Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 15. August 2012
Aktenzeichen: 4a O 109/12

(LG Düsseldorf: Urteil v. 15.08.2012, Az.: 4a O 109/12)

Tenor

I. Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR ersatzweise Ord-nungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten, zu unterlassen,

pharmazeutsiche Zusammensetzungen enthaltend Irbesartan zusammen mit Hydrochlorothiazid (HCT) zur Behandlung der essentiellen Hypertonie (Bluthochdruck) in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.

III. Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung wird von einer Sicherheitsleistung der Verfügungsklägerin in Höhe von 3.500.000,- EUR abhängig gemacht.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin verlangt von der Verfügungsbeklagten im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens, den Vertrieb des generischen Arzneimittels unter der Bezeichnung "A" zu unterlassen.

Die Verfügungsklägerin ist forschendes Pharmaunternehmen und eingetragene Inhaberin des ergänzenden Schutzzertifikats (im Folgenden: Verfügungszertifikat) für die Wirkstoffkombination Irbesartan/Hydrochlorothiazid (im Folgenden Irbesartan+HCT) zur Behandlung von Bluthochdruck. Diesbezüglich wird auf die Anlage ROP 11 inhaltlich verwiesen. Das Verfügungszertifikat wurde am 19.03.1999 beantragt und hat eine vorgesehene Laufzeit vom 21.03.2011 bis zum 15.10.2013. Das Verfügungszertifikat steht für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Die Firma Actavis Group PTC ehf., Island, erhob am 22.06.2012 Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht, über die noch nicht entschieden ist.

Das Verfügungszertifikat beruht auf dem deutschen Teil des europäischen Patents 0 454 511 B1 (im Folgenden: Grundpatent), das am 20.03.1991 unter Inanspruchnahme zweier französischer Prioritäten angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 17.06.1998 veröffentlicht. Die deutsche Übersetzung ist unter DE 691 29 606 T2 veröffentlicht. Das Grundpatent ist am 20.03.2011 durch Zeitablauf erloschen. Die dem Grundpatent zugrunde liegende Erfindung betrifft Angiotensin-II Rezeptor-Antagonisten, also Verbindungen mit einer antagonistischen Wirkung gegen Angiotensin-II, einem stark blutdrucksteigernden Hormonpeptid. Durch die Hemmung der Wirkung von Angiotensin-II auf seine Rezeptoren eignet es sich zur Behandlung von kardiovaskulären Erkrankungen wie Bluthochdruck. Die für das vorliegende Verfahren relevanten Ansprüche 1-7 lauten in ihrer deutschen Übersetzung wie folgt:

1. Verbindung der Formel

in der

- R1 und R2 gleichartig oder verschieden sind und jeweils unabhängig voneinander Wasserstoff oder eine unter C1-C6-Alkyl, C1-C4-Alkoxy, Amino, Arninomethyl, Carboxy, Alkoxycarbonyl mit C1-C4-Alkoxy, Cyano, Tetrazolyl, Methyltetrazolyl, Methylsulfonylamino, Trifluormethylsulfonylamino, Trifluormethylsulfonylaminomethyl, N-Cyanocarbamoyl, N-Hydroxycarbamoyl, N-((4-Carboxy)-1, 3-thiazol-2--yl) -carbarnoyl, Ureido, 2-Cyanoguanidinocarbonyl, 2-Cyanoguanidinomethyl, Imidazol-1-ylcarbonyl und 3-Cyano-2-rnethylisothioureidomethyl ausgewählte Gruppe bedeutet, mit der Bedingung, dass mindestens einer der Substituenten R1 oder R2 eine andere Bedeutung als Wasserstoff hat;

- R3 Wasserstoff, unsubstituiertes oder durch ein oder mehr Halogenatome substituiertes C1-C6-Alkyl, C2-C6-Alkenyl, C3-C7-Cycloalkyl, Phenyl, Phenylalkyl mit C1-C3-Alkyl oder Phenylalkenyl mit C2-C3-Alkenyl bedeutet, wobei die Phenylgruppen unsubstituiert oder ein- oder mehrfach durch ein Halogenatom, C1-C4-Alkyl, C1-C4-Halogenalkyl, C1-C4-Polyhalo- genalkyl, Hydroxyl oder C1-C4-Alkoxy substituiert sind;

- R4 und R5 jeweils unabhängig voneinander C1-C6-Alkyl, Phenyl oder Phenylalkyl mit C1-C3-Alkyl bedeuten, wobei die Alkyl-, Phenyl- und Phenylalkylgruppen unsubstituiert oder durch ein oder mehr Halogenatome oder durch eine unter C1-C4- Perfluoralkyl, Hydroxyl und C1-C4-Alkoxy ausgewählte Gruppe substituiert sind;

