Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. April 2007
Aktenzeichen: 17 W (pat) 43/04

(BPatG: Beschluss v. 27.04.2007, Az.: 17 W (pat) 43/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 11 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. November 2003 aufgehoben und das Patent erteilt.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 4, Beschreibung Seite 1 bis 43 und 16 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 7B, 25, 101 bis 106 und 159 bis 162, davon Blatt 1, 15 und 16 mit Figuren 1A bis 2B, 161 und 162 eingegangen am 21. März 2007, alle übrigen Unterlagen eingegangen am 8. März 2007.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist am 16. Oktober 2003 als Teilungsanmeldung aus der in der Zwischenzeit patentierten Anmeldung 197 24 449.1 vom Anmeldetag 10. Juni 1997 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden. Sie beansprucht die Prioritäten der japanischen Voranmeldungen 8 - 147 452 vom 10. Juni 1996, 9 - 001 115 vom 8. Januar 1997 und 9 - 153 137 vom 28. Mai 1997. Die geltende Bezeichnung lautet:

"Verfahren zum Ansteuern einer Halbleiter-Speichereinrichtung und Halbleiter-Speichereinrichtung".

Diese Teilungsanmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 11 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. November 2003 aus den folgenden Gründen zurückgewiesen:

- ein berechtigtes Rechtsschutzbedürfnis am gleichzeitigen Fortbestand des Patentanspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung und des erteilten Anspruchs 1 der Stammanmeldung sei nicht gegeben;

- dem nebengeordneten Patentanspruch 3 fehlten wesentliche Merkmale, die für die Lösung der Aufgabe notwendig seien; und - die Beschreibung der Teilanmeldung enthalte Angaben, die für deren Verständnis offensichtlich überflüssig seien.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie beantragt (siehe Beschwerde-Schriftsatz vom 20. Januar 2004):

Aufhebung des Beschlusses und Erteilung des Patents;

hilfsweise die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung.

In ihrer Beschwerdebegründung (eingeg. 25. August 2005) führt sie aus, dass die von der Prüfungsstelle herangezogene Begründung nicht gerechtfertigt sei. Der Verfahrensanspruch 1 der vorliegenden Anmeldung und der Vorrichtungsanspruch des Stammpatents enthielten einen unterschiedlichen Schutz, folglich könne ihr ein Rechtsschutzinteresse nicht abgesprochen werden. Ferner enthalte der Patentanspruch 3 alle zur Lösung des Problems notwendigen Merkmale.

Nach Benennung einer weiteren, aus dem US-Prüfungsverfahren bekannt gewordenen Entgegenhaltung sowie zur weiteren Klarstellung der beanspruchten Lehre hat die Anmelderin neue Patentansprüche und eine daran angepasste Beschreibung eingereicht, wobei nicht mehr notwendige Textpassagen und Zeichnungen gestrichen wurden.

Die nunmehr geltenden Patentansprüche lauten:

"1. Verfahren zum Ansteuern einer Halbleiter-Speichereinrichtung mit wahlfreiem Zugriff, welche Speicherzellenblöcke umfasst, die durch Reihenschaltung einer Mehrzahl von Speicherzellen gebildet sind, wobei jede Speicherzelle einen Transistor (Q1, Q2, Q3, Q4) mit einem Source-Anschluss, einem Drain-Anschluss und einem Gate-Anschluss aufweist, sowie einen ferroelektrischen Kondensator (Cf1, Cf2, Cf3, Cf4) mit einem mit dem Source-Anschluss verbundenen ersten Anschluss und einem mit dem Drain-Anschluss verbundenen zweiten Anschluss, wobei der Gate-Anschluss des Transistors mit einer Wortleitung (WL00, WL01, WL02, WL03) verbunden ist, enthaltend die Schritte:

Einschalten jedes der Transistoren (Q1, Q2, Q3, Q4) in dem Speicherzellenblock, wenn auf keine Speicherzelle des Speicherzellenblocks zugegriffen wird, und Abschalten des Transistors (Q3) nur einer gewählten Speicherzelle, wenn auf die gewählte Speicherzelle zugegriffen wird.

