Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Januar 2009
Aktenzeichen: 20 W (pat) 347/04

(BPatG: Beschluss v. 28.01.2009, Az.: 20 W (pat) 347/04)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 14. Mai 2001 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patentund Markenamt das Patent mit der Bezeichnung "Steuereinheit für Unterhaltungsspielgeräte sowie Verfahren zur Steuerung derartiger Geräte" erteilt. Das erteilte Patent umfasst 12 Patentansprüche. Die Patenterteilung wurde am 8. Juli 2004 im Patentblatt veröffentlicht.

Das Patent betrifft eine Steuereinheit für Unterhaltungsspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit mit einem Steuermodul, das mit einem austauschbaren Speicher-Steckmodul verbindbar ist, in dessen nicht flüchtigen Speichern die Charakteristik des Spielgerätes abgelegt ist. Des Weiteren ist das Steuermodul dafür ausgelegt, ein die Spieldauer verlängerndes Signal abzugeben, wenn der Istwert des pro Zeitintervall anfallenden Gewinns oder Verlusts einen maximalen oder minimalen Grenzwert erreicht oder überschreitet (vgl. Patentschrift S. 2/6, [0009]). Durch die Verlängerung der Spieldauer wird erreicht, dass einerseits der Geldverlust geringer ausfällt, da (pro Zeiteinheit) weniger Geld eingesetzt wird, andererseits weniger Gewinne ausgeschüttet werden, da lange Spielabläufe weniger Spiele pro Zeiteinheit beinhalten (vgl. Patentschrift S. 3/6, [0009]).

Der angegriffene Patentanspruch 1 lautet (mit eingefügten Aufzählungszeichen):

"1) Steuereinheit für Unterhaltungsspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit, dadurch gekennzeichnet, dass 1a) die Steuereinheit als universell einsetzbares Steuermodulausgeführt ist, das mit einem austauschbaren Speicher-

Steckmodul (Spielmodul) verbindbar ist, in dessen nichtflüchtigen Speichern die Charakteristik des Spielgerätesabgelegt ist, dass 1b) das Steuermodul Mittel aufweist, oder mit Mitteln in Verbindung steht oder verbindbar ist, durch die der pro Zeitintervall anfallende Gewinn oder Verlust erfassbar ist, und dass 1c) das Steuermodul Mittel aufweist, durch die ein zur Verlängerung der Spieldauer führendes Signal erzeugt wird, wenn der Istwert des pro Zeitintervalls anfallenden Gewinnsoder Verlusts einen maximalen oder einen minimalen Grenzwert erreicht oder überschreitet."

Der nebengeordnete Patentanspruch 10 lautet (Aufzählungszeichen eingefügt):

"10) Verfahren zur Steuerung eines Unterhaltungsspielgerätes mit Gewinnmöglichkeit, dadurch gekennzeichnet, dass 10a) der mit dem Unterhaltungsspielgerät erzielte Gewinn oder Verlust pro Zeiteinheit ermittelt wird, dass 10b) dieser Istwert mit einem maximalen und einem minimalen Grenzwert verglichen wird und dass 10c) bei Erreichen oder einer Überschreitung eines Grenzwertes die Spieldauer verlängert wird, 10d) wobei der Abgleich zwischen den Grenzwerten und dem Istwert von einem universell einsetzbaren Steuermodul durchgeführt wird, das im Falle einer Regelabweichung ein die Spieldauer verlängerndes Signal abgibt und 10e) das mit einem austauschbaren Speicher-Steckmodul (Spielmodul) verbindbar ist, in dessen nicht flüchtigen Speichern die Charakteristik des Spielgerätes abgelegt ist."

Bezüglich des Wortlauts der erteilten Unteransprüche 2 bis 9 sowie 11 und 12 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Gegen das Patent hat die a... GmbH am 7. Oktober 2004 Einspruch erhoben, da der angegriffene Patentgegenstand nach §§ 1-5 PatG nicht patentfähig sei und begründet dies mit folgendem Stand der Technik:

D1 DE69427662T2 D2 DE19920630A1 D3 Ergebnisprotokoll der Sitzung des technischen Fachausschusses vom 7. März 2001 der VDAI Geschäftsstelle Berlin D4 Merkur-Service-Schrift Profitec 3000 D5 Zulassungsschein Spielgerät Castellpur, Zulassungsdatum 26. Oktober 1998 D6 Betriebsanleitung für Geldgewinnspielgeräte "Profitec 3000 EU", Ausgabe E.001, 1. September 1998 Im Prüfungsverfahren wurden für die Beurteilung der Patentfähigkeit noch die Druckschriften P1 DE 199 28 899 A1 und P2 DE4402101A1 berücksichtigt Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2009 hat die Einsprechende den Einspruch zurückgenommen.