- oder R4 und R5 zusammen eine Gruppe der Formel =CR7R8 bilden, in der R7 Wasserstoff, C1-C4-Alkyl oder Phenyl bedeutet und R8 C1-C4-Alkyl oder Phenyl bedeutet;

- oder R4 und R5 miteinander zu einer Gruppe der Formel (CH2)n oder einer Gruppe der Formel (CH2)pY(CH2)q gebunden sind, in der Y ein Sauerstoffatom, ein Schwefelatom, ein Kohlenstoffatom, das durch eine C1-C4-Alkylgruppe, Phenyl oder Phenylalkyl mit C1-C3-Alkyl substituiert ist, oder eine N-R6- Gruppe bedeutet, in der R6 Wasserstoff, C1-C4-Alkyl, Phenyla].kyl mit C1-C3-Alkyl, C1-C4-Alkylcarbonyl, C1-C4-Halogenalkylcarbonyl, C1-C4-Polyhalogenalkylcarbonyl, Benzoyl, α-Aminoacyl oder eine N-Schutzgruppe bedeutet, oder R4 und R5 zusammen mit dem Kohlenstoffatom, an das sie gebunden sind, einen Indan- oder Adamantanrest bilden;

- p + q = m;

- n eine ganze Zahl von 2 bis 11 bedeutet;

- m eine ganze Zahl von 2 bis 5 bedeutet;

- X ein Sauerstoff- oder Schwefelatom bedeutet; und

- z und t 0 bedeuten oder eines dieser Symbole 0 und das andere 1 bedeutet;

und Salze davon.

2. Verbindung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass R1 in ortho-Stellung vorliegt und eine Carboxy- oder Tetrazolylgruppe bedeutet und R2 Wasserstoff bedeutet.

3. Verbindung nach einem der Ansprüche 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, dass R4 und R5 zusammen mit dem Kohlenstoffatom, an das sie gebunden sind, einen Cyclopentan- oder Cyclohexanrest bilden.

4. Verbindung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass R3 eine geradkettige C1-C6-Alkyl- gruppe bedeutet.

5. Verbindung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass X Sauerstoff bedeutet.

6. Verbindung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass z = t = 0.

7. Verbindung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass es sich um 2-n-Butyl-4-spirocyclopentan-1- [(2‘-(5- tetrazolyl)-biphenyl-4-yl) -methyl] -2-imidazolin-5-on oder ein Salz davon mit Säuren oder Basen handelt.

Der Wirkstoff mit dem internationalen Freinamen Irbesartan ist Gegenstand der Ansprüche 1 bis 7 und im Unteranspruch 7 selbst bezeichnet.

Der Unteranspruch 20 lautet in seiner deutschen Fassung wie folgt:

20. Pharmazeutische Zusammensetzung, enthaltend eine Verbindung nach einem der Ansprüche 1 bis 7 zusammen mit einem Diuretikum.

Ein Diuretikum ist allgemein ein harntreibendes Mittel. Im Bereich der Behandlung von Bluthochdruck bezeichnet der Begriff Diuretikum einen bestimmten Bereich. Insoweit kommen Thiazide zum Einsatz, deren Prototyp Hydrochlorothiazid (HCT) ist. Im Chemie Lexikon Römpp heißt es unter den Stichworten "Diuretikum" und "Antihypertonika" sinngemäß, dass die Anwendung von Diuretika besonders bei Hypertonie angebracht sei. Ein solches Diuretikum aus der Thiadiazin-Gruppe sei unter anderem Hydrochlorothiazid als Grundtyp. In Mutschler, Arzneimittelwirkungen, heißt es sinngemäß im Kapitel Thiazide, dass Hydrochlorothiazid das weltweit am meisten eingesetzte Diuretikum sei. Wegen der genauen Inhalte der wiedergegebenen Textstellen wird auf die Anlage ROP 7 Bezug genommen. In der roten Liste, einem Verzeichnis der in Deutschland vermarkteten Arzneimittel, wird unter Gliederungspunkt 17.B.4.2.2.2. "Andere Angiotensin-II-Antagonisten und Hydrochlorothiazid" aufgeführt.

Das Grundpatent wurde während seiner gesamten 13-jährigen Laufzeit werder in einem Einspruchsverfahren noch mit einer Nichtigkeitsklage angegriffen.

Der Verfügungsklägerin ist am 15.10.1998 eine arzneimittelrechtliche Genehmigung für das Arzneimittel "COPAROVEL Irbesartan/Hydrochlorothiazid" erteilt worden (EU/1/98/086/001 bis 006). Wegen des genauen Inhalts wird auf die Anlage ROP 10 Bezug genommen. Die Genehmigung hatte noch Bestand am Tag der Anmeldung des Verfügungszertifikats.