2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei der ferroelektrische Kondensator einen ersten Kondensator (Ca) und einen parallel verbundenen zweiten Kondensator (Cb) umfasst, wobei die ferroelektrische Schichtdicke des ersten Kondensators (Ca) geringer ist als die ferroelektrische Schichtdicke des zweiten Kondensators (Cb), und das Verfahren durch die folgenden Schritte gekennzeichnet ist:

Anlegen einer Spannung an die gewählte Speicherzelle mit einem Absolutwert, der höher als eine erste Spannung (Vcamax) und niedriger als eine zweite Spannung (Vcbmin) ist, um Daten für den ersten Kondensator (Ca) zu lesen und zu schreiben, Anlegen einer höheren Spannung als die zweite Spannung (Vcbmin) an die gewählte Speicherzelle, um Daten für den zweiten Kondensator (Cb) zu lesen und zu schreiben.

3. Halbleiterspeichervorrichtung mit einer Vielzahl von Speicherzellen, welche jeweils umfassen:

einen ersten Transistor mit einem Source-Anschluss, einem Drain-Anschluss und einem Gate-Anschluss, wobei der Gate-Anschluss mit einer Wortleitung (WL1, WL2, WL5, WL6) verbunden ist, einen ersten ferroelektrischen Kondensator zur Speicherung eines ersten Datenwerts, der einen ersten Anschluss hat, der mit dem Source-Anschluss des ersten Transistors verbunden ist, und einen zweiten Anschluss, der mit dem Drain-Anschluss des ersten Transistors verbunden ist, einen zweiten Transistor mit einem Source-Anschluss, einem Drain-Anschluss und einem Gate-Anschluss, wobei der Gate-Anschluss mit einer Wortleitung (WL0, WL3, WL4, WL7) verbunden ist, und der zweite Transistor in Reihe mit dem ersten Transistor geschaltet ist, undeinen zweiten ferroelektrischen Kondensator zur Speicherung eines zweiten Datenwerts, der parallel zu der Reihenschaltung des ersten und zweiten Transistors geschaltet ist.

4. Halbleiterspeichervorrichtung nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Vielzahl von Speicherzellen in Reihe geschaltet sind, und einer oder mehr Wähltransistoren mit wenigstens einem Anschluss des in Reihe geschalteten Abschnitts verbunden sind, um einen Speicherzellenblock zu bilden."

Ihnen soll jetzt (siehe Beschreibung eingeg. 8. März 2007 S. 8 unten) die Aufgabe zugrunde liegen, eine verbesserte Halbleiterspeichereinrichtung bereitzustellen, sowie ein verbessertes Verfahren zur Ansteuerung einer Halbleiterspeichereinrichtung.

Bezüglich der übrigen Unterlagen wird auf die Akte verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Sie hat auch Erfolg, da das nunmehr geltende Patentbegehren keine formalen Mängel mehr aufweist, für die beanspruchten Gegenstände ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, der im Verfahren zitierte Stand der Technik nicht entgegen steht und auch sonst die Kriterien zur Patenterteilung erfüllt sind (PatG §§ 1 bis 5, § 34).

1. Die Anmeldung betrifft eine Halbleiter-Speichereinrichtung mit Speicherzellen, bei denen als Speicherelement ein sogenannter "ferroelektrischer" Kondensator eingesetzt ist.

"Ferroelektrische" Kondensatoren enthalten ein Dielektrikum, das sich die Richtung der zuletzt angelegten elektrischen Spannung "merkt"; d. h. die Information bleibt auch nach Entladung des Kondensators als Polarisation des Dielektrikums erhalten (in Analogie zur "ferromagnetischen" Materialeigenschaft, bei der die Information über die Richtung des zuletzt vorhandenen Magnetfelds auch bei Wegfall des erzeugenden Stromes erhalten bleibt). Diese Polarisation kann durch geeignete Maßnahmen ausgelesen werden, so dass ein ferroelektrischer Kondensator als Speicherelement einsetzbar ist, der - im Gegensatz zum herkömmlichen Speicher-Kondensator - keine Auffrischungszyklen benötigt und auch ohne jede Betriebsspannung seine Information behält.

