Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 14. Dezember 2006
Aktenzeichen: I-6 U 241/05

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 14.12.2006, Az.: I-6 U 241/05)

Tenor

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten werden zurück-gewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Streithelferinnen tragen ihre außergerichtlichen Kosten zu jeweils ½, die weiteren Hälften trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleis-tung in Höhe von 110 % des für die jeweilige Vollstreckungs-gläubigerin aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Geldbetrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Voll-streckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstre-ckenden Betrages leistet.

Gründe

A.

Zum Sachverhalt wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Der Kläger macht geltend:

Schon auf der Grundlage der getroffenen Tatsachenfeststellungen sei auch die Anfechtung des Beschlusses zu TOP 3 nach der von der Rechtsprechung entwickelten, nunmehr kodifizierten Relevanztheorie begründet. Durch die unterbliebene Auslage der Beteiligungslisten sei das Informationsrecht der Aktionäre aus §§ 120 Abs. 3, 175 Abs. 2 AktG verletzt worden. Da die Entlastung nach § 120 AktG allein dem Zweck diene, die Rechenschaftslegung der Verwaltung zu billigen, begründe die Nichtauslegung der Beteiligungslisten die Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses. Dies gelte hier umso mehr, als die Beklagte ihrer auf denselben Informationsgehalt gerichteten Informationspflicht nach Ziff. 7.1.4 des Deutschen Corporate Governance Kodex (im Folgenden: DCGK) in Verbindung mit § 161 AktG bis zur Hauptversammlung nicht nachgekommen sei.

Auch die eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aller Aktionäre begründende Hinauszögerung seines Redebeitrags um vier Stunden bis nach 15.15 Uhr habe entgegen der Auffassung des Landgerichts eine anfechtungsbegründende Relevanz.

Weiter stehe die Verletzung von Konzernrechnungslegungspflichten einer Entlastung des Vorstandes entgegen. Die hiermit im Zusammenhang stehenden Fehlleistungen des Vorstandes bei der Aufstellung des später auch vom Abschlussprüfer fehlerhaft testierten Jahresabschlusses berechtigten zur Anfechtung des Entlastungsbeschlusses gerade im Hinblick auf die unterbliebene Konsolidierung der J.-Beteiligung im Konzernabschluss. Einer Aufklärung über den die Konsolidierungspflicht begründenden Sachverhalt stehe die abgelehnte Sonderprüfung aufgrund der unterschiedlichen Schutzzwecke von Anfechtungs- und Sonderprüfungsrecht nicht entgegen.

Durch die unterbliebene Veröffentlichung der Beteiligungslisten im Sinne von Ziff. 7.1.4 DCGK habe die Beklagte nicht nur gegen diese Regelung verstoßen, sondern ihre Verwaltungsorgane hätten damit auch eine inhaltlich fehlerhafte Entsprechenserklärung nach § 161 AktG abgegeben. Der in dieser Falschinformation und diesem Verfahrensverstoß liegende Gesetzesverstoß berechtige ebenfalls zur Anfechtung des Beschlusses über die Entlastung des Vorstandes.

Weiter habe sich das Landgericht mit der gerügten Fehlerhaftigkeit der notariellen Niederschrift nicht auseinandergesetzt.

Auch sei das Landgericht seiner, des Klägers, Behauptung, vor der Hauptverhandlung habe der Einzelabschluss nicht ausgelegen, nicht nachgegangen.

Zu allem komme hinzu, dass die Großaktionäre der Beklagten - wie er, der Kläger, erstmalig aufgrund der Presseberichterstattung im November 2005 erfahren habe - gegen ihre Schwellenmitteilungspflichten verstoßen hätten und deshalb auch während der Beschlussfassung vom 22. Mai 2003 ihre Stimmrechte geruht hätten. In Unkenntnis dieses Anfechtungssachverhaltes habe er diesen Anfechtungsgrund nicht im Rahmen der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG vortragen können. Aufgrund der Eingliedrigkeit des Streitgegenstandsbegriffs bei der Anfechtungsklage sei er jedoch berechtigt, diesen Sachverhalt nachzuschieben. Er begründe darüber hinaus die Nichtigkeit.

