerin dieses Rechtsstreits - unter dem 22. Dezember 2005 Klage zum Gericht Erster Instanz in Antwerpen/Belgien (Rechtbank van Eerste Aanleg te Antwerpen) erhoben. Mit ihr machen die Beklagten zu 1) und 3) zum einen geltend, der belgische Teil des Klagepatents sei nicht rechtsbeständig. Zum anderen begehren sie die Feststellung, dass eine Reihe von in der dortigen Klageschrift einzeln aufgeführten Film-Laminaten (Filmic Products) und Vlies-Produkten (Non Woven-Products) der Klägerinnen des belgischen Verfahrens unter anderem von dem deutschen Teil des Klagepatents keinen Gebrauch mache. Von den Klägerinnen des belgischen Verfahrens wird dort im Rahmen der negativen Feststellungsklage geltend gemacht, die streitgegenständlichen Produkte, hinsichtlich deren Umfangs auf Seiten 18 und 19 der hiesigen Klageschrift (Bl. 19f. GA) Bezug genommen wird, würden auch in Deutschland angeboten und vertrieben. Diese Produkte werden nachfolgend auch als angegriffene Ausführungsformen bezeichnet.

Mit Urteil vom 17. Januar 2008 hat das Gericht Erster Instanz in Antwerpen seine internationale Zuständigkeit betreffend die Klage auf Feststellung der Nichtverletzung des deutschen Teils des Klagepatents (sowie aller anderen nichtbelgischen Teile) verneint. Gegen dieses erstinstanzliche Urteil haben die Klägerinnen des belgischen Rechtsstreits am 13. Februar 2008 Berufung zum Berufungsgericht von Antwerpen eingelegt, das zur Frage der internationalen Zuständigkeit des belgischen Gerichts Erster Instanz im beschleunigten Verfahren am 22. April 2008 mündlich verhandelt hat. Am 05. Mai 2008 hat das belgische Berufungsgericht die Unzuständigkeit des belgischen Gerichts Erster Instanz bestätigt. Gegen diese Entscheidung stehen den Beteiligten des belgischen Verfahrens Rechtsbehelfe zum belgischen Obersten Gerichtshof zur Verfügung, mit denen eine Verletzung des Rechts sowie Verfahrensfehler gerügt werden können. Die Beklagten haben angekündigt, gegen die am 05. Mai 2008 verkündete Entscheidung des Berufungsgerichts innerhalb der Rechtsmittelfrist von drei Monaten ab Zustellung Revision einzulegen.

Die Beklagten vertreiben nach ihrem eigenen Vortrag im belgischen Verfahren die angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland, wo sie zur Herstellung von Wegwerfartikeln wie Windeln Verwendung finden. Muster von mehrschichtigen Klebeverschlussbandstreifen der angegriffenen Ausführungsformen liegen als Anlagen K8 und K10 (Non-Woven-Produkte, NW- oder Vlies-Produkte; F9765C und als Bestandteil der unter der Bezeichnung "Vibelle" in den Supermärkten von ALDI-Süd vertriebenen Windel) und als Anlage K11 (Film-Produkt Y5454C) vor. Zeichnerische Prinzipdarstellungen dieser drei angegriffenen Ausführungsformen hat die Klägerin als Anlagen K9, K10a und K12 zur Gerichtsakte gereicht.

Die Klägerin behauptet, die ursprüngliche Inhaberin des deutschen Teils des Klagepatents habe diesen mit Wirkung vom 15. Januar 2007 auf sie - die Klägerin - übertragen. Zum Beleg legt sie als Anlage K21 eine Kopie des zwischen ihr und der ursprünglich eingetragenen Patentinhaberin geschlossenen Übertragungsvertrags vor. Die Klägerin hat im Rahmen ihres Rechnungslegungsantrags sowie der beantragten Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten zunächst nur solche Ansprüche geltend gemacht, die ab dem 15. Januar 2007, dem Zeitpunkt des ihrerseits vorgetragenen Erwerbs des deutschen Teils des Klagepatents, bei ihr entstanden seien. Nach Bestreiten ihrer Aktivlegitimation seitens der Beklagten und auf gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung macht die Klägerin Schadensersatz sowie Auskunft und Rechnungslegung erst für den Zeitraum seit dem 27. April 2007, dem Zeitpunkt der Umschreibung des deutschen Teils des Klagepatents auf sie, geltend.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen machten von Anspruch 1 des Klagepatents, auch seinem von den Beklagten im belgischen wie im vorliegenden Verfahren bestrittenen Merkmal 4 (vgl. die in den Entscheidungsgründen wiedergegebene Merkmalsgliederung) wortsinngemäß Gebrauch. Da sämtliche angegriffene Ausführungsformen auf der Rückseite der Trägerbahn einen Rauhigkeitswert (Ra) von zumindest 1,0 µm und mehr zeigten, mithin die zusätzlichen Merkmale der Unteransprüche 2 und 27 verwirklichten, sei auch Merkmal 4 des Klagepatentanspruchs 1 erfüllt. Die im Auftrag der Klägerin ermittelten Rauhigkeitswerte und die Haftreibungskraft (static friction) der Vorder- (PSA) und Rückseiten (LAB) einzelner angegriffener Ausführungsformen, insbesondere der angegriffenen Ausführungsformen Y5454C (Filmprodukt) und F9765C (Vlies-Produkt) sind in Anlage K13 wiedergegeben. Auf diese wird Bezug genommen.

Die Klägerin meint, der Auslegung des Merkmals 4 durch die Technische Beschwerdekammer (Anlagen K4/K4a), wonach die Anwendung eines zusätzlichen Mittels auf der Rückseite des Trägerbandes erforderlich sei, um eine im Vergleich zur Vorderseite des Trägerbandes erhöhte Haftreibung zur Oberfläche des mechanischen Verschlusses zu bewirken, sei unter technischfunktionalen Gesichtspunkten nicht zu folgen. Dies widerspreche zudem der Beschreibung des Klagepatents, wonach das Mittel zur Erhöhung der Haftreibung der rückwärtigen Oberfläche sowohl in deren Beschichtung bestehen als auch in dem Oberflächenmaterial inhärent enthalten sein könne.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten zu verurteilen,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft im Hinblick auf die Beklagte zu 1) an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist,

zu unterlassen,

in der Bundesrepublik Deutschland vorlaminiertes mehrschichtiges Band, von dem ein mehrschichtiger Klebeverschlussbandstreifen für Wegwerfartikel abgeschnitten werden kann, das aufweist:

eine Trägerbahn und einen mechanischen Verschluss, wobei die Trägerbahn eine Befestigungsoberfläche mit einer Bindeschicht und eine rückseitige Oberfläche hat, wobei ein erster sich axial erstreckender Abschnitt der Trägerbahn einen Flicken hat, der einen auf der Bindeschicht angeordneten mechanischen Verschluss aufweist, und ein zweiter sich axial erstreckender Abschnitt der Trägerbahn eine freiliegende Bindeschicht hat, die in einem Herstellungsverfahren an einem Randteil eines Wegwerfartikels befestigt wird,

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei dem das Band in einer stabilen Rolle ist und die rückseitige Oberfläche der Trägerbahn mit einem Mittel zur Erhöhung der Haftreibung zwischen der rückseitigen Oberfläche und dem mechanischen Verschluss versehen ist;

der Klägerin für die Zeit ab dem 27. April 2007 Auskunft über den Vertriebsweg der vorstehend zu I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu erteilen, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschriften gewerblicher Abnehmer oder Auftraggeber;

der Klägerin über den Umfang der zu I. 1. bezeichneten und seit dem 27. April 2007 begangenen Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines gesonderten Verzeichnisses unter Beifügung der Belege, insbesondere unter Angabe

der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie im Hinblick auf erhaltene Lieferungen der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Abschriften der Abnehmer, der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Abschriften der Angebotsempfänger, der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert werden darf, es sei denn, diese könnten ausnahmsweise den vorstehend zu I. 1. genannten Erzeugnissen unmittelbar zugeordnet werden,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob eine bestimmte Lieferung, ein bestimmter Abnehmer, ein bestimmtes Angebot oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter vorstehend zu I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten;

festzustellen, dass die Beklagten gesamtverbindlich verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten und seit dem 27. April 2007 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

hilfsweise: Vollstreckungsschutz.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie rügen die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Düsseldorf und beantragen,

das Verfahren auszusetzen, bis die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz Antwerpen in der Zivilsache Az.: X (welche die Widerklage umgekehrten Rubrums der X einschließt) feststeht,

hilfsweise,

das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des bei dem Gericht erster Instanz Antwerpen anhängigen Rechtsstreits Az.: X(der die Widerklage umgekehrten Rubrums X einschließt) auszusetzen.

Sie beantragen weiter hilfsweise,

den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung der gegen den deutschen Teil des Klagepatents X erhobenen Nichtigkeitsklage auszusetzen,

schließlich hilfsweise: Vollstreckungsschutz.

Die Beklagten sind der Ansicht, der vorliegende Rechtsstreit sei im Hinblick auf die negative Feststellungsklage unter anderem der Beklagten zu 1) und 3), die sich auch auf den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland bezieht, nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO auszusetzen, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts Erster Instanz in Antwerpen feststeht. Hilfsweise sei der Rechtsstreit nach dem Ermessen der Kammer wegen Sachzusammenhangs mit dem belgischen Verfahren nach Art. 28 Abs. 1 EuGVVO bis zu dessen rechtskräftiger Erledigung auszusetzen.