Die Verfügungsklägerin ist außerdem Inhaberin eines weiteren ergänzenden Schutzzertifikats für den Wirkstoff "Irbesartan", welches ebenfalls auf dem Grundpatent basiert und dessen Schutz mit Ablauf des 15.08.2012 endet.

Mit Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten vom 22.06.2012 teilten diese der Verfügungsklägerin mit, die Verfügungsbeklagte werde Tabletten mit der Wirkstoffkombination Irbesartan+HCT unter der Bezeichnung "Irbesartan-Actavis com" (im Folgenden angegriffene Ausführungsform) nicht vor dem 16.08.2012 in Deutschland in den Verkehr bringen. Mit eMail vom 17.07.2012 teilte die zuständige Informationsstelle für Arzneispezialitäten (IFA) dem Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsklägerin mit, dass die Verfügungsbeklagte die Aufnahme des Kombinationspräparats A in verschiedenen Wirkstärken bereits zum 01.08.2012 beantragt habe. Mit der Anmeldung über die IFA-Datenbank erfolgt die Aufnahme in die jeweils zum 1. und 15. des Monats erscheinende "Lauer-Taxe", die Ärzte, Apotheker und Pharmahändler über Preise von Arzneimitteln unterrichtet.

Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei gerechtfertigt, da neben dem Verfügungsanspruch auch ein Verfügungsgrund vorliege. Der Rechtsbestand des Verfügungszertifikats sei hinreichend gesichert. Die Einwände gegen den Rechtsbestand, auf die sich die Verfügungsbeklagte in der am 22.06.2012 erhobenen Nichtigkeitsklage beruft, überzeugten nicht. Die Nichtigkeitsgründe des Art.15 Abs.1 lit.a) i.V.m. Art.3 lit.a) und c) der Verordnung (EG) Nr.469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.05.2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (im Folgenden: AM-VO) griffen nicht durch. Das geschützte Erzeugnis des Verfügungszertifikats, die Wirkstoffkombination Irbesartan+HCT, sei im Anspruch 20 des Grundpatents im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (im Folgenden EuGH) genannt. Hierfür bestand eine gültige Genehmigung gemäß Art.3 lit.b) AM-VO. Das Verfügungszertifikat sei nicht unter Verstoß gegen Art.3 lit.a) AM-VO erteilt worden. Die Wirkstoffkombination Irbesartan+HCT werde zwar nicht ausdrücklich in Anspruch 20 des Grundpatents genannt, ergebe sich aber daraus, dass HCT das Diuretikum im Bereich der Behandlung von Bluthochdruck sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des EuGH in Sachen "Medeva". In diesem Urteil vom 24.11.2011 (Rs. C-322/10) habe der EuGH entschieden, dass Schutzzertifikate nicht für Wirkstoffe erteilt werden könnten, die in den Ansprüchen des Grundpatents, auf das die betreffende Anmeldung gestützt wird, nicht genannt sind. HCT sei vorliegend Gegenstand des Patentanspruchs 20. Allgemein übliche Verallgemeinerungen seien zulässig. Anderenfalls sei der Patentschutz unzumutbar verkürzt. Auch der Nichtigkeitsgrund des Art.3 lit.c) AM-VO sei nicht einschlägig, da für das Erzeugnis - die Wirkstoffkombination Irbesartan+HCT - nur ein Schutzzertifikat erteilt wurde. Dies gelte selbst dann, wenn im Grundpatent verschiedene Erzeugnisse geschützt seien.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

mit Ausnahme der angeordneten Sicherheitsleistung zu erkennen wie geschehen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen;

hilfsweise, die Vollziehung der einstweiligen Verfügung nur gegen eine angemessene Sicherheitsleistung zu gestatten.

Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, das Verfügungszertifikat sei nicht rechtsbeständig. Die Nichtigkeitsklage werde Erfolg haben. Der Wirkstoff Hydrochlorothiazid sei in den Patentansprüchen des Grundpatents nicht genannt. Es gebe zahlreiche weitere Diuretika und der Begriff "Diuretikum" sei letztlich nicht abgrenzbar. Hydrochlorothiazid sei auch nicht in der Patentbeschreibung des Grundpatents erwähnt. Darüber hinaus sei der Wirkstoff Irbesartan im Patentanspruch 20 nicht genannt. Ein Rückbezug auf die Patentansprüche 1 bis 7 reiche nach der Rechtsprechung des EuGH für ein "Genannt sein" nicht aus. Dies zeige auch ein Vergleich mit dem Erwägungsgrund 14 der Verordnung (EG) 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.07.1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel (im Folgenden: PSM-VO). Ein Schutzzertifikat könne dann nicht erteilt werden, wenn Derivate nicht Gegenstand von Patenten seien, in denen sie besonders beansprucht würden. Ferner läge ein Verstoß gegen Art.3 lit.c) AM-VO vor, da für den Wirkstoff Irbesartan bereits ein Schutzzertifikat erteilt worden sei. Beide Schutzzertifikate basierten auf dem Grundpatent B. Deshalb habe die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht, dass ein Verfügungsgrund vorliege.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung ist zu erlassen, da sowohl ein Verfügungsgrund als auch ein Verfügungsanspruch vorliegen. Der Verfügungsklägerin steht gegen die Verfügungsbeklagte ein Anspruch auf Unterlassung gemäß Art.64 Abs.1 EPÜ, §§ 16 Abs.2, 139 Abs.1, 9 S.2 Nr.1 PatG zu.

