Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 14. Mai 2009
Aktenzeichen: I-6 U 29/08

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 14.05.2009, Az.: I-6 U 29/08)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29. Februar 2008 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Leistungsklage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die Feststellungsklage wird abgewiesen.

Die weiteren Entscheidungen bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft. Sie verlangt vom Beklagten Leistung von Schadensersatz wegen der Verletzung von Sorgfaltspflichten, die dem Beklagten als Vorstandsmitglied der Klägerin oblagen. In der ersten Instanz hat sie überdies die Feststellung weitergehender Ersatzpflichten begehrt. In den Jahren 2000 bis 2003 war die G-GMBH, die später in H-GmbH umfirmierte, Alleinaktionärin der Klägerin. Gesellschafter der Alleinaktionärin waren zum überwiegenden Teil die Gesellschafter der K-GbR sowie sogenannte "Spartenpartner" der früheren G-GMBH. Der Beklagte war Vorstand und von 2000 bis 2003 Leiter der Niederlassung der Klägerin in XY. Neben Herrn L. war er zugleich Hauptgesellschafter der früheren G-GMBH.

Mit Memorandum vom 1. Oktober 2002 (Anlage 1 GA 63 ff.), auf dessen näheren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird, legte der Beklagte den Vollpartnern (Pool-GbR) und Spartenpartnern der Klägerin eine Planung für den Standort XY vor, nach der dieser Standort in den Jahren 2003 bis 2005 erweitert werden sollte. Ausgehend von einem Umsatzvolumen in Höhe von ca. 2,1 Mio € im Jahr 2002 legte der Beklagte seiner Planung für das Jahr 2003 ein Umsatzwachstum auf 3,4 Mio. €, für das Jahr 2004 auf 4,8 Mio. € und für das Jahr 2005 auf 6,5 Mio. € zugrunde. Der Personalstand sollte von 11 auf 38 Mitarbeiter erweitert und neue, wesentlich größere Büroräume sollten angemietet werden. Die bisher gemieteten Büroflächen wiesen eine Grundfläche von 280 qm aus. Die vom Beklagten vorgeschlagenen neuen und bereits im Jahr 2002 mit Genehmigung des Partnerausschusses der K-GbR auch tatsächlich angemieteten Büroflächen verfügten über eine Grundfläche von 825 qm. Noch im Jahr 2002 begann der Beklagte, weiteres Personal einzustellen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Memorandum des Beklagten weitere Unterlagen beigefügt waren, in denen er insbesondere die dem Memorandum zugrunde gelegten Umsatzprognosen näher aufgeschlüsselt und begründet hat. Bereits im Sommer 2003 zeichnete sich ab, dass sich die Umsatzprognosen des Beklagten nicht realisieren ließen. Die Umsätze der Niederlassung XY brachen vielmehr ein. Das Geschäftsjahr 2003 endete mit einem negativen Betriebsergebnis. Zum Sachverhalt im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat sowohl die Leistungs- als auch die Feststellungsklage abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Sie ist der Auffassung, dass das Landgericht die Klagen zu Unrecht abgewiesen habe. Es habe die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen eines Schadensersatzprozesses wegen Organhaftung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft nach § 93 Abs. 1 und Abs. 2 AktG verkannt. Nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur habe der Vorstand einer Aktiengesellschaft darzulegen und zu beweisen, dass seine unternehmerische Entscheidung pflichtgemäß unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters getroffen worden sei. Die Gesellschaft habe lediglich einen Sachverhalt darzulegen und zu beweisen, der ein pflichtwidriges Handeln des Vorstandes möglich erscheinen lasse. Diesen Vorgaben entspreche das Klagevorbringen. Hierauf habe der Beklagte nur unzureichend erwidert.

Die Klägerin ist der Auffassung, aktivlegitimiert zu sein. Entgegen den Behauptungen des Beklagten seien zu keinem Zeitpunkt Schadensersatzansprüche der Klägerin an ihre Gesellschafter abgetreten worden. Dies werde durch die bereits vor dem Landgericht überreichten schriftlichen Erklärungen der Aufsichtsratmitglieder und der Gesellschafter der Klägerin vom 10. Dezember 2007 (GA 419 ff.) belegt.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages ist die Klägerin nach wie vor der Auffassung, dass der Beklagte als verantwortlicher Vorstand und Leiter der Niederlassung XY der Klägerin entgegen den Geboten eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters und damit in pflichtwidriger Weise an diesem Standort eine Expansionsstrategie betrieben habe, die zum wirtschaftlichen Niedergang dieser Niederlassung geführt habe. Dies sei für den Beklagten erkennbar und vermeidbar gewesen. Er habe auf der Grundlage des von ihm im Oktober 2002 verfassten Memorandums Personal in erheblichem Umfang eingestellt und langfristig weitaus größere und teurere Mieträumlichkeiten unter Aufgabe der bisherigen erheblich preisgünstigeren Mieträume angemietet, ohne dass hierfür betriebswirtschaftlich eine Grundlage vorhanden gewesen sei. Er habe das Memorandum erstellt und die darauf basierenden unternehmerischen Entscheidungen getroffen, ohne zu prüfen, ob die gegenwärtige und prognostizierbare Auftragslage der Niederlassung XY die entworfene Expansionsstrategie überhaupt trage. Hätte er die Grundlagen seiner Planungen sorgfältig geprüft, hätte er erkannt, dass derartige Investitionen betriebswirtschaftlich schlechterdings unvertretbar gewesen seien. Seine Prognose, die Niederlassung XY werde bis zum Jahr 2006 ein Umsatzwachstum von mehr als 300 % erfahren, habe er ins Blaue hinein erstellt. Durch verantwortungslose Betriebsausgaben habe er die Niederlassung XY schließlich wirtschaftlich ruiniert.