Eine Verletzung des Klagepatents durch die angegriffenen Ausführungsformen liege nicht vor. Diese machten von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch, weil Merkmal 4 des Hauptanspruchs 1 nicht verwirklicht werde. Allein aus einer Überschreitung eines bestimmten Rauhigkeitswertes durch die Rückseite der Trägerbahn könne nicht auf die Verwirklichung des Merkmals 4 geschlossen werden. Mit einem Mittel zum Erhöhen der Haftreibung zwischen rückseitiger Oberfläche der Trägerbahn und dem mechanischen Verschluss sei die Oberfläche anspruchsgemäß nur dann versehen, wenn die modifizierte Rückseite zu dem mechanischen Verschluss eine höhere Haftreibung aufweise als vor der Anwendung des Mittels. Dies erfordere ausgehend von einem bestimmten Trägermaterial eine zusätzliche Maßnahme auf der rückseitigen Oberfläche, die im Vergleich zum vorherigen Zustand die Haftreibung heraufsetze. Aus dem Vorliegen einer stabilen Rolle allein könne daher nicht auf die Verwirklichung des Merkmals 3 geschlossen werden. Bei den angegriffenen Ausführungsformen erhalte die Rolle ihre notwendige Stabilität allein dadurch, dass die Normalkraft, mit der benachbarte Wicklungen aufeinander gehalten werden, erhöht werde. Diese Normalkraft werde durch den Zug, der beim Aufwickeln des Bandes zur Rolle auf das Band ausgeübt wird, so hoch eingestellt, dass die Rollen sowohl im statischen als auch im dynamischen Zustand beim Abwickeln in der Windel-Fertigungslinie stabil sind, ohne dass es der von Merkmal 4 allein beanspruchten Erhöhung der Haftreibung (des Haftreibungskoeffizienten) bedarf, um ein Teleskopieren der Rolle zu verhindern.

Schließlich sei der Verletzungsrechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 3) vom 10. September 2007 (Anlage B1) auszusetzen, weil sich der deutsche Teil des Klagepatents wegen nicht ausreichender Offenbarung der Erfindung, mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als nicht rechtsbeständig erweisen werde.

Die Klägerin tritt den Aussetzungsanträgen entgegen. Im Hinblick auf die beantragte Aussetzung der Verhandlung im vorliegenden Verletzungsrechtsstreit angesichts der in Belgien anhängigen negativen Feststellungsklage vertritt die Klägerin die Ansicht, die Klage in Belgien begründe keine entgegenstehende Rechtshängigkeit in Sinne des Art. 27 EuGVVO. Es seien weder dieselben Parteien beteiligt - die hiesige Klägerin ebenso wenig wie die Beklagte zu 2) - noch sei derselbe Anspruch betroffen. Die Klägerin im vorliegenden Verfahren mache ausschließlich eigene Ansprüche geltend, die unmittelbar in ihrer Person seit dem 15. Januar 2007, dem vorgetragenen Zeitpunkt der materiellen Übertragung des deutschen Teils des Klagepatents auf sie, bzw. spätestens seit der Umschreibung des deutschen Teils des Klagepatents auf sie am 27. April 2007 entstanden und von etwaigen Ansprüchen der vormaligen Inhaberin, der 3M Company, völlig unabhängig seien. Dies entspreche auch der Kammerrechtsprechung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, mangels Benutzung des Klagepatents durch die Beklagten jedoch unbegründet. Eine Aussetzung der Verhandlung ist weder durch Art. 27 EuGVVO geboten noch gemäß Art. 28 EuGVVO nach dem Ermessen der Kammer vorzunehmen. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit §§ 139 Abs. 1 und 2; 140a Abs. 1 Satz 1; 140b Abs. 1 und 2 PatG sowie §§ 242; 259 BGB nicht zu. Bei den angegriffenen Ausführungsformen handelt es sich nicht um Erzeugnisse, die Gegenstand des Klagepatents sind (§ 9 Satz 2 Nr. 1 PatG). Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch, weil sie Merkmal 4 - auch nach dem eigenen Vortrag der Klägerin - nicht verwirklichen.

I. Eine Aussetzung der Verhandlung im Hinblick auf das unter anderem von den Beklagten zu 1) und 3) - nicht jedoch unter Beteiligung der Beklagten zu 2) - gegen die 3M Company vor belgischen Gerichten geführte Verfahren, gerichtet auf Feststellung der Nichtverletzung des deutschen Teils des Klagepatents durch die angegriffenen Ausführungsformen, ist weder nach Art. 27 EuGVVO noch nach Art. 28 EuGVVO veranlasst.

1. Art. 27 Abs. 1 EuGVVO bestimmt, dass, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedsstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden, das später angerufene Gericht das Verfahren vom Amts wegen auszusetzen hat, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht.

Die Vorschrift des Art. 27 EuGVVO findet auch dann Anwendung, wenn sich die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts nach inländischen Zuständigkeitsnormen - wie hier nach Art. 73 § 5 des belgischen Patentgesetzes - richtet. Nach Wortlaut und systematischer Stellung macht Art. 4 Abs. 1 EuGVVO eine Ausnahme nur von dem Zuständigkeitsregime der EuGVVO, beeinträchtigt jedoch die Anwendung der übrigen Vorschriften nicht. Die Art. 27 bis 30 EuGVVO kommen daher auch dann zur Anwendung, wenn sich das konfligierende Verfahren auf einen nationalen Zuständigkeitsgrund stützt (Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Auflage 2006, Art. 4 EuGVVO, Rn. 4 m.w.N.).

Mit seiner Entscheidung vom 05. Mai 2008 hat das Berufungsgericht von Antwerpen die erstinstanzliche Entscheidung, mit der die Unzuständigkeit belgischer Gerichte für den Antrag unter anderem der hiesigen Beklagten zu 1) und 3) auf Feststellung, dass die angegriffenen Ausführungsformen vom deutschen Teil des Klagepatents keinen Gebrauch machen, erklärt wurde, bestätigt. Da gegen diese Berufungsentscheidung noch Rechtsbehelfe möglich sind, die die Beklagten zu 1) und 3) einzulegen angekündigt haben, liegt auch zwischenzeitlich noch keine rechtskräftige Entscheidung über die (Un-) Zuständigkeit belgischer Gerichte vor, die die Aussetzungsfrage obsolet werden ließe.

Gleichwohl sind die Voraussetzungen des Art. 27 Abs. 1 EuGVVO, dass im Erst- und Zweitprozess Klagen wegen "desselben Anspruchs" zwischen "denselben Parteien" anhängig sind, im Streitfall nicht gegeben. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die Klageanträge, wie sie gegen die Beklagte zu 2), die am belgischen Verfahren ohnehin nicht als Partei beteiligt ist, geltend gemacht werden, sondern auch hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 3) als Feststellungsklägerinnen im belgischen Erstprozess.

Die Begriffe "derselbe Anspruch" und "dieselben Parteien" müssen nach der Rechtsprechung des EuGH (NJW 1989, 665, 666 - Gubisch Maschinenfabrik / Palumbo; EuZW 1995, 309ff. - Tatry / Maciej Rataj) autonom begriffen und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Art. 27 EuGVVO (bzw. der Vorgängervorschrift des Art. 21 EuGVÜ) verstanden werden. Die Aussetzungsregelung soll so weit wie möglich von vornherein vermeiden, dass Entscheidungen von Gerichten der Mitgliedstaaten nach Art. 34 Nr. 3 EuGVVO (zuvor Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ) nicht anerkannt werden, weil sie mit einer Entscheidung unvereinbar sind, die zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist. Um dieses Ziel zu erreichen, ist Art. 27 EuGVVO wie zuvor Art. 21 EuGVÜ grundsätzlich weit auszulegen (EuGH, NJW 1992, 3221 - Overseas Union / New Hampshire Insurance). Das bedeutet, dass nicht die formale Identität der Klageanträge entscheidend ist; maßgeblich ist vielmehr, ob im Kern über dieselben Punkte gestritten wird und sich dieselben Parteien, unabhängig von der formalen Parteirolle als Kläger oder Beklagter, gegenüberstehen (EuGH, NJW 1989, 665, 666 - Gubisch Maschinenfabrik / Palumbo). Grundsätzlich liegt daher Anspruchs- und Parteienidentität vor, wenn zwischen denselben Parteien - umgekehrten Rubrums - eine Klage auf Unterlassung und/oder Schadensersatz wegen Patentverletzung sowie eine negative Feststellungsklage wegen Nichtverletzung des Patents erhoben worden sind, vorausgesetzt, es geht in beiden Fällen um ein- und dasselbe nationale Patent bzw. ein- und denselben nationalen Teil eines europäischen Patents und die angegriffene Ausführungsform ist ebenfalls in beiden Fällen identisch (Benkard/Rogge/Grabinski, Patentgesetz/Gebrauchsmustergesetz, 10. Auflage 2006, § 139 PatG, Rn. 101e m.w.N.). Parteienidentität besteht zudem, wenn die negative Feststellungsklage gegen den Patentinhaber gerichtet ist, die Verletzungsklage aber von einem Lizenznehmer in Prozessstandschaft geltend gemacht wird (LG Düsseldorf, GRUR Int. 1998, 804f. - Impfstoff; OLG Düsseldorf, GRUR Int. 2000, 776, 778f. - Impfstoff III).

