Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Mai 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 104/02

(BPatG: Beschluss v. 27.05.2003, Az.: 27 W (pat) 104/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I Die für "Klasse 25: Vêtements" international registrierte Wortbildmarke H+H [MENSWEAR]

begehrt Schutz in Deutschland. Hiergegen ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren Wortbildmarkedie unter der Nr 399 21 727 ua für "Bekleidungsstücke, insbesondere Anzüge, Kostüme, Jacken, Pullover, Hemden, Blusen, Hosen, T-Shirts, Westen, Anoraks, Parkas und Kopfbedeckung, insbesondere Mützen, Helme, Kapuzen und Hüte, auch zum Wandern und Bergsteigen; Badehosen und -anzüge; Sportbekleidungsstücke, insbesondere Sportuniformen, Sport-Mannschaftskleidung, Sporthemden und -hosen, -mützen, -handschuhe, -pullover, -jacken; wetterfeste und wasserdichte Bekleidungsstücke, insbesondere Mäntel, Jacken, Anoraks, Overalls, Kopfbedeckung, Handschuhe und Fäustlinge; Schals; Unterziehanzüge, Unterwäsche, Strumpfwaren; Schuhe und Stiefel, insbesondere Sportschuhe und -stiefel, wasserdichte Schuhe und Stiefel" eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 21. Februar 2002 der angegriffenen Marke den beantragten Schutz wegen der Gefahr von Verwechslungen mit der Widerspruchsmarke verweigert. Denn angesichts der jeweils beanspruchten identischen Waren halte die schutzsuchende internationale Marke den erforderlichen Abstand zur älteren Marke nicht ein. Da der Verkehr den produktbeschreibenden Zusatz "MENSWEAR" bei der Benennung der angegriffenen Marke nicht berücksichtigen werde, stünden sich klanglich weitgehend übereinstimmende Marken gegenüber; die einzige Abweichung, nämlich das als "und" gesprochene "+"-Zeichen in der Wortmitte werde von den Verbrauchern kaum wahrgenommen und wegen der in der Buchstabenfolge "HH" übereinstimmenden Klangbilder in den Hintergrund treten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses anstrebt. Sie meint, allein auf den klanglichen Vergleich der Marken dürfe nicht abgestellt werden, da die mündlichen Benennungen von Marken im Geschäftsleben von eher geringerer Bedeutung seien. Dies gelte insbesondere auf dem hier in Rede stehenden Warengebiet, bei dem die Bestellungen der Einzelhändler weitgehend schriftlich erfolgten und die Verbraucher die entsprechenden Waren nahezu ausschließlich auf Sicht kauften. Der Bestandteil "MENSWEAR" in der angegriffenen Marke habe dabei keinen warenbeschreibenden Charakter, sondern präge die Gesamtmarke mit. Zudem handele es sich bei den Vergleichsmarken um nicht als Wort aussprechbare Buchstabenfolgen, deren Kennzeichnungskraft hierdurch gemindert sei, so dass ihr geringer Schutzbereich erst durch die grafische Ausgestaltung eine gewisse Steigerung erfahre. Dass die Widerspruchsmarke infolge langjähriger Benutzung eine erhöhte Kennzeichnungskraft besitze, bestreite sie; tatsächlich werde die Widerspruchsmarke durchweg nur mit dem auf die Firma der Widersprechenden hindeutenden Zusatz "HELLY HANSEN" benutzt. Die grafische Ausgestaltung weiche bei der angegriffenen Marke aber deutlich von der ältere Marke ab, mit der sie lediglich in den schwach kennzeichnenden Buchstaben übereinstimme. Darüber hinaus sei auch die Aufmerksamkeit der angesprochenen Käufer von Outdoor-Bekleidung erhöht, so dass ihnen vorhandene Unterschiede weitgehend auffallen würden. Schließlich bestehe auch keine klangliche Verwechslungsgefahr, weil der Verkehr die Anmeldemarke wegen des zusätzlichen "+"-Zeichens in der Mitte anders als die Widerspruchsmarke ausspreche. Hilfsweise regt die Inhaberin der jüngeren Marke die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Die Widersprechende ist dem entgegengetreten. Sie meint, die klangliche Verwechslungsgefahr reiche entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Annahme der Verwechslungsgefahr aus. Diese sei, wie von der Markenstelle zutreffend ausgeführt, zu bejahen. Daneben bestehe aber auch eine schriftbildliche Verwechselbarkeit beider Marken. Die zusätzliche, in äußerst zarter Schrift gehaltene beschreibende Angabe "MENSWEAR" nehme der Verkehr kaum wahr. Beide Zeichen stimmten dann aber darin überein, dass sie in fett gehaltenen Großbuchstaben wiedergegeben seien. Dass die Widerspruchsmarke in schwarzen Lettern auf weißem Hintergrund und die Anmeldemarke in weißen Lettern auf schwarzem Hintergrund gehalten sei, gehe ebenso wie das zusätzliche "+"-Zeichen in der jüngeren Marke unter. Es treffe auch nicht zu, dass die Kennzeichnungskraft der Marken wegen der Folge zweier Buchstaben gemindert sei. Im übrigen sei die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke infolge langjähriger (seit 1877) Benutzung gesteigert; sie werde dabei auch in Alleinstellung zur Produktkennzeichnung verwendet, wobei der gelegentliche kleiner gehaltene Zusatz "HELLY HANSEN" von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als markenmäßige Kennzeichnung, sondern allein als Hinweis auf die Firma der Widersprechenden angesehen werde. Schließlich bestehe auch eine assoziative Verwechslungsgefahr, weil die Widersprechende über eine Reihe ähnlich gebildeter Wortbildmarken verfüge, deren Hauptbestandteil jeweils die Buchstabenfolge "HH" sei.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft. Sie haben dabei wegen schwebender Vergleichsverhandlungen um Zustellung der Entscheidung an Verkündungs Statt zu einem - auf ihren Antrag mehrmals verlängerten - späteren Zeitpunkt gebeten. Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2004 hat der Vertreter der Widersprechenden mitgeteilt, dass die Vergleichsverhandlungen gescheitert seien und um Entscheidung gebeten.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Markenstelle zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 399 21 727 den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland wegen der Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken verweigert hat (§§ 107, 114 iVm § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG).

Unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz 23 f - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz 16 f - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243), hält die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur älteren Marke nicht mehr ein, weil angesichts der Identität der jeweils beanspruchten Waren und der zumindest als normal einzustufenden Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke die Ähnlichkeit der Marken so groß ist, dass Verwechslungen zwischen ihnen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als zumindest normal einzustufen. Soweit die Inhaberin der um Schutz nachsuchenden internationalen Marke hiergegen eingewandt hat, dass ein nur aus einer Buchstabenfolge bestehendes Produktzeichen von Haus aus kennzeichnungsschwach sei, kann dem nicht gefolgt werde; denn an dieser früher vertretenen Rechtsmeinung kann nach Inkrafttreten des neuen Markengesetzes nicht mehr festgehalten werden (vgl BGH GRUR 2002, 1067, 1068 f - DKV/OKV); vielmehr ist die Kennzeichnungskraft von Buchstabenfolgen nicht anders als diejenige von Wortzeichen zu beurteilen. Die ältere Marke ist auch nicht deshalb kennzeichnungsschwach, weil die Buchstabenfolge "HH" infolge häufiger Verwendung als verbraucht anzusehen wäre; auf dem hier interessierenden Warensektor gibt es nämlich nur fünf Marken mit dieser Buchstabenfolge, von denen drei der Widersprechenden gehören. Die zwischen den Beteiligten höchst streitige weitere Frage, ob die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sogar - wie die Widersprechende behauptet - infolge langjähriger Benutzung und einer geltend gemachten Verkehrsbekanntheit von 50 % gesteigert sei, braucht nicht vertieft zu werden, weil auch bei Annahme normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke der wegen der bestehenden Warenidentität erforderliche Abstand von der jüngeren Marke nicht mehr eingehalten wird.