Weder die bestehende noch die vernünftigerweise prognostizierbare Auftragslage in XY habe Anlass für derartige Expansionsbestrebungen und Betriebsausgaben geboten. Denn die im Jahr 2002 generierten und in den Jahren 2000 bis 2002 rasch wachsenden Umsätze in XY seien nicht auf Grund von erfolgreichen Akquisitionen am Standort XY, sondern auf Grund bestehender und vom Beklagten bei seinem Wechsel von Düsseldorf nach XY mitgenommener Mandate und Geschäftskontakte - von der Klägerin als "Grundausstattung" bezeichnet - generiert worden. Bis zum Ende des Jahres 2002 sei der Anteil neuer und in XY hinzu gewonnener Mandate am Gesamtumsatz der Niederlassung XY verhältnismäßig gering gewesen. Die dort unternommenen Bemühungen, neue Mandate zu gewinnen, seien vielmehr - dies ist unstreitig - weitgehend erfolglos geblieben, so dass nicht ersichtlich sei, auf Grund welcher Tatsachen Anlass bestanden haben soll, am Standort XY von einem derart hohen Expansionspotential in den nächsten drei bis vier Jahren auszugehen. Die im Jahr 2003 zu bearbeitenden Mandate hätten vielmehr mit dem bis zu den Expansionsentscheidungen bereits beschäftigten Personal, für das die bisherigen Mieträume genügend Platz geboten hätten, bearbeitet werden können.

Infolge dieser Fehlentscheidungen habe die Niederlassung XY das Geschäftsjahr 2003 mit einem um später nicht verbrauchte Mietrückstellungen bereinigten Jahresfehlbetrag in Höhe von 820.000,- € abgeschlossen. Hätte der Beklagte die kostenträchtige Expansionsstrategie nicht umgesetzt, wäre ein Jahresüberschuss erwirtschaftet worden; zumindest wäre kein bilanzieller Fehlbetrag entstanden. Der im Wirtschaftsjahr 2003 entstandene Fehlbetrag sei auch nicht im Folgejahr wieder wettzumachen gewesen, weil der Beklagte die Niederlassung XY durch sein verantwortungsloses Handeln wirtschaftlich ruiniert habe. Die Mitarbeiter der Niederlassung XY wurden unstreitig alle bis zum Sommer 2004 entlassen. Die neuen Mieträume sind später anderweitig vermietet worden. Hierfür sei allein der Beklagte verantwortlich, der ohne jede seriöse betriebswirtschaftliche Grundlage unternehmerische Entscheidungen geplant und getroffen habe, die gescheitert seien.

Ihn entlaste nicht, dass die Partner der K-GbR dem vom Beklagten vorgelegten Memorandum im Herbst 2002 nicht widersprochen hätten. Denn als Vorstand und Niederlassungsleiter sei der Beklagte autonom und allein verantwortlich gewesen. Einer Zustimmung seiner Partner, die er zudem unvollständig und teilweise unrichtig unterrichtet habe, hätte es nicht bedurft.

Ihn entlaste auch nicht, dass im Sommer 2003 vom Beklagten unverschuldet ein umsatzstarkes Großmandat einer Privatbank gekündigt worden sei, denn betriebswirtschaftlich müsse in Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien stets mit einem durch Mandatsentzug begründeten Umsatzeinbruch gerechnet werden. In Ansehung dessen, dass ein erheblicher Jahresumsatz in XY durch dieses Großmandat erwirtschaftet worden sei, sei der Beklagte vielmehr zu besonderer Umsicht bei der Veranlassung erheblicher betrieblicher Investitionen verpflichtet gewesen.

Hilfsweise macht die Klägerin auch im Berufungsverfahren geltend, dass der Beklagte durch die Verletzung insbesondere von Berichtspflichten darüber hinaus eine rechtzeitige Schadensabwendung durch ein Eingreifen der Klägerin verhindert habe.

Hilfsweise stützt die Klägerin ihre Klageforderung auch auf einzelne Schadenspositionen, die sich aus Personal-, Miet-, Möbel- und Umzugskosten sowie Maklergebühren zusammensetzt, von denen sie einen Teilbetrag in Höhe der Klageforderung geltend macht.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 29. Februar 2008 den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 820.000,- € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Ihren mit ihrem Klageantrag zu Ziffer 2) erstinstanzlich verfolgten Feststellungsantrag hat die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung für erledigt erklärt.