Dafür schlägt die Anmeldung eine Schaltungsanordnung vor, mit der ein größerer Halbleiterspeicher in einer Matrixschaltung wie beim bekannten dynamischen RAM realisierbar ist. Bedingt durch die Informationserhaltung auch ohne Betriebsspannung kann die einzelne Speicherzelle völlig anders angesteuert werden: ein Feldeffekt-Transistor liegt parallel zum ferroelektrischen Kondensator; wird er eingeschaltet, schließt er den Kondensator kurz (und schützt damit auch die in ihm gespeicherte Information vor Umpolung); wenn mehrere solche Zellen in Reihe geschaltet und alle Transistoren bis auf einen eingeschaltet sind, kann die Polarisation des einzigen nicht kurzgeschlossenen Kondensators ausgelesen werden.

Die grundlegende Idee der Überbrückung des Speicherkondensators durch einen Feldeffekttransistor ist im Hauptanspruch der Stammanmeldung patentiert worden (siehe DE 197 24 449 B4). Ihm gegenüber haben die Ansprüche der vorliegenden Teilungsanmeldung den Charakter von Neben- und Unteransprüchen.

Als Fachmann für die genannte Aufgabenstellung ist ein Entwicklungsingenieur für Halbleiterspeicherschaltungen mit Hochschul- oder Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung u. a. aus der Arbeit mit ferroelektrischen Kondensatoren anzusehen.

2.1 Der Erteilungsantrag liegt im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung.

Der geltende Patentanspruch 1 geht auf den ursprünglichen Anspruch 16 zurück, die erfolgte Klarstellung gründet sich auf Figur 5 und die zugehörige Beschreibung. Patentanspruch 2 basiert auf dem ursprünglichen Anspruch 17 sowie den Figuren 101 bis 106 und der zugehörigen Beschreibung. Die Patentansprüche 3 und 4 greifen den ursprünglichen Anspruch 14 auf, in Verbindung mit Figur 161 und der zugehörigen Beschreibung.

Die Änderungen in der Beschreibung sind hauptsächlich redaktioneller Natur. Insbesondere den auf den ursprünglichen Seiten 147 bis 152 ("70. Ausführungsform") verwendeten Begriff "ferroelektrischer Transistor" erkennt der Fachmann als offensichtlichen Fehler, der - nicht zuletzt wegen der daneben stehenden Bezugszeichen Ca, Cb - in "ferroelektrischer Kondensator" geändert werden durfte. Ebenso sind die Korrekturen auf der ursprünglichen Seite 186 Abs. 1 bezüglich Figur 161 (nunmehr Seite 42 Abs. 4) zu bewerten: sowohl beim Bezugszeichen WL3 (richtig: WL5) als auch beim letzten Satz "um die Information in das vorübergehende Speicherregister in der Zelle der Wortleitung WL4 zu schreiben" (richtig: "um die Information in dem vorübergehenden Speicherregister in die Zelle der Wortleitung WL4 zu schreiben") handelt es sich um anhand der Schaltung in Figur 161 erkennbare offensichtliche Unstimmigkeiten, die der Fachmann aufgrund seines Fachwissens ohne Weiteres korrigieren wird (vgl. BGH Mitt. 2002, 176 "Gegensprechanlage" II. 2 b) aa) ).

Nicht mehr notwendige Beschreibungsteile und Zeichnungen wurden gestrichen.

2.2 Ferner geben die Ansprüche in der vorliegenden Fassung klar verständlich an, was unter Schutz gestellt werden soll, und ihre Lehre ist in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

3. Die im Zurückweisungsbeschluss geltend gemachten Mängel können die Zurückweisung der Anmeldung nicht bzw. nicht mehr tragen.

