Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Februar 2003
Aktenzeichen: 14 W (pat) 36/02

(BPatG: Beschluss v. 12.02.2003, Az.: 14 W (pat) 36/02)

Tenor

1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse C25C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Dezember 2001 wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur weiteren Behandlung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. Dezember 2001 hat die Prüfungsstelle für Klasse C25C des Deutschen Patent- und Markenamts die Patentanmeldung 101 08 893.0-24 mit der Bezeichnung

"Verfahren zur elektrochemischen Abscheidung von Metallen, Legierungen und Halbleitern aus ionischen Flüssigkeiten und niedrig schmelzenden Salzgemischen"

zurückgewiesen.

Dem Beschluss liegen die am 17. November 2001 eingegangenen Ansprüche 1 bis 17 zugrunde, von denen der Patentanspruch 1 wie folgt lautet:

Verfahren zur Herstellung von Metallen und deren Legierungen, Element- und Verbindungshalbleitern insbesondere von Metallen und deren Legierungen der zweiten bis fünften Hauptgruppe oder der Nebengruppen des Periodensystems, mit mittleren Kristallitgrößen im Bereich von 1-1000 nm, dadurch gekennzeichnet, dass man Metalle oder Legierungen, Element- und Verbindungshalbleitern in mit einer Kathode und Anode ausgestatteten Elektrolysevorrichtung, galvanisch aus einem niedrig schmelzendem Salzgemisch, bestehend aus anorganischen und/oder organischen Salzkomponenten, bei Temperaturen unterhalb von +200¡C abscheidet.

Die Zurückweisung ist im wesentlichen damit begründet, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nicht neu sei. Durch die Druckschrift

(1) Natter, H.; Schmelzer, M.; Hempelmann, R.: Nanocrystalline nickel and nickelcopper alloys: Synthesis, characterization and thermal stabilitiy. In: J. Mater. Res., 1998, Vol. 13, No. 5, S. 1186-1197 sei ein Verfahren zur Herstellung von Nickel oder Legierungen davon bekannt, bei dem die Kristallitgröße des abgeschiedenen Metalls 53 nm oder weniger betrage, die verwendete Elektrolyseeinrichtung mit Kathode und Anode ausgestattet sei, der verwendete Elektrolyt eine Ionen enthaltende Flüssigkeit sei und die Elektrolyse bei Temperaturen zwischen 283 und 363 K (= 10 bis 90o C) stattfinde. Im Gegensatz zur Auffassung des Anmelders gehe aus der Tabelle II auf Seite 1189 von (1) ein Elektrolyt hervor, der nur aus Salzen bestehe. Der Anspruch 1 sei somit mangels Neuheit nicht gewährbar. Die Nichtgewährbarkeit der Ansprüche 2 bis 17 ergebe sich bereits aus der Nichtgewährbarkeit des Anspruchs 1, wobei im übrigen die in den Ansprüchen 2, 3, 6, 7, 9, 11, 12 und 14 aufgeführten Merkmale nicht neu und die Merkmale der Ansprüche 10 und 17 durch die Druckschrift

(2) DE 1 180 140 B nahegelegt seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sein Patentbegehren mit den dem angegriffenen Beschluss zugrunde liegenden Patentansprüchen 1 bis 17 weiterverfolgt. Die Entgegenhaltung (1) stehe dem gültigen Anspruch 1 nicht neuheitsschädlich entgegen, da in (1) wässrige Elektrolyte zum Einsatz kämen. In der Tab. II auf Seite 1189 seien nämlich in der letzten Spalte die pH-Werte der Elektrolyte aufgeführt, die eine typische Eigenschaft wässriger Medien seien. Auch seien die Bestandteile des Bades in g/l, also in Konzentrationen aufgelistet, was sich auf die Menge eines Stoffes, die in 1 Liter Wasser gelöst wurde, beziehe. Darüber hinaus sei der Anmelder als Coautor von (1) bestens über sein experimentelles Vorgehen informiert und der Beschwerdebegründung eines Bestätigung des ersten Autors von (1) beigefügt, aus der eindeutig hervorgehe, dass bei (1) nur mit wässrigen Elektrolyten gearbeitet werde. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von (1) und auch (2) in der Art des verwendeten Elektrolyten und sei deshalb neu. Die Ansprüche 2 bis 17 seien ebenfalls als neu anzusehen und gewährbar.

Der Anmelder stellt sinngemäß den Antrag, den Beschluss vom 19. Dezember 2001 aufzuheben und das Patent im Umfang der mit Schriftsatz vom 13. November 2001 eingereichten Ansprüche 1 bis 17 und Beschreibungsseiten 1 bis 12, sowie den Figuren 1 bis 4 vom Anmeldetag zu erteilen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist zulässig. Sie konnte jedoch nur zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Patentanmeldung zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens an das Deutsche Patent- und Markenamt führen.

