Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 4. Juli 2012
Aktenzeichen: I-26 W 11/11 (AktE)

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 04.07.2012, Az.: I-26 W 11/11 (AktE))

§§ 327a, 327b AktG; § 6 SpruchG

Die Berechnung der Höhe der Barabfindung im Squeezeout-Verfahren anhand des Barwerts der Ausgleichszahlung, die sich aus einem vorangegangenen, noch bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ergibt, ist in der Regel ungeeignet, den Unternehmenswert zu bestimmen.

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsteller zu 1., 2. und 3. wird der Beschluss der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 23.03.2011 wie folgt geändert und neu gefasst:

Die angemessene Barabfindung für eine Inhaberaktie im Nennwert von 100 DM wird auf 697,75 € festgesetzt. Im Übrigen, soweit die Anträge sich gegen die Antragstellerin zu 1. richten, werden die Beschwerden zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz, die Vergütung und Auslagen des gemeinsamen Vertreters sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller erster und zweiter Instanz trägt die Antragsgegnerin zu 2. Die Antragsgegnerinnen tragen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Geschäftswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 200.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin zu 1. verfügte über ein Grundkapital in Höhe von . . . DM, aufgeteilt in . . . Aktien im Nennwert von 1.000 DM und . . . Aktien im Nennwert von 100 DM. Die Antragsgegnerin zu 2. hielt im Juli 2002 98,51 % der Aktien der Antragsgegnerin zu 1. und die Minderheitsaktionäre 224 Aktien im Nennwert von 100 DM (entspricht 1,49 %).

Die Antragsgegnerinnen hatten am 25.05.1983 mit Wirkung zum 01.07.1983 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen. In dem Vertrag unterstellte die Antragsgegnerin zu 1. die Leitung ihrer Gesellschaft der Antragsgegnerin zu 2.. Die Antragsgegnerin zu 2. ist seither berechtigt, dem Vorstand der Antragsgegnerin zu 1. Weisungen zu erteilen und die Antragsgegnerin zu 1. verpflichtete sich, ihren gesamten Jahresgewinn an die Antragsgegnerin zu 2. abzuführen. In diesem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag hatten sich die Antragsgegnerinnen verpflichtet, den außenstehenden Aktionären eine Abfindung in Höhe von 660 DM (entspricht 337,45 €) je Inhaberaktie im Nennwert von 100 DM zu zahlen. Darüber hinaus gewährte der Vertrag für jedes Geschäftsjahr und für jede Aktie im Nennwert von 100 DM eine Zahlung von 8 DM (entspricht 4,09 €) abzüglich der gesetzlich einzubehaltenden Kapitalertragssteuer. Der Unternehmensvertrag war für die Dauer von 5 Jahren geschlossen und war dann jährlich kündbar. Die Antragsgegnerin zu 1. hatte ab dem 01.10.1983 ihrerseits auch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der X. geschlossen. Die „X.“ war dann am 05.06.2000 in die Antragsgegnerin zu. 1. eingegliedert worden. Am 30.06.2002 hatte die Antragsgegnerin zu 1. ihre Anteile an der inzwischen in eine GmbH umgewandelte X. an die Antragsgegnerin zu 2. veräußert.

Am 17.07.2002 beschloss die Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1. auf einen Antrag der Antragsgegnerin zu 2., die Aktien der Minderheitsaktionäre der Gesellschaft auf die Hauptaktionärin, die Antragsgegnerin zu 2., gemäß den §§ 327a ff. AktG gegen Zahlung einer Barabfindung zu übertragen (Squeezeout). Als Barabfindung war eine Barabfindung in Höhe von 337,45 € je Aktie im Nennwert von 100 DM, also der Abfindungsbetrag aus dem Unternehmensvertrag von 1983, festgelegt worden.

Der Barabfindungsbetrag war aufgrund eines Übertragungsberichtes der Antragsgegnerin zu 2. sowie eines vom Landgericht Düsseldorf am 17.04.2002 eingesetzten sachverständigen Prüfers, des Y., ermittelt worden. Der Prüfer war davon ausgegangen, dass der nach dem Ertragswertverfahren ermittelte Wert je Aktie im Nennwert von 100 DM zwischen 554 € und 608 € betrage (Blatt. 50 f. GA). Er hatte hierzu drei verschiedene „Szenarien“ gebildet und für die Berechnung Kapitalisierungszinssätze von 6,76 %, 6,435 % und 7,085 % angenommen. Hierbei war er u. a. von einem Basiszinssatz von 6 % und von einem Risikozuschlag von 5 % ausgegangen. Außerdem hatte er einen Immobilitätszuschlag in Höhe von 1 % angesetzt, weil die Aktien der Antragsgegnerin zu 1. nicht mehr gehandelt worden und damit nur schwer zu veräußern gewesen seien. Der auf der Grundlage des Unternehmensvertrages von 1983 angebotene Wert von 337,45 € sei noch angemessen. Er hat festgestellt, dass - unter Berücksichtigung der Rechtsansicht, dass zur Wertbestimmung der Barabfindung der Ausgleichsanspruch aus dem nicht gekündigten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag maßgeblich sei - kein grobes Missverhältnis zu der angebotenen Abfindung von 337,45 € bestehe. So sei der Barwert der Ausgleichszahlungen mit 68 € deutlich geringer. Da der Prüfer keine relevanten Börsenkurse feststellen konnte, wurde der Börsenkurs bei der Wertermittlung nicht berücksichtigt (Vertragsprüferbericht Bl. 42 ff. GA).