Diese Konstellation ist jedoch auf den vorliegenden Fall, in dem die Klägerin ausschließlich eigene Ansprüche geltend macht, ohne sich hierfür auf eine Prozessführungsermächtigung der früheren materiellen Rechtsinhaberin oder auf von dieser abgetretene Ansprüche zu berufen, nicht übertragbar. Wenn die Klägerin im Verletzungsprozess mit ihrer Klage lediglich einen solchen Unterlassungsanspruch geltend macht, der sich - bei unterstellter Verletzung des Klagepatents - aus Benutzungshandlungen ergibt, die nach ihrer Eintragung als Inhaberin des Klagepatents begangen worden sind, handelt es sich bei dem klagegegenständlichen Unterlassungsanspruch auch angesichts einer zu einem früheren Zeitpunkt in einem anderen Mitgliedstaat anhängig gemachten negativen Feststellungsklage, die sich auf eine Nichtverletzung des Klagepatents durch dieselben angegriffenen Ausführungsformen bezieht, nicht um denselben Anspruch zwischen denselben Parteien im Sinne des Art. 27 Abs. 1 EuGVVO. Gleiches gilt für im Verletzungsprozess geltend gemachte Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft, Rechnungslegung und Vernichtung wegen Verletzung des Klagepatents, wenn sich diese Ansprüche auf (unterstellte) Verletzungen des Klagepatents stützen, die erst nach dem Zeitpunkt der materiellen Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent bzw. ihrer Registereintragung als Inhaberin des Klagepatents begangen wurden.

Anknüpfungspunkt für die Beurteilung, ob es sich um denselben Anspruch zwischen denselben Parteien im Sinne des Art. 27 Abs. 1 EuGVVO handelt, muss der materielle Anspruch sein, wie er im Erst- und im Zweiprozess geltend gemacht wird. Obschon sich "derselbe Anspruch" vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des Art. 27 Abs. 1 EuGVVO nicht nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff des deutschen Zivilprozessrechts richtet, sondern danach, ob im Kern über dieselben Punkte gestritten wird, kann sich das europäische Recht nicht vollständig von den im Zweit- (d.h. Verletzungs-) Prozess geltend gemachten Ansprüchen loslösen. Es muss vielmehr am konkreten Rechtsschutzbegehren des Klägers im Zweitprozess anknüpfen und dieses in eine Beziehung zum Gegenstand des Erst- (d.h. negativen Feststellungs-) Prozesses setzen. Die Klägerin macht mit ihrer vorliegenden Klage keinerlei Ansprüche aus abgetretenem bzw. übergeleitetem Recht der zuvor eingetragenen Inhaberin des Klagepatents, der X als der Beklagten des belgischen Erstprozesses, geltend. Unterstellt man im vorliegenden Zusammenhang eine Verletzung des Klagepatents durch die Beklagten, so ergibt sich der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch bereits aus (auch über den 26. April 2007 hinaus fortgesetzten) Benutzungshandlungen der Beklagten, die diese nach Umschreibung des Klagepatents auf die Klägerin begangen haben. Bei dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch handelt es sich daher um einen von der vorherigen Rechtsinhaberschaft der X unabhängigen, originär in der Person der Klägerin entstandenen Anspruch, der nicht einmal im Hinblick auf die Wiederholungsgefahr an Verletzungshandlungen vor der Umschreibung anknüpfen muss. Auch die zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellten Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung sowie Vernichtung beziehen sich (nach dem Hinweis der Kammer im Termin, dass für den Zwischenzeitraum vom 15. Januar 2007 bis zum 26. April 2007 die materielle Rechtsinhaberschaft der Klägerin am Klagepatent nicht zweifelsfrei dargetan sein könnte) ausschließlich auf denjenigen Zeitraum, in dem die Klägerin durch ihre Eintragung als Inhaberin des Klagepatents jedenfalls aktivlegitimiert ist. Die Klageansprüche sind daher in vollem Umfang unmittelbar in der Person der Klägerin entstanden und von etwaigen Ansprüchen der zuvor eingetragenen Inhaberin des Klagepatents, der X, unabhängig. Bekräftigt wird diese Unabhängigkeit durch die Überlegung, dass sämtliche Ansprüche, die die Klägerin im vorliegenden Prozess geltend macht, allein auf solchen Benutzungshandlungen der Beklagten gründen können, die diese ab dem 27. April 2007 begangen haben sollen und die nicht mit früheren identisch sein müssen.

Anders als im Beschluss der Kammer vom 27. Februar 1998 (GRUR Int. 1998, 804f. - Impfstoff) hat die Klägerin des vorliegenden Verfahrens nicht zunächst einen fremden Unterlassungsanspruch geltend gemacht, sondern von vornherein einen nach ihrem Klagevortrag eigenen Unterlassungsanspruch. Die in der letzten mündlichen Verhandlung von der Klägerin vorgenommene Beschränkung der Schadensersatz-, Auskunfts- und Vernichtungsansprüche auf Benutzungshandlungen seit dem 27. April 2007 ist lediglich zu dem Zweck erfolgt, eine Aussetzung im Hinblick auf die nicht zweifelsfreie materielle Berechtigung am Klagepatent bereits seit dem 15. Januar 2007 für den Zwischenzeitraum mit Sicherheit zu vermeiden. Dadurch, dass die Klägerin im Verletzungsprozess ausschließlich originär in ihrer Person entstandene Ansprüche geltend macht, unterscheidet sich der vorliegende Fall auch grundlegend von der Konstellation, die dem Vorlagebeschluss des OLG Düsseldorf vom 30. September 1999 (GRUR Int. 2000, 776ff. - Impfstoff III) zugrunde lag. Dort machte die Klägerin aufgrund einer Prozessführungsermächtigung des materiellen Schutzrechtsinhabers dessen (d.h. fremde) Rechte im eigenen Namen geltend, was zu der Vorlagefrage führte, wer als "Partei" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ (nunmehr Art. 27 Abs. 1 EuGVVO) anzusehen ist, wenn der Kläger aufgrund Prozessführungsermächtigung des materiellen Rechtsinhabers dessen (fremde) Ansprüche im eigenen Namen geltend macht. Erst im Verlaufe des der Entscheidung "Impfstoff III" zugrunde liegenden Rechtsstreits war das Klageschutzrecht auf die dortige Klägerin übertragen worden, so dass sie ab einem späteren Zeitpunkt eigene Rechte geltend machen konnte. Wenn das OLG Düsseldorf unter diesen Umständen erwogen hat (vgl. GRUR Int. 2000, 776, 779), der schlichte Gläubigerwechsel könnte die Identität des eingeklagten Anspruchs möglicherweise deshalb nicht berührt haben, weil nach wie vor über nichts anderes als über die Frage zu entscheiden sei, ob das angegriffene Impfstoffpräparat von der technischen Lehre des dortigen Klagepatents Gebrauch macht, ist das auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen. Denn die hiesige Klägerin geht von vornherein ausschließlich aus eigenem Recht gegen die Beklagten vor und macht ausnahmslos solche Ansprüche geltend, die originär in ihrer Person entstanden seien.

Die von Art. 27 Abs. 1 EuGVVO zu vermeidende Gefahr, in verschiedenen Mitgliedstaaten einander widersprechende Entscheidungen über denselben Streitgegenstand zu erhalten, die ein Anerkennungshindernis im Sinne des Art. 34 Nr. 3 EuGVVO zur Folge haben könnten, besteht unter diesen Umständen nicht. Dass Gerichte der Mitgliedstaaten unterschiedliche Auffassungen über den Schutzumfang eines Patents haben und allein deshalb zu unterschiedlichen Ergebnissen in der Frage gelangen können, ob bestimmte Ausführungsformen unter das Patent fallen, stellt für sich genommen noch keinen hinreichenden Grund für eine Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO dar.

2. Die Möglichkeit, dass die belgischen Gerichte - sollten sie anders als bisher geschehen ihre Zuständigkeit bejahen und eine Beurteilung in der Sache vornehmen - im Rahmen der negativen Feststellungsklage den Schutzumfang des Klagepatents anders bestimmen als die Kammer in der vorliegenden Entscheidung, begründet auch noch keinen Zusammenhang im Sinne des Art. 28 Abs. 1 und 3 EuGVVO. Nach Art. 28 Abs. 1 EuGVVO kann, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten im Zusammenhang stehende Klagen anhängig sind, jedes später angerufene Gericht das Verfahren aussetzen. Ein Zusammenhang zwischen verschiedenen Klagen ist gemäß Art. 28 Abs. 3 EuGVVO dann gegeben, wenn zwischen ihnen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin ausschließlich in ihrer Person entstandene Ansprüche geltend macht, ist die Beziehung zwischen dem negativen Feststellungsprozess unter anderem der Beklagten zu 1) und 3) gegen die X vor belgischen Gerichten und dem vorliegenden Verletzungsprozess nicht ausreichend eng, um eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheinen zu lassen. Die einzige Beziehung zwischen beiden Verfahren besteht darin, dass auch die belgischen Gerichte bei einem etwaigen Einstieg in eine Sachprüfung den Schutzumfang des Klagepatents feststellen müssten, um über dessen Verletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen in der Sache befinden zu können. Das Risiko, dass sie dabei zu Ergebnissen gelangen, die von denen der Kammer im vorliegenden Verletzungsprozess abweichen, ist jedoch von beiden Parteien hinzunehmen und rechtfertigt keine Aussetzung.

