Hessischer Verwaltungsgerichtshof:
Urteil vom 18. Mai 1994
Aktenzeichen: 1 UE 2717/89

(Hessischer VGH: Urteil v. 18.05.1994, Az.: 1 UE 2717/89)

Tatbestand

Der 1960 geborene Kläger war bulgarischer Staatsangehöriger. Am 3.7.1990 erwarb er die deutsche Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung. Er lebt seit 1977 in der Bundesrepublik Deutschland. Durch Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf vom 3.9.1979 wurde er zusammen mit seinen Eltern als Asylberechtigter anerkannt. Nach dem Abitur studierte der Kläger in Gießen Rechtswissenschaften und schloß dieses Studium am 27.1.1988 mit der ersten juristischen Staatsprüfung ab.

Durch Erlaß des Hessischen Ministeriums der Justiz vom 27.7.1988 wurde der Kläger zum 1.9.1988 als Rechtsreferendar ohne Berufung in ein Beamtenverhältnis in den juristischen Vorbereitungsdienst aufgenommen. Unter Bezugnahme auf die Regelung des § 23 Abs. 4 S. 2 JAG bewilligte ihm der Beklagte eine widerrufliche Unterhaltsbeihilfe in Höhe von 50 % der Anwärterbezüge eines Beamten im juristischen Vorbereitungsdienst. Infolge dieser Bewilligung erhielt der Kläger, der verheiratet ist und eine Tochter hat, seit dem 1.9.1988 monatlich 1.047,50 DM brutto; das Bruttoeinkommen seiner Ehefrau betrug damals monatlich 2.564,00 DM, für seine Tochter erhielt er Kindergeld. Nach Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wurde der Kläger mit Wirkung vom 1.8.1990 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Rechtsreferendar ernannt und erhielt Anwärterbezüge.

Gegen den Erlaß vom 27.7.1988 erhob der Kläger am 30.8.1988 teilweise Widerspruch und beantragte die Bewilligung einer "vollen Unterhaltsbeihilfe". Mit Bescheid vom 3.10.1988 wies das Hessische Ministerium der Justiz den Widerspruch zurück. Nachdem der Kläger seinen Status als Asylberechtigter nachgewiesen hatte, gab das Hessische Ministerium der Justiz mit Schreiben vom 23.1.1989 an den Kläger dem Widerspruchsbescheid die ergänzende Begründung, daß auch unter Berücksichtigung der Bestimmungen der Genfer Konvention dem Kläger ein Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe nur nach Maßgabe des § 23 Abs. 4 S. 2 JAG zustehe.

Der Kläger hat am 2.11.1988 Klage erhoben; mit Schriftsatz vom gleichen Tage hat er zudem eine einstweilige Anordnung begehrt, die das Verwaltungsgericht mit Beschluß vom 22.5.1989 im Hinblick auf die mangelnde Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung angesichts der Einkommensverhältnisse des Klägers und seiner Ehefrau ablehnte.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger die Ansicht vertreten, daß ihm nach Art. 24 Ziff. 1 a Genfer Konvention ein Anspruch auf Zahlung einer Unterhaltsbeihilfe in Höhe der Anwärterbezüge eines Beamten im Vorbereitungsdienst zustehe. Bei der Tätigkeit eines Rechtsreferendars handele es sich um ein Ausbildungsverhältnis, welches nicht dem Art. 22 Genfer Konvention zugeordnet werden könne, der lediglich den Bereich des Unterrichts regele. Vielmehr handele es sich um eine entgeltliche Tätigkeit, da der Auszubildende im Gegensatz zu den Unterrichteten praktisch verwertbare Arbeiten ausführe. Aber auch bei Anwendung des Art. 22 Genfer Konvention komme man zu keinem anderen Ergebnis. Die Anwendbarkeit der Norm unterstellt, sei er mit dem Personenkreis gleichzusetzen, der die beste Ausländerbehandlung im allgemeinen erfahre. Dies seien in der Referendarausbildung die Ausländer aus den Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft, welche eine Unterhaltsbeihilfe in Höhe der Anwärterbezüge erhielten.