I.

Ein Verfügungsgrund im Sinne von § 935 ZPO ist gegeben. Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Interessenabwägung wiegt das Schutzinteresse der Verfügungsklägerin, ihren Unterlassungsanspruch durchzusetzen und den Marktzutritt der Verfügungsbeklagten zu unterbinden, schwerer als das Interesse der Verfügungsbeklagten an einem sofortigen Marktzutritt. Der Rechtsbestand des Verfügungszertifikats unterliegt bei dem hier anzuwendenden Prüfungsmaßstab keinen Bedenken, die dem Erlass einer einstweiligen Verfügung entgegenstehen.

Eine einstweilige Unterlassungsverfügung wegen Patentverletzung kommt in der Regel nur in Betracht, wenn die Frage der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents so eindeutig zugunsten des Antragstellers zu bewerten ist, dass eine fehlerhafte, in einem späteren Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist. Von einem hinreichenden Rechtsbestand kann daher im Allgemeinen nur ausgegangen werden, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (OLG Düsseldorf, InstGE 12, 114 - Harnkatheterset). Da bei der Beurteilung des Verfügungsgrundes das Prinzip der Gesamtinteressenabwägung zu berücksichtigen ist, gilt der vorgenannte Grundsatz jedoch nicht uneingeschränkt. Vielmehr sind Fallgestaltungen möglich, bei denen die Anforderungen an den Rechtsbestand nicht überspannt werden dürfen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein Rechtsbestandsverfahren deshalb nicht durchgeführt worden ist, weil das Verfügungspatent allgemein als schutzfähig anerkannt wird (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 5.Aufl., Rz.1524), die aus der Schutzrechtsverletzung drohenden Nachteile außergewöhnliche Umstände verursachen, die es für den Verfügungskläger unzumutbar machen, den Ausgang eines Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens abzuwarten (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 12, 114 - Harnkatheterset), oder sonstige besondere Umstände die Interessen des Verletzers zurücktreten lassen. Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise, wenn der Verfügungsantrag - wie hier - auf ein ergänzendes Schutzzertifikat gestützt wird (Kammer Urt. v. 24.02.2011 - 4a O 277/10).

1.

Vorliegend ist von wesentlicher Bedeutung, dass es im Rechtsbestandsverfahren nicht um Fragen geht, deren Ursprung in dem jeweiligen technischen Gebiet der geschützten Erfindung liegt (z.B. Neuheit und erfinderischer Schritt), sondern reine Rechtsfragen zu beurteilen sind, denen das Verletzungsgericht als juristisch fachkundig besetzter Spruchköper von vorneherein näher steht. Diese Rechtsfragen mögen dabei von einiger Schwierigkeit sein und die Prognose der Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren insoweit eine gewisse Unsicherheit mit sich bringen. Das rechtfertigt es aber nicht, allein aus dem formalen Gesichtspunkt der Beurteilung einer schwierige Rechtsfragen zur Auslegung der AM-VO einen Verfügungsgrund zu verneinen (vgl. auch LG Düsseldorf, InstGE 13, 103). Das hat erst Recht zu gelten, wenn es - wie hier - um die Unterbindung des erstmaligen Marktzutritts eines Generikaherstellers geht und mit einer Hauptsacheentscheidung während der noch verbleibenden Laufzeit des Verfügungszertifikats nicht mehr zu rechnen ist.

a)

Durchgreifende Bedenken am Rechtsbestand des Verfügungszertifikats wegen Vorliegens des Nichtigkeitsgrundes nach § 81 PatG i.V.m. Artt. 15 Abs.1 lit.a), 3 lit.a) AM-VO hat die Kammer vor diesem Hintergrund nicht. Der Einwand der Verfügungsbeklagten, die Wirkstoffkombination Irbesartan+HCT sei im Patentanspruch 20 des Grundpatents nicht genannt, vermag keine hinreichenden Zweifel am Rechtsbestand zu begründen.

aa)

Der Maßstab für die Frage, ob der Nichtigkeitsgrund des Art.3 lit.a) AM-VO vorliegt, ist im Lichte der Rechtsprechung des EuGH festzustellen. Nach dieser kann kein ergänzendes Schutzzertifikat für Wirkstoffe erteilt werden, die in den Ansprüchen dieses Grundpatents nicht genannt sind (EuGH, GRUR 2012, 257 - Medeva). Diese Auffassung bestätigte der EuGH noch einmal (EuGH, Bes. vom 25.11.2011, Rs. C-6/11 - Daiichi Sankyo). In jenem Verfahren war der Wirkstoff Olmesartan Medoxomil ausdrücklich im vierten Patentanspruch genannt. Der Wirkstoff Hydrochlorothiazid als ein Diuretikum nicht. Der EuGH führte aus, dass die nationale Behörde nur dann ein Schutzzertifikat erteilen darf, wenn in den Patentansprüchen des Grundpatents der Wirkstoff genannt ist.