Sie beantragt insoweit,

dem Beklagten auch diesbezüglich die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält ausdrücklich die Rüge der fehlenden Aktivlegitimation der Klägerin aufrecht. Die Klägerin müsse sich an ihrem Vortrag festhalten lassen, dass die Forderungen an die Gesellschafter der K-GbR abgetreten worden seien. Eine Rückabtretung sei bisher nicht erfolgt und werde von der Klägerin auch nicht behauptet. Der weitere Sachvortrag, eine Abtretung sei entgegen früherem Vorbringen nicht erfolgt, man habe den Sachverhalt versehentlich etwas verkürzt dargestellt, sei unglaubhaft. Aus diesem Grunde komme den im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vorgelegten Schreiben der Aufsichtsratmitglieder und Gesellschafter der Klägerin keine Bedeutung zu.

Der Beklagte teilt sodann die Auffassung des Landgerichts, dass die Klägerin weder ein pflichtwidriges Handeln des Beklagten noch einen dadurch bewirkten Schaden hinreichend dargetan habe.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens ist er der Meinung, dass seine unternehmerischen Entscheidungen vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Standortes XY folgerichtig gewesen seien. Seine Entscheidungen seien keinesfalls schlechthin unvertretbar gewesen. Die Eröffnung und Entwicklung des Standortes in XY im April 2000 sei sehr vielversprechend gewesen. So sei der Umsatz wegen der hervorragenden Aufbauarbeit des Beklagten im Jahr 2001 bereits um 68,03 % und im Jahr 2002 sogar um 103,14 % gestiegen. Infolgedessen sei das zunächst eingestellte Personal überlastet gewesen. Auch die zunächst bezogenen Mieträumlichkeiten von 280 qm seien bereits am Ende des Jahres 2002 viel zu eng gewesen, da sie für nur 11 Mitarbeiter ausgelegt gewesen seien. Am 31. Dezember 2002 seien bereits 15,5 Mitarbeiter beschäftigt gewesen, für die die vorhandenen Büroflächen nicht mehr ausgereicht hätten. Unter Berücksichtigung der Umsatzprognosen sei die Anmietung von 825 qm Büroflächen für etwa 33 Mitarbeiter angemessen gewesen, da man von einem Personalbestand von 38 Mitarbeitern zum Ende des Jahres 2005 ausgegangen sei. Auch sei eine Aufstockung des Personals erforderlich gewesen, weil der Arbeitsanfall ebenso wie der Umsatz rapide angestiegen sei.

Seine Expansionsentscheidungen habe der Beklagte auf der Grundlage von Erfahrungswerten in den Betrieben der Klägerin getroffen. Die Klägerin erarbeite für ihre Niederlassungen Soll-Strukturen in Form von groben Schätzungen anhand von Businessplänen. Er habe diese Umsatzplanwerte mit den bestehenden Kontakten, Mandaten und geplanten Akquisitionen abgeglichen. Aufgrund der Umsatzentwicklung des Standortes XY in den ersten zwei Jahren habe er Anlass gehabt, anzunehmen, dass sich dieser Standort weiterhin gut entwickele. Eine Umsatzerwartung von ca. 6,5 Millionen Euro im Jahr 2005 sei durchaus realistisch gewesen. Auch nach der im Oktober 2003 für das Jahr 2004 erstellten Umsatzprognose habe kein Anlass bestanden, die Niederlassung XY aufzugeben. Es sei vielmehr eine Umsatzerwartung von mehr als 4 Millionen Euro gerechtfertigt gewesen. Der Beklagte habe seine Prognosen zudem rechtzeitig den übrigen Vorstandmitgliedern zur Kenntnis gebracht. Erst nachdem von dort keine Einwände erhoben und sein Memorandum genehmigt worden sei, habe er seinem Expansionskonzept entsprechend disponiert.

Die Klägerin habe zudem einen Schaden nicht schlüssig dargelegt. Soweit sie ihre Klageforderung auf einen Jahresfehlbetrag im Jahr 2003 stütze, sei ihr Vorbringen nicht hinreichend bestimmt, weil sie konkret darlegen müsse, auf welche Bilanzposten sie sich stütze. Zudem sei ohne die Investitionsentscheidungen des Beklagten ebenfalls kein positives Bilanzergebnis zu erwirtschaften gewesen, da das vorhandene Personal den entstandenen Arbeitsanfall nicht hätte bewältigen können. Zudem hätte schon die Entscheidung der Klägerin, die Niederlassung XY nach dem Ausscheiden des Beklagten zu schließen, zu Verlusten bereits im Jahr 2003 geführt. Wäre es nicht zu der Schließung der Niederlassung gekommen, wäre dort mittelfristig erfolgreich gewirtschaftet und ein vorübergehender Verlust ausgeglichen worden, da der Beklagte zu Recht eine positive Fortsetzungsprognose erstellt habe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den Schriftsatz des Beklagten vom 11. März 2009, die Schriftsätze der Klägerin vom 10. März 2009 und 1. April 2009 sowie die nachfolgenden tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.

B.

Die Leistungsklage ist auf der Grundlage des Hauptvorbringens der Klägerin zulässig und dem Grunde nach gerechtfertigt. Der Höhe nach ist der Rechtsstreit insbesondere in der Frage, in welcher Höhe der Jahresfehlbetrag durch die Pflichtverletzung des Beklagten verursacht worden ist, nicht zur Entscheidung reif. Da nach Auffassung des Senats der Klageanspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit "in irgendeiner Höhe" besteht (Zöller-Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 304 Rnr. 6 m.w.N. auf die Rechtsprechung des BGH), hält der Senat es in Ausübung seines ihm durch §§ 304, 525 ZPO eingeräumten Ermessens für sachgerecht, über den Grund vorab zu entscheiden.