Der als Begründung für die Zurückweisung angezogene Vorwurf, dass der Gegenstand des dem Beschluss zugrunde liegenden und weiterhin geltenden Anspruchs 1 gegenüber dem aus der Entgegenhaltung (1) bekannten Verfahren nicht neu sei, ist nicht haltbar. Bei dem Verfahren nach (1) wird zwar Nickel oder eine Nickel-Kupfer-Legierung einer Kristallitgröße von 13 bis 93 nm in mit einer Kathode und Anode ausgestatteten Elektrolysevorrichtung galvanisch bei Temperaturen zwischen 283 und 363 K (10 und 90oC) entsprechend den Angaben im geltenden Patentanspruch 1 abgeschieden (S 1186 Zusammenfassung, S 1187 re Sp III.). Es wird bei (1), wie aus der Tabelle II, Bad A auf S 1189 und S 1188 re Sp V. A. hervorgeht, ein Elektrolyt verwendet, der aus 40 g/l NiSO4, 60 bzw. 120 g/l K,Natartrat und 20 bzw. 40 g/l NH4Cl besteht und einen pH-Wert von 5 bis 6 aufweist. Diese Konzentrationsangaben bedeuten, dass in der Summe 120 bzw. 200 g Salz in einem Liter eines Lösungsmittels gelöst sind und nicht dass der Elektrolyt aus Salz besteht. Wird bei einer Lösung bzw. einem Elektrolyten eines bestimmten pH-Wertes das Lösungsmittel, wie im vorliegenden Fall, nicht weiter spezifiziert, so handelt es sich für den Fachmann, einen Chemiker, selbstverständlich um Wasser als Lösungsmittel. Zudem ist es, wie der Anmelder in seiner Beschwerdebegründung feststellt, auch unüblich in Veröffentlichungen die Wassermenge anzugeben. Das Verfahren gemäß dem geltenden Anspruch 1 der vorliegenden Anmeldung unterscheidet sich also von dem aus (1) bekannten Verfahren in der Art des verwendeten Elektrolyten, der gemäß dem geltenden Anspruch 1 ein niedrig schmelzendes Satzgemisch ist. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist damit gegenüber der Entgegenhaltung (1) neu.

Auch die Feststellung im angefochtenen Beschluss, dass die dem Beschluss zugrundeliegenden Ansprüche 1 bis 17 zulässig sein, trifft auf den geltenden Anspruch 1 nicht zu. Denn für das Merkmal, dass das Salzgemisch aus anorganischen und/oder organischen Salzkomponenten besteht, findet sich für den ausschließlichen Einsatz nur einer der Komponente keine Stütze in den ursprünglichen Unterlagen.

Aus dem Erstbescheid der Prüfungsstelle vom 24. September 2001 und dem angefochtenen Zurückweisungsbeschluss ist nicht erkennbar, ob das Patentbegehren im Hinblick darauf geprüft wurde, dass es sich beim Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 um ein Verfahren zur elektrochemischen Abscheidung von Metallen aus niedrig schmelzenden Salzgemischen handelt, zumal auch die weitere von der Prüfungsstelle genannte Druckschrift (2) kein solches Verfahren betrifft. Bereits ein Blick auf den vom Anmelder zitierten Stand der Technik, insbesondere auf Seite 5 der ursprünglichen Unterlagen, zeigt, dass auf diesem Gebiet umfangreiches Material vorliegt. Eine gezielte Recherche des Standes der Technik in diese Richtung erscheint daher zur Beurteilung der Patentfähigkeit des Anmeldungsgegenstandes notwendig.

Zwar ist der Beschwerdesenat gehalten, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 87 Abs 1 Satz 1 PatG) und daher befugt eigene Ermittlungen anzustellen, doch ist hierfür in erster Linie das Deutsche Patent- und Markenamt berufen, das mit den geeigneten Mitteln zur Recherche ausgestattet ist. Der Senat hat daher davon abgesehen, selbst weitere Ermittlungen anzustellen.

Bei dieser Sachlage war die Sache ohne eigene Sachentscheidung gemäß § 79 Abs 3 Satz 1 Nr 1 und 3 PatG zur weiteren Behandlung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspricht der Billigkeit, vgl. Benkard PatG 9. Aufl § 80 Rdn 17ff; Schulte PatG 6. Aufl § 73 Rdn 142ff, insbes. Rdn 157. Die Prüfungsstelle hat im Zurückweisungsbeschluss ua ausgeführt, in der Entgegenhaltung (1) sei eine aus Salzen bestehende Elektrolyt-Zusammensetzung angegeben. Von dieser Auslegung der Entgegenhaltung hat der Anmelder erstmals im Zurückweisungsbeschluss erfahren. Im Erstbescheid war nur auf die - daraufhin nicht mehr weiterverfolgte - Alternative mit einer Ionen enthaltenden Flüssigkeit als Elektrolyt hingewiesen worden. Dem Anmelder wäre daher vor der Zurückweisung Gelegenheit zur Äußerung einzuräumen gewesen.

Ein wesentlicher Mangel des Verfahrens liegt daher in der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Dagegen ist in der sachlichen Fehlbeurteilung der Neuheit kein Verfahrensfehler zu sehen, der als Grund für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Betracht käme (Schulte aaO Rdn 149).

Dr. G. Wagner Harrer Dr. F. Feuerlein Dr. Gerster Fa






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Beschluss v. 12.02.2003
Az: 14 W (pat) 36/02


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