Die Antragsteller haben die angebotene Barabfindung für nicht angemessen gehalten. Sie haben die Auffassung vertreten, dass für die Höhe der Barabfindung der Ertragswert des Unternehmens im Jahr 2002 relevant sei. Es sei unzutreffend, als Barabfindung den kapitalisierten Ausgleich aus dem Unternehmensvertrag von 1983 oder den seinerzeitigen Abfindungsbetrag anzubieten. Außerdem sei der zugrunde gelegte Kapitalisierungszinssatz zu hoch. Der Vertreter der Minderheitsaktionäre hat beanstandet, dass ein Basiszinssatz von 6 % überhöht sei. Der Risikozuschlag sowie der Beta-Faktor seien nicht nachvollziehbar. Auch komme ein sog. Immobilitätszuschlag nicht in Betracht. Der Wachstumsabschlag in Höhe von 1 % sei zu niedrig. Bei der Ermittlung des Unternehmenswertes sei im Übrigen auf den IDW-Standard S1 2000 abzustellen und nicht auf den erst nach dem Stichtag geltenden IDW-Standard S1 2005. Die Antragsteller haben ferner beanstandet, dass die Berichterstellung und die Prüfung durch den Vertragsprüfer weitgehend zeitgleich erfolgt seien, so dass keine kritische Prüfung möglich gewesen sei. Im Übrigen hätte auch der Börsenkurs bei der Berechnung der Barabfindung berücksichtigt werden müssen. Hier hätten relevante Börsenkurse vorgelegen. Die Antragstellerin zu 4. hat geltend gemacht, dass die Barabfindung zu verzinsen sei. Die Antragsteller und der Vertreter der Minderheitsaktionäre haben die Auffassung vertreten, dass beide Antragsgegnerinnen passivlegitimiert seien.

Die Antragsteller und der Vertreter der Minderheitsaktionäre haben beantragt,

eine angemessene Barabfindung für die Übertragung der Aktien der bisherigen Minderheitsaktionäre der Antragsgegnerin zu 1. auf die Antragsgegnerin zu 2. festzusetzen.

Die Antragsgegnerinnen haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie haben geltend gemacht, dass die Antragsteller trotz einer Rüge der Antragsgegnerinnen ihre Antragsberechtigung nicht nachgewiesen hätten. Die Antragsteller hätten - was zutreffend ist - keinerlei Nachweise vorgelegt. Richtiger Antragsgegner sei auch nur der Hauptaktionär, nicht aber die Antragsgegnerin zu 1.. Jedenfalls insoweit seien daher die Anträge unbegründet. Die Antragsgegnerinnen haben die angebotene Barabfindung für angemessen gehalten. Es sei gerechtfertigt, die Barabfindung auf der Grundlage der Kapitalisierung des Ausgleichs aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages von 1983 festzulegen. Der Barwert der Ausgleichszahlungen von 68 € liege deutlich unter der angebotenen Abfindung von 337,45 €. Die Minderheitsaktionäre hätten nach Abschluss des Unternehmensvertrages zu keinem Zeitpunkt einen höheren Betrag als den festen Ausgleich erhalten können. Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag sei im Übrigen auch nicht befristet gewesen. Auch hätten die Minderheitsaktionäre nicht auf die Unternehmenspolitik einwirken können, hätten weder Beteiligungsverhältnisse ändern noch den Unternehmensvertrag kündigen können. Ihnen stehe kein Anspruch zu, an künftigen Wertsteigerungen des Unternehmens zu partizipieren. Die parallele Prüfung durch den Vertragsprüfer und die Berichterstellung zur Vorbereitung der Hauptversammlung sei nicht zu beanstanden und im Übrigen gängige Praxis. Eine Verzinsung der Barabfindung komme nicht in Betracht. Der angesetzte Basiszinssatz in Höhe von 6 % sei angemessen. Auch der Risikozuschlag sei nicht zu beanstanden gewesen. Hier habe ein Immobilitätszuschlag in Höhe von 1 % berücksichtigt werden müssen, um den Umstand Rechnung zu tragen, dass die Aktien nicht gehandelt worden seien. Die Bewertung des Unternehmens müsse nach dem IDW-Standard S1 2005, also nach dem zum Zeitpunkt der Bewertungsarbeiten geltenden Standard und nicht nach dem am Bewertungsstichtag geltenden IDW-Standard S1 2000 erfolgen. Die Antragsgegnerinnen haben ferner darauf verwiesen, dass Börsenkurse nicht zu berücksichtigen seien, weil die Aktien der Antragsgegnerin zu 1. jedenfalls seit dem 03.01.1994 nicht mehr an einer Börse in Deutschland gehandelt worden seien und auch in den letzten Jahren kein Telefonhandel mehr stattgefunden habe.

Nachdem das Verfahren im Hinblick auf ein anderes Verfahren und schwebende Vergleichshandlungen mehrere Jahre geruht hatte und daher nicht betrieben worden war, hat das Landgericht Düsseldorf dann mit Beschluss vom 15.03.2007 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis zu der Frage erhoben, ob die angebotene Barabfindung angemessen ist. Zum Gutachter ist Z. bestellt worden. Ein Hinweis des Landgerichts, dass die Antragsteller möglicherweise ihre Antragsberechtigung nicht ausreichend nachgewiesen haben könnten, erfolgte nicht.