I.

Die auf einen Betrag von 820.000,- € bezifferte Leistungsklage ist als Teilklage zulässig. Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, soweit die Klägerin ihren behaupteten Schaden auf den ihr im Geschäftsjahr 2003 für die Niederlassung XY entstandenen Jahresfehlbetrag in Höhe von 861.000,- € stützt. Denn hierbei handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch, der sich der Höhe nach nicht aus verschiedenen Rechnungsposten zusammensetzt. Rechtskraftprobleme stellen sich bei der Titulierung eines Teilbetrages nicht. Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich bei einem Bilanzergebnis - wie hier - nicht um das Ergebnis einer Saldierung einzelner Ansprüche und Gegenansprüche, sondern um das Ergebnis einer betriebswirtschaftlichen Auswertung operativer Unternehmensführung, die den Erfolg oder Misserfolg eines Betriebsjahres, also die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens stichtagsbezogen durch die Errechnung eines Überschusses oder Fehlbetrages wiedergibt. Der Sache nach handelt es sich bei diesem Klageanspruch um die Geltendmachung von entgangenem Gewinn im Sinne des § 252 Satz 1 BGB.

II.

Der Beklagte ist der Klägerin wegen pflichtwidriger Unternehmensführung gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet.

1.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Denn der Beklagte hat eine erfolgreiche Abtretung von Schadensersatzforderungen der Klägerin gegen den Beklagten im Rahmen des geführten Schiedsverfahrens nicht schlüssig behauptet.

Ausgehend von dem zugrunde zu legenden unstreitigen beiderseitigen Parteivorbringen bedurfte im Streitfall eine Abtretung von Schadensersatzansprüchen der Klägerin gegen den Beklagten an die Partner der K-GbR der Zustimmung des Aufsichtsrates der Klägerin, da die Partner der K-GbR zumindest im Zeitpunkt der Schiedsklageerhebung nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 22. März 2007 (GA 129 f.) Vorstände der Klägerin waren. Eine solche Zustimmung kann indes nicht festgestellt werden. Der Beklagte ist dem Vorbringen der Klägerin mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2007 (GA 406 ff.), der Aufsichtsrat sei an etwaigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Klägerin nicht beteiligt gewesen, nicht entgegen getreten. Gemäß § 112 AktG vertritt der Aufsichtsrat gegenüber Vorstandsmitgliedern die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Tritt die Gesellschaft eigene Forderungen an Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft ab, bedarf dies der zustimmenden Erklärung des Aufsichtsrates (vgl. Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl., § 15 Rnr. 13 m.w.N.). § 112 AktG bezweckt die unbefangene Wahrung der Gesellschaftsbelange sicherzustellen und gilt nicht nur für Rechtsgeschäfte gegenüber amtierenden, sondern auch für solche gegenüber ausgeschiedenen Vorstandmitgliedern (BGHZ 130, 108 - juris Tz. 7 ff.; Hüffer, Akt, 6. Aufl., § 112 Rnr. 2 m.w.N.). Die Zustimmung des Aufsichtsrates ist selbst dann erforderlich, wenn die Bestellung des Vorstandsmitgliedes unwirksam erfolgt ist (Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 112, Rnr. 2 m.w.N.).

Dass eine solche Zustimmung des Aufsichtsrates der Klägerin beschlossen und erteilt worden ist, behauptet auch der Beklagte nicht. Aus den vom Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 11. August 2008 vorgelegten schriftlichen Erklärungen der Mitglieder des Aufsichtsrates sowie der Vorstandsmitglieder der Klägerin ergibt sich vielmehr, dass eine Beteiligung des Aufsichtsrates an Forderungsabtretungen der Klägerin nicht stattgefunden hat. Im Ergebnis kann dahinstehen, ob Rechtsgeschäfte, die unter Verstoß gegen § 112 AktG getätigt werden, gemäß § 134 BGB nichtig oder in Anwendung der §§ 177 ff BGB lediglich schwebend unwirksam und genehmigungsfähig sind (vgl. dazu Hüffer, AktG, § 112 Rnr. 7 m.w.N.), da die Erklärungen der Mitglieder des Aufsichtsrates im Schreiben vom 10. Dezember 2007 (GA 419 ff.) jedenfalls zweifelsfrei den Willen erkennen lassen, etwaige frühere Forderungsabtretungen nicht genehmigen zu wollen (vgl. dazu BGH NJW 1999, 3263 - juris Tz. 9).

2.

Der Beklagte haftet der Klägerin dem Grunde nach aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG auf Schadensersatz. Die Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG liegen vor. Denn der Beklagte hat Pflichten, die ihm als Vorstandsmitglied der Klägerin oblagen, schuldhaft verletzt.

Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG war der Beklagte unabhängig von den im inzwischen gekündigten Dienstvertrag der Parteien vom 30. November 2001 (GA 164 ff.), der Satzung der Klägerin in der Fassung vom 17. August 2001(GA 875 ff.) oder in einzelnen Vorschriften des AktG normierten Pflichten eines Vorstandsmitgliedes verpflichtet, bei seiner Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Dies hat er im Rahmen der Planung und Umsetzung seiner in seinem Memorandum vom 1. Oktober 2002 (GA 63 ff.) niedergelegten Expansionsstrategie, die auf eine erhebliche personelle und räumliche Erweiterung der ihm zur Leitung überantworteten Niederlassung XY ausgerichtet war, nicht getan.

a)

Entgegen dem ansonsten geltenden Grundsatz der Beweislast des Anspruchsstellers für sämtliche anspruchsbegründenden Umstände trifft den Beklagten nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewendet hat. Dies rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass das jeweilige Organmitglied die Umstände seines Verhaltens und damit auch die Gesichtspunkte überschauen kann, die für die Beurteilung der Pflichtmäßigkeit seines Verhaltens sprechen, während die von ihm verwaltete Gesellschaft in diesem Punkt immer in einer Beweisnot wäre (BGHZ 152, 280 - juris Tz. 6 m.w.N.). Vor einer Überspannung seiner Darlegungs- und Beweislast ist das Organmitglied dadurch geschützt, dass die Gesellschaft die angebliche Pflichtverletzung im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast näher zu bezeichnen hat. Denn auch nach den Grundsätzen des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG trifft die Gesellschaft - ggf. mit der Erleichterung des § 287 ZPO - die Darlegungs- und Beweislast für einen Schaden und dessen Verursachung durch ein Verhalten des Geschäftsleiters in seinem Pflichtenkreis, das als pflichtwidrig überhaupt in Betracht kommt, sich also insofern als "möglicherweise" pflichtwidrig darstellt. Das Organmitglied muss sich dann dahin entlasten, dass es nach den Umständen, die es darzulegen und zu beweisen hat, seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist (BGH aaO, Tz. 8 f.).

Ist darüber hinaus - wie im Streitfall - Gegenstand des vorgeworfenen Pflichtenverstoßes eine unternehmerische Entscheidung, so streitet für das Vorstandsmitglied zudem die bisher als "Business Judgment Rule" bekannte Privilegierung unternehmerischen Ermessens, die durch Art. 1 UMAG (BGBl. I S. 2802) mit Wirkung vom 1. November 2005 in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG eingefügt worden ist und damit Eingang auch in das deutsche normierte Aktienrecht gefunden hat. Nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG liegt eine Pflichtverletzung dann nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet.

b)

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin entgegen der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts schlüssig dargetan, dass der Beklagte als Niederlassungsleiter des Standortes XY auf der Grundlage seines Memorandums vom 1. Oktober 2002 (GA 63 ff.) und den darin entworfenen unternehmerischen Entscheidungen zu Lasten der Niederlassung XY Betriebskosten in erheblichem Umfang verursacht und dadurch die Klägerin in ihrem Vermögen geschädigt hat. Dies war nach dem Klägervortrag möglicherweise pflichtwidrig und zudem schuldhaft.

Nach dem Klägervortrag hat der Beklagte ohne hinreichende Prüfung der betriebswirtschaftlichen Grundlagen Betriebsausgaben insbesondere für mehr Personal und größere Mieträume aufgewendet, die in keinem vertretbaren Verhältnis zur gegenwärtigen und zu erwartenden Ertragslage des von ihm geleiteten Unternehmens standen. Unstreitig erlebte die Niederlassung XY zwar im zweiten Betriebsjahr (2001) eine Wachstumsrate von 68,03 % und im dritten Betriebsjahr (2002) sogar ein Wachstum von weiteren 103,14 %. Bereits im folgenden Betriebsjahr (2003) erfolgte jedoch bis zum Monat Oktober 2003 nur noch ein Wachstum von ca. 10 %. Eine Analyse der Mandatsstruktur dieser Niederlassung zeige, so die Klägerin, dass in XY nur geringfügige Mandate aus neuen Akquisitionen gewonnen worden seien. Im Wesentlichen seien die Umsätze aus einer "Grundausstattung" des Mandantenstamms des Beklagten gezogen worden, die dieser aus Düsseldorf mitgebracht habe. Allein von dem im Vorjahreszeitraum vom 1.1. bis zum 31.10.2002 erwirtschafteten Umsatz von etwa 1.700.000,- € entfiele ein Anteil von ca. 1.160.000,- € auf Umsätze aus dieser "Grundausstattung". Lediglich ein Umsatzanteil von ca. 540.000,- € sei an dem neuen Standort hinzugewonnen worden. Diese "Grundausstattung" habe zudem im Wesentlichen aus einem Großmandat einer Privatbank bestanden. Dieses im August 2003 gekündigte Großmandat sei im Jahr 2002 an dem generierten Umsatz mit einem Anteil von 852.000,- €, d.h. von 42 % des erzielten Gesamtumsatzes beteiligt gewesen. An dem Gesamtumsatz der ersten zehn Monate des Jahres 2003 in Höhe von 2.222.000,- € sei es noch mit einem Anteil von insgesamt 624.000,- €, d.h. mit 28 % beteiligt gewesen. Vor diesem Hintergrund habe kein begründeter Anlass zu der Annahme bestanden, dass der Standort XY den vom Beklagten prognostizierten Umsatzzuwachs in unmittelbarer Zukunft erleben werde. Der Beklagte habe seine Planungen auf bloße "Hoffnungswerte" gestützt und Prognosen ins Blaue hinein ohne jede sachliche Grundlage erstellt.