Der Kläger hat beantragt,

den Erlaß des Hessischen Ministeriums der Justiz, soweit ihm darin eine Unterhaltsbeihilfe von nicht mehr als 50 % der Anwärterbezüge eines Beamten im juristischen Vorbereitungsdienst bewilligt wurde, und dessen Widerspruchsbescheid vom 3.10.1988 nebst Ergänzung vom 23.1.1989 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Unterhaltsbeihilfe in Höhe der Anwärterbezüge eines Beamten im juristischen Vorbereitungsdienst seit Aufnahme seines Vorbereitungsdienstes zu bewilligen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat ausgeführt, dem Kläger erwachse aus Art. 24 Ziff. 1 a Genfer Konvention kein Anspruch auf eine Unterhaltsbeihilfe in Höhe der Anwärterbezüge, da diese Norm keine subjektive Rechtsposition des Klägers schaffe, sondern lediglich eine Pflicht der Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung der Vorschrift in innerstaatliches Recht normiere.

Art. 24 Ziff. 1 a Genfer Konvention sei darüber hinaus nicht einschlägig, da in der Referendarausbildung der Ausbildungsgesichtspunkt im Vordergrund stehe und es sich daher nicht um eine Lohnangelegenheit im Sinne der Vorschrift handele. Vielmehr müsse das Ausbildungsverhältnis dem Bereich der "öffentlichen Erziehung" im Sinne des Art. 22 Genfer Konvention zugeordnet werden. Zwar seien die in Art. 22 Ziff. 2 Genfer Konvention genannten Beispiele nicht unmittelbar einschlägig, jedoch spreche Art. 22 Ziff. 2 Genfer Konvention mit der Zuerkennung von Stipendien auch eine Angelegenheit an, welche die finanzielle Ausstattung während des weiterführenden Unterrichts betreffe. Der nach Art. 22 Ziff. 2 Genfer Konvention zu gewährenden Gleichbehandlung mit anderen Ausländern sei durch die Regelung des § 23 Abs. 4 S. 2 JAG entsprochen. Eine Gleichbehandlung mit EG-Ausländern erfordere Art. 22 Ziff. 2 Genfer Konvention nicht.

Das Verwaltungsgericht Gießen hat der Klage durch Urteil vom 29.6.1989 stattgegeben, weil der Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Unterhaltsbeihilfe in Höhe der Anwärterbezüge eines Beamten im juristischen Vorbereitungsdienst rückwirkend ab 1.9.1988 habe. Dieser Anspruch ergebe sich aus § 3 AsylVfG i.V.m. Art. 24 Ziff. 1 a der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 in der Gestalt des Bundesgesetzes vom 1.9.1953 (BGBl. II S. 559). Bei den Anwärterbezügen eines Beamten im juristischen Vorbereitungsdienst handele es sich um Lohn- bzw. Arbeitsentgelt im Sinne des genannten Artikels. Der Kläger habe einen unmittelbaren Anspruch auf Gleichbehandlung, so daß die ihm gewährte Unterhaltsbeihilfe den Bruttobezügen eines deutschen Rechtsreferendars zu entsprechen habe.

Gegen das am 2.8.1989 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 30.8.1989 Berufung eingelegt:

Er hält den Verwaltungsrechtsweg für eröffnet, die Klage aber für unbegründet, weil die vom Kläger begehrte Unterhaltsbeihilfe nicht in den Regelungsbereich des Art. 24 Ziff. 1 a Genfer Konvention falle. Der Charakter des Vorbereitungsdienstes sei von der Eröffnung des Zuganges zu juristischen Berufen geprägt, der Anwärterbezug diene der Unterhaltssicherung, sei nicht Entgelt oder Lohn für geleistete Arbeit, auch sei er in diesem Sinne nicht "verrechtlicht". Vielmehr sei der juristische Vorbereitungsdienst den weiterführenden Formen der "öffentlichen Erziehung" im Sinne des Art. 22 Ziff. 2 Genfer Konvention zuzuordnen. Er ergänze die Hochschulausbildung in vom Ausbildungsmonopol des Staates geprägten Berufen. Die "möglichst günstige Behandlung" erfordere nicht die Gleichstellung mit anderen Personengruppen, hier also EG-Ausländern oder Inländern, sondern lasse Differenzierungen zu.

