Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 20. Februar 2009
Aktenzeichen: 2 Not 8/08

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 20.02.2009, Az.: 2 Not 8/08)

Tenor

In der Notarsache € wird der Antrag vom 1.10.2008 aufgerichtliche Entscheidung wegen Ablehnung der Vertreterbestellungauf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Geschäftswert wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Notar mit Amtssitz in 01. Er beantragte, seinen ehemaligen Sozius Rechtsanwalt X während seiner Abwesenheit am 18.September 2008 aufgrund eines Arzttermins zu seinem Vertreter im Notariat zu bestellen. Dies entsprach der in der Vergangenheit geübten Praxis.

Der Präsident des Landgerichts Frankfurt am Main hat mit Verfügung vom 17. September 2008 - XI R 4359 - den Antrag abgelehnt, weil aufgrund von schwerwiegenden vorsätzlichen Amtspflichtverletzungen Zweifel an der Eignung von Rechtsanwalt X zum Notarvertreter bestünden.

Mit Verfügung vom 7.7.2008 sei der Antrag von Rechtsanwalt X abgelehnt worden, weiterhin den Titel €Notar€ mit dem Zusatz €a. D.€ führen zu dürfen. Dies beruhe auf Erkenntnissen aus dem gegen Rechtsanwalt X geführten Strafverfahren 5/27 Kls 7570 Js 234136/00 € 16/04. Der Freispruch von Rechtsanwalt X beruhe darauf, dass der Vorsatz den Eintritt eines Schadens nicht erfasst habe, ändere aber nichts an den Amtspflichtverletzungen.

Gegen die Verfügung vom 17. September 2008 wendet sich der Antragsteller mit dem am 2. Oktober 2008 beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung wegen Ablehnung einer Vertreterbestellung.

Er verweist auf den beim Senat eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Verfügung des Präsidenten des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7.7.2008.

Er trägt weiterhin vor, es sei ermessenfehlerhaft, auf das Strafverfahren abzustellen, weil Rechtsanwalt X nach dem Freispruch kein strafrechtlicher Vorwurf mehr zu machen sei.

Die persönliche Eignung für eine Vertreterbestellung sei nicht gegeben, wenn einer der Tatbestände für eine Amtsenthebung vorlägen.

Die Verfügung sei von der Vorsitzenden jener Strafkammer unterzeichnet, deren Urteil der Bundesgerichtshof abgeändert habe.

Die Notarkammer habe angehört werden müssen.

Auf den weiteren Inhalt der Antragsschrift (Bl. 1 ff. d. A.) wird verwiesen.

Er beantragt,

festzustellen, dass Rechtsanwalt € X auf Antrag des Notars als dessen amtlich bestellter Vertreter vom Präsidenten des Landgerichts zu bestellen sei,und im Wege einer einstweiligen Anordnung, den Präsidenten des Landgerichts bis zur Entscheidung über den Hauptantrag anzuweisen, auch in Zukunft seine Vertretung durch Rechtsanwalt € X nicht zu verweigern.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

Er hat ausgeführt, es sei nicht ermessensfehlerhaft, Rechtsanwalt X, gegen den seit 1996 mehrere Disziplinarverfügungen € zuletzt 1998 und 2000 € ergangen seien, nicht mehr zum Vertreter des Antragstellers zu bestellen. Bis zum Abschluss des Strafverfahrens habe wegen der Vorwürfe, die Gegenstand des Strafverfahrens waren, keine weitere Disziplinarmaßnahme verfügt werden können. Er habe jedoch in einem Fall 700.000,- DM von seinem Anderkonto ausgezahlt, obwohl ihm eine Treuhandauftrag der Bank noch nicht vorgelegen habe und in einem weiteren Fall 250.000,- DM ausgezahlt, obwohl eine Mitarbeiterin ihn darauf hingewiesen habe, dass die Auszahlungsvoraussetzungen nach dem Treuhandauftrag nicht vorgelegen hätten.

Aus dem Strafverfahren ergäben sich schwerwiegende Verstöße gegen Treuhandaufträge, bei denen lediglich der Vorsatz hinsichtlich des Schadenseintritts nicht habe festgestellt werden können. Rechtsanwalt X habe aber grob fahrlässig gehandelt.

II.

Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist aus mehreren Gründen unzulässig. Zum einen ist ein Eilbedürfnis überhaupt nicht dargelegt, so dass die Voraussetzungen für eine vorläufige Eilmaßnahme nicht vorliegen.

Zum anderen ist eine in die Zukunft gerichtete Ermessensbindung der Justizverwaltung in der Sache unstatthaft, da der beantragte Zeitraum für die Vertreterbestellung bereits verstrichen ist und das pflichtgemäße Ermessen der bestellenden Behörde, welches durch den Senat nur begrenzt nachprüfbar ist, in jedem neuen Vertretungsfall von neuem ausgeübt werden muss. Da nicht voraussehbar ist, ob in Gesundheit und Zuverlässigkeit von Rechtsanwalt X zukünftig neue Gesichtspunkte aktenkundig werden, würde eine Ermessenbindung der Justizverwaltungsbehörde für die Zukunft die Entscheidungskompetenz des Senats nach § 111 BNotO überschreiten.

