Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. September 2003
Aktenzeichen: 29 W (pat) 274/02

(BPatG: Beschluss v. 24.09.2003, Az.: 29 W (pat) 274/02)

Tenor

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. August 2002 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die Wortmarke XtraCash Memoryist am 27. November 2000 für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9:

Elektrische und elektronische, optische, Mess-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild und/oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger, Chip-Karten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer;

Klasse 35:

Werbung; Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten;

Klasse 38:

Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Geräten und Einrichtungen für die Telekommunikation;

Klasse 41:

Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten;

Klasse 42:

Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation.

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 28. August 2002 als freihaltebedürftige und nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen. Der Verkehr erkenne in dem Bestandteil "Xtra" ohne weiteres die werbeübliche Schreibweise des Wortes "extra". Aus der Kombination mit den weiteren Bestandteilen "Cash" und "Memory" ergebe sich ein einheitlicher Gesamtbegriff, der ohne weiteres im Sinne von "Extra-Speicher für Cash" verständlich sei. In Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen weise das Zeichen daher ausschließlich darauf hin, dass diese mit einem entsprechenden Speicher ausgestattet oder für dessen Betrieb geeignet seien.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Bei dem Bestandteil "Xtra" handele es sich nicht um eine gebräuchliche Abwandlung des Wortes "extra". Im Übrigen werde "extra" im englischen Sprachgebrauch auch im Sinne von "zusätzlich, speziell" verwendet. Das Wort "Cash" könne sowohl "bar" als auch "Bargeld, Barmittel, Barzahlung, Kasse, Kassenbestand" bedeuten. Auch der Begriff "Memory" habe verschiedene mögliche Bedeutungen und sei den deutschsprachigen Verkehrskreisen allenfalls im Sinne von "Erinnerung, Gedächtnis" geläufig. Mangels eindeutigen Sinngehalts sei "XtraCash Memory" daher weder freihaltebedürftig noch fehle dem Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die angemeldete Marke ist weder als beschreibende Angabe gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG noch auf Grund fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.

1. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind die Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr insbesondere zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen oder dienen können. Nach dieser Vorschrift ist die Eintragung auch dann zu versagen, wenn die Benutzung des angemeldeten Zeichens als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber in Zukunft jederzeit erfolgen kann. Denn auch in diesem Fall ist die Voraussetzung erfüllt, dass die in dem Zeichen enthaltene Aussage als Sachangabe dienen kann (vgl. BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE - mwN.). Nach Auffassung des Senats stellt die angemeldete Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine in diesem Sinne unmittelbar beschreibende Angabe dar, denn es lässt sich weder feststellen, dass die Bezeichnung "XtraCash Memory" im beanspruchten Waren- und Dienstleistungsgebiet als Sachangabe verwendet wird, noch finden sich hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass sie zukünftig als solche benötigt wird.

2. Die angemeldete Marke ist erkennbar aus den Bestandteilen "Xtra", "Cash" und "Memory" zusammengesetzt. Bei "Xtra" handelt es sich um eine werbeübliche Abwandlung des Wortes "extra". Die Verkürzung der Vorsilbe "Ex" auf den Buchstaben "X" ist ein in der Werbesprache häufig verwendetes Gestaltungsmittel (vgl BPatG 24 W (pat) 270/97 - XPERTWARE; 26 W (pat) 46/01 - X-TRA; 27 W (pat) 153/97 - X-tra; 28 W (pat) 159/99 - XTREME; 28 W (pat) 59/00 - XPERT; 30 W (pat) 3/02 - PlantXpert). In Kombination mit Substantiven kennzeichnet der Begriff "Extra" eine Sache als etwas Zusätzliches, Besonderes, zB Extrablatt, Extraklasse, Extrawurst (vgl Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl 2001, CD-ROM). Auf Grund der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten zählt "Extra" zu den häufig in der Allgemeinsprache vorkommenden und in ihr verwurzelten Wortbildungselementen. Dementsprechend dient er auch als allgemeines Werbeschlagwort und findet für Waren und Dienstleistungen jedweder Art Verwendung. Das englische Wort "Cash" ist mit den Bedeutungen "Bargeld, Barzahlung" in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen. Außerdem ist es als Adverb im Sinne von "bar" gebräuchlich, wie zB in dem Ausdruck "cash bezahlen" (vgl Duden aaO). Der weitere englische Bestandteil "Memory" bedeutet soviel wie "Gedächtnis, Andenken, Erinnerung" (vgl Pons, Großwörterbuch Englisch-Deutsch, 1. Aufl 2002). Auf dieser Bedeutung beruht auch der im Zusammenhang mit Akkumulatoren gängige Fachbegriff "Memory-Effekt". Darüber hinaus hat "Memory" im Bereich der elektronischer Datenverarbeitung die Bedeutung von "Speicher" und ist Bestandteil zahlreicher Fachbegriffe wie zB Memory Bank (Speicherbank), Memory Cell (Speicherelement), Memory Chip (Speicherchip), ROM (Read Only Memory) (vgl Brockhaus, Computer und Informationstechnologie, 2003, S 571 f; Collin ua, Fachwörterbuch Datenverarbeitung, 1997, S 235 f).