Selbst wenn man den Unterhaltsbeitrag mit dem Verwaltungsgericht dem Art. 24 Ziff. 1 a Genfer Konvention unterstellen wollte, folge daraus noch kein subjektives Recht des Klägers, weil es insoweit an einer bundes- oder landesrechtlichen Umsetzung fehle; unmittelbare Rechtswirkung zeige die Genfer Konvention durch das Übernahmegesetz vom 1.9.1953 (BGBl. II S. 559) nur dort, wo sie aus ihren Vorschriften selbst abzuleiten sei. In Artikeln 22 und 24 Genfer Konvention heiße es dagegen, daß die vertragsschließenden Staaten den Flüchtlingen eine bestimmte Behandlung "gewähren werden".

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß der Beklagte verpflichtet wird, ihm eine Unterhaltsbeihilfe in Höhe der Anwärterbezüge für die Zeit vom 1. September 1988 bis zum 2. Juli 1990 einschließlich zuzüglich 4 Prozent Zinsen zu gewähren.

Er vertieft seine Auffassung, daß die Unterhaltsbeihilfe der Regelung des Art. 24 Ziff. 1 a Genfer Konvention unterfalle und diese subjektive Rechte gewähre. Im übrigen sei ihm die Unterhaltsbeihilfe in voller Höhe der Anwärterbezüge ermessensfehlerhaft verweigert worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dieses Verfahren betreffenden Gerichtsakten, der Gerichtsakten - VG Gießen - V/V G 1487/88 - sowie der Personalakten des Hessischen Ministeriums der Justiz über den Kläger - IpS 1015 - (jeweils 1 Band) Bezug genommen, die Gegenstand der Senatsberatung waren.

Gründe

Die zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines vollen Unterhaltsbeitrages nach § 23 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes für die juristische Ausbildung (Juristenausbildungsgesetz - JAG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7.11.1985 (GVBl. I S. 212) für die Zeit seines juristischen Vorbereitungsdienstes vom 1.9.1988 bis zum 2.7.1990, so daß auch der geltend gemachte Zinsanspruch entfällt. Auch aus Bestimmungen der Genfer Konvention kann er den geltend gemachten Anspruch nicht herleiten.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges ausgegangen (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 28.6.1989, BAGE 62, 210; BVerwG, Urteil vom 30.4.1992, BVerwGE 90, 147, 148).

In der Sache muß die Berufung des Beklagten Erfolg haben. Der Kläger erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 4 Satz 2 JAG nicht. Diese Vorschrift entspricht dem Gesetzesvorbehalt des § 2 Abs. 1 BBesG. Nach ihr kann "anderen Ausländern" (Nichtangehörige von EG-Mitgliedstaaten) im Falle ihrer Bedürftigkeit eine widerrufliche Unterhaltsbeihilfe bis zur Höhe der Anwärterbezüge eines Beamten im Vorbereitungsdienst bewilligt werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Hessische Minister der Justiz sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, wie der Kläger meint, als er ihm (nur) eine Unterhaltsbeihilfe in Höhe der Hälfte der Anwärterbezüge bewilligte; jedenfalls konnte er davon ausgehen, daß der Kläger nicht bedürftig war, wie er im Widerspruchsbescheid vom 3.10.1988 zutreffend dargelegt hat. Das stellt auch der Kläger selbst nicht in Abrede. Er ist vielmehr der Auffassung, daß sich sein Anspruch auf eine Unterhaltsbeihilfe in (voller) Höhe der Anwärterbezüge eines deutschen Rechtsreferendars unmittelbar aus Art. 24 Ziff. 1 a Genfer Konvention ergebe. Dieser Rechtsansicht vermag der Senat nicht zu folgen. Die Unterhaltsbeihilfe des § 23 Abs. 4 Satz 2 JAG, die den Anwärterbezügen im Sinne des § 59 BBesG gleichsteht, ist kein "Lohn oder sonstiger Teil des Arbeitsentgelts" im Sinne des Art. 24 Nr. 1 a Genfer Konvention.