Die Patentinhaberin, die, wie schriftlich angekündigt zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, hat letztmalig mit Eingabe vom 15. Januar 2009 beantragt:

1.

den Einspruch als unzulässig zu verwerfen.

2.

hilfsweise den Einspruch als unbegründet zurückzuweisen und das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Einsprechenden und der Patentinhaberin wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

1. Der fristund formgerecht eingegangene Einspruch ist zulässig.

Die Einsprechende beschäftigt sich im Einspruchsschriftsatz ausführlich mit dem dem Streitpatent zugrunde liegenden Problem, ein Unterhaltungsspielgerät über ein Steuermodul so zu steuern, dass der Zufallscharakter eines Spiels erhalten bleibt und bei dem ohne Eingriff in das Ergebnis einer Spielfolge Verluste und Gewinne begrenzbar sind. Sie greift hierzu inhaltlich die im Einspruchsschriftsatz zitierten Druckschriften auf und führt dazu aus, dass die lösungsentscheidende Maßnahme der Verlängerung der Spieldauer und die daraus resultierende Begrenzung der Verluste und Gewinne bereits aus den Druckschriften D1 und D2 hervorgehe. Sie zeigt auch unter Verweise auf Textstellen und Ausführungsbeispielen in diesen Druckschriften auf, mit welchen Mitteln Gewinne und Verluste bei einem Spiel erfasst, mit Schwellwerten verglichen werden und wie anhand des daraus resultierenden Ergebnisses die Steuerung der Spieldauer beeinflusst wird. Auch auf die Anwendung eines Steuermoduls mit einem entnehmbaren Spielmodul wird im Einspruchsschriftsatz dezidiert eingegangen, obwohl technische Sachverhalte, die bereits von der Patentinhaberin (vgl. Patentschrift S. 2/6, [0003]) und folglich auch beim Senat als bekannt vorausgesetzt werden können, keiner Darlegung bedürfen (Schulte 8. Auflage § 59 Rdn. 95). Die Einsprechende setzt sich somit innerhalb der Einspruchsfrist mit dem Kern der patentierten Erfindung in einer Weise auseinander, dass daraus die für den Widerrufsgrund des Nichtvorliegens einer erfinderischen Tätigkeit maßgeblichen Umstände für einen Fachmann, respektive den Senat nachvollziehbar sind (Schulte 8. Auflage § 59 Rdn. 98).

Der Vorhalt der Patentinhaberin, die Einsprechende habe sich nicht mit allen Merkmalen der patentierten Lehre auseinandergesetzt, kann daher nicht greifen.

Ob diese von der Einsprechenden vorgetragenen Tatsachen letztendlich die begehrte Rechtsfolge, nämlich den Widerruf des Patents, rechtfertigen, betrifft aber nicht mehr die förmlichen Anforderungen an die Einspruchsschrift, sondern die Frage nach der Begründetheit des Einspruchs (BGH GRUR 1985, 142 -143 -Sicherheitsvorrichtung).

Die Zulässigkeit des Einspruchsvorbringens ist, entgegen der Auffassung der Patentinhaberin, auch nicht davon abhängig, ob die Einsprechende zu sämtlichen Patentansprüchen Stellung genommen hat. Es genügt vielmehr, wenn die Einsprechende bei mehreren Nebenansprüchen die Patentfähigkeit nur eines Nebenanspruchs angreift (BGH GRUR 2003, 695-696, -Automatisches Fahrzeuggetriebe).

Auch das Vorbringen der Patentinhaberin, dass der Einspruch auf Druckschriften gestützt worden sei, deren Vorveröffentlichung innerhalb der Einspruchsfrist seitens der Einsprechenden nicht nachgewiesen ist und dem Einspruchsschriftsatz nicht in ihrer Gänze beigelegt waren, ist für die Zulässigkeit insofern unbeachtlich, da der Einspruch nicht notwendigerweise auf diese Druckschriften abgestellt worden ist und diese der Beschlussfassung auch nicht zugrunde liegen.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 mag zwar neu sein, er beruht aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der streitpatentliche Gegenstand richtet sich bezüglich der anstehenden Fragen nach der Neuheit und dem Zugrundeliegen einer erfinderischen Tätigkeit seinem sachlichen Inhalt nach an einen Diplomingenieur der Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluss, der mit der Entwicklung von Steuerungen von Spielautomaten befasst ist.