Die Kammer ist daher bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu einer Entscheidung in der Sache berufen.

II. Das Klagepatent betrifft eine Rolle von vorlaminierten Streifen, von der ein mehrschichtiger Klebverschlussbandstreifen für Wegwerfartikel (wie etwa eine Wegwerfwindel) abgeschnitten werden kann. Die Verschlussbänder dienen dazu, den Wegwerfartikel an seinem Träger in der gewünschten Position zu fixieren. Bei einer Wegwerfwindel geschieht dies etwa dadurch, dass benachbarte Ränder der Windel an jeder Seite benachbart zueinander oder einander überlappend positioniert werden und ein Streifen aus druckempfindlichen Klebeband oder mechanischem Verschlussband an der hinteren Bahn an der zu den beiden Rändern benachbarten Kante festgeklebt wird, was die Windel geschlossen hält (vgl. die Übersetzung der T3-Klagepatentschrift, Anlage K2a, Abschnitt [0002]; weitere Zitate ohne Zusatz beziehen sich auf die Anlage K2a).

Nach der Schilderung der Klagepatentbeschreibung waren im Stand der Technik in Rollenform bekannte Verschlusssystem-Befestigungsvorrichtungen im Allgemeinen Klebebänder (Abschnitt [0004]). Diese haben den Nachteil, dass der Klebstoff mit Körperflüssigkeiten, Puder, Babyöl und Ähnlichem verunreinigt werden kann, was die Haftung des Bandes reduziert. Das Schließen und insbesondere Wiederverschließen der Windel könnte dadurch unwirksam werden, was zu ihrem vorzeitigen Ausfall führe (Abschnitt [0004]).

Vorzugswürdig seien daher Verschlusssysteme, bei denen ein mechanischer Verschluss zum Einsatz kommt, der beispielsweise Haken- und Ösen-, Haken- und Schlaufen- oder Klettverschlussbestandteile aufweist (Abschnitt [0003]). Derartige mechanische Verschlusssysteme haben den Vorteil, dass sie wiederholt zum Öffnen und Wiederverschließen des Wegwerfartikels verwendet werden können, und sind im Stand der Technik bekannt. Als im Ansatzpunkt nachteilig beschreibt es die Klagepatentschrift, dass der Einsatz von mechanischen Verschlüssen in der Praxis die unmittelbare Laminierung aller Verschluss- und Öffnungsbestandteile in der Windel-Fertigungslinie erfordere. Diese unmittelbare Laminierung kompliziere das Herstellungsverfahren für die gewünschten Produkte und verursache mitunter Probleme für die Hersteller (Abschnitt [0003]).

Zudem müssen Wegwerfartikel, insbesondere Wegwerfwindeln, nach den Ausführungen der Klagepatentschrift (Abschnitt [0005]) mit hohen Geschwindigkeiten gefertigt werden, um wirtschaftlich hergestellt werden zu können. Für den Windelhersteller sei es deshalb wünschenswert, eine einzige Rolle mit Verschlussband, die alle notwendigen Elemente in der Form eines Vorlaminats enthält, in der Fertigungslinie verwenden zu können. Bei einer solchen Rolle eines Vorlaminats wird das Verschlussband als ein mehrschichtiges Band (bzw. Verbundband, composite tape) auf die Windel aufgebracht, wobei die Breite der Rolle im Wesentlichen gleich der gewünschten Länge des herzustellenden Windelverschlussstreifens ist. Bei der Windelherstellung wird das Verschlussband in Intervallen, die der Breite des gewünschten Verschlussbandes entsprechen, im rechten Winkel zu den Rändern der Rolle abgetrennt und an einer geeigneten Stelle entlang dem Rand einer Seite der Windel festgeklebt (Abschnitt [0005]).

Vorlaminierte mehrschichtige Rollen mit Verschlussband müssen dieses systematisch und gleichmäßig in Form eines Verschlussstreifens abgeben, um in mechanisierten Herstellungssystemen zuverlässig verwendet werden zu können. Um Probleme bei der Herstellung zu vermeiden, bezeichnet es die Klagepatentschrift als notwendig, dass die Rolle mit Verschlussband stabil ist, was nach Abschnitt [0006] bedeute, dass die Rolle kontinuierlich mit hoher Geschwindigkeit abgewickelt werden kann, so dass ein Verschlussstreifen von ihr abgeschnitten werden kann, ohne dass die Rolle teleskopartig ausfährt. Bei einer Verschlussbandrolle mit einem mechanischen Verschluss bestehen die praktischen Schwierigkeiten insbesondere darin, dass die erhaltene Rolle aufgrund der unterschiedlichen Stärken der Schichten, die den Laminatrücken bilden, instabil und für das Herstellungsverfahren für Wegwerfartikel unmittelbar in der Fertigungslinie ungeeignet sein kann. Deshalb, so stellt die Beschreibung des Klagepatents fest, seien (vorlaminierte) Verschlussstreifenrollen mit mechanischen Verschlussbestandteilen nicht bekannt (vgl. Abschnitt [0006]).

Dem Klagepatent liegt damit die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, eine Rolle eines Verschlussbandes mit mechanischen Verschlussbestandteilen in Gestalt eines Vorlaminats zur Verfügung zu stellen, das alle notwendigen Elemente direkt in der Fertigungslinie enthält und zugleich einwandfrei verarbeitet, insbesondere mit hohen Geschwindigkeiten abgewickelt werden kann. Die Rolle soll geeignet sein, das Verschlussband systematisch und gleichmäßig in Form eines Verschlussstreifens abzugeben und somit in mechanisierten Herstellungssystemen (etwa bei der Windelherstellung) zuverlässig und problemlos verwendet zu werden, was eine hinreichende Stabilität der Rolle voraussetzt.

Eine Lösung dieser Aufgabe stellt Anspruch 1 in der im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren aufrechterhaltenen Fassung dar. In Gestalt einer Merkmalsanalyse lässt sich Anspruch 1 des Klagepatents wie folgt fassen:

Vorlaminiertes mehrschichtiges Band bzw. Verbundband (composite tape),

von dem ein mehrschichtiger Klebverschlussbandstreifen bzw. Verbundklebeverschlussbandstreifen (composite adhesive closure tape tab) (20) für Wegwerfartikel abgeschnitten werden kann,

das aufweist:

eine Trägerbahn (21) und einen mechanischen Verschluss bzw. mechanischen Befestiger (mechanical fastener) (30);

die Trägerbahn (21) hat

eine Befestigungsoberfläche (22) mit einer Bindeschicht (24) und eine rückseitige Oberfläche (23),

wobei sich ein erster (25) und ein zweiter (31) sich axial erstreckender Abschnitt der Trägerbahn (21) vorhanden sind; der erste sich axial erstreckende Abschnitt (25) der Trägerbahn (21) hat einen Flicken (26),

2.3.1 der Flicken (26) weist einen auf der Bindeschicht (24) angeordneten mechanischen Verschluss bzw. mechanischen Befestiger (mechanical fastener) (30) auf;

der zweite sich axial erstreckende Abschnitt (31) der Trägerbahn (21) hat eine freiliegende Bindeschicht (24),

2.4.1 die in einem Herstellungsverfahren an einem Randteil (14) eines Wegwerfartikels (10) befestigt wird;

das Band ist in einer stabilen Rolle und die rückseitige Oberfläche (23) der Trägerbahn (21) ist mit einem Mittel zum Erhöhen der Haftreibung zwischen der rückseitigen Oberfläche (23) und dem mechanischen Verschluss bzw. mechanischen Befestiger (mechanical fastener) (30) versehen.

Die in der vorstehenden Merkmalsgliederung kursiv wiedergegebenen Zusätze mit alternativen Übersetzungen aus dem englischsprachigen Anspruchswortlaut beruhen darauf, dass die Beklagten die deutsche Übersetzung des Klagepatentanspruchs 1 aus seiner verbindlichen und für die Auslegung maßgeblichen englischsprachigen Fassung (Art. 70 Abs. 1 EPÜ) in mehreren Punkten für unzutreffend halten: Der Begriff mechanical fastener (Merkmale 2, 2.3.1 und 4) sei zutreffend nicht mit "mechanischer Verschluss", sondern mit "mechanischer Befestiger" zu übersetzen. Ein composite tape sei kein mehrschichtiges Band, sondern ein Verbundband (Merkmal 1), weshalb composite adhesive closure tape tab (Merkmal 1.1) zutreffend mit Verbundklebeverschlussbandstreifen zu übersetzen sei. Eine abweichende Bedeutung der von ihnen für zutreffend(er) gehaltenen Übersetzung gegenüber der in der T3-Schrift von der Anmelderin gewählten zeigen die Beklagten jedoch nicht auf. Eine solche abweichende Bedeutung ist - ungeachtet des legitimen Interesses an sprachlicher Genauigkeit der Übersetzung - auch nicht ersichtlich. Im vorliegenden Zusammenhang soll daher die Wortwahl der T3-Schrift beibehalten werden.

III. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmalsgruppen 1 und 2 sowie das Merkmal 3 jeweils wortsinngemäß verwirklichen. Die Beklagten bestreiten hingegen - zu Recht - die Verwirklichung des Merkmals 4. Die Klägerin hat vor dem Hintergrund der nach Auffassung der Kammer zutreffenden Auslegung des Klagepatentanspruchs 1 nicht schlüssig dargelegt, dass die rückseitige Oberfläche der Trägerbahn der angegriffenen Ausführungsformen mit einem Mittel zum Erhöhen der Haftreibung zwischen der rückseitigen Oberfläche und dem mechanischen Verschluss versehen ist.

1. Der Zusammenhang zwischen Merkmalen 3 und 4 liegt darin, dass nach der technischen Lehre des Klagepatents das Versehen der rückseitigen Oberfläche mit einem Mittel zum Erhöhen der Haftreibung dieser Oberfläche zum mechanischen Verschluss diejenige Maßnahme ist, die dafür sorgt, dass das Band nach Maßgabe des Merkmals 3 "in einer stabilen Rolle ist". Die Stabilitätsproblematik einer Rolle vorlaminierten mehrschichtigen Bandes mit einem mechanischen Verschluss ergibt sich - wie der Fachmann auf dem Gebiet des Klagepatents unschwer erkennt - daraus, dass das Band im zur Rolle aufgewickelten Zustand nur in Teilbereichen aufeinander liegt, und zwar in den relativ dicken Bereichen, in denen der Flicken (26) mit dem mechanischen Verschluss (30) angeordnet ist. Diese Bereiche machen bei einer Queraufwicklung der späteren Verschlussbandstreifen einen einseitigen Teilbereich der axialen Erstreckung der Rolle aus (vgl. die im Tatbestand wiedergegebenen Figuren 2 und 13 der Klagepatentschrift). Insbesondere aus diesem lediglich axialeinseitigen Aufeinanderliegen resultiert die Gefahr unerwünschten Teleskopierens, also des seitlichen Auseinandergleitens der Rolle. In diesem Kontaktbereich, in dem allein eine erhöhte Haftreibung zwischen der rückseitigen Oberfläche und dem mechanischen Verschluss auf der gegenüberliegenden Seite wirksam werden kann, ist es nach dem der technischen Lehre des Klagepatents zugrunde liegenden Gedanken erforderlich, eine ausreichend große Haftreibung zu vorzusehen, die ein Teleskopieren zu vermeiden vermag.

Beanspruchtes Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist es, die rückseitige Oberfläche mit einem "Mittel zur Erhöhung der Haftreibung" dieser Oberfläche mit dem mechanischen Verschluss zu versehen. Das Mittel als solches ist im Anspruch nicht näher bestimmt. Wie die zur Auslegung heranzuziehende Beschreibung ergibt (vgl. Abschnitt [0024]), kann das Mittel in dem Aufbringen einer Schicht, insbesondere einer rauen Schicht, auf die rückseitige Oberfläche oder auch in einer Bearbeitung der rückseitigen Oberfläche bestehen. Im letztgenannten Fall ist das Mittel als Ergebnis der Oberflächenbearbeitung dem rückseitigen Oberflächenmaterial inhärent. In diesem Sinne können die beanspruchten Mittel, die nützlich sind, um die Haftreibung der rückwärtigen Oberfläche mit dem mechanischen Verschluss zu erhöhen, vielfältig sein (Abschnitt [0024]).

Weder der Anspruch selbst noch die Beschreibung des Klagepatents geben jedoch an, durch welchen (Vergleichs-) Maßstab festgelegt werden kann, ob eine anspruchsgemäße "Erhöhung der Haftreibung" erfolgt ist. Es fehlt an der expliziten Benennung einer Referenz-Haftreibung zur Feststellung der beanspruchten Erhöhung im Klagepatent. Die Klägerin meint, eine solche Erhöhung müsse auch nicht festgestellt werden. Denn unter funktionalen Gesichtspunkten komme es lediglich darauf an, dass die rückseitige Oberfläche eine ausreichend hohe Haftreibung zum mechanischen Verschluss aufweist, die ein Teleskopieren der Rolle verhindert und somit zu einer stabilen Rolle führt, wobei insbesondere die Rauhigkeitswerte von Bedeutung seien. Wie die Unteransprüche 2 und 27 belegten, seien Rauhigkeitswerte von über 1 µm bzw. zwischen 3,5 und 10 µm zu diesem Zweck ausreichend. Schon durch den Nachweis einer (absoluten) Rauhigkeit der rückseitigen Oberfläche eines vorlaminierten mehrschichtigen Bandes mit mechanischem Verschluss von über 1 µm sei der Nachweis einer erhöhten Haftreibung nach Maßgabe des Merkmals 4 geführt. Auf einen Vergleich zwischen der rückseitigen und der gegenüberliegenden (der Befestigungs-) Oberfläche (Merkmal 2.1.1) könne es im technischen Gesamtzusammenhang, den der Inhalt des Klagepatents dem Fachmann vermittelt, bei funktionsorientierter Auslegung nicht ankommen, weil die Befestigungsoberfläche mit dem mechanischen Verschluss überhaupt nicht in Kontakt geraten könne. Auch eines Vergleichs zwischen einem Zustand "vorher" und "nachher" bedürfe es nicht; der Fachmann erkenne, dass es allein darauf ankomme, die interessierenden Materialien in den interessierenden Bereichen, wo sie in Kontakt miteinander kommen, so auszubilden und auszuwählen, dass eine ausreichend hohe Haftreibung besteht. Eine in diesem Sinne "erhöhte", das heißt - nach dem Verständnis der Klägerin - ausreichend hohe Haftreibung könne etwa auch bereits durch die Auswahl eines Materials für die Trägerbahn erzielt werden, das bereits als solches und von vornherein über eine ausreichende Haftreibung zum mechanischen Verschluss verfügt.

In diesem Verständnis der technischen Lehre des Klagepatents ist der Klägerin nicht zu folgen, weil es den Wortsinn der beanspruchten Lehre, der am Anspruchswortlaut seine Grenze findet, überschreitet. Die Kammer versteht das Klagepatent dahin, dass eine Erhöhung der Haftreibung zwischen der rückseitigen Oberfläche und dem mechanischen Verschluss nur dann vorliegt, wenn in dem fertigen Produkt die rückseitige Oberfläche der Trägerbahn eine Haftreibung zum mechanischen Verschluss aufweist, die höher ist als die Haftreibung, die bestünde, wenn die entsprechende Oberfläche der Trägerbahn nicht mit "Mitteln zur Erhöhung der Haftreibung" nach Merkmal 4 versehen worden wäre. Das deckt sich zunächst einmal mit dem Anspruchswortlaut nach Merkmal 4, wonach die Rückseite mit einem Mittel versehen ist. Bereits dies deutet darauf hin, dass mit einer bereits vor Anwendung des Mittels vorhandenen rückseitigen Oberfläche der Trägerbahn "etwas geschehen" sein muss. Merkmal 4 spricht zudem nicht isoliert von einer "erhöhten Haftreibung", worin eine bloße Zustandsbeschreibung gesehen werden könnte, sondern von einen "Mittel zum Erhöhen der Haftreibung" zwischen konkret bezeichneten Oberflächen, was einen Vorgang, eine Entwicklung indiziert. Eine Oberfläche mit einem Mittel zu versehen, bedeutet damit schon nach allgemeinem Begriffsverständnis mehr als die bloße Auswahl eines Materials mit bestimmten Oberflächeneigenschaften.

Ein Widerspruch dieser Auslegung zu Abschnitt [0024] der Klagepatentbeschreibung, wonach die anspruchsgemäßen Mittel in gleicher Weise aus einer Beschichtung der rückwärtigen Oberfläche bestehen oder in dem Oberflächenmaterial inhärent enthalten sein können, ergibt sich nicht. Auch bei einem "inhärent im Oberflächenmaterial enthaltenen" (keineswegs: im Material der Trägerbahn enthaltenen) Mittel zur Erhöhung der Haftreibung lässt sich sinnvollerweise die Frage stellen, wie das Oberflächenmaterial der Trägerbahn ohne die zusätzliche Maßnahme ausgesehen hätte, insbesondere wie hoch die Haftreibung dieser Oberfläche zum mechanischen Verschluss gewesen wäre. Bei der Würdigung der Bedeutung des dem Oberflächenmaterial inhärenten Mittels darf der systematische Zusammenhang des Abschnitts [0024] mit dem vorangehenden Beschreibungsabschnitt nicht ignoriert werden. Abschnitt [0023] nennt grundsätzlich geeignete Verstärkungsmaterialien für Trägerbahnen, darunter unter anderem Vliesstoffe. Die hier erläuterte Auswahl des Materials als solche, eine Auswahl aus einer bekannten Bandbreite von Materialien, stellt offensichtlich noch nicht die Lösung des vom Klagepatent zu lösenden Problems dar, denn bestimmte Materialien für die Trägerbahn verlangt Anspruch 1 ersichtlich nicht. Das Mittel zur Erhöhung der Haftreibung kommt erst dann zum Einsatz, wenn die Entscheidung für ein bestimmtes Material (gegebenenfalls einschließlich einer etwaigen Release-Schicht, wie sie in Abschnitt [0023] angesprochen wird) bereits gefallen ist. Dass das beanspruchte Mittel dann sowohl in einer Beschichtung der rückseitigen Oberfläche bestehen als auch dem Oberflächenmaterial inhärent sein kann (so ausdrücklich Abschnitt [0024]), zeigt lediglich, dass es der technischen Lehre des Klagepatents nicht auf die Beschränkung auf eine bestimmte Art von Mitteln ankommt: Die Erhöhung der Rauhigkeit kann ebenso gut durch Aufbringung einer Schicht auf die rückseitige Oberfläche wie durch eine Bearbeitung dieser Oberfläche erreicht werden. Der von der Klägerin gezogene Rückschluss, dass das Mittel auch bereits und ausschließlich in der Auswahl des Materials für die Trägerbahn liegen könnte, ist jedoch auch angesichts des Abschnitts [0024] nicht gerechtfertigt. Das Mittel nach Merkmal 4 muss daher anspruchsgemäß ausgehend von einem bereits vorliegenden Trägerbahnmaterial die Haftreibung von dessen rückseitiger Oberfläche gegenüber ihrem normalen Zustand erhöhen. Die Auswahl des Materials als solche kann dann aber nicht bereits das beanspruchte Mittel sein.