Dieses Ergebnis läßt sich bereits aus der gesetzlichen Regelung des Besoldungsrechts im Bundesbesoldungsgesetz entnehmen. Es enthält in § 1 Abs. 2 BBesG die Bestimmung, welche Dienstbezüge zur Besoldung gehören. § 1 Abs. 3 BBesG zählt dann "folgende sonstige Bezüge" auf, die ferner zur Besoldung gehören, darunter auch die Anwärterbezüge. Nicht zuletzt hieraus hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung (Urteil vom 3.11.1976, ZBR 1977, 126; Urteil vom 23.3.1977, BVerwGE 52, 183; Urteil vom 9.3.1989, NVwZ 1989, 874) gefolgert, daß Sinn und Zweck des Beamtenverhältnisses auf Widerruf im Vorbereitungsdienst nicht die Dienstleistung des Beamten sei, sondern vielmehr seine Ausbildung im Vordergrund stehe. Die Anwärterbezüge - vergleichbar der Unterhaltsbeitrag nach § 23 Abs. 4 Satz 4 JAG - seien deshalb ebenso wie die früheren Unterhaltszuschüsse keine "amtsangemessene Alimentation", die dazu dienen solle, den vollen Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern "Hilfe zum Bestreiten des Lebensunterhalts während der Ausbildungszeit (a.a.O. S. 875). Die beiden zuerst genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts sind anläßlich einer Verfassungsbeschwerde zu der Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar sei, daß Anwärterbezüge nach § 59 Abs. 2 BBesG einen Kinderzuschlag nicht einschließen, vom Bundesverfassungsgericht (Beschluß vom 7.10.1992, DVBl. 1992, 1597 = ZBR 1993, 60 = NVwZ 1993, 467) in vollem Umfang bestätigt worden. In den Gründen dieses Beschlusses hat das Bundesverfassungsgericht u. a. folgendes ausgeführt:

"... jedoch gibt es keinen hergebrachten Grundsatz des Inhalts, daß Angehörige des öffentlichen Dienstes im Ausbildungsverhältnis - mögen sie auch Beamte auf Widerruf sein - zu alimentieren sind (vgl. BVerfGE 33, 44, 50; BVerfG - Ausschuß nach § 39 a Abs. 2 BVerfGG a. F. -, Beschluß vom 16.11.1982 - 2 BvR 1475/82 -). Das Rechtsverhältnis des Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst unterscheidet sich insoweit grundsätzlich von dem Rechtsverhältnis anderer Beamtengruppen. Dem Anwärter wird kein Amt im statusrechtlichen Sinne übertragen. Das zeitlich beschränkte Dienstverhältnis wird zum Zwecke der Ausbildung begründet, wobei der Anwärter während der Zeit der Ausbildung für seinen Dienstherrn nur eine beschränkte Dienstleistung erbringt. Deshalb sind die dem Anwärter im Rahmen der §§ 59 ff. BBesG gewährten Anwärterbezüge - wie vormals die Unterhaltszuschüsse - nicht auf Vollalimentation ausgelegt, sondern stellen lediglich eine Hilfe zur Bestreitung des Lebensunterhalts während der Ausbildungszeit dar. Eine volle Absicherung des Lebensunterhalts des Beamten und seiner Familie ist damit nicht beabsichtigt. Dementsprechend steht dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Anwärterbezüge ein sehr weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung, der bei einem Gehalt, wie es der Beschwerdeführer während seines Vorbereitungsdienstes bezogen hat, nicht überschritten ist... ".

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Vorlagebeschluß an den Europäischen Gerichtshof vom 24.1.1985 (DVBl. 1985, 742, 744) seine Auffassung wiederholt, daß Anwärterbezüge nicht, wie die Dienstbezüge anderer Beamter, die deren umfassender Dienstleistungspflicht gegenüberstehende amtsgemäße Alimentation seien, sondern der Sicherung des Ausbildungszwecks dienten.

