Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 7. Juli 1995
Aktenzeichen: 6 U 254/94

(OLG Köln: Urteil v. 07.07.1995, Az.: 6 U 254/94)

1. Bewirbt ein Kaufhaus in einer Großanzeige Textilien namhafter Markenhersteller, die graphisch und optisch herausgestellt werden, mit Preisreduzierungen um 25 % bis 50 %, erweckt es hierdurch bei erheblichen Teilen des Verkehrs den Eindruck einer Sonderveranstaltung, wenn lediglich außerhalb der warenbezogenen Markenpräsentation ohne besondere Hervorhebung angegeben wird, daß nur Einzelteile aus dem jeweiligen Markensortiment zum Verkauf stehen. 2. Eine so gestaltete Anzeige ist überdies irreführend im Sinne von § 3 UWG.

Tatbestand

Der Kläger ist ein gerichtsbekannter Verband im Sinne des § 13

Abs.2 Ziff.2 UWG. Die Beklagte betreibt eine allgemein bekannte

Warenhauskette.

Am 1.6.1994 veröffentlichte sie im Kölner Stadt-Anzeiger eine

ganzzseitige Werbung für Textilien. Die Zeitungsseite ist -

abgesehen von einer headline und einer auf die Beklagte

hinweisenden Unterzeile - in 6 gleichgroße rechteckige grau

unterlegte Felder unterteilt, und zwar so, daß 3 mal untereinander

jeweils 2 dieser Felder nebeneinander sich über die gesamte Breite

der Seite erstrecken. In den rechteckigen Feldern von knapp 14 x 10

cm Größe findet sich jeweils auf der rechten Seite in 3 Zeilen mit

roter Schrift der Text "Óber X % reduziert". In 4 der 6 Felder

lautet die Prozentangabe "50 %", in einem weiteren Feld "25 %" und

in dem 6. Feld "40 %". Die Zeile mit diesen Prozentangaben ist

jeweils übergroß hervorgehoben, im übrigen findet sich in den

Rechtecken jeweils oben links schräg und mit individuell

verschiedener Schrift geschrieben der Name eines - und zwar in

jedem Rechteck eines anderen - bekannten Textilherstellers. Die

sich mit einer Höhe von knapp 7 cm über die ganze Seite

erstreckende erwähnte headline ist zweizeilig geschrieben und

lautet in weißer Schrift auf rotem Grund: "Marken-Einzelteile stark

reduziert". Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausgestaltung der

Anzeige wird auf deren in dem obigen Urteilstenor zum Gegenstand

der Verurteilung gemachte Farbkopie Bezug genommen.

Der Kläger, der in der Parallelsache 81 O 124/94 LG Köln = 6 U

256/94 OLG Köln eine durch Beschluß vom 6. Juni 1994 erlassenene

entsprechende einstweilige Verfügung erwirkt hat, begehrt im

vorliegenden Hauptsacheverfahren die Unterlassung der vorstehend

beschriebenen Werbung. Einen schriftsätzlich zusätzlich

angekündigten, seine Abmahnkosten betreffenden Zahlungsantrag in

Höhe von 207 DM nebst Zinsen hat er später nicht gestellt und die

Klage insoweit zurückgenommen.

Der Kläger, der die Auffassung vertritt, die Werbung verstoße

gegen § 7 Abs.1 UWG, hat b e a n t r a g t,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht

für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes

bis zur Höhe von 500.000 DM, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von

Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,

in der an den Endverbraucher gerichteten Werbung wie nachstehend

wiedergegeben zu werben:

(es folgte eine schwarz/weiß Fotokopie der

streitgegenständlichen Werbung.)

Die Beklagte hat b e a n t r a g t,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Klagebefugnis des Klägers aus § 13 Abs.2 Ziff.2 UWG

in Abrede gestellt und in der Sache die Auffassung vertreten, in

der angegriffenen Werbung liege kein Verstoß gegen § 7 UWG.

Mit der Anzeige sei nicht im Sinne des § 7 Abs.1 UWG eine

außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfindende

Verkaufsveranstaltung angekündigt worden. Schon der Text der

headline und die Tatsache, daß nur Produkte von 6 ausdrücklich

genannten Herstellern beworben würden, sprächen gegen die

Durchbrechung des Geschäftsüblichen. Darüber hinaus stelle die

Werbung keine marktschreierische Anpreisung dar, vielmehr werde nur

auf Preisreduzierungen hingewiesen. Weiter fehle die für

Sonderveranstaltungen typische zeitliche Begrenzung der Angebote.