Die Rechtsprechung des EuGH verhält sich aber nicht darüber, wie konkret einzelne Wirkstoffe im Grundpatent "genannt" sein müssen. Spezielle Vorgaben lassen sich aus den Urteilen des EuGH nicht entnehmen. In seinem Medeva-Urteil führt der EuGH in der Verfahrenssprache unter Randziffer 28 aus:

"The answer to the first five questions is, therefore, that Article 3(a) of Regulation No 469/2009 must be interpreted as precluding the competent industrial property office of a Member State from granting an SPC relating to active ingredients which are not specified in the wording of the claims of the basic patent relied on in support of the SPC application".

In seinem Yeda-Urteil (EuGH, GRUR-RR 2012, 55) nimmt der EuGH wieder Bezug auf sein Medeva-Urteil und wiederholt seine Rechtsprechung. Ein Grundpatent, das den Schutz einer Zusammensetzung von zwei Wirkstoffen beansprucht, aber keinen Anspruch in Bezug auf einen der Wirkstoffe isoliert enthält, kann nicht Grundlage eines ergänzenden Schutzzertifikats nur für einen dieser Wirkstoffe sein.

Dass in Bezug auf das konkrete "Genannt-Sein" des Wirkstoffs besonders strenge Anforderungen gelten, lässt sich dieser Rechtsprechung nicht entnehmen. Gegen eine zu enge Betrachtung spricht vielmehr, dass eine Aufzählung aller konkreten Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen in den Patenansprüchen selbst in der Praxis kaum durchführbar erscheint und einen vom Zweck der AM-VO nicht geforderten Formalismus darstellen würde. Nach Auffassung der Kammer muss es daher auch ausreichen, wenn in dem Anspruchswortlaut Wirkstoffe bzw. Wirkstoffarten und Kombinationen davon nur in einer verallgemeinernden Art benannt sind, solange der Fachmann damit bei Lektüre des Patentanspruch einen konkreten Stoff als vom Anspruch genannt ansieht bzw. mitliest. Das steht auch nicht in Widerspruch zu der vom EuGH intendierten Maßgeblichkeit der Patentansprüche, solange der Wirkstoff sich aus einem den Patentanspruch beschränkenden Merkmal herleiten lässt. Vielmehr steht diese Betrachtung in Einklang mit dem in den Erwägungsgründen 3 und 4 der AM-VO zum Ausdruck kommenden Ziel, dem Patentinhaber eine angemessene zeitliche Verlängerung seines patentrechtlichen Schutzes im Hinblick auf die Investitionskosten der Arzneimittelforschung zu gewähren. Auch ist eine Beschränkung auf die explizite Nennung des konkreten Wirkstoffes im Anspruchswortlaut eines Grundpatents nicht erforderlich, um - wie es der Erwägungsgrund 10 ausdrückt - "alle auf dem Spiel stehenden Interessen einschließlich der Volksgesundheit" angemessen zu berücksichtigen.

Soweit die Verfügungsbeklagte vorträgt, der EuGH habe einer heterogenen Entwicklung von nationalen Rechtsvorschriften vorbeugen wollen, besagt dies nichts über die inhaltliche Ausgestaltung einzelner Tatbestandsmerkmale. Denn eine Harmonisierung kann nur in Bezug auf die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 erfolgen, da insoweit ein Rechtsakt der Europäischen Union vorliegt und es im Übrigen an einer Harmonisierung des Patentrechts in der Union fehlt (EuGH, GRUR 2012, 257 - Medeva, Rz.23).

Auch die weitere Argumentation der Verfügungsbeklagten, für ihre Auffassung spreche der Erwägungsgrund 14 PSM-VO überzeugt nicht. Dort heißt es:

"Die Erteilung eines Zertifikats für ein aus einem Wirkstoff bestehendes Erzeugnis steht der Erteilung von weiteren Zertifikaten für seine Derivate (Salze und Ester) nicht entgegen, sofern diese Derivate Gegenstand von Patenten sind, in denen sie besonders beansprucht werden."

