Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 10. Januar 2008
Aktenzeichen: 4a O 414/06

(LG Düsseldorf: Urteil v. 10.01.2008, Az.: 4a O 414/06)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar

Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse geleistet werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Patents 101 59 114 (Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigungsleistung und Schadensersatz in Anspruch.

Sie ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 01.12.2001 angemeldet wurde. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 18.06.2003. Die Patenterteilung wurde am 19.02.2004 veröffentlicht.

Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Rotor für eine Tablettenpresse mit einer Oberstempelaufnahme für die Oberstempel und einer Unterstempelführung für die Unterstempel der Tablettenpresse sowie einer Matrizenscheibe mit einer Reihe von Matrizenbohrungen, die zu den Ober- und Unterstempeln ausgerichtet sind, die Matrizenscheibe aus mindestens zwei Ringsegmenten besteht, die mittels einer Befestigungsvorrichtung kraft- und/oder formschlüssig am Körper (20) der Unterstempelführung anbringbar sind,

dadurch gekennzeichnet, dass Ober- und Unterstempel unmittelbar mit Bohrungen (28) der Ringsegmente (22, 24) zusammenwirken.

Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus dem Klagepatent und zeigen in Figur 1 perspektivisch den Teil eines erfindungsgemäßen Rotors, in Figur 2 einen Radialschnitt durch die Darstellung nach Figur 1 und in Figur 3 eine alternative Befestigungsmöglichkeit von Ringsegmenten.

Die Beklagte stellt her und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Rotoren für Tablettenpressen. Sie stellte einen solchen Rotor auf der Messe Interpack 2005 in Düsseldorf aus, den die Klägerin als patentverletzend ansieht. Die Klägerin hat als Anlagenkonvolut K 4 die vorgerichtliche Korrespondenz der Parteien vorgelegt. Auf die Blätter 6, 7 und 13 des Anlagenkonvoluts, welche insbesondere die ringsegmentartigen Einsätze der Matrizenscheibe der angegriffenen Ausführungsform sowie deren Befestigungsmittel zeigen, wird Bezug genommen. Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters 20 2005 001 556 betreffend eine Matrizenscheibe für eine Rundlauftablettenpresse. Die nachfolgend wiedergegebene Zeichnung stammt aus diesem Gebrauchsmuster und zeigt einen Rotor mit Matrizenscheibe und in den Stempelführungen angeordneten Stempel.

Die Beklagte hat als Anlagen B 2 - B 4 technische Zeichnungen und als Anlage B 5 Fotografien der angegriffenen Ausführungsform eingereicht. Nachfolgend werden die Zeichnungen eingeblendet:

Die Klägerin sieht in der Herstellung und dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland eine Verletzung des Klagepatents. Nachdem sie ihre Klageanträge zunächst auf der Grundlage einer wörtlichen Wiedergabe des Patentanspruchs 1 gestellt hat, beantragt sie nunmehr:

I . die Beklagte zu verurteilen,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Rotoren für Tablettenpressen mit einer Oberstempelaufnahme für die Oberstempel und einer Unterstempelführung für die Unterstempel der Tablettenpresse sowie einer Matrizenscheibe mit einer Reihe von Matrizenbohrungen, die zu den Ober- und Unterstempeln ausgerichtet sind, und die Matrizenscheibe aus mindestens zwei ringsegmentartigen, mit jeweils einer Vielzahl von Matrizenbohrungen versehenen Einsatzstücken besteht, die in entsprechende Ausnehmungen einer an der Ober- und der Unterstempelführung befestigten scheibenförmigen Halteeinrichtung eingesetzt sind, wobei die Einsatzstücke mittels einer Befestigungsvorrichtung kraft- und/oder formschlüssig einerseits an der scheibenförmigen Halteeinrichtung und andererseits am Körper der Unterstempelführung anbringbar sind,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen, oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen Ober- und Unterstempel unmittelbar mit Bohrungen der Ringsegmente zusammenwirken (Anspruch 1 des DE 101 59 114 B 4)

insbesondere wenn,

Ober- und Unterseite der Ringsegmente von planparallelen Flächen gebildet sind (Anspruch 2 des DE 101 59 114 B4)

und/oder

der Körper der Unterstempelführung eine zylindrische Umfangsfläche und eine plane Radialfläche aufweist und die Befestigungsvorrichtung Spannmittel aufweist, mit welchen die Ringsegmente gegen die Umfangs- und Radialfläche gespannt werden (Anspruch 3 des DE 101 59 114 B4);

2.