3.1 Die Prüfungsstelle hat im Zurückweisungsbeschluss ausgeführt, dass ein berechtigtes Rechtsschutzbedürfnis am gleichzeitigen Fortbestand des Patentanspruchs 1 der vorliegenden Teilungsanmeldung und des erteilten Anspruchs 1 der Stammanmeldung nicht gegeben sei. Letzterer liste bereits die wesentlichen Merkmale der neuen Speicherzelle auf. Um sie betreiben zu können, bedürfe es der funktionalen Verfahrensschritte des vorliegenden Anspruchs 1. Andere Möglichkeiten, die patentierte Speicherzelle anzusprechen, seien der Anmeldung nicht zu entnehmen und auch sonst nicht bekannt. Als Halbleiter-Speichereinrichtung wäre der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ohne diese funktionalen Schritte unbrauchbar. Somit erstrecke sich der Schutz des erteilten Patents auch auf diesen bestimmungsgemäßen Betrieb. Der Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 müsse daher identisch mit dem des vorliegend beanspruchten Anspruchs 1 sein. Mit dem Verkauf der im Stammpatent geschützten Halbleiter-Speichereinrichtung müsse auch deren bestimmungsgemäßer Betrieb abgegolten sein (unter Verweis auf BGH BlPMZ 1998, 81 "Handhabungsgerät" u. a.). Ein Verlangen nach einem umfassenderen Schutz erscheine rechtsmissbräuchlich.

Gemäß BGH "Handhabungsgerät" ist ein nebengeordneter Verfahrensanspruch unzulässig, wenn dieser nichts enthält, was über den sachlichen Gehalt eines (patentierten) Vorrichtungsanspruchs hinausgeht; denn der bestimmungsgemäße Gebrauch einer patentierten Vorrichtung ist bereits durch § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG geschützt.

3.1.1 Die hier in Rede stehenden erteilten Ansprüche des Stammpatents lauten:

1. Halbleiter-Speichereinrichtung mit mehreren Speicherzellen, die jeweils umfassen:

einen Transistor (Q1, Q2, Q3, Q4) mit einem Source-Anschluss, einem Drain-Anschluss und einem Gate-Anschluss, undeinen ferroelektrischen Kondensator (Cf1, Cf2, Cf3, Cf4) mit einem ersten Anschluss, der mit dem Source-Anschluss verbunden ist, und mit einem zweiten Anschluss, der mit dem Drain-Anschluss verbunden ist, wobei der Gate-Anschluss des Transistors mit einer Wortleitung (WL00, WL01, WL02, WL03) verbunden ist.

2. Halbleiter-Speichereinrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass eine Vielzahl von in Reihe geschalteten Speicherzellen einen Speicherzellenblock bilden.

Davon ausgehend kann der geltende Anspruch 1 der vorliegenden Teilungsanmeldung etwa folgendermaßen formuliert werden:

1. Verfahren zum Ansteuern einer Halbleiter-Speichereinrichtung mit wahlfreiem Zugriff, welche Speicherzellenblöcke nach Anspruch 2 des Stammpatents umfasst, enthaltend die Schritte:

Einschalten jedes der Transistoren (Q1, Q2, Q3, Q4) in dem Speicherzellenblock, wenn auf keine Speicherzelle des Speicherzellenblocks zugegriffen wird, und Abschalten des Transistors (Q3) nur einer gewählten Speicherzelle, wenn auf die gewählte Speicherzelle zugegriffen wird.

3.1.2 Der Prüfungsstelle ist zwar soweit zuzustimmen, dass die patentierte Halbleiter-Speichereinrichtung des Stammpatents ohne den letztgenannten Arbeitsschritt des obigen Verfahrensanspruchs ("Abschalten ...") unbrauchbar wäre. Dies trifft jedoch nur eingeschränkt zu auf den davor genannten Arbeitsschritt ("Einschalten ..."), der zwar eine sehr sinnvolle Arbeitsweise beschreibt, auf den aber möglicherweise - vielleicht auch nur teilweise - verzichtet werden könnte. Denn auch ohne Kurzschluss des Speicherkondensators kann die Polarisation des Dielektrikums bei geeigneter Beschaltung der Anschlussleitungen erhalten bleiben, solange auf keine Speicherzelle des Speicherzellenblocks zugegriffen werden soll. Somit fehlt es schon an der wesentlichen in BGH "Handhabungsgerät" angegebenen Voraussetzung, dass der Verfahrensanspruch nicht über den sachlichen Gehalt des Vorrichtungsanspruchs hinaus geht.