Der Anspruchswortlaut nach Merkmal 4 stellt durch den Gebrauch des Substantivs "Erhöhung" (increasing) ausdrücklich auf einen Vergleich des durch das Mittel entstandenen (neuen) Zustands mit einem ohne das modifizierende Mittel früher bestehenden (alten) Zustand ab. Der Wortlaut ist insoweit eindeutig und steht einer Auslegung, wonach eine Haftreibung dann "erhöht" sein sollte, wenn sie für das Vorhandensein einer stabilen Rolle nach Merkmal 3 ausreichend ist, unter Berücksichtigung des Gebotes ausreichender Rechtssicherheit, das neben den Schutzinteressen des Anmelders als leitender Auslegungsmaßstab im Rahmen des Art. 69 Abs. 1 EPÜ zu beachten ist (vgl. das Protokoll über die Auslegung des Artikels 69 EPÜ) entgegen.

Für den damit erforderlichen Vergleich der Haftreibungen vor und nach Anwendung des Mittels (jeweils bezogen auf die Haftreibung, die zwischen der rückseitigen Oberfläche und dem mechanischen Verschluss auftritt) kommt es in erster Linie auf die noch mit dem Mittel zu versehende rückseitige Oberfläche an. Da diese nach der Anwendung des Mittels zur Erhöhung der Haftreibung jedoch regelmäßig nicht mehr als Vergleichsmaßstab zur Verfügung steht, kann hilfsweise - gleichsam stellvertretend - als Oberfläche im unveränderten Zustand auch die vorderseitige (Befestigungs-) Oberfläche herangezogen werden, wenn diese nicht ihrerseits in ihrer Haftreibung zum mechanischen Verschluss verändert wurde. Die unbehandelte Befestigungsoberfläche repräsentiert dabei die noch unbehandelte rückseitige Oberfläche, die als solche im Endzustand des patentgemäßen Erzeugnisses, nachdem die Rückseite mit dem Mittel versehen wurde, häufig nicht mehr vorhanden ist.

Einen vernünftigen, das heißt vor allem für den Fachmann nachvollziehbaren und damit ausführbaren Alternativmaßstab zeigt die Klagepatentschrift nicht auf. Als denkbarer Alternativmaßstab für den in Merkmal 4 angelegten Vergleich der Haftreibung böte sich allenfalls die Haftreibung an, die im Stand der Technik bekannte vorlaminierte mehrschichtige Bänder mit mechanischem Verschluss aufgewiesen haben und die nach der Beschreibung des Klagepatents (vgl. Abschnitt [0006]) zu instabilen Rollen geführt haben soll. Ein solcher Vergleich muss jedoch schon deshalb ausscheiden, weil eine Haftreibung nach dem Stand der Technik nirgendwo in der Klagepatentschrift näher definiert ist. Das Klagepatent nennt an keiner Stelle absolute Werte (weder für die Haftreibung noch für eine bestimmte Rauhigkeit der rückseitigen Oberfläche), die nach dem Stand der Technik nicht ausreichend gewesen sein sollen. Es liegt daher jedenfalls vor dem maßgeblichen Hintergrund der Klagepatentschrift fern, eine "Erhöhung" der Haftreibung lediglich in Relation zu einem nicht näher benannten Stand der Technik zu verstehen.

In entsprechender Weise hat die fachkundig besetzte Technische Beschwerdekammer die Lehre des Klagepatentanspruchs verstanden, wodurch sich die Kammer in ihrer Auslegung bestätigt sieht. Auch die Technische Beschwerdekammer hat in ihrer Entscheidung vom 03. November 2005 (Anlage K4/4a), das Klagepatent mit seinem Anspruch 1 in der Fassung nach der ersten Instanz des Einspruchsverfahrens aufrecht zu erhalten, nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, einen vom Klagepatent nicht mitgeteilten Stand der Technik als Vergleichsmaßstab heranzuziehen, sondern hat auf einen Vorher-Nachher-Vergleich der Haftreibung der rückseitigen Oberfläche zum mechanischen Verschluss abgestellt, wobei die Anwendung des Mittels zur Erhöhung der Haftreibung die entscheidende Zäsur darstellt. Auch die Technische Beschwerdekammer zieht die vorderseitige Oberfläche als Vergleichsmaßstab für die behandelte rückseitige Oberfläche lediglich exemplarisch und stellvertretend für die in erster Linie relevante, noch nicht mit dem anspruchsgemäßen Mittel versehene rückseitige Oberfläche heran. Zugleich bestätigt sie, dass es sich bei der Maßnahme einer raueren Oberflächenstruktur der Rückseite um ein (dem Oberflächenmaterial inhärentes, vgl. Abschnitt [0024]) Mittel im Sinne des Merkmals 4 handeln kann, allerdings auch nur dann, wenn die andere Oberfläche der Trägerbahn nicht behandelt wurde, um ihr eine raue Oberflächenstruktur zu verleihen. Nur in diesem Fall kann die Befestigungsoberfläche die rückseitige Oberfläche im unbehandelten Zustand repräsentieren. Das bloße Maß der Rauhigkeit der rückseitigen Oberfläche lässt den Schluss auf eine Verwirklichung des Merkmals 4 daher auch nach Auffassung der fachkundig besetzten Technischen Beschwerdekammer nicht zu.

Dass in Unteransprüchen 2 und 27 absolute Rauhigkeitswerte für die rückseitige Oberfläche der Trägerbahn genannt werden (Ra > 1 µm bzw. zwischen 3,5 und 10 µm), rechtfertigt es in der Tat nicht, allein den bloßen Rauhigkeitswert darüber entscheiden zu lassen, ob diese Oberfläche mit einem Mittel zum Erhöhen der Haftreibung im Sinne des Merkmals 4 versehen worden ist. Die Unteransprüche 2 und 27 beschreiben weitere Merkmale der geschützten technischen Lehre, indem sie die Oberflächenbeschaffenheit eines der beteiligten Reibpartner durch absolute Wertangaben näher kennzeichnen. Sie füllen hingegen nicht lediglich ein bereits zwingend zum Hauptanspruch 1 gehörendes Merkmal aus, was sich schon deshalb verbietet, weil ein Rauhigkeitswert als solcher kein "Mittel" beschreibt, mit dem die rückwärtige Oberfläche "versehen" werden könnte, sondern lediglich einen Zustand benennt. Ein Rückschluss aus einem absoluten Rauhigkeitswert auf die zwischen zwei Oberflächen wirkende Haftreibung lässt sich auch deshalb nicht ziehen, weil es eine proportionale Beziehung zwischen der Rauhigkeit zweier Oberflächen einerseits und der zwischen ihnen bestehenden Haftreibung andererseits nicht gibt. Die Haftreibung zwischen zwei Oberflächen kann bei zunehmender Rauhigkeit einer von ihnen ebenso zu- wie abnehmen oder gleich bleiben. Das Fehlen einer proportionalen Beziehung belegen die eigenen Messungen der Klägerin, deren grafische Darstellung sie als Anlage K13 zur Gerichtsakte gereicht hat: Obwohl die Rauhigkeit der Rückseite des untersuchten Filmprodukts (Film LAB, violettes Quadrat) tendenziell etwas höher ausfällt als die Rauhigkeit seiner Vorderseite (Film PSA, blauer Kreis), ist die Haftreibung zum mechanischen Verschluss bei der Vorderseite tendenziell höher als bei der Rückseite. Der Auffassung der Klägerin, das Vorliegen eines Rauhigkeitswertes von über 1 µm (Unteranspruch 2) oder zwischen 3,5 und 10 µm (Unteranspruch 27) belege zwingend die Verwirklichung des Merkmals 4, ist damit nicht zu folgen.