der Klägerin unter Vorlage der zugehörigen Belege Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 18.07.2003 begangen hat, und zwar unter Angabe

der Herstellungsmengen und -zeiten, oder bei Fremdbezug: der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 19.03.2004 zu machen sind;

II. festzustellen,

1.

dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die zu I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 18.07.2003 bis zum 18.03.2004 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2.

dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 18.03.2004 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, der Beklagten für den Fall ihrer Verurteilung zur Rechnungslegung nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer Empfänger von Angeboten und ihrer nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie diesen ermächtigen, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmte Lieferung oder ein bestimmter Abnehmer in der Rechnung oder ein bestimmter Empfänger eines Angebots in der Auskunft enthalten ist.

Sie stellt eine Verletzung des Klagepatents in Abrede, weil die angegriffene Ausführungsform nicht die in Patentanspruch 1 geschützte Lehre verwirklicht.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Die von der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigungsleistung und Schadensersatz sind nicht begründet, §§ 33 Abs. 1, 139 Abs. 1 und 2, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB.

I.

Das Klagepatent betrifft einen Rotor für eine Tablettenpresse. In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, dass ein solcher Rotor typischerweise eine Oberstempelaufnahme, eine Unterstempelführung sowie eine Matrizenscheibe enthält. Die Unterstempelführung nimmt in achsparallelen Bohrungen einzelne Unterstempel auf, die zu den Matrizenbohrungen der Matrizenscheibe ausgerichtet sind. Die Oberstempelaufnahme nimmt in achsparallelen Bohrungen Oberstempel auf, die zu den Matrizenbohrungen gleichfalls ausgerichtet sind. Bei dem Umlauf des Rotors wirken Ober- und Unterstempel mit geeigneten Führungen zusammen bzw. mit Druckrollen, damit ein Pressling hergestellt und ausgeworfen werden kann. Die Oberstempelaufnahme ist zumeist ein separates Bauteil, während die Unterstempelführung und die Matrizenscheibe üblicherweise von einem einteiligen Körper gebildet sind.

Die herkömmliche Konstruktion wird bisher überwiegend bei Tablettiermaschinen angewendet. Sie ist vorteilhaft, weil Matrizen und die Aufnahmebohrungen in der Matrizenscheibe für die Matrizen "genormt" sind. In der Terminologie des Klagepatents sind Matrizen die Formwerkzeuge, die zumeist hülsenförmig in Aufnahmebohrungen der Matrizenscheibe aufgenommen sind. Die Innenkontur der Matrizen bestimmt die Kontur des Presslings. Aufgrund der Normung können Matrizen unabhängig von der Stationszahl, vom Maschinenhersteller, vom Teilkreisdurchmesser usw. in jeder Tablettenpresse eingesetzt werden. Zudem sind Matrizen bei der Herstellung relativ unaufwändig.

In der Klagepatentschrift wird am Stand der Technik kritisiert, dass die Fertigung einer Matrizenscheibe sehr aufwändig ist, weil die Matrizenaufnahmebohrungen in Durchmesser, Tiefe und Positionsgenauigkeit präzise gefertigt werden müssen. Dennoch kann nicht immer vermieden werden, dass die Matrizen entweder über die Oberseite der Matrizenscheibe überstehen oder tiefer liegen. Hierdurch ergeben sich Probleme beim Tablettieren, aber auch beim Reinigen. Auch ansonsten ist das Reinigen der Matrizenaufnahmebohrungen und der Sacklochgewindebohrungen für die Matrizenschrauben aufwändig. Die Matrizen müssen mit Hilfe von radial in die Matrizenscheibe eingeschraubten Schraubenbolzen in den Aufnahmebohrungen festgelegt werden. Darüber hinaus ist der Montageaufwand beim Ein- und Ausbau der Matrizen relativ hoch. Schließlich ist das Ausrichten der Matrizen zu den Oberstempeln mit Aufwand und Schwierigkeiten verbunden.

Aus der JP 10305395 A ist, so wird weiter in der Klagepatentschrift ausgeführt, eine Tablettenpresse bekannt geworden, bei der die Matrizenscheibe aus einzelnen Segmenten besteht. Die Segmente werden mit Hilfe von Schraubenbolzen und Halteteilen über die Oberstempelführung an der Unterstempelführung festgelegt. Beim Auswechseln der Segmente der Matrizenscheibe muss die gesamte Oberstempelführung mit den Oberstempeln entfernt werden.