Die Streithelferin zu 1) macht geltend:

Die Hauptversammlungsbeschlüsse vom 22. Mai 2003 seien wegen fehlerhafter Ankündigung der Abstimmungsregeln, wegen rechtswidriger Anwendung der Abstimmungsregeln sowie wegen betrügerischer Herbeiführung falscher Abstimmungsergebnisse nichtig. Die Manipulation der Beschlussergebnisse durch die verbotene Einbeziehung der Stammrechte der früheren und angeblich weiterhin berechtigten Großaktionäre in die protokollierten Abstimmungsergebnisse führe nach §§ 121 Abs. 3 Satz 2, 241 Nr. 1 AktG zur Nichtigkeit und nicht nur zur Anfechtbarkeit aller Beschlüsse. Wegen der Missachtung der Stimmrechtslosigkeit der Aktien der neuen Großaktionärin und der verbotenen Beachtung der fehlenden Inhaberschaft dieser Aktien der früheren Aktionäre seien die Beschlüsse auch nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig. Die Beschlüsse seien weiter nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig, weil die verbotene Stimmrechtswahrnehmung trotz positiver Kenntnis aller das Verbot begründender Umstände nach §§ 263 StGB, 39 WpHG, 331 HGB strafbar sei.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Aufhebung des am 28. September 2005 verkündeten Urteils den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 22. Mai 2003 zum Tagesordnungspunkt 3, mit dem die Hauptversammlung der Beklagten dem Vorstand Entlastung erteilte, für nichtig zu erklären

sowie

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Für die Streithelferin zu 1) ist im Termin niemand erschienen.

Die Streithelferin zu 2) schließt sich den Anträgen des Klägers an.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf - 41 O 122/03 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen

sowie

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie macht geltend:

Das in § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB a.F. statuierte Gebot zur internen Rotation der mit der Abschlussprüfung befassten Personen führe im Fall einer Zuwiderhandlung nicht zur Anfechtbarkeit des Beschlusses über die Wahl des Abschlussprüfers. Ob eine von der Hauptversammlung gewählte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gegen § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB a.F. verstoße, stelle sich erst im Verlauf der Durchführung der Prüfung heraus. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung am 22. Mai 2003 habe deshalb die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft noch gar nicht gegen § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB a.F. verstoßen haben können. Es bestehe auch kein Grund für die Besorgnis der Wiederholung eines früheren Verstoßes. K. habe die zutreffende Unabhängigkeitserklärung als Vertreter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, und zwar außerhalb eines Prüfungsmandats, unterzeichnet. Zudem habe ein früherer Verstoß gegen die Rotationsvorschrift nicht vorgelegen. Die Zeichnungen der Bestätigungsvermerke für Jahres- und Konzernabschluss seien als Einheit anzusehen. Im Übrigen habe das Landgericht nicht bedacht, dass der maßgebliche Zehnjahreszeitraum durch die Jahre 1992 bis 2001 und nicht 1993 bis 2002 gebildet werde. Die Bestätigungsvermerke zu den Abschlüssen der L. AG seien nicht zu berücksichtigen.

Auf die Berufung des Klägers erwidert die Beklagte, eine Stimmabgabe trotz Ruhens des Stimmrechts begründe keine Nichtigkeit. Als Anfechtungsgrund könne das Ruhen von Stimmrechten nicht mehr geltend gemacht werden. Vom Stimmverbot nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG umfasst seien lediglich Anteile in Höhe von 5,39 % des Grundkapitals. Die diesbezüglichen Stimmen hätten sich auf das Beschlussergebnis nicht ausgewirkt.

Das Landgericht habe eine unterlassene Auslegung der Beteiligungslisten fehlerhaft festgestellt. Insbesondere entfalte das notarielle Hauptversammlungsprotokoll keine negative Beweiswirkung. Im Übrigen begründe die Nichtauslage der Beteiligungslisten keine Anfechtbarkeit.

Auch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes habe das Landgericht fehlerhaft festgestellt. Es sei nicht zu beanstanden, dass den Herren M. und N. das Rederecht vor dem Kläger erteilt worden sei, obwohl dieser seinen Redewunsch vor jenen geäußert habe. Insbesondere sei zu bedenken, dass Herr M. als Vertreter des Klägers an der Hauptversammlung teilgenommen habe. Darüber hinaus habe das Landgericht die Relevanz eines etwaigen Verstoßes zu Recht verneint. Die fehlende Relevanz zeige sich schon darin, dass die 91.572 Stimmrechte, die nach der Behauptung des Klägers zwischen 12.53 Uhr und 15.15 Uhr die Hauptversammlung verlassen hätten, nichts am Beschlussergebnis geändert hätten, da 213.421.408 Stimmen bei vorhandenen 213.445.001 Stimmen für die Entlastung gestimmt hätten.

Konzernrechnungslegungspflichten seien nicht verletzt worden und eine etwaige Verletzung durch den Abschlussprüfer wäre im Übrigen nicht so krass, wie das vollständige Fehlen eines Konzernabschlusses in der Hauptversammlung. Darüber hinaus würde eine Aufklärung über die Konsolidierungspflicht auf eine Umgehung der Vorschriften über die von der Hauptversammlung abgelehnte Sonderprüfung hinauslaufen.

Der vom Kläger gerügte Verstoß gegen Ziff. 7.1.4 DCGK wäre, wenn es ihn wirklich gäbe, so nebensächlich, dass er die Anfechtung der Entlastung unter keinen Umständen rechtfertigen könnte. Ein solcher Verstoß könne aber auch schon deshalb nicht vorliegen, weil sich die Entlastung auf das Jahr 2002 bezogen habe und die fehlende Veröffentlichung der Liste für das Jahr 2003 gerügt werde.