Der gerichtliche bestellte Sachverständige Z. hat in seinem Gutachten einen Barwert der Ausgleichszahlungen aus dem Unternehmensvertrag von 1983 in Höhe von 71,75 € je Aktie im Nennwert von 100 DM ermittelt. Er hatte dabei einen Basiszinssatz in Höhe von 5,7 % zugrunde gelegt. Auf Basis der Ertragswertmethode und auf Grundlage der Unternehmensdaten zum Zeitpunkt des Squeezeout hat er einen Wert je Aktie im Nennwert von 100 DM in Höhe von 601,49 € (berechnet nach IDW-Standard S1 2005) und in Höhe von 697,75 € (berechnet nach IDW-Standard S1 2000) ermittelt. Er hat für die Berechnung nach dem IDW-Standard S1 2005 einen Basiszinssatz von 3,7 %, eine Marktrisikoprämie von 4,5 %, nach Steuern 2,7 % (Beta-Faktor von 0,53, verschuldet 0,69), einen Wachstumsabschlag von 1 % zugrunde gelegt. Einen Immobilitäts- oder Fungibilitätszuschlag hat er nicht angesetzt, weil dieser nach überwiegender Auffassung nicht zu berücksichtigen sei. Für die Berechnung nach IDW-Standard S1 2000 ist er von einer Marktrisikoprämie in Höhe von 4 % und einem Risikozuschlag von 2,4 % ausgegangen (Kapitalisierungszinssatz 4,22 %). Er hat bei der Berechnung nicht auf den Börsenkurs abgestellt, weil er keinen relevanten Börsenhandel, weder im Zeitraum vor der Hauptversammlung noch vor der Bekanntgabe der Maßnahme, feststellen konnte.

Mit Beschluss vom 23.03.2011 hat das Landgericht Düsseldorf die Anträge auf gerichtliche Festsetzung der Barabfindung der Minderheitsaktionäre als unzulässig und im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Die Gerichtskosten, die Vergütung und Auslagen des gemeinsamen Vertreters sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen hat das Landgericht den Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldner auferlegt. Die Antragsteller tragen nach der Entscheidung des Landgerichts ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Antragsteller bereits ihre Antragsberechtigung nicht nachgewiesen hätten, obwohl die Antragsgegnerinnen hierauf hingewiesen hätten. Aufgrund der fehlenden Nachweise seien die Anträge daher unzulässig. Es könne daher auch dahinstehen, ob Antragsgegner beide Antragsgegnerinnen oder nur die Antragsgegnerin zu 2. sei. Die Barabfindung sei auf der Basis des Barwerts der kapitalisierten Ausgleichszahlungen aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu ermitteln. Der höhere Ertragswert des Unternehmens zum Zeitpunkt des Squeezeouts im Jahre 2002 sei unerheblich. So hätten die Antragsteller nur theoretisch Einfluss auf die Unternehmensführung nehmen können. Dieses mitgliedschaftliche Recht der Aktionäre sei daher hier nicht wertbildend gewesen. Im Übrigen sei der Vertrag zeitlich nicht befristet und auch nur aus wichtigem Grund kündbar gewesen. So hätten die Minderheitsaktionäre aufgrund des bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages auch nicht auf das betriebsnotwendige Vermögen, das bei der Berechnung des Ausgleichs nicht berücksichtigt werde, zugreifen können. Das nicht betriebsnotwendige Vermögen sei daher aus betriebswirtschaftlicher Sicht für die Minderheitsaktionäre wertlos. Die Minderheitsaktionäre seien bereits aufgrund des 1983 abgeschlossenen Vertrages abgefunden worden und nähmen daher nicht mehr an späteren Wertsteigerungen teil. So hätten die Minderheitsaktionäre auch nicht an einem höheren Unternehmenswert partizipiert, wenn es nicht zur späteren Strukturmaßnahme, hier des Squeezeouts, gekommen wäre.

Es sei auch vom Fortbestand des Unternehmensvertrages auszugehen. So sei der Vertrag nur aus wichtigem Grund kündbar gewesen. Eine Kündigung wäre nur dann möglich gewesen, wenn die Antragsgegnerin zu 2. ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllt hätte, wofür jedoch keinerlei Anhaltspunkte bestanden hätten. Im Übrigen könnten die Minderheitsaktionäre aufgrund ihrer geringen Mehrheitsanteile auch keine Änderung oder Aufhebung des Vertrages verlangen. Den Geschäftswert hat das Landgericht auf 200.000 € festgesetzt.

Mit den fristgerecht eingelegten Beschwerden greifen die Antragsteller zu 1., 2. und 3. die landgerichtliche Entscheidung an. Sie sind der Auffassung, dass das Landgericht überraschend darauf abgestellt habe, dass sie ihre Antragsberechtigung nicht ausreichend nachgewiesen hätten. Es sei für die Antragsteller nicht erkennbar gewesen, dass diese Frage hier streitentscheidend gewesen sei. So hätten die Antragsgegnerinnen die Rüge der fehlenden Antragsberechtigung nur pauschal erhoben. Das Gericht habe diesen Einwand zu keinem Zeitpunkt aufgegriffen. Sie hätten darauf vertrauen dürfen, dass der Nachweis der Antragsberechtigung nicht problematisch sei, auch weil das Verfahren mehrere Jahre geruht habe und Vergleichsverhandlungen geführt worden seien. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Antragsgegnerinnen mit den Antragstellern Vergleichsverhandlungen geführt hätten, wenn die Antragsgegnerinnen ernsthaft die Antragsberechtigung der Antragsteller in Frage hätten stellen wollen. Ferner hätten die Antragsgegnerinnen aus dem Verfahren bzgl. der später in die Antragsgegnerin zu 1. eingegliederten X. gewusst, dass die Antragsteller Aktionäre der damaligen X. gewesen seien. Im Übrigen habe das Landgericht Düsseldorf ‑ ohne auf die fehlende Antragsberechtigung hinzuweisen - eine aufwändige Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durchgeführt. Diese Beweisaufnahme wäre überflüssig gewesen, wenn schon die Antragsberechtigung nicht ausreichend nachgewiesen worden sein sollte. Es sei daher nicht verspätet, im Beschwerdeverfahren die Antragsberechtigung zu belegen. Hierzu hat die Antragstellerin zu 1. eine Bankbescheinigung und die Antragsteller zu 2. und 3. jeweils beglaubigte Kopien der Urkunden der Inhaberaktien vorgelegt.

