Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. März 2007
Aktenzeichen: 24 W (pat) 147/05

(BPatG: Beschluss v. 06.03.2007, Az.: 24 W (pat) 147/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Juni 2005 und vom 7. Oktober 2005 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Wortmarke GlobalChem 24 ist für die Dienstleistungen

"Beratung eines Chemikers oder eines Ingenieurs, insbesondere bei Transportunfällen mit Chemikalien und anderen Gefahrengütern;

Erarbeitung von Notfall-, Alarm- und Gefahrenabwehrplänen, insbesondere bei Transportunfällen mit Chemikalien und anderen Gefahrengütern;

Erstellung von Produktinformationen für Transporte von und für die Notfallberatung für Chemikalien und anderen Gefahrgütern"

zur Eintragung in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet.

Mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 MarkenG von der Eintragung zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die in der Marke enthaltene Ziffer "24" in der modernen Gegenwartssprache zur Kennzeichnung eines rund um die Uhr, d. h. 24 Stunden verfügbaren Angebots von Waren oder Dienstleistungen verwendet werde, wobei die Art des Angebots typischerweise vor der Ziffer "24" stehe. Die Silbe "Chem" in dem Eingangswortbestandteil "GlobalChem" werde vielfach als Kurzbezeichnung für das Sachgebiet der "Chemie" verwendet. Verstärkt durch das Präfix bzw. Adjektiv "Global" mit der Bedeutung "allumfassend" werde daher den angesprochenen Verkehrskreisen in der Gesamtbezeichnung "GlobalChem 24" in Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen, die unmittelbar auf die Chemie bezogen seien, schlagwortartig und ohne vorausgehende analysierende Betrachtungen der ausschließlich beschreibende Sachhinweis auf ein umfassendes Angebot bzw. umfassende Informationen zu Chemie oder Chemikalien, rund um die Uhr, vermittelt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, nach deren Auffassung der angemeldeten Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Die von der Markenstelle vorgenommene Beurteilung beruhe auf einer analysierenden Betrachtung, die das Publikum nicht durchführe. Insbesondere sei der Wortbestandteil "Chem" ohne abkürzenden Punkt i. S. v. "Chemie, Chemiker, Chemikalie, chemisch etc." ausgesprochen vieldeutig und gerade nicht eindeutig identifizierbar. Die aus drei Bestandteilen bestehende Wort-Zahlenfolge sei schutzfähig, wobei allein der Umstand, dass die einzelnen Bestandteile jeweils für sich nicht unterscheidungskräftig seien, es nicht rechtfertige, auch die Kombination als nicht unterscheidungskräftig anzusehen.

Die Anmelderin beantragt (sinngemäß), die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats stehen der Eintragung der angemeldeten Marke keine absoluten Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen, insbesondere kann ihr nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH GRUR 2002, 804, 806 (Nr. 35) "Philips"; GRUR 2003, 514, 517 (Nr. 40) "Linde, Winward u. Rado"; GRUR 2004, 428, 431 (Nr. 48) "Henkel"; BGH GRUR GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 18) "FUSSBALL WM 2006"). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. u. a. EuGH a. a. O. (Nr. 41) "Linde, Winward u. Rado"; a. a. O. (Nr. 50) "Henkel"; GRUR 2004, 943, 944 (Nr. 24) "SAT.2"; BGH a. a. O. (Nr. 18) "FUSSBALL WM 2006"). Zu berücksichtigen ist außerdem, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen i. d. R so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH a. a. O. (Nr. 53) "Henkel"; BGH MarkenR 2000, 420, 421 "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION"; GRUR 2001, 1151, 1152 "marktfrisch"). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken nach der Rechtsprechung insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden, ohne weiteres und ohne Unklarheiten fassbaren beschreibenden Bezug zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) "Postkantoor"; BGH a. a. O. "marktfrisch"; GRUR 2001, 1153 "antiKalk"; GRUR 2005, 417, 418 "BerlinCard"; a. a. O. (Nr. 19) "FUSSBALL WM 2006"). Dies vermag der Senat für die angemeldete Wortmarke nicht festzustellen.