Aus der DD 225851 A3 ist eine Tablettenpresse bekannt geworden, bei der die Matrizenscheibe ebenfalls aus einzelnen Segmenten besteht, die zwischen sich eine Fuge aufweisen, wobei benachbarte Segmente eine Nut aufweisen, in welche ein Federelement eingelegt ist. Die Matrizen sind nicht nur in Bohrungen der Matrizenscheibensegmente eingeführt, sondern auch in Bohrungen des Rotors, der die Ober- und Unterstempelführung enthält, eingelassen und mit Hilfe geeigneter Schraubverbindungsmittel festgelegt.

Dem Klagepatent liegt das Problem (die Aufgabe) zugrunde, den bekannten Rotor dahin zu verbessern, dass der Aufwand zum Betrieb der Presse deutlich verringert wird.

Das soll durch folgende Merkmalskombination geschehen:

Rotor für Tablettenpressen mit den Merkmalen:

Eine Oberstempelaufnahme (12) für Oberstempel (34),

eine Unterstempelführung (16) für die Unterstempel (36) der Tablettenpresse,

eine Matrizenscheibe (26) mit einer Reihe von Matrizenbohrungen (28),

die Matrizenbohrungen (28) sind zu den Ober- und Unterstempeln (34, 36) ausgerichtet,

die Matrizenscheibe (26) besteht aus mindestens zwei Ringsegmenten (22, 24),

3.2.1. die Ringsegmente (22, 24) sind mittels einer Befestigungsvorrichtung (36, 32, 44, 46) kraft- und/oder formschlüssig am Körper (20) der Unterstempelführung (16) anbringbar.

Ober- und Unterstempel (34, 36) wirken unmittelbar mit Bohrungen (28) der Ringsegmente (22, 24) zusammen.

In der Beschreibung der Klagepatentschrift wird erläutert, dass bei dem erfindungsgemäßen Rotor die Formwerkzeuge unmittelbar von den Bohrungen in den Ringsegmenten gebildet werden. Eine Verunreinigung der Bohrungen für die Feststellschrauben der Matrizen kann daher nicht auftreten. Da die Ringsegmente mittels einer Befestigungsvorrichtung kraft- und/oder formschlüssig am Körper der Unterstempelführung angebracht werden können, ist deren Demontage vom Rotor möglich, ohne dass ein Ausbau des Rotors als ganzes erforderlich ist. Daher gestaltet sich das Reinigen außerordentlich einfach. Eine weitere Vereinfachung liegt darin, dass spezielle Matrizen nicht erforderlich sind. Zudem ist vorteilhaft, dass ein leichter Wechsel von einer Kontur eines Presslings zur nächsten erfolgen kann. Auch hier entfällt der Ein- und Ausbau von Matrizen, weil Matrizen bei dem erfindungsgemäßen Rotor nicht mehr verwendet werden müssen. Zudem können auf einem Teilkreis mehr Bohrungen untergebracht werden als bei der Verwendung von Matrizen. Da Matrizen nicht mehr verwendet werden, gibt es auch keine über- oder unterstehenden Matrizen, welche die Funktion der Presse beeinträchtigen und das Reinigen erschweren können.

II.

Der von der Klägerin beanstandete Rotor der Beklagten verwirklicht nicht die Lehre aus Patentanspruch 1 des Klagepatents. Seine Ausgestaltung realisiert die Merkmale 3.2 und 3.2.1 weder wortsinngemäß noch mit äquivalenten Mitteln.

1.) Die Lehre aus Patentanspruch 1 des Klagepatents betrifft einen Rotor für Tablettenpressen, der eine Oberstempelaufnahme für Oberstempel, eine Unterstempelführung für Unterstempel und eine Matrizenscheibe aufweist.

Die Matrizenscheibe ist näher dadurch charakterisiert, dass sie eine Reihe von Matrizenbohrungen enthält, aus mindestens zwei Ringsegmenten besteht und die Ringsegmente mittels einer Befestigungsvorrichtung kraft- und/oder formschlüssig am Körper der Unterstempelführung angebracht werden können (Merkmale 3.1, 3.2 und 3.2.1).