Das Landgericht habe auch unzutreffend darauf abgestellt, dass die Barabfindung anhand des Barwertes der Ausgleichszahlungen zu berechnen sei. Vielmehr hätte die Höhe der Barabfindung anhand des im Juli 2002 bestehenden Unternehmenswertes ermittelt werden müssen. Anders als das Landgericht angenommen habe, sei der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag aus dem Jahr 1983 ausweislich des Übertragungsberichts vom 13.05.2002 kündbar gewesen, fest nur bis zum 30.06.1988 geschlossen worden (Blatt 465 GA). Bei einer Kündigung des Vertrages hätte dann auch das nicht betriebsnotwendige Vermögen berücksichtigt werden können. Die Antragstellerin zu 1. hat beantragt, die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, sofern der Senat den Ausgleich nicht auf der Basis des Unternehmenswertes im Jahr 2002 ermitteln sollte. Der Vertreter der Minderheitsaktionäre weist darauf hin, dass die Minderheitsaktionäre durch den Squeezeout nicht nur ihren Anspruch auf die Gewährung des festen jährlichen Ausgleichs verlieren, sondern ihre gesamten mitgliedschaftlichen Rechte. Hierfür seien sie zu entschädigen und zwar auf der Grundlage des am Stichtag geltenden Unternehmenswertes. Die Antragstellerin zu 3. hat behauptet, dass noch Ende 1996 Aktien im Telefonhandel veräußert worden seien.

Die Antragsteller und der Vertreter der Minderheitsaktionäre beantragen,

die Entscheidung des Landgerichts abzuändern und die zu gewährende Barabfindung höher festzusetzen.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Sie verweisen darauf, dass die Antragsteller erstinstanzlich ihre Aktionärsstellung nicht ausreichend nachgewiesen hätten, obwohl die Antragsgegnerinnen dies gerügt hätten. Den Antragsgegnerinnen seien die Antragsteller auch nicht aus dem Verfahren „X.“ bekannt. Bei den Aktien habe es sich um Inhaberpapiere gehandelt, die den Eigentümer nicht haben erkennen lassen. Eine Pflicht des Gerichtes, auf die fehlende Antragsberechtigung hinzuweisen, habe nicht bestanden. Die Antragsgegnerinnen haben zunächst beanstandet, dass die von den Antragstellern zu 2. und 3. vorgelegten Kopien der effektiven Inhaberaktienpapiere keine ausreichenden Nachweise seien. Dann haben sie erläutert, dass unterstellt werden könne, dass die Kopien auf Originalen beruhten, jedoch hinsichtlich der Antragsteller zu 2. und 3. unklar sei, ob der Antragsteller zu 2. die Aktie der Antragstellerin zu 3. in seinem Privateigentum oder nur für die Antragstellerin zu 3. in seinem Besitz halte.

Bei der Berechnung der Barabfindung sei auf den Barwert der Ausgleichszahlungen aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abzustellen. Der Unternehmensvertrag sei nicht gekündigt worden und die Minderheitsaktionäre hätten keine Möglichkeit, dies zu veranlassen. Anstelle des an sich angemessenen Barabfindungsbetrages in Höhe von 68 € sei den Minderheitsaktionären ein deutlich höheres Angebot in Höhe von 337,45 € gemacht worden. Für die Berechnung sei nicht auf den Unternehmenswert zum Zeitpunkt des Squeezeouts abzustellen. Soweit die Antragsteller behauptet haben, dass sie Aktien der Antragsgegnerin zu 1. zum Preis von mehr als 1.500 DM erworben hätten, spreche dies für die Unredlichkeit der Antragsteller zu 2. und 3.. Angesichts der zu erwartenden geringen Rendite des Ausgleichs, hätten die Antragsteller von vornherein nicht ein Investment beabsichtigt, sondern es darauf angelegt, sich den Lästigkeitswert ihrer Anteile in einem späteren Spruchverfahren abkaufen zu lassen. Die Antragsgegnerinnen verweisen erneut darauf, dass ein Aktienhandel seit mehreren Jahren nicht mehr stattgefunden habe. Soweit die Antragstellerin zu 3. auf einen angeblich existierenden Telefonhandel verweise, beziehe sich dies nach ihrem eigenen Vortrag auf das Jahr 1996.

II.

Die fristgerecht eingelegten Beschwerden sind hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2. begründet und hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1. unbegründet.

1.

Die Anträge auf Festsetzung einer höheren Barabfindung sind hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2. zulässig und bzgl. der Antragsgegnerin zu 1. unzulässig.

a) Antragsberechtigung

Die Antragsgegner haben erstinstanzlich vorgetragen Inhaber von Aktien der Antragsgegnerin zu 1. gewesen zu sein, haben dies jedoch in erster Instanz nicht nachgewiesen. Sie können den Nachweis jedoch in zweiter Instanz nachholen, weil sie auf die fehlende Antragsberechtigung bislang nicht ausreichend hingewiesen worden sind.

Die Antragsgegnerinnen haben - eher pauschal - die Antragsberechtigung mit Schriftsatz vom 08.09.2003 (Blatt 97 GA) gerügt. Das Landgericht ist hierauf jedoch nicht zurückgekommen, sondern hat nach mehreren Jahren, in denen das Verfahren wegen schwebender Vergleichsverhandlungen nicht gefördert und eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt worden war, dann ohne mündliche Verhandlung entschieden. Angesichts dieser Gesamtumstände mussten die Antragsteller nicht damit rechnen, dass die Antragsberechtigung nicht ausreichend nachgewiesen sein könnte.