Dem ist nur zu entnehmen, dass für Derivate ein Schutzzertifikat erteilt werden kann, sofern diese Derivate in dem Grundpatent besonders "beansprucht" werden. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Europäische Gesetzgeber damit zum Ausdruck bringen wollte, dass Derivate im Anspruch des Grundpatents auch explizit genannt sein müssen. Gegen das Verständnis der Verfügungsbeklagten von Art. 3 lit.a) AM-VO spricht ferner Art. 3 Abs.2 PSM-VO. Dort wird ausgeführt, dass ein Inhaber mehrerer Patente für dasselbe Erzeugnis nur ein Schutzzertifikat erteilt bekommen darf. Weitere Ausschlussgründe hat der Europäische Gesetzgeber gerade nicht festgeschrieben. Dies gilt insbesondere für den vorliegenden Fall, dass für zwei Erzeugnisse, die auf einem Grundpatent basieren, zwei Schutzzertifikate erteilt werden. Anhaltspunkte dafür, dass der europäische Gesetzgeber weitere Erteilungsverbote zumindest in Betracht gezogen haben könnte, sind nicht ersichtlich.

Nichts anderes ergibt sich ferner aus dem Urteil des Court of Appeal (Court of Appeal, [2012] EWCA Civ 532; Hinzufügung diesseits). Dort heißt es lediglich: "There must be some wording indicating that they (other elements or active ingredients) are included in the claim".

bb)

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Wirkstoffkombination Irbesartan+HCT im Sinne von Art.3 lit.a) AM-VO im Grundpatent, nämlich zumindest in Patentanspruch 20 in Verbindung mit Patentanspruch 7 genannt.

(1)

Dies gilt insbesondere für den Wirkstoff Irbesartan. Soweit in Patentanspruch 20 die Formulierung "nach einem der Ansprüche 1 bis 7" verwendet wird, reicht dies im Lichte der EuGH-Rechtsprechung aus. Mit dieser sprachlichen Wendung wird offensichtlich auf den Wirkstoff Irbesartan, welcher unstreitig in Patentanspruch 7 formuliert ist, Bezug genommen. Diese rein sprachliche Verkürzung hat keinen Einfluss auf den Inhalt des Patentanspruchs 20. Es wäre reiner Formalismus zu verlangen, den Wirkstoff selbst in jedem Anspruch erneut zu wiederholen.

(2)

Soweit die Verfügungsbeklagte der Auffassung ist, "HCT" sei in keinem der Ansprüche des Grundpatents genannt, so bestehen keine erheblichen Zweifel daran, dass mit der Formulierung "Diuretikum" den Anforderungen des Art.3 lit.a) AM-VO genüge getan wird.

Wie oben ausgeführt ist es ausreichend, wenn eine inhaltlich abgrenzbare Nennung eines Wirkstoffes im Anspruch des Grundpatents in Form einer Verallgemeinerung erfolgt, wobei auch auf das Verständnis des Fachmanns vom Inhalt des Patentanspruchs zurückgegriffen werden kann. Von einer solchen hinreichenden Nennung kann im Hinblick auf die Formulierung "Diuretikum" für den Wirkstoff HCT ausgegangen werden. Wie die Verfügungsklägerin nachvollziehbar und unbestritten erläutert hat, ist HCT der Prototyp eines Diuretikums. Es ist das weltweit am meisten eingesetzte Diuretikum, insbesondere im Therapiebereich des Bluthochdrucks. So wird HCT in der Roten Liste als einziges Diuretikum in Kombination mit einem Angiotensin-II-Antagonisten (wie Irbesartan) genannt (vgl. Anlage ROP 8a).

b)

Die Kammer vermag ebenfalls nicht zu erkennen, dass gegen den Rechtsbestand des Verfügungspatents in Bezug auf Art.3 lit.c) AM-VO durchgreifende Bedenken bestehen. Die Auffassung der Verfügungsbeklagten, es könne lediglich ein Schutzzertifikat pro Grundpatent erteilt werden, erscheint nicht stichhaltig.

Art.3 lit.c) AM-VO sieht vor, dass ein Zertifikat erteilt werden kann, wenn zum Zeitpunkt der Anmeldung für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde. Die Begriffe "Erzeugnis" und "Grundpatent" werden in Art.1 lit.b) u. lit. c) AM-VO definiert. Weder dem Wortlaut der AM-VO noch ihrer Systematik oder den Erwägungsgründen ist insoweit zu entnehmen, dass je Grundpatent nur eins von mehreren dort beanspruchten Erzeugnissen zum Gegenstand eines Zertifikats gemacht werden kann. Ein derart enges Verständnis lässt sich nach Auffassung der Kammer auch nicht der Rechtsprechung des EuGH entnehmen. Die Formulierungen des EuGH im Fall Biogen (GRUR Int 1997, 363, Rz. 28), wonach gemäß Art.3 lit.c) AM-VO nicht mehr als ein Zertifikat für jedes Grundpatent erteilt werden kann, und im Fall Medeva (GRUR 2012, 257, Rz. 41), wonach für ein Erzeugnis, welches durch ein Patent geschützt wird, nicht mehr als ein Zertifikat für dieses Grundpatent erteilt werden kann, sind vor einem anderen tatsächlichen Hintergrund gefallen und ersichtlich nicht auf die vorliegende Fallgestaltung bezogen. In der Biogen-Entscheidung ging es um die Frage, ob in Fällen, in denen für ein und dasselbe Erzeugnis mehrere Grundpatente erteilt worden sind, die verschiedenen Inhabern gehören, jedem Inhaber eines Grundpatents ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden kann. Die Medeva-Entscheidung nimmt die Biogen-Entscheidung mit ihrer Aussage in Bezug.