Mit der Vorgabe, dass die Matrizenscheibe eine Reihe von Matrizenbohrungen enthält und aus mindestens zwei Ringsegmenten bestehen soll, grenzt sich der Gegenstand von Patentanspruch 1 gegenüber einem Stand der Technik ab, bei dem von den Bohrungen der Matrizenscheiben Matrizen aufgenommen wurden, bei denen es sich nach der Erläuterung des Klagepatents um zumeist hülsenförmig ausgestaltete Formwerkzeuge gehandelt hat (vgl. Klagepatent, Rdn. 3). Die Innenkonturen der Matrizen haben bei diesem Stand der Technik die Kontur des Presslings bestimmt (Rdn. 3). Demgegenüber sollen erfindungsgemäß die Formwerkzeuge unmittelbar von den Bohrungen in den Ringsegmenten gebildet werden (Rdn. 9), so dass spezielle Matrizen nicht mehr erforderlich sind (Rdn. 10 a.E.). Unter Hinzuziehung der Beschreibung versteht der Fachmann Merkmal 3.2 also dahingehend, dass die Matrizenscheibe nur aus mindestens zwei Ringsegmenten besteht, welche Bohrungen aufweisen, die unmittelbar als Formwerkzeuge eingesetzt werden können, und nicht auch noch darüber hinaus weitere Teile in Gestalt von Matrizen - verstanden als von den Matrizenbohrungen aufgenommene Formwerkzeuge - aufweisen darf.

Mit dem Einsatz der Bohrungen der Matrizenscheibe unmittelbar als Formwerkzeuge werden die mit der Verwendung von eigens in die Bohrungen der Matrizenscheibe als Formwerkzeuge einzusetzenden Matrizen verbundenen Nachteile vermieden. In der Beschreibung des Klagepatents werden die Nachteile darin gesehen, dass die eingesetzten Matrizen über die Oberseite der Matrizenscheibe überstehen oder tiefer liegen können, was Probleme beim Tablettieren oder Reinigen zur Folge haben kann. Zudem ist der Montageaufwand beim Ein- und Ausbau der Matrizen, die mit Hilfe von radial in die Matrizenscheibe eingeschraubten Schraubenbolzen in die Aufnahmebohrungen festgelegt werden, relativ hoch. Auch müssen die Matrizen zu den Oberstempeln aufwändig ausgerichtet werden (vgl. Rdn. 4). Alle diese Probleme bestehen nicht mehr, wenn der Einsatz von Matrizen in die Bohrungen der Matrizenscheibe aufgegeben und stattdessen die Bohrungen selbst als Formwerkzeug verwendet werden.

Allerdings muss, wenn keine einsetzbaren Matrizen vorhanden sind, die Matrizenscheibe leicht montiert bzw. demontiert werden können, etwa wenn diese gereinigt oder ausgetauscht werden soll, damit ein Pressling mit veränderter Kontur hergestellt werden kann (vgl. Rdn. 10, 11). Aus der JP 10305395 war bereits die Matrizenscheibe einer Tablettenpresse bekannt, die aus einzelnen Segmenten bestand. Diese wurden mit Hilfe von Schraubenbolzen und Halteteilen für die Oberstempelführung an der Unterstempelführung festgelegt. Beim Auswechseln der Segmente der Matrizenscheibe musste, wie in der Beschreibung des Klagepatents festgestellt wird, die gesamte Oberstempelführung mit den Oberstempeln entfernt werden (vgl. Rdn. 5). Bei der aus der DD 225851 bekannt gewordenen Tablettenpresse war die Matrizenscheibe zwar ebenfalls segmentiert, aber auch hier war deren Austausch umständlich (vgl. im Einzelnen Rdn. 6). Um dies zu vermeiden schlägt die Lehre aus Patentanspruch 1 des Klagepatents vor, die Ringsegmente der Matrizenscheibe mittels einer Befestigungsvorrichtung kraft- und/oder formschlüssig am Körper der Unterstempelführung anbringbar auszugestalten. Dadurch ist es möglich, die Ringsegmente vom Rotor zu demontieren, ohne dass der Rotor als Ganzes auseinandergenommen werden muss (Rdn. 10). Die Montage und Demontage der Matrizenscheibe, etwa um diese zu reinigen oder auszutauschen, weil ein anders konturierter Pressling hergestellt werden soll, vereinfacht sich maßgeblich.