Es kann dahinstehen, ob die beiden Zeichen schriftbildlich verwechselbar sind, denn jedenfalls in klanglicher Hinsicht können Verwechslungen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Nicht gefolgt werden kann dabei der Auffassung der Inhaberin der schutzsuchenden Marke, dass eine klangliche Verwechslungsgefahr auf dem hier in Rede stehenden Modesektor von vornherein ausscheide, weil Bekleidungsstücke nur auf Sicht gekauft würden, denn auch auf dem Modesektor kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht von vornherein vernachlässigt werden (vgl BGH GRUR 1999, 241, 243 - Lions), auch wenn sicherlich einiges dafür spricht, dass der klanglichen Wahrnehmung von Modemarken gegenüber ihrer optischen und semantischen eine geringere Bedeutung zukommt.

Bei der akustischen Wiedergabe unterscheiden sich die Marken lediglich darin, dass das jüngere Zeichen zwischen den in beiden Kennzeichnungen gleichermaßen enthaltenen Buchstaben "H" das mathematische "+"-zeichen aufweist. Dieses werden die überwiegenden Teile des Verkehrs in der Regel wie "und" aussprechen, während eine Benennung mit "Plus" im Sinne einer bei Zahlen üblichen Addition eher fernliegt. Die weitere Angabe "[MENSWEAR]" wird der Verkehr bei einer mündlichen Wiedergabe der angegriffenen Marke außer acht lassen, da es sich hierbei um eine glatt beschreibende Sachangabe handelt, deren untergeordnete, das jüngere Zeichen nicht prägende Bedeutung noch durch die eckigen Klammern verstärkt wird. Infolge des wie "und" oder "plus" ausgesprochenen "+"-Zeichens weist die jüngere Marke zwar im Gegensatz zur Widerspruchsmarke ein zusätzliches Element auf. Angesichts des Erfahrungssatzes, dass die angesprochenen Verkehrskreise regelmäßig nicht den einander gegenüberstehenden Zeichen gleichzeitig begegnen, sondern ihren Eindruck nur aufgrund einer undeutlichen Erinnerung an eine der beiden Marken gewinnen (vgl EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 [Rn 26] - Lloyd; BGH GRUR 1993, 972, 974 f - Sana/Schosana), wobei die übereinstimmenden Merkmale stärker ins Gewicht fallen als die Unterschiede (vgl BGH GRUR 1999, 587, 569 - Cefallone), ist dieser Unterschied aber nicht geeignet, eine klangliche Verwechselbarkeit der Zeichen auszuschließen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass beide Marken, die in der jeweils registrierten Form keinen den Verbrauchern unmittelbar erkennbaren Sinngehalt haben, ihren Gesamteindruck im wesentlichen aufgrund der in beiden Zeichen übereinstimmenden Verdoppelung des Buchstaben "H" erzielen. Dem zusätzlichen "+" Zeichen in der jüngeren Marke kommt demgegenüber kein für eine sichere Unterscheidung ausreichendes klangliches Gewicht zu, weil es in der Mitte der beiden Buchstaben häufig nicht klar und deutlich als "und" gesprochen wird, sondern auf ein "n" verkürzt anklingt ("H'nH"). Die angesprochenen Verkehrskreise können daher, wenn sie die jüngere Marke akustisch wahrnehmen, leicht der irrigen Vorstellung unterliegen, es handele sich um die ältere Marke "HH". Aber auch dann, wenn das Wort "und" noch hörbar hervortritt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass es vom Verkehr als eine lediglich die Verdoppelung der beiden Buchstaben unterstreichende Wiedergabeform der älteren Marke aufgefasst wird. Da die einander gegenüberstehenden Zeichen somit jedenfalls klanglich eine beachtliche Ähnlichkeit aufweisen, kann eine Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die identisch beanspruchten Waren nicht ausgeschlossen werden.

Da die Markenstelle der angegriffenen Marke somit zu Recht den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland verweigert hat, war die hiergegen gerichtete Beschwerde der Inhaberin der jüngeren Marke zurückzuweisen.

Gründe: für eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG bestehen nicht.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs 1 Nr 1 MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 83 Abs 2 Nr 2 MarkenG). Zu befinden war vielmehr allein auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung über die Verwechselbarkeit der Vergleichsmarken aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falls.

Dr. Schermer Dr. van Raden Schwarz Pü






BPatG:
Beschluss v. 27.05.2003
Az: 27 W (pat) 104/02


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