Zwar wird man mit der Markenstelle davon auszugehen können, dass die maßgeblichen inländischen Verkehrskreise den Sinngehalt der in der Marke enthaltenen Einzelbestandteile ohne weiteres verstehen werden. "Global" ist ein in der englischen und deutschen Sprache gebräuchliches Adjektiv mit der Bedeutung "weltweit, weltumspannend, Gesamt-, umfassend" (vgl. Duden-Oxford - Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005 [CD-ROM]; Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]; jeweils zu "global"). Ferner steht die Buchstabenfolge "Chem" bzw. "chem" - mit oder ohne Punkt - im Englischen wie im Deutschen als Abkürzung für (dt.) "Chemie, chemisch, Chemiker" (vgl. Duden - Das Wörterbuch der Abkürzungen, Aufl. 2005, S. 92) bzw. (engl.) "chemical, chemist(ry)" (vgl. Stahl/Kerchelich - Abbreviations Dictionary, Tenth Edition 2001, S. 232). Die i. d. R. nachgestellte Zahl "24" ist ein mittlerweile allgemein geläufiges Kürzel und Synonym für "24 Stunden" oder "rund um die Uhr", mit dem im Geschäftsverkehr auf ein rund um die Uhr - meist via Internet - verfügbares Dienstleistungs- oder Produktangebot hingewiesen wird (vgl. z. B. BPatG GRUR 2004, 336, 337 "beauty24.de"). Auch wohnt den einzelnen Wort- und Zahlenelementen in dem genannten Sinn für die beanspruchten Dienstleistungen jeweils für sich genommen eine beschreibende Aussage inne. So kann es sich um Dienstleistungen handeln, die global, also weltweit angeboten werden oder die umfassender Art sind, die weiterhin das Gebiet der Chemie betreffen, chemischer Art sind oder von einem Chemiker stammen und die rund um die Uhr verfügbar sind.

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer komplexen mehrgliedrigen Marke, wie der vorliegenden, in jedem Fall auf einer Prüfung der Gesamtheit, welche die Bestandteile bilden, beruhen muss. Der Umstand, dass jeder dieser Bestandteile für sich betrachtet nicht unterscheidungskräftig ist, schließt es nämlich nicht aus, dass deren Kombination unterscheidungskräftig sein kann (vgl. EuGH a. a. O. (Nr. 28) "SAT.2"; GRUR 2006, 229, 230 (Nr. 29) "BioID"). Dabei ist eine schutzfähige Marke dann anzunehmen, wenn ein merklicher Unterschied zwischen dem Gesamtgebilde und der bloßen Summe der Bestandteile besteht, was bei Wortkombinationen sprachliche oder begriffliche Besonderheiten voraussetzt, welche die gewählte Verbindung als ungewöhnlich und über die bloße Summenwirkung der Einzelworte hinausgehend erscheinen lassen (vgl. EuGH a. a. O. (Nr. 98-100) "Postkantoor"; a. a. O. (Nr. 34-37) "BioID" GRUR 2004, 680, 681 (Nr. 39-41) "BIOMILD"; s. hierzu auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 92). Als eine bloße aufzählende Aneinanderreihung der darin enthaltenen - beschreibenden - Wort- und Zahlenelemente oder eine sonst in ihrer Gesamtheit die fraglichen Dienstleistungen ohne weiteres und unmissverständlich beschreibende Begriffszusammenstellung kann die angemeldete Marke nach Auffassung des Senats jedoch nicht beurteilt werden.