2.) Bei der angegriffenen Ausführungsform weist der Rotor einen oberen und einen unteren Stempelführungsring auf. Zwischen beiden Stempelführungsringen ist ein scheibenförmiges Bauteil eingeklemmt, das nur ausgebaut werden kann, wenn die Körper der Ober- und der Unterstempelführung voneinander gelöst werden (vgl. Anlage B 2). In dem scheibenförmigen Bauteil sind drei ringsegmentförmige (bananenförmige) Aussparungen vorhanden (vgl. Anlage B 3, Bezugszeichen 29). In die ringsegmentförmigen Aussparungen werden entsprechend ringsegmentförmig ausgestaltete Einsatzstücke eingesetzt. Die Einsatzstücke weisen jeweils acht Bohrungen auf, die unmittelbar als Formwerkzeug verwendet werden (vgl. Anlage B 4). Die Befestigung der Einsatzstücke erfolgt an der Unterseite des scheibenförmigen Bauteils. Hierzu verfügt dieser je Aussparung über mindestens eine Sacklochbohrung (vgl. Anlage B 2, B 3; Bezugszeichen 27), in der ein das Einsatzstück an der Matrizenscheibe festlegendes Spannteil (Anlage B 2, Bauteil-Nr. 10239115) mittels einer Schraube (Anlage B 2, Bauteil-Nr. 10100355) arretiert werden kann.

Nach Ansicht der Klägerin besteht die Matrizenscheibe bei der angegriffenen Ausführungsform aus den ringsegmentförmig ausgestalteten, mit einer Vielzahl von Matrizenbohrungen versehenen Einsatzstücken und verwirklicht damit Merkmal 3.2. Die Ringsegmente würden zudem von dem scheibenförmigen Bauteil aufgenommen, das selbst keine Matrizenbohrungen aufweise. Die Ringsegmente seien mittels einer Befestigungsvorrichtung kraft- und formschlüssig an der scheibenförmigen Halteeinrichtung und am Körper der Unterstempelführung anbringbar, so dass auch Merkmal 3.2.1 erfüllt sei.

Der Klägerin kann in der patentrechtlichen Bewertung der angegriffenen Ausführungsform nicht zugestimmt werden. Die Matrizenscheibe der angegriffenen Ausführungsform besteht nicht nur aus mindestens zwei Ringsegmenten, die mittels einer Befestigungsvorrichtung kraft- und/oder formschlüssig am Körper der Unterstempelführung angebracht werden können. Zutreffend ist zwar, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die ringsegmentförmigen, Matrizenbohrungen aufweisenden Einsatzstücke in dem scheibenförmigen Bauteil kraft- und formschlüssig befestigt sind, so dass sie ausgewechselt werden können, ohne dass dafür der Rotor (insbesondere die Körper der Ober- und Unterstempelführungen) demontiert werden muss. Allein die drei ringsegmentförmigen Einsatzteilen der angegriffenen Ausführungsform bilden jedoch keine Matrizenscheibe im Sinne der Lehre des Klagepatents. Denn die ringsegmentförmigen Einsatzteile sind nicht an dem Körper der Unterstempelführung angebracht, sondern in Ausnehmungen des scheibenförmigen Bauteils eingesetzt. Dieses ist seinerseits nicht kraft- und formschlüssig an den Körper der Unterstempelführung angebracht, sondern wird vielmehr von den Körpern der Ober- und der Unterstempelführung eingeklemmt, so dass es zur Auswechselung des scheibenförmigen Bauteils gerade der erfindungsgemäß zu vermeidenden Demontage des gesamten Rotors bedarf. Die Matrizenscheibe besteht bei der angegriffenen Ausführungsform also aus dem scheibenförmigen Bauteil und den ringsegmentförmigen Einsatzteilen und damit nicht nur aus mindestens zwei Ringsegmenten, die kraft- und/oder formschlüssig am Körper der Unterstempelführung angebracht werden können, so wie dies in Merkmal 3.2.1 vorgeschrieben ist.

Der Klägerin kann auch nicht darin gefolgt werden, dass allein die ringsegmentförmigen Einsatzteile erfindungsgemäße Ringsegmente sind, welche die Matrizenscheibe bilden, weil allein diese in Zusammenwirken mit den Ober- und Unterstempeln an der Formung des Presslings beteiligt sind. Denn mit dieser Argumentation berücksichtigt die Klägerin nicht, dass es der Erfindung neben dem Aufwand, der mit dem Einsetzen von Matrizen verbunden ist, vor allem auch darauf ankommt, die Über- bzw. Unterstände zu vermeiden, die entstehen können, wenn Matrizen in die Matrizenscheibe eingesetzt werden müssen (vgl. Klagepatent, Rdn. 4, 12). Um dieses Ziel zu erreichen, ist erfindungsgemäß vorgesehen, dass die die Matrizenscheibe bildenden Segmente Bohrungen aufweisen, die unmittelbar als Formwerkzeuge eingesetzt werden können, und zudem die Ringsegmente kraft- und/oder formschlüssig am Körper der Unterstempelführung anbringbar sind. Durch die Eignung der unmittelbar auch als Formwerkzeuge einsetzbaren Ringsegmente, am Körper der Unterstempelführung angebracht werden zu können, bedarf es keines Einsetzens von Matrizen in Bohrungen der Matrizenscheibe mehr, so dass auch nicht mehr die Gefahr besteht, dass diese über- oder unterstehen können. Die Gefahr von Über- bzw. Unterständen ist aber weiterhin gegeben, wenn - wie bei der angegriffenen Ausführungsform - als Formwerkzeuge wirkende Segmente in Ausnehmungen der Matrizenscheibe eingesetzt werden müssen, auch wenn die Segmente - anders als die aus dem Stand der Technik bekannten Matrizen - teilringförmig (bananenartig) ausgestaltet sind und mehrere Bohrungen aufweisen.