3. Allerdings hat der Senat trotz der ohne weiteres verständlichen Bedeutung der einzelnen Bestandteile nicht feststellen können, dass die Wortverbindung "Xtra-Cash Memory" in ihrer Gesamtheit zur Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Art, Beschaffenheit, Menge, Bestimmung oder sonstiger Merkmale dienen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das angesprochene Publikum zusammengesetzte Kennzeichen in der Regel so aufnimmt, wie sie ihm im Verkehr begegnen, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl BGH GRUR 1995, 269 - U-KEY; GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

3.1. Auf dem hier einschlägigen Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie ist eine Gesamtaussage im Sinne von "Extra-Bargeld-Speicher" naheliegend. Eine beschreibende Verwendung des Ausdrucks "Cash Memory" hat die vom Senat durchgeführte Recherche nicht ergeben. Die ermittelten Belegstellen verweisen ausschließlich auf das Angebot der Anmelderin, die damit ein Guthaben bezeichnet, das nach Ablauf der vertraglich zugesicherten Gesprächszeit nicht verfällt, sondern durch Aufladen der Telefonkarte wieder aktiviert werden kann. Der Begriff "Cash Memory" wird dabei stets erläutert, was nach Auffassung des Senats indiziell gegen seine unmittelbare Verständlichkeit spricht (vgl zB www.mobilis.de - "Was bietet das "Xtra"-Paket - Wird die Kart zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgeladen, wird das alte Guthaben "reaktiviert" ("Cash-Memory")"; www.premiumhandy.de/Handylexikon - "Ist die Gültigkeit Ihrer Prepaid-Karte abgelaufen, verfällt in der Regel Ihr Kontoguthaben. D1 bietet die Besonderheit des Cash-Memory. Ihr Restguthaben steht Ihnen zwar nicht mehr zur Verfügung, wird aber abgespeichert.").

3.2. Selbst wenn man für das Gesamtzeichen eine Aussage im Sinne von "Extra-Bargeld-Speicher" annimmt, bleibt der Bedeutungsgehalt unklar. Für das hier maßgebliche Waren- und Dienstleistungsgebiet lässt sich nämlich nicht feststellen, dass eine Speicherfunktion für Bargeld oder Barzahlung bedeutsam wäre. Zwar können die in Klasse 9 beanspruchten Geräte, Apparate, Datenträger und Chipkarten bei der Ausgabe und Einzahlung von Bargeld Verwendung finden. Insoweit könnte "Cash Memory" auf eine Funktion hinweisen, mit der ein- oder ausgezahlte Bargeldbeträge gespeichert bzw verfügbares Bargeld gespeichert wird. Angesichts des nur mittelbaren Zusammenhangs zwischen diesen Waren und der Bargeldausgabe bzw -einzahlung erschließt sich dieser Bedeutungsgehalt aber nicht ohne weiteres, sondern erfordert mehrere gedankliche Zwischenschritte, die der Verkehr regelmäßig nicht vornimmt. Gleiches gilt für die beanspruchten Dienstleistungen. Zwar können diese Dienstleistungen durch Barzahlung in Anspruch genommen werden. So ist es insbesondere im Bereich der Telekommunikation üblich, Telefonkarten für die Inanspruchnahme von Mobilfunk- und Telefondienstleistungen gegen Barzahlung zu erwerben. Außerdem kann beim Erstellen von Datenverarbeitungsprogrammen eine Speicherfunktion bedeutsam sein. Da zwischen der Barzahlung einerseits und einem Datenspeicher andererseits aber keine erkennbaren sachlichen Berührungspunkte bestehen, ergibt sich aus der Kombination der beiden Begriffe für die beanspruchten Dienstleistungen keine ohne weiteres verständliche Sachaussage (vgl EuGH C-191/01 vom 23. Oktober 2003 - Doublemint). Welche Merkmale dieser Dienstleistungen mit der Wortbildung "Cash Memory" konkret beschrieben werden sollen, bleibt nämlich unklar. Nachdem es somit bereits für die Bestandteile "Cash Memory" an einem eindeutigen und ohne weiteres erfassbaren Aussagegehalt für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen fehlt, ist auch das Gesamtzeichen für eine Verwendung als Sachangabe nicht geeignet.

3.3. Für die Annahme der Markenstelle, dass es sich bei "Cash" um die übliche Kurzform des Begriffs "electronic cash" handele, hat der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte gefunden. Soweit der Ausdruck "electronic cash" im deutschen Sprachgebrauch verwendet wird, bezeichnet er nicht die Barzahlung, sondern die bargeldlose Zahlung mittels Bank- oder Kreditkarte, und wird in Anlehnung an vergleichbare Ausdrücke wie "E-Mail, E-Commerce, E-Banking" lediglich auf den Begriff "ecash" verkürzt.

4. Da die Wortverbindung aus den dargelegten Gründen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine eindeutige, im Vordergrund stehende sachlich beschreibende Bezeichnung und auch keine allgemeine Werbeaussage ist, fehlt der Marke "XtraCash Memory" auch nicht jegliche Unterscheidungskraft.

Grabrucker Pagenberg Fink Hu






BPatG:
Beschluss v. 24.09.2003
Az: 29 W (pat) 274/02


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