In zweiter Instanz haben die Antragsteller nunmehr ihre Antragsberechtigung ausreichend belegt. So hat die Antragstellerin zu 1. eine Bankbescheinigung vorgelegt, die die Inhaberschaft einer Aktie nachweist. Die Antragsteller zu 2. und 3. haben Kopien effektiver Aktienpapiere vorgelegt, deren Bestand als solche die Antragsgegnerinnen nicht beanstanden. Die Antragsgegnerinnen haben infrage gestellt, ob der Antragsteller zu 2., wie er behauptet, die Aktie der Antragstellerin zu 3. lediglich für diese halte oder ob die Aktie sich im Privateigentum des Antragstellers zu 2. befinde. Die Antragsstellerin zu 3. hat nunmehr eine Bestätigung der Steuerberaterin vom 01.06.2012 beigefügt, aus der sich ergibt, dass die Aktie im Betriebsvermögen der Antragstellerin zu 3. gehalten wird. Darüber hinaus streitet für die Antragstellerin zu 3. die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB.

b) Antragsgegnerin

Antragsgegnerin ist im vorliegenden Fall lediglich die Antragsgegnerin zu 2. als Hauptaktionärin.

Der Antrag ist nicht gegen die Antragsgegnerin zu 1. zu richten und die Anträge sind daher insoweit unzulässig (vgl. zu der Frage, ob dies im Rahmen der Zulässigkeit oder Begründetheit zu prüfen ist: nach h. M. Frage der Zulässigkeit, vgl. zur h. M. und zum Streitstand: Kubis in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Auflage, § 5 SpruchG, Rdnr. 1; OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.07.2011, 20 W 14/08, AG 2011, 795; LG München, Beschluss vom 29.03.2010, 38 O 22024/09, ZIP 2010, 1995; Frage der Begründetheit: OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.03.2010, 5 W 32/09, NZG 2010, 664, Rdnr. 21 zit. nach juris).

Es ist umstritten, ob bei einem Squeezeout-Verfahren, das bis zum Inkrafttreten des SpruchG eingeleitet worden ist, der Antrag gegen die Gesellschaft, den Hauptaktionär oder gegen beide zu richten ist (vgl. dazu Wasmann in Kölner Kommentar zum SpruchG, § 5, Rdnr. 4 m. w. Nachw.; Hüffer, Aktiengesetz, 10. Auflage, § 5 SpruchG, Rdnr. 2). Überwiegend wird auch hinsichtlich der vor Inkrafttreten des Spruchgesetzes eingeleiteten Squeezeout-Verfahren die Auffassung vertreten, dass nur der Hauptaktionär Antragsgegner ist (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.03.2010, 5 W 32/09, NZG 2010, 664; Singhof in Spindler/Stilz, Aktiengesetz, 2. Auflage, § 327f, Rdnr. 6; Hüffer, Aktiengesetz, 10. Auflage, § 5 SpruchG, Rdnr. 2). Der Hauptaktionär sei Schuldner der Barabfindung und der Squeezeout liege ausschließlich in seinem Interesse.

Hinsichtlich eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ist bis zum Inkrafttreten des SpruchG davon ausgegangen worden, dass Antragsgegner die am Unternehmensvertrag beteiligten Parteien seien (Bilda in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Auflage, § 306, Rdnr. 52). Der Senat hat entschieden, dass es in den Übergangsfällen bei dieser Wertung bleibt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.09.2010, I-26 W 4/09 (AktE) m. w. Nachw.).

Bei der Überprüfung der Barabfindung im Rahmen eines Squeezeouts ist aber auch in den sogenannten „Altfällen“ allein der Mehrheitsaktionär richtiger Antragsgegner. Anders als bei einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ist die Situation bei einem Squeezeout anders, weil nicht zwei - jedenfalls rechtlich - gleichrangige Parteien in einem gemeinsamen Unternehmensvertrag eine Abfindung und einen Ausgleich vereinbaren. Vielmehr verlangt der Hauptaktionär die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf ihn, so dass hier die Beziehung Hauptaktionär - Minderheitsaktionär und dessen (Allein)-Interessen im Vordergrund stehen. Es ist daher sachgerecht in Squeezeout-Verfahren insoweit den Rechtsgedanken des § 307 Abs. 2 UmwG a. F. zu berücksichtigen, der bereits für Altfälle vorsah, dass der Antrag gegen den übernehmenden/neuen Rechtsträger zu richten ist.

2.

Die Beschwerden sind bzgl. der Antragsgegnerin zu 2. begründet. Die Barabfindung ist je Aktie im Nennwert von 100 DM auf 697,75 € festzusetzen.

a) Berechnung Barabfindung

Die Höhe der Barabfindung berechnet sich hier nicht anhand der Kapitalisierung des festen Ausgleichs, sondern ermittelt sich nach dem Unternehmenswert zum Zeitpunkt des Squeezeouts.

Der Senat hat bereits entschieden, dass die Höhe der Barabfindung sich auch in den Fällen, in denen ein Squeezeout einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nachfolgt, regelmäßig nicht auf der Basis des Barwerts des Ausgleichs aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag berechnet. Vielmehr ist der Unternehmenswert zum Zeitpunkt des Squeezeout-Beschlusses Grundlage der Barabfindung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.07.2009, I-26 W 1/08 (AktE) m. w. Nachw., so auch: OLG München, Beschluss vom 26.10.2006, 31 Wx 12/06, ZIP 2007, 375; vgl. auch Hüffer, Aktiengesetz, 10. Auflage, § 327b, Rdnr. 5 m. w. Nachw.).

Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass der Barwert der Ausgleichszahlungen jedenfalls dann Grundlage für die Barabfindung eines späteren Squeezeouts sein könne, wenn von einer unbegrenzten Dauer des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages auszugehen ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.03.2010, 5 W 32/09, NZG 2010, 664, m. w. Nachw.; LG Frankfurt, Beschluss vom 17.01.2006, 3-5 O 74/03, ZIP 2006, 854; Leyendecker, NZG 2010, 927). Der Minderheitsaktionär sei wirtschaftlich betrachtet nur noch Inhaber eines risikobehafteten, festverzinslichen Wertpapiers (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.03.2010, 5 W 32/09, NZG 2010, 664; Leyendecker, NZG 2010, 927, 928). Es sei auf die Sicht des betroffenen Aktionärs abzustellen, dem kein Anspruch mehr auf den anteiligen Unternehmensgewinn zustünde (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.03.2010, 5 W 32/09, NZG 2010, 664). Der außenstehende Aktionär habe sich trotz des faktischen Verlusts seiner mitgliedschaftlichen Rechte durch den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag für ein Verbleiben im Unternehmen entschieden und müsse so gestellt werden, „als wenn der Squeezeout nicht stattgefunden“ habe (Leyendecker, NZG 2010, 927, 929). Die Möglichkeit einer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen sowie die theoretische Einflussnahme auf die Geschäftspolitik sei ihm durch den Abschluss des Unternehmensvertrages genommen worden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.03.2010, 5 W 32/09, NZG 2010, 664). Auch stünde den außenstehenden Aktionären nicht mehr das nicht betriebsnotwendige Vermögen zu, weil diese keine Möglichkeit mehr hätten, darauf zuzugreifen oder den entsprechenden Anteil zu realisieren (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.03.2010, 5 W 32/09, NZG 2010, 664; Leyendecker, NZG 2010, 927, 929). Die Verhältnisse zum Stichtag des Squeezeouts würden auch maßgeblich durch den früher einmal geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestimmt (Leyendecker, NZG 2010, 927, 929). Bei der Berechnung genüge es unabhängig von Kündigungsfristen und ‑optionen, auf die konkrete Unternehmensplanung abzustellen und zu fragen, ob die Unternehmensleitung beabsichtige, den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag dauerhaft fortzusetzen (Leyendecker, NZG 2010, 929, 929f: „unbegrenzt fortdauernder Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag“). Das OLG Frankfurt möchte die Barabfindung anhand des Barwerts der Ausgleichszahlungen nur dann berechnen, wenn „die Wahrscheinlichkeit einer Beendigung des Unternehmensvertrages gleich Null“ sei (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.03.2010, 5 W 32/09, NZG 2010, 664, Rdnr. 69 zit. nach juris).

Es bestehen jedoch erhebliche Bedenken, die Barabfindung im Rahmen eines Squeezeouts anhand des Barwerts der Ausgleichszahlungen aus einem früheren Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages festzusetzen. Hiergegen spricht bereits der Wortlaut des § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG, wonach die Barabfindung „die Verhältnisse der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen“ muss (vgl. OLG München, Beschluss vom 26.10.2006, 31 Wx 12/06, ZIP 2007, 375). Auch handelt es sich bei einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag und einem Squeezeout um zwei selbständige Strukturmaßnahmen, bei deren „Vermischung“ es zu Abgrenzungs- und Wertungswidersprüchen kommen kann.

So stehen der Gegenauffassung systematische Erwägungen entgegen, weil der Abfindungsanspruch kein verrenteter Ausgleichsanspruch ist (Hüffer, Aktiengesetz, 10. Auflage, § 327b, Rdnr. 11a m. w. Nachw., Rdnr. 76). Zwar werden (Bar)-Abfindung und Ausgleich weitgehend, aber eben nicht identisch, auf Basis eines einheitlichen Unternehmenswertes ermittelt. So ergeben sich Schwierigkeiten im Hinblick auf die Berücksichtigung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, das bei der Ermittlung der (Bar)-Abfindung aber nicht bei der Höhe des Ausgleichs berücksichtigt wird. Berechnet man aber die Barabfindung durch Kapitalisierung der jährlichen Ausgleichsbeträge, ermittelte sich die Barabfindung ohne den Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens (vgl. OLG München, Beschluss vom 26.10.2006, 31 Wx 12/06, ZIP 2007, 375; Hüffer, Aktiengesetz, 10. Auflage, § 327b, Rdnr. 11a).

Der Ausgleich sichert im Übrigen (nur) die jährliche Gewinnbeteiligung, während die Barabfindung als Entschädigung für das Ausscheiden aus dem Unternehmen und den Verlust der Herrschaftsrechte gewährt wird (Hüffer, Aktiengesetz, 10. Auflage, § 327b, Rdnr. 76). Mit dem Ausscheiden aus dem Unternehmen verliert der Minderheitsaktionär aber nicht nur seinen Anspruch auf die jährliche Dividende/den Ausgleich, sondern seine gesamten mitgliedschaftlichen Rechte. Dass diese weiteren mitgliedschaftlichen Rechte durchaus einen „Wert“ haben, zeigt schon der Umstand, dass ein Unternehmen überhaupt den Weg eines Squeezeout beschreitet. So sollen mit einem Squeezeout minderheitsbedingte Gesellschaftskosten, Berichts- und Erläuterungspflichten oder Versammlungsformalien entfallen (vgl. Hüffer, Aktiengesetz, 10. Auflage, § 327a, Rdnr. 1). Durch den Squeezeout soll ‑ und das war mit die Einführung der §§ 327a ff. AktG beabsichtigt ‑ der „Lästigkeitswert“ der Minderheitsaktien beseitigt werden (vgl. Grunewald in Münchener Kommentar, § 327a, Rdnr. 2; Hüffer, Aktiengesetz, 10. Auflage, § 327a, Rdnr. 1). Barabfindung ist daher etwas anderes und „mehr“ als ein verrenteter Ausgleichsanspruch.