Die angesprochenen Verkehrskreise seien auch, und zwar gerade in

der Textilbranche, an wesentlich lautstärkere Werbeanpreisungen

gewöhnt. Hierzu hat die Beklagte eine Reihe von Anzeigen von

Konkurrenten vorgelegt. Aus der maßgeblichen Sicht des Verbrauchers

spiele darüber hinaus ihre allgemein bekannte Größe eine

maßgebliche Rolle: die Produkte der beworbenen Firmen machten

gerade einmal 0,4 % ihres gesamten Umsatzes mit Textilien aus.

Durch den Hinweis auf die Einzelteile in der headline sei auch

sichergestellt gewesen, daß der Verbraucher nicht etwa angenommen

habe, sämtliche Produkte der beworbenen Marken seien im Preis

reduziert worden. Auch wer das im übrigen angenommen habe, habe

deswegen noch nicht den Eindruck von einer außerhalb des

gewöhnlichen Geschäftsverkehrs liegenden Verkaufsveranstaltung

gewonnen, weil angesichts ihrer bekannten Größe selbst dann noch

von "Einzelteilen" auszugehen sei. Auch wer etwa die headline

übersehen habe, sei nicht von einer Reduktion ganzer Warengruppen

ausgegangen, weil eben nur die Produkte einzelner Firmen beworben

worden seien.

Es handele sich um eine gemäß § 7 Abs.2 UWG erlaubte Werbung für

Sonderangebote, wobei durch die Werbung gerade mit den 6 Marken im

Sinne dieser Vorschrift auf deren Güte hingewiesen werde.

Durch das angefochtene U r t e i l hat das Landgericht die

Beklagte antragsgemäß verurteilt und seine Entscheidung im

wesentlichen wie folgt begründet: Maßgebend sei, daß die

Markennamen nach der Art von Warenzeichen dem Leser großflächig zur

Kenntnis gebracht worden und so eine Art von "optischen

Wühltischen" entstanden sei, die von einer pauschalen und massiven

prozentualen Preissenkung beherrscht werde. Vor diesem Hintergrund

sei die headline jedenfalls zu schwach, um die Anzeige als eine

Ansammlung von einzelnen Sonderangeboten zu kennzeichnen. Die

vorgelegten Anzeigen von Wettbewerbern seien ohne Belang, weil es

jeweils auf den im Einzelfall durch die betreffende Werbung

hervorgerufenen Gesamteindruck ankomme.

Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten B e r u f u n g hat

die Beklagte zunächst weiter das Vorliegen der

Zulässigkeitsvoraussetzungen des 13 Abs.2 Ziff.2 UWG bestritten,

dieses Bestreiten auf die Vorlage einer eidesstattliche

Versicherung des Geschäftsführers des Klägers vom 15.2.1995 in der

erwähnten Parallelsache 6 U 256/94 OLG Köln hin bezüglich beider

Zulässigkeitsvorausset- zungen mit Schriftsatz vom 24.3.1995 aber

ausdrücklich fallengelassen.

In der Sache wiederholt und vertieft die Beklagte ihre

Auffassung, wonach die Werbung keine Veranstaltung außerhalb des

regelmäßigen Geschäftsverkehrs betrifft. Die Aufmachung sei nicht

reißerisch, was insbesondere im Vergleich mit der Werbung gelte,

die das OLG Stuttgart in seiner in der Parallelsache als Anlage B 1

(BA Bl. 92 ff) vorgelegten Entscheidung noch als zulässig angesehen

habe. Die Preisreduzierung bei 6 Marken lasse nicht den Eindruck

entstehen, daß bei ihr der regelmäßige Geschäftsverkehr

durchbrochen sei. Dabei sei neben der Tatsache, daß mit den 6

Marken nur die erwähnten 0,4 % des Textilumsatzes erzielt würden,

auch zu berücksichtigen, daß sie insgesamt 180.000 verschiedene

Artikel anbiete und dem Verkehr dieser Umfang der Angebotspalette

auch bekannt sei. Vor diesem Hintergrund werde sogar bei demjenigen

nicht der Eindruck einer Sonderveranstaltung erweckt, der die

headline überlese. Darüber hinaus sei diese aber auch nicht zu

übersehen und kennzeichne die Werbung eindeutig als eine solche,

die lediglich Sonderangebote betreffe. Dies gelte insbesondere vor

dem Hintergrund des werblichen Umfeldes. Es sei nämlich in der

Textilbranche üblich und bekannt, schon vor dem Schlußverkauf die

Preise für einzelne Waren herabzusetzen, um den Absatz noch nicht

herabgesetzter Ware zu fördern. Die Beklagte verweist dazu auf

weitere, mit Schriftsatz vom 24.3.1995 im Original vorgelegte

Werbung von Konkurrenten. Hinzukomme das Fehlen einer zeitlichen

Befristung.