Es bestand keine Veranlassung, dem in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin erklärten Beweisantritt nachzugehen und ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob der Durchschnittsfachmann das Merkmal 4 dahin versteht, mit einem "Mittel zum Erhöhen der Haftreibung zwischen der rückseitigen Oberfläche und dem mechanischen Verschluss" könne die rückseitige Oberfläche auch dann versehen sein, wenn eine für den Erhalt einer stabilen Rolle ausreichende Haftreibung allein auf eine entsprechende Materialauswahl für das Trägerbahnmaterial zurückzuführen ist, so dass es der Darlegung zusätzlicher Maßnahmen zur Erhöhung der Haftreibung nicht bedarf. Da es sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei der Auslegung der technischen Lehre um eine Rechtsfrage handelt und sich die Aufgabe eines gerichtlichen Sachverständigen darauf beschränkt, dem Verletzungsgericht diejenigen fachlichen Kenntnisse zu vermitteln, die es benötigt, um die geschützte technische Lehre zu verstehen und den diese Lehre definierenden Patentanspruch unter Ausschöpfung seines Sinngehalts selbst auslegen zu können (vgl. zuletzt BGH, X. Zivilsenat, Urteil vom 12. Februar 2008, X ZR 153/05; zuvor eingehend BGH, GRUR 2006, 131 - Seitenspiegel), wäre von der Klägerin darzulegen gewesen, welche allgemeinen Kenntnisse des Fachmanns für das von ihr vertretene Verständnis im vorliegenden Fall grundlegend sein sollen. Das ist nicht geschehen. Die Klägerin hat tatsächliche Zweifelspunkte, die als Vorfrage der Auslegung seitens der technisch erfahrenen Kammer einer sachverständigen Begutachtung zu unterwerfen gewesen wären, nicht aufgezeigt. Auch in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Technische Beschwerdekammer als fachkundig besetztes Gremium in ihrer Entscheidung vom 03. November 2005, das Klagepatent in dem geltend gemachten Umfang aufrecht zu erhalten, zu demselben Auslegungsergebnis gelangt ist, wie es hier vertreten wird. Insbesondere vor diesem Hintergrund wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, substantiiert dazu vorzutragen, mit welchem im Einzelnen abweichenden Verständnis der Fachmann auf dem Gebiet des Klagepatents die Auslegung des Anspruchs 1 angehen sollte. Als tatsächlichen Anknüpfungspunkt für ein Sachverständigengutachten hat die Klägerin im Termin lediglich die Tatsache benannt, dass es dem allgemeinen Wissen des Fachmanns entspreche, als Maßnahmen zur Erhöhung der Haftreibung entweder eine Beschichtung oder dem Oberflächenmaterial inhärente Mittel vorzusehen. Dass dies im Ausgangspunkt zutrifft, kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, zumal es sich mit Abschnitt [0024] der Klagepatentbeschreibung deckt. Auch dies lässt jedoch nicht den weitergehenden Schluss zu, dass schon die Materialauswahl als solche ein (im stärksten Sinne "inhärentes") Mittel des Oberflächenmaterials sein kann, mit dem die rückseitige Oberfläche versehen wird.

Dass es - worauf die Klägerin hinweist - unter technischfunktionalen Gesichtspunkten kein Erfordernis dafür gibt, die rückseitige Oberfläche im Vergleich mit der Befestigungsoberfläche mit einer "erhöhten" Haftreibung - jeweils zusammenwirkend mit dem mechanischen Verschluss - auszustatten, weil es im aufgewickelten Zustand zu einem Kontakt zwischen der Befestigungsoberfläche und dem mechanischen Verschluss ohnehin nicht kommt, mag für sich betrachtet zutreffen. Sich unter Berufung darauf jedoch mit einer "ausreichenden Haftreibung" zwischen rückseitiger Oberfläche und mechanischem Verschluss zu begnügen, die zu einer stabilen Rolle führt und auch ausschließlich auf der Materialauswahl für die Trägerbahn beruhen kann, ist unter mehreren Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt. Zum einen lässt die von der Klägerin vertretene Schlussfolgerung unberücksichtigt, dass die Befestigungsoberfläche auch hier nur stellvertretend für die in erster Linie relevante noch unbehandelte rückseitige Oberfläche betrachtet wird, um den Zustand der rückseitigen Oberfläche zu erkennen, der bestand, bevor diese mit dem beanspruchten Mittel versehen wurde. Zum anderen ist die Suche nach einem Vergleichsmaßstab für die "erhöhte" Haftreibung allein in der dahingehenden Formulierung des Klagepatentanspruchs durch die Anmelderin begründet. Wie ausgeführt lässt sich ein solcher Vergleichsmaßstab aber sinnvollerweise nur in Gestalt eines Vergleichs mit der vor Anwendung des Mittels bestehenden Haftreibung der rückseitigen Oberfläche zum mechanischen Verschluss finden.

Schließlich verkennt die Kammer auch nicht, dass eine andere als die von der Klägerin vertretene Auslegung des Patentanspruchs die Gefahr von Umgehungslösungen mit sich bringt, indem schlicht ein Material für die Trägerbahn mit einer ausreichend hohen Haftreibung zum mechanischen Verschluss ausgewählt wird, das eines Mittels zur Erhöhung der Haftreibung nicht bedarf oder sogar die Möglichkeit eröffnet, die Haftreibung der rückseitigen Oberfläche herabzusetzen, ohne ein anschließendes Teleskopieren der Rolle zu riskieren. Diese Gefahr ist von der Klägerin jedoch hinzunehmen, da es die Anmelderin in der Hand gehabt hätte, auf eine andere Fassung des Merkmals 4 hinzuwirken. Eine Gefahr von Umgehungslösungen rechtfertigt es schon unter dem bei der Auslegung zu berücksichtigenden Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht, den Schutzbereich des Klagepatents über die im Klagepatentanspruch offenbarte Lehre hinaus auszudehnen.

2. Vor dem Hintergrund dieser Auslegung des Klagepatentanspruchs 1 hat die Klägerin eine Verwirklichung des Merkmals 4 durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht schlüssig dargelegt. Dies gilt sowohl für die Filmprodukte, die die Klägerin auf Rauhigkeit (Ra [µm]) und Haftreibungskraft (static friction [N]) untersucht (Anlage K18, Seite 2: Film Laminates) und zu denen sie die Messergebnisse in Anlage K13 grafisch dargestellt hat, als auch für die Non-Woven- (NW-) Produkte. Die diese betreffenden Untersuchungsergebnisse der Klägerin sind in Anlage K18 (beginnend auf Seite 1 oben: Nonwoven Laminates) aufgelistet und auszugsweise in Anlage K13 grafisch dargestellt. Die Abkürzung PSA bezeichnet dabei die Vorderseite und steht für Pressure Sensitive Adhesive, die Abkürzung LAB (für Low Adhesion Back Side) bezeichnet die Rückseite nach Merkmal 4.

a) Für die untersuchten Filmprodukte (Anlage K13, violette Quadrate und blaue Kreise) weisen die Untersuchungsergebnisse der Klägerin (Anlage K18, Spalten Static Friction [N], LAB Side und PSA Side) für die Rückseiten durchweg niedrigere Haftreibungskräfte aus als für die jeweiligen Vorderseiten. Lediglich die Rauhigkeitswerte (Anlage K18, Spalten Surface roughness [micron], LAB Side und PSA Side) fallen für die Rückseite höher aus als für die jeweilige Vorderseite. Allein aus den höheren Rauhigkeitswerten der Rückseiten kann die Klägerin jedoch eine Verwirklichung des Merkmals 4 nicht ableiten. Wie im Rahmen der Auslegung des Klagepatentanspruchs 1 bereits ausgeführt wurde, lässt die absolute Rauhigkeit, die im Klagepatent in Abschnitt [0024] lediglich als bevorzugte Maßnahme genannt und in Unteransprüchen 2 und 27 näher eingegrenzt wird, für sich genommen keinerlei Rückschlüsse darauf zu, ob die Haftreibung der betreffenden Seite (für Merkmal 4 ist das die rückseitige Oberfläche nach ihrem Versehen mit dem beanspruchten Mittel) gegenüber der Referenzfläche (der rückseitigen Oberfläche vor Anwendung des Mittels, hilfsweise der gegenüber liegenden, unbehandelten Befestigungsoberfläche) erhöht ist und ob dies auf einer Maßnahme unabhängig von der Materialauswahl beruht, wie sie Merkmal 4 voraussetzt. Da die eigenen Untersuchungsergebnisse der Klägerin für die Rückseiten der Filmprodukte sogar eine niedrigere Haftreibung gegenüber ihren Vorderseiten ergeben haben, scheidet eine Verwirklichung des Merkmals 4 bereits auf der Grundlage des eigenen Vortrags der Klägerin aus. Worauf die niedrigere Haftreibung der Rückseiten der angegriffenen Filmprodukte beruht, etwa auf der von den Beklagten vorgetragenen Prägung der Rückseite und anschließenden Trennbeschichtung (release coating), kann dahinstehen.

b) Auch für die zweite Kategorie der angegriffenen Ausführungsformen, die Non-Woven-Produkte, hat die Klägerin die Anwendung eines Mittels auf der rückseitigen Oberfläche, die zu einer Erhöhung der Haftreibung gegenüber dem vorherigen Zustand führt, nicht schlüssig dargetan. Aus dem bloßen durch die Untersuchungsergebnisse (Anlage K18) belegten Befund, dass sowohl die Rauhigkeitswerte als auch die Werte der Haftreibung für die Rückseite LAB über denen der Vorderseite PSA liegen (vgl. auch Anlage K13, schwarze Rauten und grüne Dreiecke), ergibt sich dies nicht. Denn die schlichte Auswahl eines Materials mit ausreichend hoher Haftreibung zum mechanischen Verschluss, um eine stabile Rolle zu erhalten, verwirklicht Merkmal 4 nicht, wie bereits im Rahmen der Auslegung ausgeführt wurde.