Der vom Kläger erhobene Vorwurf einer fehlerhaften Präsenzfeststellung sei falsch und darüber hinaus von vornherein ungeeignet, eine Nichtigkeit zu begründen. Der Inhalt der notariellen Niederschrift entspreche zweifellos den Anforderungen des § 130 Abs. 2 AktG. Auch eine Anfechtbarkeit infolge einer angeblich falschen Präsenzfeststellung sei wegen bei der Beschlussfassungen gegebenen Mehrheiten von jeweils deutlich über 99 % der abgegebenen Stimmen ausgeschlossen.

Die Behauptung, der Einzelabschluss sei noch nicht druckfertig gewesen, habe das Landgericht zutreffend als ins Blaue hinein erhoben bewertet.

Auf die Berufung der Beklagten erwidert der Kläger:

In der Vergangenheit habe die als Wirtschaftsprüferin gewählte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wiederholt gegen § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB a.F. verstoßen, was sowohl die Besorgnis der Befangenheit als auch die Besorgnis einer Wiederholung der Verstöße begründet habe. Darüber hinaus sei die Wahl des Abschlussprüfers auch anfechtbar wegen einer fehlerhaften Entsprechenserklärung nach § 161 AktG angesichts einer evident unrichtigen Unabhängigkeitserklärung nach Ziff. 7.2.1 DCGK und wegen der Besorgnis der Befangenheit des Abschlussprüfers angesichts erheblicher Fehlleistungen in den vorangegangenen Prüfungshandlungen, insbesondere bei der Konzernrechnungslegung, und angesichts der Nähe zu den Hauptaktionären.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von allen Beteiligten in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die nachfolgenden tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.

B.

Die zulässigen Berufungen beider Parteien haben keinen Erfolg. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Klage mit dem Klageantrag zu 1) abgewiesen und auf die Anfechtungsklage mit dem Klageantrag zu 2) den Beschluss vom 22. Mai 2003 zum Tagesordnungspunkt 5 für nichtig erklärt.

I.

Die Nichtigkeitsklage ist unbegründet.

Die Nichtigkeitsklage kann unabhängig von einer etwa vom Kläger bestimmten Rangfolge vorrangig geprüft werden (vgl. BGH, NJW 1997, 1510, 1511).

1.

Die angefochtenen Beschlüsse sind nicht nach § 241 Nr. 1 AktG nichtig. Ein Verstoß gegen § 121 Abs. 2 und 3 oder 4 AktG wird nicht geltend gemacht und ist auch nicht sonstwie ersichtlich.

2.

Die angefochtenen Beschlüsse sind auch nicht wegen eines Beurkundungsmangels nach § 241 Nr. 2 AktG i.V.m. § 130 Abs. 1, 2 und 4 AktG nichtig.

Dabei kann dahinstehen, ob bei der Abstimmung einem Stimmverbot unterliegende Stimmen mitgezählt wurden. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, läge nur ein zur Anfechtbarkeit führender Verfahrensfehler vor. Ein Beschluss, der mit einem Stimmverbot unterliegenden Stimmen zustande gekommen ist, erlangt Existenz aufgrund der Feststellung des Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter und deren Aufnahme in die notarielle Niederschrift gemäß § 130 Abs. 2 AktG, solange und soweit er nicht wirksam angefochten ist (BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl. nur WM 2006, 402, 403 f. m.z.N.).

Die Beschlüsse sind auch nicht deswegen nichtig, weil die präsenten Stimmen fehlerhaft gezählt wurden. Zum einen handelt es sich hier um einen bloßen Verfahrensfehler ähnlich dem zuvor behandelten Fehler trotz Stimmverbots mitgezählter Stimmen. Zum anderen hat der Kläger weder schlüssig dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass gerade zum Zeitpunkt der Abstimmung über die beiden streitgegenständlichen Beschlüsse die präsenten Stimmen fehlerhaft erfasst wurden.

Auch soweit der Kläger moniert hat, trotz Stimmverbot nach § 136 AktG seien die Stimmen der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats nicht aus der Präsenz herausgenommen worden, kann damit die Nichtigkeit der Beschlüsse schon aus den genannten Gründen nicht begründet werden.

3.