Insoweit vermag der Senat nicht der von der Markenstelle vertretenen Auffassung zu folgen, dass die angesprochenen Verkehrskreise der am Zeichenanfang stehende Begriffszusammensetzung "GlobalChem" im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen unmittelbar, ohne weitere Überlegungen einen eindeutigen Sachhinweis auf ein umfassendes Angebot bzw. umfassende Informationen zu Chemie oder Chemikalien entnehmen würden. Ausgehend von der oben dargelegten Bedeutung der Einzelbestandteile "Global" und "Chem" und deren konkret gewählten Zusammenstellung, in der sich das Adjektiv bzw. Präfix "Global" auf die angefügte Abkürzung "Chem" bezieht, sowie im Hinblick auf vergleichbare, dem Publikum geläufige Zusammensetzungen mit dem Adjektiv oder Präfix "global/Global-" (s. z. B. "Global Player" = (dt./engl.) Konzern mit weltweitem Wirkungskreis; "global village" = (engl.) Weltdorf; "Global Call" = (dt./engl.) weltweite Telefonverbindung; "Globalstrategie" = (dt.) globale, weltweite, umfassende Strategie; vgl. Duden-Oxford - Großwörterbuch Englisch, a. a. O.; Duden - Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. 2007 [CD-ROM]; jeweils zu den genannten Stichwörtern), wird das Publikum der Wortkombination "GlobalChem" wohl überwiegend den am nächsten liegenden Begriffsgehalt "globale Chemie" oder "Globalchemie", also "weltweite, (welt)umfassende Chemie" zuordnen. Die weiteren sprachlich möglichen Bedeutungsvarianten "global chemisch" oder "globaler Chemiker" lassen bereits als solche keinen vernünftigen Sinn erkennen. Hingegen kann die von der Markenstelle vorgenommene Interpretation eines Hinweises auf ein umfassendes Angebot oder umfassende Informationen auf dem Gebiet der Chemie oder Chemikalien dem Wortsinn der Begriffskombination "GlobalChem" nicht unmittelbar, sondern erst nach weiteren Überlegungen und Sinndeutungen, mithin nur in mittelbar assoziativer Weise entnommen werden.

Aber auch soweit der Bestandteil "GlobalChem" nächstliegend im Sinn von "globaler, (welt)umfassender Chemie" verstanden wird, lässt sich die angemeldete Marke insgesamt in keinen klaren und unmissverständlich beschreibenden Sachbezug zu den beanspruchten Dienstleistungen bringen. So ist bereits nicht auf den ersten Blick einsichtig, was genau der Begriff "globale Chemie" oder "Globalchemie" bezeichnen soll. Anders als z. B. bei den oben genannten Begriffen "Global Player", "global village", "Global Call" und "global strategy/Globalstrategie", bei denen die weltweite, (welt)umfassende Ausbreitung oder Tätigkeit ein Charakteristikum darstellt, ist es nicht nahe liegend, die Chemie als solche, d. h. die "Wissenschaft von der Zusammensetzung, dem Aufbau und der Umwandlung der Stoffe" oder auch [ugs.] "die Chemikalie, die chemische Substanz" (vgl. Bertelsmann, Wörterbuch der deutschen Sprache, Aufl. 2004, S. 283 f.), mit dem Attribut "global" zu belegen. Chemie wird zwar überall auf der Welt ausgeübt oder hergestellt, eine weltumfassende Chemie aber gibt es in dem eigentlichen Wortsinn nicht. Selbst im Zusammenhang mit Dienstleistungen auf chemischem Gebiet, wie den in der Anmeldung beanspruchten, kann einem im Sinn von "globaler Chemie" oder "Gobalchemie" verstandenem Wortbestandteil "GlobalChem", zumal in der konkret verwendeten abgekürzten Wortform und in Verbindung mit der nachgestellten Ziffer 24, allenfalls ein vager, uneinheitlicher, eine mögliche Bestimmung oder Herkunft der betreffenden Dienstleistungen lediglich andeutender Hinweis entnommen werden.

Nachdem die angemeldete Marke eine über die beschreibende Bedeutung der darin enthaltenen Einzelbestandteile hinausgehenden Gesamtheit bildet, die als solche keinen bestimmten, die beanspruchten Dienstleistungen unmittelbar beschreibenden Aussagegehalt besitzt, handelt es sich ferner nicht um eine ausschließlich aus beschreibenden Angaben bestehende Marke i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Im weiteren Eintragungsverfahren wird die Markenstelle die von ihr zunächst zurückgestellte Prüfung nachzuholen haben, ob das angemeldete Verzeichnis der Dienstleistungen in Bezug auf dessen eindeutige Klassifizierbarkeit (§§ 32 Abs. 3, 65 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 20 Abs. 1 MarkenV) und hinreichende Bestimmtheit noch einer Klärung bedarf.






BPatG:
Beschluss v. 06.03.2007
Az: 24 W (pat) 147/05


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