Es kann überdies auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin nicht festgestellt werden, dass die von dieser als Ringsegmente angesehenen ringsegmentförmigen Einsätze mittels einer Befestigungsvorrichtung kraft- und/oder formschlüssig am Körper der Unterstempelführung angebracht werden können. Die ringsegmentförmigen Einsätze werden vielmehr in die entsprechend ausgeformten Ausnehmungen des scheibenförmigen Bauteils eingesetzt, von dem die Klägerin selbst - zu Recht - nicht vorgetragen hat, dass es sich dabei um den Körper der Unterstempelführung handelt. Die Klägerin hat aber im Verhandlungstermin zunächst ausführen lassen, dass über die in Figur 1 des Gebrauchsmusters 20 2005 001 566 (Anlage K 6) der Beklagten gezeigte Distanzscheibe 30 eine kraft- und formschlüssige Befestigung der ringsegmentförmigen Einsätze an der Unterstempelführung realisiert sei. Nachdem die Beklagte dem mit dem Hinweis entgegengetreten war, dass die angegriffene Ausführungsform keine solche Distanzscheibe aufweise, sondern vielmehr so ausgestaltet sei, wie sich dies aus den als Anlage B 2 bis B 5 vorgelegten Zeichnungen und Ablichtungen ergebe, hat die Klägerin nunmehr ausgeführt, dass eine kraft- und formschlüssige Befestigung über die Teile 10100355 und 10239115 der Anlage B 2 bestehe. Auch dies kann jedoch nicht festgestellt werden. Der Zeichnung lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass das Spannelement (Anlage B 2, Bauteil-Nr. 10239115) kraft- und/oder formschlüssig an dem benachbarten Vorsprung der Unterstempelführung anliegt. Gleiches gilt für die Schraube (Anlage B 2, Bauteil-Nr. 10100355), welche das Spannelement festlegt und schon deshalb nicht an dem Vorsprung anliegen kann, weil sie sonst nicht wieder gelöst werden könnte, wenn der ringsegmentförmige Einsatz zu Reinigungs- oder Austauschzwecken herausgenommen werden soll. Das Vorbringen der Klägerin zur angeblichen kraft- und/oder formschlüssigen Befestigung der ringsegmentförmigen Einsätze an der Unterstempelführung erweist sich daher als widersprüchlich und nicht nachvollziehbar.

Eine wortsinngemäße Verwirklichung der Merkmale 3.1 und 3.2.1 kommt demnach nicht in Betracht.

3.) Aber auch von einem Fall patentrechtlicher Äquivalenz kann keine Rede sein. Es fehlt offensichtlich bereits an einer Gleichwirkung. Das der Erfindung mit zugrundeliegende Problem, die Gefahr von Über- oder Unterständen der in die Bohrungen der Matrizenscheibe einzusetzenden Matrizen, welche die Funktion der Presse und ihre Reinigung beeinträchtigen können, zu vermeiden, wird nicht dadurch behoben, dass statt einzelner Matrizen nunmehr ringsegmentförmige Einsätze in Ausnehmungen der Matrizenscheibe eingesetzt werden. Denn auch bei dieser durch die angegriffene Ausführungsform realisierten Abwandlung kann es zu Über- und Unterständen kommen, welche nach der Lehre des Klagepatents gerade zu vermeiden sind. Zudem ist nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich, aufgrund welcher am Sinngehalt der Lehre aus Patentanspruch 1 ausgerichteter Überlegungen der Fachmann die bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklichte Abwandlung hätten auffinden können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 500.000,00 € festgesetzt.

Dr. Grabinski Klus Dr. Voß






LG Düsseldorf:
Urteil v. 10.01.2008
Az: 4a O 414/06


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