Im Übrigen ist das beanspruchte Ansteuerverfahren kein Arbeitsverfahren, das von der Speicherzelle selbst ausgeführt würde, und erst recht keine "Bedienungsanleitung" für die Speicherzelle; vielmehr wird es von anderen Baugruppen (Zeilen-, Spaltenadressierungssteuerung) durchgeführt, die nicht Bestandteil der Speicherzelle (jedoch "an sich" vorbekannt und allgemein üblich) sind. Zu Recht weist die Anmelderin darauf hin, dass es von einem Vorrichtungsteil durchgeführt wird, welcher durch das Patent in der Stammanmeldung nicht unter Schutz gestellt ist, und auf den sie erst durch den vorliegenden Verfahrensanspruch "mittelbar" einen Zugriff erhält.

Mit der in BGH "Handhabungsgerät" vorgenommenen Argumentation kann deshalb das Rechtsschutzbedürfnis der Anmelderin für den vorliegenden Verfahrensanspruch nicht bestritten werden.

3.1.3 Auch die Argumentation in BGH BlPMZ 2006, 285 "Mikroprozessor" führt zum selben Ergebnis. Demnach berühren "Übereinstimmungen im Schutzbereich von Patentansprüchen ... das Rechtsschutzbedürfnis jedenfalls solange nicht, wie der Erteilungsantrag nicht auf eine mehrfache Patentierung ein und desselben Gegenstands gerichtet wird" (Leitsatz). Vorliegend ist der Anspruch 1 des Stammpatents auf eine Speichereinrichtung gerichtet, der Patentanspruch 1 der Teilungsanmeldung auf ein "Verfahren zur Ansteuerung ..." mit besonderen Merkmalen - ersichtlich zwei verschiedene Gegenstände. "Keinerlei Interesse des Anmelders" aus irgendwelchen "besonderen Gründen" lässt sich nicht feststellen, somit ist das Rechtsschutzbedürfnis für den Anspruch 1 der Teilungsanmeldung zu bejahen.

3.2 Bezüglich des nebengeordneten Patentanspruchs 3 hat die Prüfungsstelle im Zurückweisungsbeschluss geltend gemacht, es fehlten wesentliche Merkmale, die für die Lösung der Aufgabe notwendig seien. Unter Bezugnahme auf Figur 161 und die ursprüngliche Seite 186 (nunmehr Seite 42) stellt sie fest, das beschriebene Betriebsverfahren erfordere ein "vorübergehendes Speicherregister", welches im Patentanspruch 3 nicht vorgesehen sei. Die notwendigen Betriebsverfahrensschritte seien für den Fachmann allein aus den Angaben im (Vorrichtungs-) Anspruch 3 nicht ohne Weiteres ersichtlich. Somit fehlten noch Merkmale, die für die Lösung der Aufgabe notwendig seien.

3.2.1 Der in Rede stehende Anspruch 3 betrifft die elektrische Verschaltung einer Doppel-Speicherzelle nach Figur 161, die gemäß den Figuren 159 und 160 einen besonders platzsparenden Aufbau hat. Dieser günstige Aufbau hat eine ungünstigere Ansteuerung zur Folge, da der innere Speicherkondensator (im Beispiel durch WL5 adressiert) nicht mehr allein angesprochen werden kann, sondern nur als zu dem äußeren Speicherkondensator (mittels WL4) parallel geschaltet. Ein Lese- oder Schreibzugriff auf den inneren Speicherkondensator beeinflusst daher immer auch den äußeren. Der Prüfungsstelle ist zuzustimmen, dass für das Betriebsverfahren gemäß Beschreibung ein "vorübergehendes Speicherregister" zwangsläufig erforderlich ist, in dem der Inhalt des äußeren Speicherkondensators zwischengespeichert werden muss, da dieser sonst verloren gehen würde. Dies erkennt der Fachmann aus der Schaltskizze (Fig. 161) und der Beschreibung, wobei er die offensichtlichen Fehler (s. o. 2.1) automatisch korrigieren wird.

3.2.2 Der Zurückweisungsbeschluss beruft sich hierzu auf PatV § 9 Abs. 4 / 5 (bis 1.9.2003 PatAnmV § 4 Abs. 4 / 5), wonach im ersten Patentanspruch (bzw. den ihm nebengeordneten Ansprüchen) die wesentlichen Merkmale der Erfindung angegeben werden müssten.