Darüber hinaus ist häufig unklar, welcher Zeitraum für das Bestehen eines Unternehmensvertrages zugrunde gelegt werden soll, um den Barwert der Ausgleichszahlungen zu berechnen. So werden Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge regelmäßig zunächst für fünf Jahre geschlossen und sind dann meist jährlich kündbar. Ein rechtlich gesicherter Anspruch besteht daher allenfalls für eine Dauer von fünf Jahren. Auch im vorliegenden Fall war der Vertrag nur für fünf Jahre geschlossen und nicht ‑ wie die Antragsteller vorgetragen haben - unbefristet geschlossen oder gar nur aus wichtigem Grund kündbar. Um dann für die Barwertberechnung eine „ewige Dauer“ des Unternehmensvertrages zugrunde legen zu können, wird darauf abgestellt, dass die Minderheitsaktionäre keinen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen hätten und den Vertrag faktisch nicht mehr gestalten könnten (vgl. Leyendecker, NZG 2010, 927). Unterstellt wird, dass die Unternehmensverbindung dauerhaft bestehen bleibe. Dies ist aber angesichts der seit einigen Jahren erkennbaren Tendenz, Strukturierungsmaßnahmen in kürzeren Abständen vorzunehmen, wenig überzeugend.

Ferner bestünde die Möglichkeit, die Höhe der Barabfindung dadurch zu beeinflussen und zu manipulieren, dass das Unternehmen vorgibt, wie es mittel- oder langfristig plane, Beteiligungen zu veräußern oder Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge aufzulösen. Auch im vom OLG Frankfurt zugrunde liegende Fall („Wahrscheinlichkeit einer Beendigung des Unternehmensvertrages gleich Null“, OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.03.2010, 5 W 32/09, NZG 2010, 664) war der Unternehmensvertrag zwar nicht im Zeitpunkt der Squeezeout-Entscheidung nach 24 Jahren, aber dann doch nach 27 Jahren gekündigt worden. Es ist bemerkenswert, dass die Antragsgegnerinnen im Verfahren vor dem OLG Frankfurt - wie sie im dortigen Verfahren vorgetragen haben sollen ‑ bei der Squeezeout-Entscheidung im Mai 2003 noch nicht beabsichtigt und nicht angedacht haben sollen, den Unternehmensvertrag gut zwei Jahre später im Jahr 2006 zu kündigen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.03.2010, 5 W 32/09, NZG 2010, 664, Rdnr. 74, 75, 77 zit. nach juris).

Im Übrigen ist es auch wenig nachvollziehbar, dass in den Fällen, in denen ein Börsenkurs existiert, dieser Börsenwert, der sich jedenfalls auch am aktuellen Ertragswert orientiert, als aktueller Stichtagswert zugrundegelegt werden soll - andererseits aber auch ein Barwert relevant werden soll, der auf ggfs. jahrzehntealten Unternehmensdaten beruht. So lag im vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag fast ein viertel Jahrhundert zurück, im vorliegenden Fall eineinhalb Jahrzehnte. Auch ergeben sich kaum zu begründende Zufälligkeiten. So liegt der Barwert der Ausgleichszahlungen im vorliegenden Fall mit 68 €/71,75 € (je nach Berechnungsmethode) deutlich unterhalb des Ertragswertes von weit mehr als 600 €. In einem 2009 vom Senat entschiedenen Fall lag der Barwert weit über dem Ertragswert (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.07.2009, I-26 W 1/08 (AktE)). Antragsteller hatten dort anstelle der angebotenen Barabfindung von 611,07 € einen Barwert der Ausgleichszahlungen in Höhe von mehr als 1.200 € berechnet. Fraglich ist auch, wie in Fällen vorgegangen werden soll, in denen ein sogenannter „Nullausgleich“ festgesetzt worden ist und kein relevanter Börsenkurs existiert.

Es besteht keine Veranlassung, die Sache dem Bundesgerichtshof gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG i. V. m. § 28 Abs. 2 FGG vorzulegen. Das OLG Frankfurt hatte entscheidend darauf abgestellt, dass die Barabfindung nur dann anhand des Barwerts der Ausgleichszahlungen berechnet werden soll, wenn das Unternehmen von einer „unbegrenzten Dauer des Unternehmensvertrages“ ausgehe (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.03.2010, 5 W 32/09, NZG 2010, 664, Rdnr. 88 zit. nach juris). Aus den dargelegten Gründen und angesichts der hier bestehenden Vertragsgestaltung bestehen im vorliegenden Fall keine ausreichenden Anhaltspunkte, von einer derartigen unbegrenzten Fortdauer des Unternehmensvertrages auszugehen. Eine abweichende Auffassung in einer entscheidungserheblichen Frage ist daher nicht gegeben und eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nicht geboten. Der Bundesgerichtshof hat im Übrigen auch keinerlei Veranlassung gesehen, auf diese, wie hier schon vom Oberlandesgericht München entschiedene Frage (OLG München, Beschluss vom 26.10.2006, 31 Wx 12/06, ZIP 2007, 375) einzugehen, obwohl dem Bundesgerichtshof die Sache des Oberlandesgerichts Frankfurt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.03.2010, 5 W 32/09, NZG 2010, 664) vorgelegen hatte (Vorlage war wegen der Relevanz von Börsenkursen erfolgt: BGH, Beschluss vom 28.06.2011, II ZB 10/10, AG 2011, 590).

b) IDW-Standard

Im vorliegenden Fall ist ein Wert je Aktie in Höhe von 697,75 € festzusetzen. Dies entspricht der Berechnung des gerichtlich bestellten Sachverständigen, der diesen Aktienwert aus dem Unternehmenswert nach dem IDW-Standard S1 2000 ermittelt hat. Substantielle Einwendungen gegen das durch das Landgericht eingeholte Gutachten sind nicht mehr geltend gemacht worden.