Ein Nichtigkeitsgrund nach § 241 Nr. 3 AktG liegt ebenfalls nicht vor. Insbesondere verletzten die Beschlüsse nicht durch ihren Inhalt Vorschriften, die im öffentlichen Interesse gegeben sind.

a)

Selbst die Beschlussfassung unter Berücksichtigung etwaiger einem Stimmverbot unterliegender Stimmen begründet keinen Inhaltsmangel im Sinne von § 241 Nr. 3 AktG (vgl. Assmann/Schneider, WpHG; 2. Aufl., § 28 Rdnr. 28; zu § 20 AktG: Bayer in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., Rdnr. 55; Koppensteiner in KK zum AktG, 3. Aufl., Rdnr. 81).

b)

Es kann dahinstehen, ob ein Verstoß gegen § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB a.F. zum Zeitpunkt der Wahl des Abschlussprüfers die Nichtigkeit des Beschlusses nach sich ziehen würde (so Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 31. Aufl., § 319 Rdnr. 16, zum neuen Recht jetzt aber 32. Aufl., § 319 Rdnr. 26; Staub/Zimmer, HGB, 4. Aufl., § 319 Rdnr. 76, § 318 Rdnr. 52; Hense/Veltins in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 5. Aufl., § 319 Rdnr. 61; unklar Heymann/Herrmann, HGB, 2. Aufl., § 316 Rdnr. 2; s. a. Ebenroth/Boujong/Joost/Wiedmann, HGB (2001), § 318 Rdnr. 16). Denn mit der Beschlussfassung am 22. Mai 2003 war ein Verstoß gegen § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB a.F. nicht zwangsläufig verbunden. Dies gilt schon deshalb, weil allein mit der Wahl der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft noch nicht der maßgebliche Prüfer bestimmt wurde. Vielmehr stand es der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft frei, welchen Prüfer sie einsetzte. Selbst wenn man hier einmal unterstellt, dass zwei Prüfer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nicht mehr eingesetzt werden durften, ist nicht ersichtlich, dass der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft keine "unverbrauchten" Prüfer zur Verfügung standen. § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB a.F. verordnete nur einen Zwang zum Prüferwechsel, nicht aber zum Wechsel der den Auftrag ausführenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Einen zwangsweisen externen Prüferwechsel, wie er noch im Referentenentwurf des Bundesjustizministers vom 22. November 1996 vorgesehen war (BT-Drs 13/367 S. 3, 17), hat § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB a.F. nicht vorgeschrieben (allgemeine Meinung, siehe nur Ebke in MünchKomm, HGB, 2001, § 319 Rdnr. 51; Heymann/Herrmann a.a.O. § 319 Rdnr. 6; Staub/Zimmer, a.a.O. § 319 Rdnr. 55, 66).

c)

Allein eine Besorgnis, die gewählte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft könnte einen Prüfer unter Verstoß gegen das Rotationsprinzip einsetzen, begründet die Nichtigkeit ebenso wenig wie die Besorgnis der Befangenheit (vgl. BGH, NJW 2003, 970, 972 f.).

d)

Auch ein etwaiger Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, der hier nur in verfahrensrechtlicher Hinsicht in Betracht zu ziehen ist, kann die Nichtigkeit der angefochtenen Beschlüsse nicht begründen (vgl. K. Schmidt in KK zum AktG, 3. Aufl., § 243 Rdnr. 44).

4.

Schließlich verstoßen die angefochtenen Beschlüsse auch nicht gegen die guten Sitten im Sinne von § 241 Nr. 4 AktG. Denn auch insoweit kommt es entscheidend auf den Beschlussinhalt, nicht aber das zu dem Beschluss führende Verfahren an. Der Beschlussinhalt ist für sich gesehen nicht sittlich anstößig.

II. zur Anfechtungsklage

1.

Beschlussübergreifend sind Fragen zur Anfechtungsbefugnis, zur Anfechtungsfrist und zum Gleichbehandlungsgrundsatz. Diese Fragen werden nachstehend losgelöst von den Beschlüssen und Rechtsmitteln vorab behandelt.

a)

Der Kläger ist anfechtungsbefugt (§ 245 Nr. 1 AktG)

aa)

Der Kläger, obwohl selbst anwesend, war in der Hauptverwaltung (nur) durch Herrn M. vertreten. Dieser hat für den Kläger und mit dessen Vollmacht an der Hauptverhandlung teilgenommen, wie der dem Kläger erteilten Eintrittskarte Nr.....(Anlage B 8) zu entnehmen ist, mit der M. als Bevollmächtigter des Klägers Eintritt für dessen 100 Stammaktien zur Hauptverhandlung erhielt.