Im vorliegenden Fall hat die Anmelderin die elektrische Schaltung einer Doppelspeicherzelle nach Figur 161 als wesentlich angesehen und klar und verständlich beansprucht. Die objektive Aufgabe kann darin gesehen werden, eine Speicherzellenschaltung anzugeben, die einen platzsparenden und kompakten Aufbau (etwa gemäß den Figuren 159 und 160) ermöglicht. Diese Aufgabe ist gelöst.

Wie eine solche Doppelspeicherzelle beschrieben und ausgelesen werden kann, ist nicht Gegenstand des Anspruchs 3. Dies ist auch nicht erforderlich. Nach § 34 Abs. 4 PatG muss die Erfindung in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart sein, dass ein Fachmann sie ausführen kann; vorliegend beschreibt Seite 42 Absatz 4 (ursprünglich Seite 186 Abs. 1) - für den Fachmann nachvollziehbar - das Ansteuerverfahren unter Verwendung eines "vorübergehendes Speicherregisters", die Anforderung des § 34 Abs. 4 ist somit erfüllt.

Nach § 14 PatG wird der Schutzbereich des (erteilten) Patents und der Patentanmeldung durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt und stellt die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs dar (vgl. BGH GRUR 1998, 1002, 1004 "Leuchtstoff"). Im Erteilungsverfahren ist daher für Patentansprüche zu sorgen, die die unter Schutz gestellte Erfindung klar und deutlich umschreiben (vgl. BGH BGHZ 103, 261 Abschnitt V "Düngerstreuer"). Hinsichtlich der Vollständigkeit der Offenbarung ist es als ausreichend anzusehen, wenn die Anmeldung dem Fachmann die entscheidende Richtung angibt, in der er mit Erfolg weiterarbeiten kann (BGH GRUR 1968, 311 "Garmachverfahren"). Die Patentschrift braucht für die Schutzfähigkeit einer Lehre nicht alle Schritte anzuführen, die zur Erreichung des patentgemäßen Erfolgs zusammen kommen müssen. Es genügt, wenn der Weg angegeben wird, der zur Erreichung des patentgemäßen Erfolgs beschritten werden soll, und dabei zugleich eine Möglichkeit aufgezeigt wird, wie dieser Erfolg zu erreichen ist (BGH Mitt. 2002, 176 "Gegensprechanlage" II. 2b bb letzter Absatz).

Insoweit ist das in § 9 PatV genannte Erfordernis, dass im Hauptanspruch die wesentlichen Merkmale der Erfindung anzugeben sind, lediglich zu verstehen als Anforderung an die sachgerechte Definition des Schutzbereichs. Dieser muss, ggf. unter Auslegung mittels der Beschreibung, so klar und eindeutig definiert sein, dass er "für Außenstehende hinreichend sicher vorhersehbar ist" (vgl. BGH BlPMZ 90, 240 "Batteriekastenschnur").

Im vorliegenden Fall sind die als fehlend bemängelten Angaben zum Einschreiben und Auslesen der Doppelspeicherzelle und das dafür erforderliche "vorübergehende Speicherregister" nicht Bestandteil der eigentlich beanspruchten Lehre, d. h. der elektrischen Schaltung der Doppelspeicherzelle selbst, sondern betreffen ihre nicht beanspruchte Arbeitsweise. Im Übrigen ist es dem Fachmann vertraut, dass bei jedem Auslesevorgang einer FRAM-Speicherzelle der Inhalt zerstört wird, d. h. er muss zwischengespeichert und zurückgeschrieben werden (siehe Beschreibung Seite 26 Abs. 1); das Vorsehen eines Zwischenspeichers ist daher im vorliegenden Zusammenhang nichts Ungewöhnliches (vgl. auch "destructive readout" beim herkömmlichen DRAM). Die beanspruchte Lehre hingegen vermittelt auch ohne diese Angaben im Patentanspruch 3 einen klar definierten Schutzbereich.

Der Patentanspruch 3 ist daher in formaler Hinsicht nicht zu beanstanden.