Es ist nicht der von dem gerichtlich bestellten Gutachter alternativ nach dem IDW-Standard S1 2005 berechnete, geringere Wert in Höhe von 601,49 € anzusetzen. Der Senat hat entschieden, dass für die Bewertung in Spruchverfahren im Regelfall der IDW-Standard anzuwenden ist, der im Zeitpunkt der Unternehmensentscheidung gegolten hat. Es ist im Hinblick auf das Stichtagsprinzip und aus Gründen der Rechtssicherheit bedenklich, einen nach Ende der Unternehmensmaßnahme geänderten Bewertungsstandard rückwirkend anzuwenden (vgl. ausführlich dazu: Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschlüsse vom 21.12.2011, I-26 W 2/11 (AktE) und I-26 W 3/11 (AktE)). Gegebenenfalls können neuere und gefestigte bessere Erkenntnisse und Schätzungsmethoden nach dem Bewertungsstichtag, etwa die Ermittlung des Basiszinses anhand der „Zinsstrukturkurve“, zur Plausibilisierung des berechneten Unternehmenswertes berücksichtigt werden.

c) Börsenkurs

Die Ermittlung der Barabfindung anhand des gewichteten Börsenkurs im 3-Monats-Zeitraum vor der Bekanntgabe der Squeezeout-Entscheidung entfällt, weil ein solcher Börsenkurs hier nicht feststellbar ist (vgl. zur Berücksichtigung von Börsenkursen: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.07.2009, II ZB 18/09; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.09.2009, Az: I-26 W 13/06 (AktE)).

Der gerichtlich bestellte Gutachter hat ermittelt, dass seit Mitte der 90-iger Jahre keine Börsenkurse existierten (Blatt 278 GA). Soweit die Antragstellerin zu 3. behauptet hat, dass noch Telefonhandel stattgefunden habe, ist dies ohne Bedeutung. So bezieht sie sich auf einen Zeitraum aus Mitte der 90-iger Jahre, der für die Bestimmung des relevanten Börsenkurses hier unerheblich ist.

d) Verzinsung

Eine Tenorierung der Verzinsung der Barabfindung ist - entgegen dem erstinstanzlichen Antrag der Antragstellerin zu 4. ‑ entbehrlich.

Gegenstand des Spruchverfahrens ist grundsätzlich nur die Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung. Der im Spruchverfahren ergehende Beschluss ist kein Vollstreckungstitel. Über die Verzinsung als Teil des konkreten Zahlungsanspruchs hat daher im Streitfall erst das nach § 16 SpruchG für die Leistungsklage zuständige Gericht zu entscheiden, mit der der Anteilsinhaber einen Vollstreckungstitel erlangen kann (vgl. zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag: Paulsen in Münchener Kommentar zum AktG, 3. Auflage, § 304, Rdnr. 194). Die gesetzliche Verzinsung mag klarstellend aufgenommen werden, sie muss es aber nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 21.7.2003, WM 2003, 1859; OLG München, Beschluss 19.10.2006, AG 2007, 287; Hüffer, § 305, Rdnr. 26a; Koppensteiner in Kölner Kommentar, § 305, Rdnr. 148)

III.

Den Geschäftswert für die Beschwerdeinstanz setzt der Senat gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG auf den Mindestwert von 200.000 Euro fest.

Als Geschäftswert ist grundsätzlich der Betrag anzunehmen, der von allen Antragsberechtigten auf Grund der Entscheidung des Gerichts zusätzlich gefordert werden kann (vgl. nur: Emmerich in Emmerich/Habersack, SpruchG, § 15, Rdnr. 7 m. w. Nachw.). Hier liegt dieser rechnerische Geschäftswert (224 Aktien x Erhöhung 360,30 € = 80.707 €) jedoch unterhalb des Mindestgeschäftswertes von 200.000 €, so dass der Mindestwert anzusetzen ist.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG die Antragsgegnerin zu 2. Billigkeitsgründe, die es gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG rechtfertigen, die Kosten einem anderen Beteiligten aufzuerlegen, liegen nicht vor (vgl. die Beispiele in Drescher, Spindler/Stilz, AktG, § 15 SpruchG, Rdnr. 17). Die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in erster und zweiter Instanz trägt die Antragsgegnerin zu 2. (vgl. § 15 Abs. 4 SpruchG). Im Hinblick auf den Ausgang des Verfahrens, der deutlichen Erhöhung der Barabfindung, entspricht es der Billigkeit, dass die Antragstellerin zu 2. diese Kosten trägt. Im Übrigen tragen die Antragsgegnerinnen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Vertreter der Minderheitsaktionäre kann gemäß § 6 Abs. 2 SpruchG von der Antragsgegnerin zu 2. in entsprechender Anwendung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes den Ersatz seiner Auslagen und eine Vergütung für seine Tätigkeit verlangen. Der Geschäftswert gilt nach § 6 Abs. 2 Satz 3 SpruchG auch für die Bemessung der Vergütung des Vertreters der Minderheitsaktionäre.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 04.07.2012
Az: I-26 W 11/11 (AktE)


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