Die Beklagte b e a n t r a g t,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 22.9.1994 - 81 O 125/94 -

aufzuheben und die Klägerin kostenpflichtig mit der Klage

abzuweisen.

Der Kläger b e a n t r a g t,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Anzeige in

ihrer farbigen Form in den Unterlassungsantrag aufgenommen

wird.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und meint weiterhin, durch

die Anzeige werde nicht der Eindruck einzelner Sonderangebote,

sondern der Reduzierung ganzer Warengruppen erweckt. Insoweit gebe

es auch keine durchgesetzte Branchenübung, die es rechtfertigen

könnte, die Werbung gleichwohl nicht als Sonderveranstaltung

aufzufassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die

gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die ebenso wie die Akte

des bereits erwähnten Verfügungsverfahrens 6 U 256/94 OLG Köln, auf

die ebenfalls Bezug genommen wird, sämtlich Gegenstand der

mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Die zulässige Klage erweist sich auch unter Berücksichtigung des

Berufungsvorbringens der Beklagten als begründet.

Die Klage ist zunächst zulässig.

Der Kläger ist gemäß § 13 Abs.2 Ziff.2 UWG klagebefugt. Zu

seinen Mitgliedern gehört eine erhebliche Anzahl von

Gewerbetreibenden, die Waren auf demselben Markt wie die Beklagte

vertreiben. Mitglied des Klägers ist nämlich u.a. der

Einzelhandelsverband Köln, dem seinerseits eine erhebliche Anzahl

von Einzelhändlern angehört, und zwar auch solche aus der hier

betroffenen Textilbranche. Diese Behauptung des Klägers bestreitet

die Beklagte ausdrücklich nicht mehr. Eine "mittelbare

Mitgliedschaft" wie sie auf diese Weise durch den

Einzelhandelsverband erreicht wird, reicht indes nach den

Materialien zur Novelle des § 13 UWG für die Klagebefugnis aus.

Der Kläger ist auch nach seiner personellen, sachlichen und

finanziellen Ausstattung dazu imstande, seine satzungsmäßigen

Aufgaben wahrzunehmen. Auch diese Behauptung bestreitet die

Beklagte nicht mehr, die ausreichende Ausstattung des Klägers ist

überdies dem Senat bekannt.

Die Klage ist auch begründet.

Durch die aus diesem Grunde zu verbietende Werbung hat die

Beklagte im Sinne des § 7 Abs.1 UWG eine Verkaufsveranstaltung im

Einzelhandel angekündigt, die außerhalb des regelmäßigen

Geschäftsverkehrs stattgefunden, der Beschleunigung des

Warenabsatzes gedient und den Eindruck besonderer Kaufvorteile

hervorgerufen hat. Demgegenüber handelte es sich entgegen ihrer

Auffassung nicht etwa um erlaubte Sonderangebote im Sinne des § 7

Abs.2 UWG.

Zur Beurteilung des maßgeblichen Kriteriums einer

Verkaufsveranstaltung, die außerhalb des regelmäßigen

Geschäftsverkehrs stattfindet, ist sowohl auf die Branchenübung als

auch auf die Sicht des betroffenen Verkehrs, hier also des die

Werbung flüchtig zur Kenntnis nehmenden Verbrauchers, abzustellen

(vgl. Baumbach/He- fermehl, Wettbewerbsrecht, 17.Aufl., § 7 UWG RZ

7 m.w.n.).

Danach ist der Rahmen des regelmäßigen Geschäftsverkehrs durch

die beanstandete Werbung durchbrochen. Zumindest nicht

unwesentliche Teile der flüchtigen Verbraucher müßten davon

ausgehen, daß das gesamte von der Beklagten vertriebene Sortiment

der 6 z.T. namhaften Markenhersteller von Textilien um mindestens

den angegebenen Prozentsatz, also bei 4 der 6 Marken sogar um über

die Hälfte des ursprünglichen Preises, verbilligt angeboten werde.

Ein derartiges Angebot kann auch bei Berücksichtigung der Größe und

Umsatzstärke der Beklagten nicht mehr als erlaubtes Sonderangebot

im Sinne des § 7 Abs.2 UWG, bzw. eine Anzahl solcher Sonderangebote

angesehen werden.

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Fortsetzung: 6 U 254/94 Datensatznummer: 1392






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Urteil v. 07.07.1995
Az: 6 U 254/94


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