Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juli 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 5/03

(BPatG: Beschluss v. 30.07.2003, Az.: 28 W (pat) 5/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des DPMA - Markenstelle für Klasse 29 - vom 4. November 2002 aufgehoben.

Wegen der Widersprüche aus der Marke 2 041 131 wird die Löschung der angegriffenen Marke 300 33 216 für die Waren der Klasse 32 angeordnet.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen wurde unter der Rollennummer 300 33 216 die Marke Matinoals Kennzeichnung unter anderem für folgende Waren:

Kl 32: Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte.

Auf diese Waren beschränkt hat die Inhaberin der rangälteren Marke 2 044 131 Matineedie für die Waren "Weine und Schaumweine" eingetragen ist, Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, eine Verwechslungsgefahr scheide - unter Zugrundelegung einer mittleren Warenähnlichkeit - insbesondere wegen der unterschiedlichen Betonung und Klangverläufe der beiden Markenwörter aus.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, denn nach ihrer Ansicht sind bei der Gegenüberstellung der Marken weder deren schriftbildliche Ähnlichkeit, noch insbesondere deren große Übereinstimmung in der deutschen Bedeutung (frz. "la matinee" bzw ital. "il mattino" = der Morgen in seinem ganzen Verlauf) ausreichend berücksichtigt worden Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der jüngeren Marke im angegriffenen Umfang anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie weist auf die deutlich unterschiedlichen Warengebiete (alkoholfreie und alkoholische Getränke), sowie auf die Abweichungen im Schriftbild und im Bedeutungsgehalt der Markenwörter (Matinee = am Vormittag stattfindende künstlerische Veranstaltung) hin. Im übrigen hält sie die Ausführungen im patentamtlichen Beschluss für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 165 Abs 4 MarkenG) und hat in der Sache Erfolg, denn in Bezug auf die allein angegriffenen Waren der Klasse 32 besteht Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Eine Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gewichtung der Faktoren Warenähnlichkeit/-identität, Markenähnlichkeit/-identität und Schutzumfang der Widerspruchsmarke zu einer Bejahung einer unzulässigen Beeinträchtigung der rechtlich schutzwürdigen Interessen der älteren Marke führt. Dabei kann die Markenähnlichkeit sowohl in klanglicher, als auch in schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen. Zumindest wegen einer hinreichend deutlichen Nähe im Aussagegehalt ist hier eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Die Anforderungen, die angesichts der Ähnlichkeit der jeweiligen Waren, sowie des - durchschnittlichen - Schutzumfangs der älteren Marke an den Abstand der beiden Marken zu stellen sind, bewegen sich hier im eher hohen Bereich. Dies liegt vor allem an der deutlichen Warennähe der Waren, deren Zusammentreffen beim Verbraucher in der Form von Mixgetränken (zB Weinschorle, Sektorange) geradezu typisch ist (vgl hierzu BGH, MarkenR 2003, 141 - BIG BERTHA, MarkenR 2001, 204 - EVIA/REVIAN). Zwar ist die Herstellung von Wein/Schaumwein und alkoholfreien Getränken durch ein und denselben Hersteller eher unüblich, beim Vertrieb, in den Verkaufsstätten und insbesondere beim Verbraucher haben die Produkte jedoch als einander ergänzende Waren deutliche Berührungspunkte. Ihre Kennzeichnung mit identischen Marken jedenfalls würde die Vermutung einer gemeinsamen Produktverantwortung nahe legen.

Umstände, welche die Voraussetzungen an den vor diesem Hintergrund notwendigen deutlichen Markenabstand mindern könnten, sind hier nicht ersichtlich. Bei den Produkten handelt es sich um Waren des täglichen Bedarfs, die vom allgemeinen Verkehr weder mit besonderer Nachlässigkeit noch übergroßer Sorgfalt gekauft werden, so dass als Maßstab bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher anzusetzen ist (BGH, MarkenR 2000, 140 - ATTACHE/TISSERAND). Dieser nimmt in der Regel eine Marke als Ganzes wahr, ohne auf ihre verschiedenen Einzelheiten zu achten (vgl EuGH, MarkenR 1999, 236 - Lloyd).

Die Marken "Matinee" und "Matino" mögen zwar im klanglichen Vergleich noch hinreichend auseinandergehalten werden können, aber schon bei der Gegenüberstellung im Schriftbild - der Kauf auf Sicht spielt gerade bei Lebensmitteln eine gewichtige Rolle - zeigen sich erhebliche Übereinstimmungen. Die Worte sind identisch in dem Bestandteil "Matin" (dem französischen Wort für "Morgen"), jedoch unterschiedlich in der gesamten Wortlänge, was aber durch das sehr ähnliche Schriftbild von "e" und "o" kompensiert wird. Es kann dahinstehen, ob dies für eine Verwechslungsgefahr ausreicht, denn die Übereinstimmung im - richtigen oder auch nur vermuteten - Bedeutungsgehalt ist derart weitgehend, dass der angesprochene Verkehr - zumindest aus der Erinnerung heraus - kaum in der Lage sein wird die Marken richtig zuzuordnen. "Matinee" ist nicht nur die "Kunstveranstaltung am Vormittag", sondern insbesondere auch der "Vormittag" an sich. Dieses Wort gehört zum Grundwortschatz der französischen Sprache und ist zumindest einem maßgeblichen Teil des Verkehrs nicht unbekannt. Gleiches gilt für das italienische Wort "mattino" (dem Italienreisenden geläufig aus "domani mattino" = "morgen Vormittag"), von dem sich die jüngere Marke zwar durch das fehlende "t" unterscheidet, was aber weitgehend unerkannt bleiben wird. Betroffen ist hier insbesondere der Teil der Verbraucher, der rudimentäre Fremdsprachenkenntnisse hat - was auf einen Großteil der Verbraucher zutreffen dürfte - , der also in beiden Worten die übereinstimmende Bedeutung erkennt oder erahnt, sie auch im Gedächtnis behält, aus der Erinnerung heraus aber durchaus miteinander verwechseln kann. Angesichts der deutlichen Warenähnlichkeit greift eine derartige Markennähe im den Schutzbereich der älteren Marke ein, so dass eine Verwechslungsgefahr zu bejahen ist.

Die Beschwerde hat damit Erfolg.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.

Stoppel Paetzold Schwarz-Angele Bb






BPatG:
Beschluss v. 30.07.2003
Az: 28 W (pat) 5/03


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