Die Beklagten erläutern die Untersuchungsergebnisse der Klägerin damit, dass bei den angegriffenen NW-Produkten die rückseitige Oberfläche der Trägerbahn aus Vliesstoff mit einer Trennbeschichtung (release coating) versehen sei, welche die Haftreibung zum mechanischen Verschluss gegenüber einer nicht in dieser Weise behandelten Oberfläche der Trägerbahn verringere. Auf der vorderseitigen Oberfläche der Trägerbahn seien eine spezielle Filmschicht und eine zusätzliche Klebstoffbeschichtung aufgetragen, was ebenfalls zu einer Erniedrigung der Haftreibung zum mechanischen Verschluss im Vergleich zu einer unbehandelten Oberfläche führe. Die von der Klägerin ermittelten Werte seien daher ohne Aussagekraft, weil sie die - mit der Folge einer herabgesetzten Haftreibung - behandelte rückseitige Oberfläche nicht mit einer unbehandelten Oberfläche (in Gestalt einer unbehandelten Vorderseite), sondern mit einer durch Auftrag der Filmschicht und Klebstoffbeschichtung ebenfalls behandelten Oberfläche vergleichen würden. Dem ist beizupflichten, weil der Vergleich der Haftreibung einer unstreitig behandelten Rückseite mit derjenigen einer ebenfalls behandelten Vorderseite nicht den für eine Verwirklichung des Merkmals 4 erforderlichen Nachweis erbringen kann, dass die behandelte rückseitige Oberfläche (LAB) eine im Vergleich zu einer unbehandelten Oberfläche der Trägerbahn (hier in Gestalt der Vorderseite PSA gemessen) erhöhte Haftreibung zum mechanischen Verschluss aufweist. Die Klägerin tritt dem lediglich mit dem Argument entgegen, ausweislich der Daten nach Anlage K18 sei die Haftreibung (Static Friction [N]) bei sämtlichen NW-Produkten für die Rückseite (LAB Side) größer als für die Vorderseite (PSA Side) und dies werde von den Beklagten durch eine Kombination einer geeigneten Materialauswahl und/oder einer geeigneten Behandlung erreicht, die sicherstellt, dass die Haftreibung der rückseitigen Oberfläche mit dem mechanischen Verschluss ausreichend groß und insbesondere erhöht ist gegenüber der Haftreibung von Verschlussbandrollen, die beim Abwickeln mit hoher Geschwindigkeit teleskopieren. Es kommt jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin weder auf einen Vergleich der Haftreibung mit einer nicht mitgeteilten Haftreibung nach dem Stand der Technik noch allein darauf an, dass die Haftreibung "ausreichend groß" ist, um ein Teleskopieren zu vermeiden. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Auslegung des Anspruchs 1 verwiesen werden.

Schließlich kann auch der Versuch der Klägerin, auf der Grundlage der hier vertretenen Auslegung eine Verwirklichung des Anspruchs 1 durch die Non-Woven-Produkte der Beklagten zu belegen, nicht zum (Teil-) Erfolg der Klage führen. Auf der Trägerbahn der angegriffenen NW-Produkte gibt es - wie zwischen den Parteien im Tatsächlichen unstreitig ist - auf der vorderseitigen Oberfläche eine Filmschicht zwischen dem Vliesmaterial und der Kleberschicht, die dazu dient, den Klebstoff an einem unerwünschten Eindringen in die Vliesschicht zu hindern. In der als Anlage K20 vorgelegten Aufnahme eines Rasterelektronenmikroskops, die einen Schnitt durch ein NW-Produkt der Beklagten zeigt, ist diese Filmschicht - als polymer coating layer bezeichnet - unterhalb der Vliesschicht zu erkennen. Die Klägerin meint, diese Filmschicht sei ein integraler Bestandteil der Trägerbahn, weshalb sie den Verbund aus Trägerbahn und Filmschicht in Anlage K20 konsequent gemeinsam als "nonwoven support sheet" bezeichnet. Die Filmschicht (polymer coating layer) müsse daher bei der Vergleichsmessung zwischen (unbehandelter) Vorder- und der behandelten Rückseite mit berücksichtigt werden, wie dies bei den Messungen der Klägerin geschehen sei. Berücksichtige man die durch die Filmschicht hervorgerufene Haftreibung der Vorderseite zum mechanischen Verschluss, ergebe sich für die Vorderseite der Trägerbahn eine Haftreibung, die noch wesentlich geringer ausfalle als die der behandelten rückseitigen Oberfläche, deren Haftreibung durch die Trennbeschichtung (release coating) ebenfalls, jedoch lediglich in geringerem Maße herabgesetzt sei. Im Einzelnen wird insoweit auf die Messergebnisse der Klägerin verwiesen, die in Anlage K19 mit der Bezeichnung "X: frontside w/o PSA" den Messergebnissen der Beklagten aus dem belgischen Verfahren ("X: Attachm[ent] 4"), insbesondere den Werten für die behandelte Rückseite (treated backside surface, linker Balken), gegenübergestellt sind. Die Beklagten vertreten hingegen die Ansicht, die Filmschicht sei nicht zur Trägerbahn im Sinne des Klagepatents zu zählen, allein ihre Messungen basierten daher auf einem zutreffenden Referenzpunkt für eine unbehandelte Oberfläche der Trägerbahn.

Für die Beurteilung dieser Frage kommt es nicht darauf an, ob nach der technischen Lehre des Klagepatents eine etwa vorhandene Filmschicht zwischen der eigentlichen Trägerbahn und der Bindeschicht noch zur Trägerbahn zu rechnen ist, weil diese - wie die Klägerin meint - definitionsgemäß geeignet sein müsse, weiteres Material als Träger aufzunehmen, oder ob eine solche Filmschicht nach dem Verständnis des Klagepatents nicht mehr zur Trägerbahn zählt. Von der Klagepatentschrift kann man sich in dieser Frage schon deshalb keine weitere Aufklärung versprechen, weil sie zusätzliche Filmschichten auf der Vorderseite der Trägerbahn und unterhalb der Klebstoffschicht nicht kennt. Dies belegt bereits Abschnitt [0023] der Beschreibung, wonach die Trägerbahn 21 aus jedem Verstärkungs- oder Rückenmaterial bestehen kann, auf das Klebstoffschichten 24 aufgebracht werden können. Im vorliegenden Zusammenhang ist vielmehr entscheidend, weshalb es auf die Haftreibung der vorderseitigen Befestigungsoberfläche zum mechanischen Verschluss überhaupt ankommt: In erster Linie bedarf die Verwirklichung des Merkmals 4 des Nachweises, dass die rückseitige Oberfläche mit einem Mittel zum Erhöhen der Haftreibung zwischen ihr und dem mechanischen Verschluss versehen worden ist. Das setzt einen Vorher-Nachher-Vergleich, zunächst ausschließlich bezogen auf die rückseitige Oberfläche der Trägerbahn, voraus. Da und soweit im fertigen Produkt die rückseitige Oberfläche den ursprünglichen Zustand aber nicht mehr erkennen lässt, kann und muss - gleichsam stellvertretend - die unbehandelte Vorderseite als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Das stützt sich auf die Prämisse, dass die Trägerbahn im Herstellungsprozess zunächst beidseitig von gleicher Beschaffenheit ist, bevor sie auf der rückseitigen Oberfläche mit dem beanspruchten Mittel nach Merkmal 4 versehen wird, um die Haftreibung zwischen ihr und dem mechanischen Verschluss zu erhöhen. Dies gilt jedoch nur, soweit die unbehandelte Vorderseite den ursprünglichen Zustand der unbehandelten Rückseite auch zutreffend repräsentiert. Das ist wiederum nur dann der Fall, wenn sie nicht ihrerseits eine Modifikation erfahren hat. Bei den angegriffenen Non-Woven-Produkten weist jedoch unstreitig nur die Vorderseite des Vliesmaterials die Filmschicht (polymer coating layer, vgl. Anlage K20) auf, um deren Zugehörigkeit zur Trägerbahn die Parteien streiten. Da die Vorderseite aber nur dann als stellvertretender Vergleichsmaßstab herangezogen werden kann, wenn und soweit sie die noch unbehandelte rückseitige Oberfläche zutreffend repräsentiert, ist die Filmschicht bei dem Vergleich der Haftreibungen entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung richtigerweise nicht mit zu berücksichtigen.

Auch mit ihrem Verweis auf die abweichenden Messergebnisse nach Anlage K19 ("X: frontside w/o PSA" unter Berücksichtigung der Filmschicht) hat die Klägerin daher eine Verwirklichung des Klagepatenanspruchs 1 durch die angegriffenen Non-Woven-Produkte der Beklagten nicht schlüssig dargelegt. Eine Benutzung der patentierten Erfindung durch die Beklagten (§ 9 Satz 2 Nr. 1 PatG) liegt insgesamt nicht vor.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 2; 108 ZPO. Dem auf die Kostenentscheidung zu ihren Lasten bezogenen Vollstreckungsschutzantrag der Klägerin war nicht zu entsprechen. Die Klägerin hat die Voraussetzungen des beantragten Vollstreckungsschutzes nach § 712 ZPO weder vorgetragen noch in der durch § 714 Abs. 2 ZPO gebotenen Weise glaubhaft gemacht.

Der Streitwert wird auf 1.000.000,-- € festgesetzt.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 05.06.2008
Az: 4a O 27/07


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