Der Kläger selbst war nicht mit eigenen Aktien in der Hauptversammlung anwesend, sondern mit der dem Aktionär Dr. O. erteilten Eintrittskarte Nr. .......(Anlage B 11) und damit den Stimmen des Dr. O.. Der Kläger ist hier als Legitimationsaktionär aufgetreten. Ob der Legitimationsaktionär ohne weiteres oder nur unter bestimmten Voraussetzungen anfechtungsbefugt ist, kann dahinstehen. Denn der Kläger hat die Anfechtungsklage nicht als Legitimationsaktionär (Prozessstandschafter für Dr. O.) erhoben, sondern unter Berufung auf seinen eigenen Aktienbesitz, wie sich bereits aus dem ersten Satz der Sachverhaltsschilderung in der Klageschrift ergibt: "Der Kläger hält seit langer Zeit vor der diesjährigen Hauptversammlung der Beklagten 100 auf den Inhaber lautende Stammaktien der Beklagten." Soweit der Kläger mit seiner Replik vom 31. Oktober 2003 (dort Seite 7 = Bl. 168 GA) unter Vorlage der Anlage K 13 zum Ausdruck gebracht hat, auch als Legitimationsaktionär zu klagen, ist dies unbeachtlich. Denn diese Erklärung erfolgte außerhalb der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG, hätte aber innerhalb dieser Monatsfrist abgegeben werden müssen (vgl. OLG Stuttgart, AG 2002, 353, 355; Hüffer a.a.O. § 245 Rdnr. 11; zur Wahrung der Anfechtungsfrist siehe auch nachfolgend zu II. 1 b).

bb)

Der Kläger hat, weiterhin vertreten durch Herrn M., Widerspruch zu den zu TOP 3 und 5 gefassten Beschlüssen erhoben. M. legte bei Erhebung des Widerspruchs die vorbereitete Erklärung vom 21. Mai 2003 (Anlage B 12) vor, die durch handschriftliche Ergänzungen einerseits auf die dem Kläger erteilte Eintritts-/ Stimmkarte Nr. ........, andererseits auf die Streithelferin zu 1 hinweist. Durch den Bezug auf die Eintrittskarte Nr. ....... (diese Bezugnahme wird noch einmal unterstrichen durch den handschriftlichen Vermerk "Stimmkarte ...." neben der Unterschrift) war aus der maßgeblichen Sicht des Urkundsnotars deutlich, dass M. zumindest auch für den Inhaber dieser Stimmkarte, also den Kläger, Widerspruch erheben wollte. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang angeführte Entscheidung des OLG München vom 31. Mai 2000 (AG 2001, 482) steht diesem Verständnis nicht entgegen. Denn das OLG München hat ebenfalls entscheidend auf die bei der dortigen Erhebung des Widerspruchs vorgelegte Stimmkarte abgestellt. Ob die Stimmkarte vorgelegt oder auf sie Bezug genommen wird, ist für die Frage, in wessen Namen Widerspruch erhoben wird, gleichgültig.

cc)

Der Widerspruch ist - obwohl unstreitig bereits vor der Beschlussfassung - wirksam erhoben worden. Nach ganz herrschender Meinung (LG Ingolstadt, WM 1991, 685, 689; Hüffer a.a.O. § 245 Rdnr. 14; Hüffer in MünchKomm, AktG, 2. Aufl., § 245 Rdnr. 36; K. Schmidt in Großkommentar, 4. Aufl., § 245 Rdnr. 20; Zöllner in KK zum AktG, 3. Aufl., § 245 Rdnr. 12; Priester, EWiR 2005, 329 f.; a.A. LG Frankfurt; NZG 2005, 721 f.) kann wirksam bereits vor der Beschlussfassung Widerspruch erhoben werden. Dieser Auffassung ist zu folgen. Für den Aktionär ist aufgrund der Tagesordnung die voraussichtliche Beschlussfassung bereits absehbar. Der vom Landgericht Frankfurt herangezogene Vergleich mit der Einlegung von Rechtsmitteln gegen eine gerichtliche Entscheidung passt nicht. Denn der Widerspruch dient lediglich dazu, die Anfechtungsmöglichkeit zu wahren. Bekämpft wird der Beschluss erst mit der Anfechtungsklage selbst. Auch das OLG München (WM 1991, 1843) als Berufungsinstanz und der Bundesgerichtshof (NJW 1993, 1976) als Revisionsinstanz haben den vom LG Ingolstadt erstinstanzlich entschiedenen Rechtsstreit nicht zum Anlass genommen, eine von der herrschenden Meinung abweichende Auffassung zu vertreten.

b)

Die Anfechtungsfrist ist nur teilweise gewahrt.

aa)

Die Anfechtungsfrist ist nur gewahrt, soweit die Anfechtungsgründe in ihrem wesentlichen Kern bereits in der Klageschrift aufgeführt sind.