Die Kammer vermag auch nicht der Auffassung der Verfügungsbeklagten beizutreten, die Ausführungen der Generalanwältin in Sachen Medeva, ein ergänzendes Schutzzertifikat für einen Wirkstoff sowie eines für eine Wirkstoffzusammensetzung unter Berufung auf dasselbe Grundpatent könnten nicht erteilt werden, hätten sich in dem Urteil des EuGH (a.a.O. Rz.41) niedergeschlagen. Dort ist nur von einem Erzeugnis die Rede und nicht von zwei oder mehr Erzeugnissen, die durch ein Grundpatent geschützt sind. Auf die Ausführungen der Generalanwältin nimmt der EuGH weder direkten noch indirekten Bezug.

Für die Auffassung der Verfügungsbeklagten spricht auch nicht, dass es gar nicht erforderlich sei, beide im Anspruch des Grundpatents geschützten Wirkstoffe durch jeweils ein Schutzzertifikat unter Schutz zu stellen. Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, es verstoße gegen das Verbot des Doppelschutzes für Erzeugnisse nach Art.3 lit.c) AM-VO, wenn zwei Schutzzertifikate für den Wirkstoff "A" und die Wirkstoffkombination "A+B" erteilt würden. Denn nach der neueren Rechtsprechung des EuGH (Beschlüsse vom 09.02.2012 C-574/11 - Novartis und C-442/11 - Novartis (GRUR Int. 2012, 523)) seien Artt. 4 und 5 der AM-VO dahingehend auszulegen, dass der Inhaber eines Schutzzertifikats für einen Wirkstoff (als Erzeugnis), der den Vertrieb einer Wirkstoffkombination mit diesem Erzeugnis nach dem Recht aus dem Grundpatent untersagen konnte, auch den Vertrieb für eine Wirkstoffkombination mit diesem Erzeugnis durch das Schutzzertifikat verbieten kann. Hieraus folge, dass der Inhaber des Schutzzertifikats für einen Wirkstoff auf ein weiteres Schutzzertifikat für eine Wirkstoffkombination (einschließlich des ersten Wirkstoffes) nicht angewiesen sei, weil das erste (Mono-)Schutzzertifikat ausreichend zum Durchsetzen der Rechte des Inhabers sei. Dieser allein von den Schutzrechtswirkungen ausgehende Ansatz lässt jedoch unberücksichtigt, dass die AM-VO einen Investitionsschutz für pharmazeutische Forschung in Form eines zeitlich begrenzten ergänzenden Schutzzertifikats zum Gegenstand hat (vgl. EuGH, GRUR Int. 2010, 41 - AHP Manufacturing). Dieser ist bei der vorliegenden Fallgestaltung einschlägig, da auch ein Kombinationspräparat für eine arzneimittelrechtliche Genehmigung ein selbständiges, mit Investitionen verbundenes Zulassungsverfahren durchlaufen muss (vgl. Brückner, Ergänzende Schutzzertifikate, Kommentar, 2011, Art.3 Rz.120). Mit Blick auf diese Notwendigkeit kann auch keine Rede davon sein, mit mehreren Schutzzertifikaten für ein Patent würde der Patentschutz ungerechtfertigt verlängert. Hinzu kommt, dass die Erteilung eines Zertifikats für ein Kombinationspräparat nichts daran ändert, dass der durch ein anderes Zertifikat geschützte Monowirkstoff mit Ablauf dieses Zertifikats keinem Schutz mehr unterliegt.

Schließlich ist die Argumentation der Verfügungsbeklagten, entsprechend der Erwägungsgründe 14 und 17 PSM-VO sei ein zweites Schutzzertifikat nur dann zu erteilen, wenn die Wirkstoffkombination erfinderisch und daher gesondert patentierbar sei, nicht stichhaltig. Erwägungsgrund 17 verweist lediglich auf die frühere Verordnung (EWG) Nr.1768/92 des Rates über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel. Der Erwägungsgrund 14 ist nicht im Sinne der Verfügungsbeklagten zu verstehen. Über die tatsächlichen Erteilungsvoraussetzungen eines Schutzzertifikats verhält sich Erwägungsgrund 14 nicht. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Verordnungsgeber zwischen Fällen der vorliegenden Art, bei denen im Grundpatent ein Wirkstoff und eine Wirkstoffkombination in Haupt- und Unteransprüchen beansprucht sind, und Fällen mit unabhängigen (gesondert patentierbaren) Ansprüchen für unterschiedliche Wirkstoffe sachlich unterscheiden wollte.