Vor diesem Hintergrund vermag sich der Senat der Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Urteil nicht anzuschließen, daß - gemessen an der rechtlichen Ausgestaltung der Anwärterbezüge durch die §§ 1 Abs. 3, 3 Abs. 1, 59 ff. BBesG - alleiniger Anknüpfungspunkt der Bezüge die Dienstleistung des Anwärters sei und diese mithin "Entgelt" für diese Leistung und damit auch Lohn bzw. Teil des Arbeitsentgelts im Sinne des Art. 24 Ziff. 1 a Genfer Konvention seien, unabhängig davon, ob die seitens eines Rechtsreferendars erbrachten Arbeitsleistungen (Urteilsentwürfe usw.) als Leistungen von gewissem wirtschaftlichen Wert anzusehen seien und daraus ein Entgeltcharakter der Anwärterbezüge gefolgert werden könne (so für die Leistungen von Studienreferendaren unter dem Blickwinkel des Art. 48 EG-Vertrag: EuGH, Urteil vom 3.7.1986, NVwZ 1987, 41) oder seine Leistung darin bestehe, daß er sich seiner Ausbildung widme, also Ausbildungsdienst leiste (so Forch, NVwZ 1987, 28).

Hieran ändert auch nichts die zunehmende "Verrechtlichung" der sonstigen Bezüge, wie sie sich aus dem Wandel des früheren Unterhaltszuschusses in einen Anwärterbezug ergeben hat. Die Anwärterbezüge sind zwar Teil der Besoldung, nicht jedoch Dienstbezüge im Sinne des § 1 Abs. 2 BBesG (vergleichbar mit einem "Lohn" im Sinne des Art. 24 Ziff. 1 a Genfer Konvention), da dem Anwärter (vergleichsweise dem anderen Ausländer, der in den Vorbereitungsdienst aufgenommen worden ist) kein Amt im statusrechtlichen Sinne übertragen ist. Das Beamtenverhältnis des Vorbereitungsdienstleistenden soll für einen künftigen Beruf ausbilden, ist aber selbst noch kein Beruf (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 30.12.1993 - 1 UE 4054/87 -; Schwegmann/Summer, Bundesbesoldungsgesetz, Rdnr. 3 vor § 59 BBesG unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 13.12.1978, RiA 1979, 140, 141); im juristischen Vorbereitungsdienst wird demnach noch keine "lohnwerte" Arbeit geleistet.

Fehlt es damit bereits an dem Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "Lohn" des Art. 24 Ziff. 1 a Genfer Konvention, so kann die weiter vom Verwaltungsgericht erörterte Frage dahingestellt bleiben, ob der Kläger über § 3 AsylVfG i.V.m. dem Transformationsgesetz vom 1.9.1953 (a.a.O.), das die Normen der Genfer Konvention übernommen hat, ein subjektives Recht auf einen Unterhaltsbeitrag in voller Höhe der Anwärterbezüge hat (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 1.3.1957, BVerwGE 4, 309 ff.; B. vom 9.3.1982, DVBl. 1982, 735, 736).

Schließlich führt auch der Gesichtspunkt "des gleichen Lohnes" für die Wahrnehmung gleicher Aufgaben unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu dem geltend gemachten Anspruch. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 30.4.1992 - 2 C 6.90 - (insoweit in der zitierten amtlichen Fundstelle nicht abgedruckt) auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 33, 44, 50) hingewiesen, nach der das öffentlich- rechtliche Dienstverhältnis des Beamten auf Widerruf allein zum Zwecke der Ausbildung und für die Dauer des juristischen Vorbereitungsdienstes begründet wird. Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, daß die Bezüge der Beamten auf Widerruf lediglich eine Hilfe zum Bestreiten des Lebensunterhalts während der Ausbildung darstellen (vgl. Beschluß vom 31.1.1989, Buchholz 240 § 61 Nr. 1 m.w.N.); entsprechendes gilt für die Unterhaltsbeihilfe nach § 23 Abs. 4 Satz 2 JAG.