Ausgehend von diesem Sachvortrag hat der Beklagte es versäumt, die betriebswirtschaftlichen Grundlagen für die von ihm getroffenen Entscheidungen sorgfältig zu prüfen. Eine sorgfältige Analyse der Umsatz- und Mandatsstruktur der Niederlassung XY hätte vielmehr offen gelegt, dass tatsächlich in XY nur ein geringfügiger Umsatzzuwachs erwirtschaftet worden ist und dort das Geschäft eher zögerlich begonnen hat. Wollte der Beklagte den Standort XY vor Ort etablieren, wäre zunächst eine Strategie zur Stabilisierung bisher generierter Umsätze, nicht aber zur Expansion mit dem Ziel der Vervielfachung bisheriger Umsätze in nur wenigen Jahren angemessen gewesen. Denn ein hierfür erforderlicher Zuwachs an neuen Mandaten - dies ist unstreitig - blieb infolge erfolgloser Akquisitionsbemühungen aus. Erhebliche Betriebsausgaben, wie der Beklagte sie auf der Grundlage seines Memorandums veranlasst hat, entsprachen bei einem solchen Sachverhalt nicht der Sorgfalt eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters, da sie auf ein betriebswirtschaftlich nur schwer erreichbares, spekulatives Ziel gerichtet waren. Das Handeln des Beklagten stellt sich nach dem Sachvortrag der Klägerin als möglicherweise pflichtwidrig dar.

c)

Diesem schlüssigen Sachvortrag der Klägerin ist der Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten. Es ist ihm weder gelungen, substantiiert die Voraussetzungen der "Business Judgment Rule" gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG darzulegen, noch hinreichend konkret vorzutragen, dass er auch bei Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen pflichtgemäß gehandelt hat.

aa)

Der Beklagte hat nicht dargetan, dass er seine unternehmerische Entscheidung, den Standort XY durch die Anmietung neuer Büroräume und die Einstellung weiteren Personals auszubauen, auf der Grundlage angemessener Informationen getroffen hat. Er kann sich deshalb nicht auf die "Business Judgment Rule" gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG berufen.

Grundlage einer unternehmerischen Entscheidung ist zunächst die Schaffung einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Maßgeblich ist hierfür, ob der in den Grenzen seiner Sorgfaltspflicht handelnde Vorstand die herangezogenen Grundlagen als angemessen ansehen durfte. Der Vorstand ist daher verpflichtet, im Rahmen einer angemessenen Kosten-Nutzen-Analyse alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen (Münchener Kommentar - Spindler, AktG, 3. Aufl., § 93 Rnr. 47 m.w.N.). Bei der Erstellung von Prognosen muss er branchenübliche Techniken anwenden und seine subjektive Risikobereitschaft anhand objektiver Tatsachen überprüfen (vgl. auch Münchener Kommentar - Spindler, aaO, Rnr. 49). Der Beklagte hat nicht hinreichend dargetan, diesen Vorgaben entsprochen zu haben.

Allein sein Vorbringen, sein Handeln sei vor dem Hintergrund der bisherigen Entwicklung des Standortes XY folgerichtig gewesen und habe der Planungssystematik der Klägerin entsprochen, reicht zur schlüssigen Darlegung des Tatbestandes des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht aus. Eine lediglich an Erfahrungswerten der Klägerin und ihrer übrigen Niederlassungen ausgerichtete Kapazitätsplanung kann im Rahmen der anzustellenden unternehmerischen Strategieüberlegungen von Interesse und durchaus nützlich sein. Eine sorgfältige Auswertung der eigenen Umsatz- und Mandatsstruktur vermag sie indes nicht zu ersetzen, da verallgemeinerte Erfahrungswerte anhand der objektiven Wirtschaftsdaten des Unternehmens darauf hin überprüft werden müssen, ob sie im Einzelfall übertragbar sind. Dass der Beklagte eine eingehende Analyse des eigenen Standortes vorgenommen hat, hat er auch nicht mit Schriftsatz vom 11. März 2009 (GA 711 ff.) dargetan. Erst recht legt er nicht dar, welche konkreten Betriebsdaten ihm Anlass gegeben haben sollen, die in seinem Memorandum vom 1. Oktober 2002 niedergelegten Prognosen für realistisch zu halten. Dies aber wäre erforderlich gewesen. Sein Vorbringen in seiner Berufungserwiderung, neben der zu Grunde gelegten Soll-Struktur der Klägerin habe seine Planung auf Vergangenheitsdaten, d.h. Umsatzentwicklung der Vergangenheit und dem Umsatzvolumen bestehender Mandate, bestehenden Anbahnungen und geplanten Akquisitionsmaßnahmen beruht, reichte für eine substantiierte Darlegung der geprüften Informationsgrundlagen nicht aus. Wie sich aus den Darlegungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 22. Januar 2009 ergibt, bot allein die Umsatzentwicklung der vergangenen ersten zweieinhalb Jahre des Bestehens der Niederlassung XY keinen Anlass für die prognostizierten Umsatzsteigerungen, weil ein erheblicher Anteil an den insgesamt generierten Umsätzen auf das Großmandat einer Privatbank entfiel. Dieses wurde indes im August 2003 gekündigt, wodurch ein erheblicher Umsatz wegbrach. Auch wenn die Mandatskündigung erst nach den getätigten Investitionen erfolgte, musste der Beklagte einen solchen Mandatsentzug mit dem damit einhergehenden Umsatzeinbruch in seine Überlegungen einbeziehen, da es sich hierbei nach dem Beklagtenvortrag um ein Mandat aus dem M&A Geschäft handelte, das ohnehin auf Vertragsverhandlungen bezogen war, die ihrer Natur nach zeitlich begrenzt waren. Mit einem vorzeitigen Abbruch von Vertragsbeziehungen muss hierbei zudem stets gerechnet werden. Dass derartige Umsatzeinbrüche durch erfolgreiche Neuakquisitionen aufgefangen werden konnten, behauptet der Beklagte nicht, der vielmehr vorträgt, dass sich Neuakquisitionen am Standort XY nicht erwartungsgemäß eingestellt hätten.