2.

Im Rahmen der Interessenabwägung ist weiter zugunsten der Verfügungsklägerin zu berücksichtigen, dass der Markeintritt von Generikaherstellern wie der Verfügungsbeklagten zu einem erheblichen Preisverfall und einer Marktverschiebung führen kann, die vom Schutzrechtsinhaber - wenn überhaupt - nur mit erheblichem Aufwand rückgängig gemacht werden kann (vgl. auch LG Düsseldorf, GRUR-RR 2012, 58). Ein möglicher Rechtschutz in einem Hauptsacheverfahren wäre demgegenüber für einen Unterlassungsantrag insbesondere vor dem Hintergrund des Ablaufs der Schutzfrist des Verfügungszertifikats verspätet, um die Interessen der Verfügungsklägerin hinreichend zu berücksichtigen.

Die Verfügungsbeklagte ist in diesem Zusammenhang mit der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen im Gegensatz zur Verfügungsklägerin über § 945 ZPO gesichert. Dieser sieht einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch vor, wenn sich die einstweilige Verfügung von Anfang an als ungerechtfertigt erweist, wie z. B. im Falle einer nachträglichen Nichtigerklärung des Patents (BGH, GRUR 2006, 219 - Detektionseinrichtung II; Mes, Patent- und Gebrauchsmustergesetz, 3.Aufl., § 139 Rz.481).

Eine weitere Absicherung der Verfügungsbeklagten liegt darin, dass die Vollziehung der einstweiligen Verfügung von der Leistung einer Sicherheit abhängig gemacht worden ist, §§ 936, 921 ZPO. Damit wird dem bestehenden Risiko eines Forderungsausfalls hinreichend begegnet und sichergestellt, dass die Verfügungsklägerin nicht besser gestellt wird, als wäre zu ihren Gunsten ein nur gegen Sicherheitsleistung vollstreckbares erstinstanzliches Urteil in der Hauptsache erlassen worden.

3.

Auch die sonstigen Umstände, insbesondere der zeitliche Ablauf zeigt im vorliegenden Verfahren, dass die Interessen der Verfügungsklägerin an einer sofortigen Durchsetzung ihres zeitlich begrenzten Ausschließlichkeitsrechts höher zu bewerten sind.

Das Grundpatent wurde während seiner 13-jährigen Laufzeit nicht angegriffen. Es wurde vielmehr von den Markteilnehmern, zu denen auch die Verfügungsbeklagte zählt, als bestandkräftig hingenommen. Erst gut ein Jahr vor dem Ende der Schutzdauer des Verfügungszertifikats hat die Nichtigkeitsklägerin vor dem Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage erhoben. Mit gleichem Datum, dem 22.06.2012, haben die Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten der Verfügungsklägerin mitgeteilt, die Verfügungsbeklagte beabsichtige die angegriffene Ausführungsform in Deutschland in den Verkehr zu bringen. Auch wenn sich der zeitliche Zusammenhang zufällig ergeben haben mag, so zeigt sich darin primär ein Verhalten der Verfügungsbeklagten, den eigenen Marktzutritt rechtlich abzusichern, indem der Rechtsbestand in einem einstweiligen Verfügungsverfahren in Zweifel gezogen werden kann. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, erst die neuere Rechtsprechung des EuGH habe Anlass zur Nichtigkeitsklage ergeben. Die Biogen-Entscheidung des EuGH stammt aus dem Jahr 1997 und die Medeva-Entscheidung vom 24.11.2011. Die Nichtigkeitsklage wurde erst am 22.06.2012, also 7 Monate später, beim Bundespatentgericht eingereicht. Zumindest der Nichtigkeitsgrund des Art.3 lit.c) AM-VO stand mehrere Jahre im Raum.

II.

Dem Sachvortrag der Verfügungsklägerin, die angegriffene Ausführungsform mache von dem Gegenstand des Verfügungszertifikats unrechtmäßig Gebrauch, ist die Verfügungsbeklagte nicht entgegen getreten. Der Unterlassungsanspruch ist damit nach Art.64 Abs.1 EPÜ, §§ 16a, 139 Abs.1 i.V.m. § 9 S.2 Nr.1 PatG begründet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Streitwert:3.500.000 EUR.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 15.08.2012
Az: 4a O 109/12


Link zum Urteil:
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