In der unterschiedlichen Behandlung der (deutschen) Anwärter zu den (anderen ausländischen) Personen, die in den juristischen Vorbereitungsdienst aufgenommen worden sind, vermag der Senat eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu erkennen. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 30.4.1992, BVerwGE 90, 147, 153 f. ausgeführt:

"Schon der unterschiedliche Status des Beamten auf Widerruf, der sich im juristischen Vorbereitungsdienst befindet, zu dem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis läßt es nicht als sachwidrig erscheinen, unterschiedliche Vergütungsregelungen zu treffen. Rechtsgrund für die Gewährung der Anwärterbezüge ist die Berufung in das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis als Beamter, das wegen des wechselzeitigen Pflichten- und Treueverhältnisses den einzelnen in besonderer Weise in Anspruch nimmt. Hieran fehlt es im Falle der Klägerin. Außerdem ist es das Ziel des juristischen Vorbereitungsdienstes, die Befähigung zum Richteramt zu erwerben (§ 5 Abs. 1 DRiG). Die Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes orientiert sich am Bild des Richters und schafft eine Eingangsvoraussetzung für das Richteramt (§ 9 Nr. 3 DRiG; vgl. BVerfGE 33, 44, 50). Auch wenn der juristische Vorbereitungsdienst zugleich für andere gesetzlich geregelte Berufe die Qualifikation schafft (§ 122 Abs. 1 DRiG, § 4 BRAGO, § 5 BNotO), so kommt für die Klägerin aufgrund ihrer ausländischen Staatsangehörigkeit eine Übernahme in das Richter- oder Beamtenverhältnis nicht in Betracht ...".

Diese Ausführungen gelten auch für den Fall des Klägers, jedenfalls für den Zeitraum vor Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit, der hier allein entscheidungserheblich ist.

Aus landesrechtlichen Unterschieden bei der Regelung von Unterhaltsbeihilfen für ausländische Referendare läßt sich der vom Kläger erhobene Anspruch ebenfalls nicht herleiten. Eine im Verhältnis zu § 23 Abs. 4 Satz 2 JAG günstigere andere landesrechtliche Bestimmung führt nicht zu einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes aus Art. 3 Abs. 1 GG, weil in der Tatsache allein, daß eine landesrechtliche Regelung von verwandten Regelungen in anderen Ländern oder des Bundes abweicht, noch kein derartiger Verstoß liegt (vgl. etwa BVerfG, Beschluß vom 30.5.1972, BVerfGE 33, 224, 231 m.w.N.).

Selbst wenn man das Begehren des Klägers auf Zahlung einer Unterhaltsbeihilfe in voller Höhe - gleichsam als Annex des "über die Volksschule hinausgehenden Unterrichts usw." - dem Art. 22 Ziff. 2 Genfer Konvention zuordnen wollte, kann seine Klage keinen Erfolg haben. Diese Bestimmung würde einen solchen Anspruch selbst dann nicht vermitteln, wenn durch ihre Transformation innerstaatlich subjektive Rechtspositionen der Flüchtlinge und ihnen gleichgestellter Personen geschaffen worden wären. Art. 22 Ziff. 2 Genfer Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten in seinem Regelungsbereich nur zu einer möglichst günstigen und in keinem Fall weniger günstigen Behandlung, als sie Ausländern im allgemeinen unter gleichen Bedingungen gewährt wird; eine Verpflichtung, Flüchtlinge mit einer bestimmten Gruppe des eigenen Staatsvolks gleichzustellen, sind die Vertragsstaaten hingegen nicht eingegangen (so ausdrücklich BVerwG, Beschluß vom 9.3.1982, DVBl. 1982, 735, 736).

Art. 23 Genfer Konvention, der von "öffentlicher Fürsorge und sonstigen Hilfsleistungen" spricht, ist auf den Kläger ebenfalls nicht anwendbar. Sein Begehren auf Zahlung einer (vollen) Unterhaltsbeihilfe läßt sich nicht unter die Leistungen der Sozialhilfe im Sinne des § 1 Abs. 1 BSHG einordnen, zumal sie nachrangig ist (§ 2 Abs. 1 BSHG) und nur nach Art des Bedarfs (§ 3 Abs. 1 BSHG) gewährt wird, der - wie dargelegt - beim Kläger mangels Bedürftigkeit nicht vorlag.

Nach allem mußte die Berufung des Beklagten Erfolg haben. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an den hierfür erforderlichen Voraussetzungen fehlt (§ 132 Abs. 2 VwGO)






Hessischer VGH:
Urteil v. 18.05.1994
Az: 1 UE 2717/89


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