Der Kläger hat sich in der Annahme, Anfechtungsgründe jederzeit nachschieben zu können, von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. Juli 2002 (BGHZ 152, 1, 6) irritieren lassen. Zwischenzeitlich hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass nach § 246 Abs. 1 AktG nicht nur die nachträgliche Erhebung der Anfechtungsklage, sondern auch das Nachschieben von neuen Anfechtungsgründen ausgeschlossen ist (WM 2005, 802, 804; 2006, 402, 404). Auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Anfechtungsgrundes kommt es nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht an.

bb)

Außerhalb der Anfechtungsfrist geltend gemacht und deswegen schon aus diesem Grunde unbegründet ist die Anfechtungsklage damit, soweit der Kläger Protokollfehler und einen Verstoß gegen ein Stimmverbot rügt.

cc)

Hinsichtlich der mit der Klageschrift geltend gemachten Anfechtungsgründe ist die Anfechtungsfrist gewahrt. Die Anfechtungsfrist lief mit dem 23. Juni 2003, einem Montag, ab (§§ 246 Abs. 1 AktG, 193 BGB; vgl. auch Hüffer a.a.O. § 246 Rdnr. 22). Die Klage ist am 20. Juni 2003 per Fax und am folgenden Montag im Original beim Landgericht eingegangen und der Beklagten demnächst im Sinne von § 167 ZPO zugestellt worden.

c)

Die Beschlüsse sind nicht wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53 a AktG), der auch eine verfahrensrechtliche Gleichbehandlung erfordert, anfechtbar.

Dem Kläger ist rechtzeitig das Wort erteilt worden. Er hat, vertreten durch Herrn M., bereits an vierter Stelle geredet. Die Erteilung des Wortes an die drei ersten Redner beanstandet der Kläger nicht und ist auch nicht zu beanstanden. Der Kläger beanstandet nur, dass er persönlich erst an siebter Stelle um 15.15 Uhr zu Wort kam. Er nahm an der Hauptverhandlung - wie oben dargelegt - jedoch nicht für sich selbst, sondern als Legitimationsaktionär teil, so dass hier allenfalls Rechte des Dr. O. verletzt worden sein können. Dessen etwaige rein subjektive Rechtsverletzung könnte aber nur in einer von oder für Dr. O. erhobenen Anfechtungsklage geltend gemacht werden. Eine solche ist - wie oben ebenfalls ausgeführt - jedoch bereits verfristet. Im Übrigen fehlt es an der zur Anfechtung notwendigen Relevanz.

2.

Zu den weiteren, nicht beschlussübergreifenden, sondern entweder nur den Tagesordnungspunkt 3, also die Berufung des Klägers, oder den Tagesordnungspunkt 5, also die Berufung der Beklagten, betreffenden Gesichtspunkte gilt das Folgende:

a) TOP 3)/Berufung des Klägers

Der Kläger beschränkt sich im Berufungsverfahren auf folgende Rügen:

aa) unterlassene Vorlage der Beteiligungslisten,

bb) unterlassene Auslage des Einzelabschlusses,

cc) Verletzung von Konzernrechnungslegungspflichten,

dd) fehlerhafte Entsprechenserklärung.

aa) Unterlassene Vorlage der Beteiligungslisten (§§ 120 Abs. 3, 175 Abs. 2 AktG,

264 Abs. 1, 285 Nr. 11, 287 HGB)

Der gerügte Verstoß kann - entgegen der Beweiswürdigung des Landgerichts - nicht festgestellt werden. Auffallend ist zwar, dass gerade die als Anlage IV zum Protokoll genommenen Geschäftsberichte (Jahresabschlüsse) die Beteiligungslisten nicht enthalten, obgleich nach § 287 Satz 2 HGB die Beteiligungslisten Bestandteil des Anhangs der jeweiligen Jahresabschlüsse hätten sein müssen. Andererseits hat der Urkundsnotar aber ausgesagt (schriftliche Zeugenaussage vom 13. Juni 2005, Bl. 643 f.; in der Sitzung vom 30. Juni 2005 im Einvernehmen der Parteien und der Streithelferin zu 2) verlesen, Bl. 675 GA), dass er bei der Protokollierung von Hauptversammlungen vor Versammlungsbeginn die am Wortmeldetisch ausgelegten Unterlagen regelmäßig auf ihre Vollständigkeit überprüfe und er sich sicher sei, die Prüfung der Vollständigkeit auch vor Beginn der Hauptversammlung 2003 der Beklagten vorgenommen zu haben. Hinweise auf die Unvollständigkeit der ausgelegten Unterlagen enthalte seine Handakte nicht. Daher gehe er davon aus, dass die fraglichen Beteiligungslisten am Wortmeldetisch ausgelegen hätten. Unter Würdigung des Protokollinhalts einschließlich der Anlage IV einerseits und der Aussage des Urkundsnotars andererseits ist offen, ob die Beteiligungslisten tatsächlich auslagen. Weiteren Beweis hat der Kläger nicht angetreten. Er trägt die Beweislast.