Der Beklagte hat es versäumt, substantiiert darzulegen, welche konkreten betriebswirtschaftlichen Daten die Grundlagen seiner Investitionsentscheidungen waren und auf Grund welcher Umstände die Annahme gerechtfertigt gewesen sein soll, das Unternehmen werde aufgrund bereits erfolgter und noch zu erwartender "Anbahnungen" in dem prognostizierten Umfang expandieren. Eine - wenn im Ergebnis auch fehlschlagende - unternehmerische Entscheidung kann indes nur dann als vertretbar angesehen werden, wenn diese Grundlagen geprüft, ausgewertet und aus nachvollziehbaren Gründen als tragfähig erachtet worden sind.

Dass dem so war, kann auch dem Schriftsatz des Beklagten vom 11. März 2009 nicht entnommen werden. Im Ergebnis kann offen bleiben, ob er seinem Memorandum vom 1. Oktober 2002 eine der Umsatzprognose für das Jahr 2004 (Anlage BE 2 GA 616) vergleichbare Umsatzprognose für das Jahr 2003 beigefügt hat, weil sich allein daraus nicht ergibt, aufgrund welcher konkreten Tatsachen der Beklagte Anlass hatte, anzunehmen, dass das Umsatzvolumen der Niederlassung XY im Geschäftsjahr 2003 ebenso wie in den beiden folgenden Geschäftsjahren um jeweils mehr als 50 % wachsen werde. Auch sein Vortrag im Schriftsatz vom 11. März 2009 (GA 717f.), "das Akquisitionsvolumen sei anhand von bereits bekannten bzw. identifizierten Sonderaufträgen sowie entsprechenden Anbahnungen geplant und nach noch nicht konkretisierten Akquisitionszielen differenziert worden", reicht nicht aus, die Grundlagen für seine hohen Umsatzerwartungen hinreichend darzutun, da es substanzlos ist.

Insbesondere kann der Beklagte nicht damit gehört werden, er habe schriftliche Umsatzprognosen für das Jahr 2003 ausgearbeitet und dokumentiert, könne diese nunmehr aber nicht vorlegen, da er sie der Klägerin überlassen habe. Denn selbst hierbei bleibt der Sachvortrag des Beklagten im Dunkeln, um welche konkreten Unterlagen es sich gehandelt haben soll. Eine solche Bezugnahme ist prozessual unzulässig, da sie entsprechend den Anforderungen an die Substantiierungspflicht konkretisiert sein muss. Die bloße Behauptung der Existenz schriftlicher Unterlagen reicht nicht aus (Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., § 142 Rnr. 2 m.w.N.). Dass zudem allein eine der Anlage BE 2 vergleichbare Dokumentation für das Geschäftsjahr 2003 nicht ausgereicht hätte, die Grundlagen der hohen Umsatzerwartungen über einen Zeitraum von drei Geschäftsjahren offen zu legen, wurde bereits ausgeführt. Auch ist das Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 11. März 2009 (GA 718) nicht erheblich, die Niederlassungsleiter seien durch ein Memorandum des Herrn M. vom 11. Oktober 2002 aufgefordert worden, über die reine zahlenmäßige Darstellung der Ergebnisse hinaus die Strategie der Niederlassung und die Realisierungschancen ihrer Planung umfassend anhand einer Auflistung aller Festaufträge/Dauermandate, mit denen in 2003 der Basisumsatz erzielt werden soll, zu erläutern. Er habe "diese Unterlagen" erstellt und der Controllingabteilung der Klägerin übermittelt. Denn auch hieraus ergeben sich keine greifbaren Anhaltspunkte, die eine mehrjährige und weit überdurchschnittliche Umsatzprognose der vom Beklagten geleiteten Niederlassung hätten rechtfertigen und nachvollziehbar darstellen können.

bb)

Da dem Beklagtenvortrag auch im Übrigen keine Umstände entnommen werden können, die über den Tatbestand des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG hinaus sein Handeln als pflichtgemäß erscheinen lassen könnten, stellt sich das Handeln des Beklagten als pflichtwidrig dar. Ausgehend vom Klägervortrag war es schlechthin unvertretbar, da sein Leitungsfehler bei der Erstellung und Umsetzung seiner Expansionsbestrebungen unter Berücksichtigung der zugrunde zu legenden Tatsachen auch für einen Außenstehenden evident war und sich dem Beklagten als Geschäftsmann förmlich hätte aufdrängen müssen.

Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass er seine Prognosen sowie sein Memorandum dem Aufsichtsrat der Klägerin rechtzeitig zur Kenntnis gebracht habe und seine Expansionsstrategie erst umgesetzt habe, nachdem von dort keinerlei Einwendungen erhoben worden seien. Denn unstreitig agierte der Beklagte nicht nur als Niederlassungsleiter, sondern auch als Vorstand der Klägerin. In dieser Stellung hatte er nach § 82 Abs. 1 AktG iVm § 1 (10) des Dienstvertrages vom 3. November 2001 (GA 166) unbeschränkte Alleinvertretungsbefugnis. Dass ihm für die Ausübung seiner Leitungsfunktion durch Beschlüsse des Aufsichtsrates Weisungen erteilt worden sind, behauptet auch der Beklagte nicht. Als Gesellschafter der K-GbR, Hauptgesellschafter der Alleinaktionärin der Klägerin, der früheren G-GmbH, sowie Vorstand der Klägerin und Geschäftsführer der Niederlassung XY handelte er vielmehr, wie von der Klägerin unwidersprochen vorgetragen, in herausragender Stellung und eigenverantwortlich.

Ebenso wenig entlastet ihn, dass der Partnerausschuss der K-GbR dem Abschluss des neuen Mietvertrages vom 10. September 2002 zugestimmt hat, da es sich hierbei um kein Organ der Klägerin handelte, dessen Handeln sich die Klägerin hätte zurechnen lassen müssen. Diesem Ausschuss oblag zudem keine inhaltliche Prüfung der Zweckmäßigkeit der vom Beklagten beabsichtigten unternehmerischen Entscheidungen. Die Verantwortung hierfür trug allein der Beklagte. Soweit die Parteien im Termin vor dem Senat am 12. Februar 2009 zunächst übereinstimmend vorgetragen haben, die K-GbR sei Alleinaktionärin der Klägerin und der bei der K-GbR gegründete Partnerausschuss habe neben der Partnervollversammlung faktisch die Aufgaben der Hauptversammlung der Klägerin erfüllt, haben sie ihren Sachvortrag übereinstimmend in ihren Schriftsätzen vom 10. und 11. März 2009 dahingehend richtiggestellt, dass nicht die K-GbR, sondern die G-GmbH, die später in die H-GmbH umfirmierte, Alleinaktionärin war. Weder dem Partnerausschuss noch der Partnervollversammlung der K-GbR kamen innerhalb dieser Gesellschaft oder der Klägerin organschaftliche Befugnisse zu.

d)

Das Handeln des Beklagten war schuldhaft im Sinne des § 276 Abs. 1 und 2 BGB, da er nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt in grob fahrlässiger Weise Grundsätze wirtschaftlichen Handelns außer Acht gelassen und hierbei das Wohl der Klägerin leichtfertig aufs Spiel gesetzt hat.

III.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Ausführungen kommt es auf die weiteren von der Klägerin angeführten Pflichtverletzungen des Beklagten durch eine unzureichende Berichterstattung, Vorenthaltung und Falschdarstellung von Informationen gegenüber dem Aufsichtsrat nicht an.

C.

Die Feststellungsklage ist unbegründet.

Wird ein Klageantrag - wie hier - einseitig für erledigt erklärt, wandelt er sich in einen Antrag auf Feststellung um, dass der Rechtsstreit insoweit seine Erledigung gefunden hat. Dies ist der Fall, wenn der zunächst verfolgte Antrag ursprünglich zulässig und begründet war und durch den Eintritt eines erledigenden Ereignisses unzulässig oder unbegründet geworden ist.

Danach ist die Feststellungsklage in ihrer jetzigen Gestaltung unbegründet, da der ursprünglich gestellte Feststellungsantrag unzulässig war. Der Klägerin fehlte das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO besteht grundsätzlich nur dann, wenn dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht. Dies setzt allerdings voraus, dass das behauptete subjektive Recht mit materieller Rechtskraft feststellbar ist (Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., § 256 Rnr. 3, 7). Das ist hier nicht der Fall, weil die Klägerin über das strittige Mietverhältnis ab dem 19. Dezember 2003 verschiedene Teilaufhebungs- und Nachtragsverträge geschlossen hat, die dazu geführt haben, dass das ursprünglich im Mietvertrag vom 10. September 2002 geschlossene Mietverhältnis in dem zunächst vereinbarten Umfang bereits seit dem 19. Dezember 2003 nicht mehr fortbestand. Teilweise schloss die Klägerin mit ihrer Vermieterin zu unterschiedlichen Zeitpunkten Aufhebungsverträge über einzelne Räume bzw. Raumeinheiten; über einen weiteren Teil der ursprünglichen Mietsache schloss sie eine Aussetzungsvereinbarung. Welche konkreten Ansprüche durch den ursprünglich gestellten Feststellungsantrag gesichert werden sollten, lässt sich dem Antrag nicht entnehmen.

D.

Die Kostenentscheidung und die endgültige Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit sind dem Schlussurteil vorzubehalten. Das vorliegende Urteil ist allerdings für vorläufig vollstreckbar zu erklären, weil nur auf diese Weise eine Vollstreckung aus der angefochtenen Entscheidung unterbunden werden kann (§§ 775 Nr. 1, 776 Satz 1 ZPO).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 870.000,- €.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 14.05.2009
Az: I-6 U 29/08


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