3.3 Mit der vorgenommenen umfangreichen Streichung von Textpassagen und Zeichnungen wurde der Anforderung Rechnung getragen, die Beschreibung auf diejenigen Teile zu beschränken, die zur Erläuterung der Erfindung notwendig sind, vgl. BGH BlPMZ 70, 163 (III1b) "Faltbehälter" und BPatGE 7, 102 "Zur Frage der Notwendigkeit der Streichung von Beschreibungsteilen, die nicht der Klarstellung der Erfindung dienen".

Der diesbezüglich im Zurückweisungsbeschluss geltend gemachte Mangel liegt sonach nicht mehr vor.

4. Der jeweilige Gegenstand der geltenden nebengeordneten Patentansprüche 1 und 3 ist durch die im Verfahren zitierten Druckschriften:

D1 US 5 345 415 A D2 US 5 121 353 A nicht neuheitsschädlich vorbekannt und wird dem Fachmann durch sie auch nicht nahe gelegt.

D1 beschreibt eine Ansteuerung ferroelektrischer Kondensatoren nach Figur 1B der Anmeldung ("Stand der Technik") oder eine Anordnung eines ferroelektrischen Kondensators am Gate eines Feldeffekttransistors, jedoch nicht die beanspruchte Überbrückung durch einen Feldeffekttransistor. Somit kann sie der vorliegenden Anmeldung nicht entgegen stehen.

Als nächstkommender Stand der Technik ist die nachträglich benannte, aus einem parallelen US-Prüfungsverfahren bekannt gewordene D2 zu betrachten, die in der geltenden Beschreibung (Seite 8 Mitte) berücksichtigt ist. Sie beschreibt in Figur 3 eine Halbleiter-Speichereinrichtung mit mehreren ferroelektrischen Speicherzellen (10, 20), wobei jede Speicherzelle einen Transistor (18, 28) mit einem Source-Anschluss, einem Drain-Anschluss und einem Gate-Anschluss aufweist, sowie einen ferroelektrischen Kondensator (13, 23) mit einem mit dem Source-Anschluss verbundenen ersten Anschluss und einem mit dem Drain-Anschluss verbundenen zweiten Anschluss, wobei der Gate-Anschluss des Transistors mit einer Wortleitung (12W, 13W) verbunden ist. Darüber hinaus ist ein Verfahren zur Ansteuerung einer solchen Speicherzelle entnehmbar, bei welchem der genannte Transistor (18, 28) eingeschaltet bleibt, wenn auf die Speicherzelle (10, 20) nicht zugegriffen wird, und der Transistor (18, 28) abgeschaltet wird, wenn auf die Speicherzelle (10, 20) zugegriffen werden soll (siehe D2 insbesondere Spalte 4 Zeile 15 - 63).

Im Unterschied zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist aber pro Speicherzelle ein zweiter Transistor (11, 21) notwendig, der komplementär angesteuert wird. Die in D2 vorbeschriebene Struktur erlaubt keine einfache Reihenschaltung einer Mehrzahl der Speicherzellen zu Speicherzellenblöcken, und kann demgemäß auch kein Verfahren zur Ansteuerung von Speicherzellen innerhalb von Speicherblöcken, die durch (einfache) Reihenschaltung mehrerer Speicherzellen gebildet sind, beschreiben. Das beanspruchte Verfahren kommt mit deutlich weniger Transistoren und Steuerleitungen aus und stellt somit eine Verbesserung dar, die durch D2 auch nicht nahe gelegt ist.

Doppelspeicherzellen im Sinne des nebengeordneten Anspruchs 3 sind weder in D1 noch in D2 erwähnt, es findet sich ebenfalls keine Anregung, die sie nahe legen würde.

Weiterer entgegen stehender Stand der Technik ist nicht bekannt geworden.

Folglich sind die Patentansprüche 1 und 3 gewährbar. Die Unteransprüche 2 und 4 beinhalten zweckmäßige, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen der Erfindung und sind in Verbindung mit Anspruch 1 bzw. Anspruch 3 ebenfalls gewährbar.






BPatG:
Beschluss v. 27.04.2007
Az: 17 W (pat) 43/04


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