Der Stand der Technik nach der Druckschrift P2, von dem auch das Streitpatent ausgeht, beschreibt eine Steuereinheit für Unterhaltungsspielgeräte mit oder ohne Gewinnmöglichkeit, bestehend aus einem Mikroprozessor mit mindestens einer seriellen Schnittstelle (vgl. Sp. 1, Z. 3 -6) -Merkmal 1). Die Steuereinheit ist, um einen universellen Einsatz in verschiedenen Spielsystemen zu ermöglichen (vgl. Sp. 1, Z. 17 -21), mit einem austauschbaren Speicher-Steckmodul ausgestattet, in dessen nichtflüchtigen Speicher die Charakteristik des Spielgeräts abgelegt ist (vgl. Sp. 1, Z. 22 -27) -Merkmal 1a). Bei dem steten Bemühen des Fachmanns, die Attraktivität und Akzeptanz der Spielgeräte noch weiter zu steigern, veranlasst bspw. auch durch Benutzerwünsche (BPatG GRUR 2002, 418 -Selbstbedienungs-Chipkartenausgabe), gerät auch die Druckschrift D2 in sein Blickfeld, die ein Verfahren aufzeigt, die Spieldauer von Einzelspielen bei Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit zu steuern, wodurch sich der allgemeine Spielverlauf bei gleichzeitiger Beschränkung auf einen maximal möglichen Geldverlust noch dynamischer, interessanter und abwechslungsreicher gestalten lässt (vgl. Sp. 1, Z. 49 -54). Der Spieleablauf wird dabei durch den Mikroprozessor der zentralen Steuereinheit (vgl. Sp. 1, Z. 12 -18) so beeinflusst, dass in Abhängigkeit von den erzielten Gewinnen die zeitliche Dauer von Einzelspielen derart variiert wird, dass innerhalb der vorgegebenen Spielzeit eine hohe Anzahl von Einzelspielen durchgeführt werden kann, ohne dabei den maximal möglichen Geldverlust zu überschreiten (vgl. Sp. 1, Z. 64 -Sp. 2, Z. 1). Um den Ablauf der gewünschten Operationen realisieren zu können, sind der zentralen Steuereinheit ein Spieleeinsatzund Gewinnspeicher zugeordnet, mit dem die während einer vorgegebenen Spielzeit, und damit pro Zeitintervall, auflaufenden Gewinne und/oder Verluste erfasst werden (vgl. Sp. 1, Z. 59 -63) -Merkmal 1b). Wird nun über eine vorgegebene Anzahl von Einzelspielen und/oder eine vorgegebene erste Periodendauer (= Zeitintervall) von Einzelspielen durch die zentrale Steuereinheit festgestellt, dass aufgrund ausbleibender Gewinne der aus dem Inhalt des Spieleeinsatzund Gewinnspeichers sich ergebende Geldverlust (= Istwert) den maximal möglichem Geldverlust (= Grenzwert) überschreitet, so wird in Reaktion darauf die zeitliche Dauer von nachfolgenden Einzelspielen in einer zweiten Periodendauer derart verlängert, dass ein Überschreiten des maximal möglichen Geldverlusts innerhalb der vorgegebenen Spielzeit (Summe aus erster und zweiter Periodendauer) ausgeschlossen wird (vgl. Sp. 1, Z. 59 -Sp. 2, Z. 13) -Merkmal 1c).

Damit ist der Fachmann, ohne selbst erfinderisch tätig werden zu müssen, bereits beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 angelangt.

3. Da die Patentinhaberin die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang eines Anspruchssatzes begehrt, der mit dem Patentanspruch 1 zumindest einen nicht rechtsbeständigen Patentanspruch enthält, kann die Frage nach der Patentfähigkeit des selbständigen Patentanspruchs 10 dahingestellt bleiben (BGH GRUR 2007, 862 -865 -Informationsübermittlungsverfahren II).

Dr. Mayer Dr. Hartung Werner Gottstein Pr






BPatG:
Beschluss v. 28.01.2009
Az: 20 W (pat) 347/04


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