Auf die Frage, ob ein Unterlassen der Vorlage der Beteiligungslisten Relevanz entfalten würde (vgl. hierzu Hüffer a.a.O. § 175 a.E.; Kropff in MünchKomm, 2. Aufl., § 176 Rdnr. 9, 19 und § 175 Rdnr. 38; auch BGH, NJW 2003, 1032; WM 2002, 696; KG, AG 2001, 186), kommt es nach alledem nicht mehr an.

bb) Unterlassene Auslage des Einzelabschlusses (§ 175 Abs. 2 AktG)

In diesem Punkt schließt sich der Senat den Ausführungen des Landgerichts an. Die Beklagte hat im Detail dargelegt, § 175 Abs. 2 AktG erfüllt zu haben (Klageerwiderung vom 15. August 2003, Seite 10 = Bl. 48 GA; Schriftsatz vom 18. Februar 2004, S. 4 f. = Bl. 343 f. GA). Dem ist der Kläger nicht hinreichend entgegengetreten.

cc) Verletzung von Konsolidierungspflichten

Ob Konsolidierungspflichten nach §§ 300 ff. HGB in den Jahresabschlüssen für 2002 verletzt wurden, kann letztlich dahinstehen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Entlastungsbeschluss nur anfechtbar, wenn Gegenstand der Entlastung ein Verhalten ist, dass eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellt (BGH, NJW 2003, 1032, 1033). Jedenfalls an dieser Eindeutigkeit fehlt es hier. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass damit eine zur Billigung rechtsbrechenden Verhaltens entschlossene Mehrheit gegen den Widerstand einer gesetzes- und satzungstreuen Minderheit eine Entlastung der Verwaltung jederzeit durchsetzen könne, was nicht nur der Regelung des § 243 Abs. 1 AktG widerspräche, sondern auch mit dem Gesichtspunkt der Treuepflicht der Mehrheit gegenüber der Minderheit nicht vereinbar wäre (vgl. BGH a.a.O.). Denn mangels Kenntnis rechtsbrechenden Verhaltens ist die Mehrheit bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden auch nicht zu einer Billigung rechtsbrechenden Verhaltens entschlossen. Der vom Gesetz vorgesehene Weg, die Verletzung von Konsolidierungspflichten erst einmal festzustellen, wäre über eine Sonderprüfung einzuschlagen gewesen. Diese hat aber die Hauptversammlung abgelehnt. Ob dieses Abstimmungsverhalten der Mehrheit mit dem Gesichtspunkt der Treuepflicht der Mehrheit gegenüber der Minderheit vereinbar war, kann dahinstehen. Denn dieser Beschluss ist unangefochten geblieben. Das Interesse der Minderheitsaktionäre ist im Übrigen durch § 142 Abs. 2 AktG gewahrt.

dd) Nichteinhaltung der Entsprechenserklärung

Es kann ebenfalls dahingestellt bleiben, ob der Vorstand der Beklagten die im Dezember 2002 abgegebene Entsprechenserklärung nach § 161 AktG nicht eingehalten hat. Nach § 15 EGAktG war die Entsprechenserklärung erstmals im Jahr 2002 abzugeben. Sie konnte in diesem Jahr darauf beschränkt werden, dass dem DCGK "entsprochen wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet werden". Hier konnte die Entsprechenserklärung nur als zukunftsbezogene Erklärung verstanden werden. Bei dieser Erklärung handelte es sich daher um eine bloße Absichtserklärung (vgl. Hüffer a.a.O. § 161 Rdnr. 20). Dass diese Absicht nicht bestanden hat, behauptet der Kläger nicht. Wurde diese Absichtserklärung im Jahr 2003 nicht in die Tat umgesetzt, berührt dies jedenfalls die Entlastung für das Jahr 2002 nicht.

b) TOP 5/Berufung der Beklagten

aa)

Bereits oben zur Frage der Nichtigkeit ist ausgeführt worden, dass allein mit der Wahl der Wirtschaftsprüfergesellschaft noch nicht gegen § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB a.F. verstoßen wurde, weil zum Zeitpunkt der Wahl noch nicht feststand, welcher Prüfer der Wirtschaftsprüfergesellschaft sich mit dem Jahres- und Konzernabschluss 2003 beschäftigen wird.

bb)

Die Parteien streiten darum, ob die Besorgnis begründet war, dass die Wirtschaftsprüfergesellschaft bezüglich des zu prüfenden Geschäftsjahres 2003 gegen das von § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB a.F. geforderte Rotationsprinzip verstoßen werde. Diese Besorgnis war begründet, weil die gewählte Wirtschaftsprüfergesellschaft bereits im Vorjahr, dem Geschäftsjahr 2002, gegen das Rotationsprinzip verstoßen hatte und damit eine Wiederholungsgefahr und zugleich die Besorgnis eines erneuten Verstoßes gegeben war.

(1) Das durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. April 1998 normierte Rotationsprinzip des § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB war nach Art. 46 Abs. 2 EGHGB erstmals auf das Geschäftsjahr 2002 anzuwenden. Danach durfte mit der Prüfung des Jahres- und Konzernabschlusses 2002 kein Prüfer beschäftigt werden, der "in den dem zu prüfenden Geschäftsjahr vorhergehenden zehn Jahren den Bestätigungsvermerk nach § 322 über die Prüfung der Jahres- oder Konzernabschlüsse der Kapitalgesellschaft in mehr als sechs Fällen gezeichnet" hatte.

(2) Der Meinungsstreit, ob bei der Zeichnung des Jahres- und des Konzernabschlusses für ein und dasselbe Geschäftsjahr jede Zeichnung als eigenständiger Fall oder beide Zeichnungen als ein Fall zu zählen sind (vgl. einerseits Zimmer in GK-HGB, 4. Aufl., § 318 Rdnr. 57, § 319 Rdnr. 66; andererseits Jakob, BB 2005, 2455, 2457; Strieder, BB 2003, 2227, 2229), bedarf im vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung. Denn selbst wenn man hier keine Doppelzählung vornimmt, hatte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft das Rotationsprinzip bereits bis zur Hauptversammlung am 22. Mai 2003 verletzt. Insoweit teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts und des Klägers, dass die Bestätigungsvermerke für die L. AG für die Konzern- und Jahresabschlüsse 1992, 1993, 1994 und 1995 zumindest jeweils einfach mitzuzählen sind. Es liegt bereits im Wesen der Rechtsnachfolge, dass der Rechtsnachfolger nicht nur die Vorteile beanspruchen kann, sondern auch die Nachteile zu tragen hat, die die Rechtsnachfolge mit sich bringt. Hier kommt noch hinzu, dass die Beklagte bis zur Verschmelzung als bloße Vorratsgesellschaft fungierte. Es ist kein Sinn darin zu sehen, dass in einem Fall, in dem die wirtschaftlich maßgeblich an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger nicht auf die Beklagte verschmolzen worden wären, sondern eine Verschmelzung auf die L. AG vorgenommen worden wäre, die vor der Verschmelzung liegenden Bestätigungsvermerke - wie unzweifelhaft ist - mitzählen, diese Bestätigungsvermerke aber nicht mitzählen sollen, wenn das wirtschaftliche Ergebnis dieses Verschmelzungsvorganges durch Verschmelzung auf eine Vorratsgesellschaft erreicht wird.

Zählt man die für die Jahre 1992 bis 1995 durch K. gezeichneten Bestätigungsvermerke und dessen für die Jahre 1996, 1997 und 2001 gezeichneten Bestätigungsvermerke, lagen bis zur Prüfung des Geschäftsjahres 2002 bereits mindestens sieben Bestätigungsvermerke vor. Soweit die Beklagte darauf abstellen will, dass die gezählten Unterschriften in den zehn vorhergehenden Jahren geleistet worden sein müssten, und nicht maßgeblich sei, ob sie für bestimmte Geschäftsjahre geleistet wurden, kann dem nicht gefolgt werden. Nach Sinn und Zweck ist § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB a.F. dahin auszulegen, dass auch das dem zu prüfenden Geschäftsjahr vorangehende Geschäftsjahr jedenfalls dann mitzuzählen ist, wenn der Bestätigungsvermerk bereits - wie hier - gezeichnet ist. Denn eine durch die Zahl der Vorbefassungen begründete Besorgnis der Befangenheit macht nur dann Sinn, wenn sämtliche Vorbefassungen gezählt werden. Dem entspricht die Zählweise von Prof. Dr. P. auf Seite 24 der von der Beklagten vorgelegten gutachtlichen Stellungnahme vom 28. Juni 2006 (Bl. 1085, 1108 GA).

(3) Die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB a.F., nämlich die Prüfung einer Aktiengesellschaft, deren Aktien zum amtlichen Markt zugelassen sind, sind sowohl für die Beklagte als auch die L. AG unstreitig erfüllt.

(4) War wegen des Verstoßes gegen das Rotationsprinzip bereits bei der Prüfung des Geschäftsjahres 2002 die Besorgnis der Befangenheit begründet, bestand zum Zeitpunkt der Hauptversammlung vom 22. Mai 2003 diese Besorgnis jedenfalls deswegen fort, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich waren, dass die gewählte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft von ihrer rechtswidrigen Praxis abweichen würde. Dass bei einem Verstoß gegen das Rotationsprinzip die Besorgnis der Befangenheit begründet ist, wird schon durch den Wortlaut des § 318 Abs. 3 Satz 1 und 3 HGB n.F. bestätigt.

cc)

War die Besorgnis der Befangenheit begründet, ist der Beschluss über die Wahl der befangenen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft für nichtig zu erklären (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGH, NJW 2003, 970, 973).

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 101 Abs. 2 ZPO (es handelt sich um streitgenössische Nebeninterventionen).

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit finden ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 400.000,00 € festgesetzt. Hiervon entfallen auf die Berufungen der Parteien jeweils 200.000,00 €.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 14.12.2006
Az: I-6 U 241/05


Link zum Urteil:
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