Nach Ablauf der vorgesehenen Vertretungszeit ist der Hauptantrag als Feststellungsantrag jedoch zulässig. Eine rückwirkende Bestellung ist zwar nicht möglich. Der Antragsteller hat aber ein fortbestehendes Interesse an der Entscheidung, da es sich um eine Frage der grundsätzlichen Organisation seines Notariats handelt. Auch steht zu erwarten, dass die Landesjustizverwaltung die Gesichtspunkte einer gerichtlichen Entscheidung bei unveränderter Sachlage künftig berücksichtigt.

Der Antrag ist aber unbegründet. Die Verfügung des Präsidenten des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. September 2008 war nicht ermessenswidrig. Der Antragsteller hat ebenso wie Rechtsanwalt X keinen Anspruch auf Bestellung eines bestimmten Vertreters. Die Bestellung eines Notarvertreters nach § 39 BNotO dient der Sicherung der Rechtspflege, nicht den wirtschaftlichen oder organisatorischen Belangen des Antragstellers. Eine Ermessenbindung durch das Willkürverbot besteht nur dann, wenn dem Antrag des Notars nichts entgegensteht und ohne erkennbaren Grund ein anderer Vertreter gewählt wird.

Im vorliegenden Fall ist ein Überschreiten des Ermessensspielraums nicht festzustellen. Die Eignung als Notarvertreter im Sinne von § 39 Abs. 3 S. 1 BNotO fehlt, wenn zu befürchten ist, dass der Vertreter gegen Dienstpflichten verstoßen könnte, wobei der Verdacht von Unzuverlässigkeiten in der Vergangenheit ausreicht, wenn diese schwerwiegend genug sind und sich in Zukunft wiederholen könnten. Die Justizverwaltung ist nicht verpflichtet, Verdachtsmomente zu verifizieren, wozu sie auch nicht in der Lage ist. Zum Schutz der rechtsuchenden Bürger ist vielmehr davon Abstand zu nehmen, Vertreter zu bestellen, an deren Integrität und Verlässlichkeit ernsthafte Zweifel bestehen. Hierfür lagen dem Präsidenten des Landgerichts hinreichende Anhaltspunkte vor.

Zwar handelte es sich bei Rechtsanwalt X um einen erfahrenen Notar im Ruhestand, der schon mehrfach die Vertretung des Antragstellers übernommen hatte. Dieser grundsätzlichen fachlichen und persönlichen Eignung steht jedoch entgegen, dass dem gewünschten Vertreter nicht nur mehrfache eigene Disziplinarverstöße in der Vergangenheit zur Last gelegt werden müssen, sondern auch aufgrund der Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Strafverfahrens ein begründeter Verdacht besteht, dass Rechtsanwalt X in den letzten Jahren seiner Notartätigkeit einen hohen Betrag von 250.000,- DM unter Verstoß gegen eine zumindest in seiner Vorstellung bestehende Treuhandauflage ausgezahlt hat.

Ob der Vorwurf einer Auszahlung von 700.000,- DM in Erwartung eines noch nicht eingegangenen Treuhandauftrags in diesem Zusammenhang aufrechtzuerhalten ist, kann dahinstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (9. Zivilsenat, Urteil vom 21.10.2001, Az. IX ZR 427/98) darf ein Notar einen einseitigen Treuhandauftrag eines Kreditinstituts, welches den Kaufpreis für eine Immobilie finanziert, dann nicht mehr beachten, wenn der Treuhandauftrag erst eingeht, nachdem der Kaufpreis bereits auf dem Treuhandkonto verbucht ist. Von dieser Sachlage ist hier im Zweifel auszugehen, so dass der Verdacht eines dienstrechtlich vorwerfbaren Treuhandverstoßes von Rechtsanwalt X bei der ersten Auszahlung nicht hinreichend gesichert scheint. Zum Zeitpunkt der Auszahlung des Restkaufpreises von 250.000,- DM fühlte sich Rechtsanwalt X jedoch zumindest subjektiv an einen Treuhandauftrag gebunden. Er hatte auch vor der Auszahlung keine anderslautende Mitteilung an die Vertragsparteien oder das einzahlende Kreditinstitut gemacht. Warum er ohne die Zustimmung der Kreditgeberin einzuholen, sich letztlich nicht an die Treuhandauflagen hielt, an die er sich gebunden fühlte, sondern trotz der Warnung der Notargehilfin ohne den Nachweis einer Fertigstellungsbürgschaft auszahlte, wie das Landgericht im Strafverfahren feststellte, ist anhand der dem Senat vorliegenden Unterlagen nicht abschließend zu ermitteln.

Der Antragsteller verweist selbst zu Recht darauf, dass wegen des Ausscheidens von Rechtsanwalt X aus dem Notaramt wegen Erreichen der Altersgrenze das Disziplinarverfahren eingestellt wurde, so dass die Vorwürfe nicht geklärt wurden. Der Antragsteller beurteilt dies aus der verständlichen subjektiven Perspektive seiner organisatorischen Bedürfnisse dahingehend, ein Vorwurf sei nicht erwiesen. Dies ist aus dem Blickwinkel der Auswahl des für die zu betreuenden Parteien im Notariat am besten geeigneten Vertreters nicht ausreichend. Dem rechtsuchenden Publikum ist an einem Notarvertreter nicht gelegen, gegen den ein unausgeräumter Verdacht besteht, er habe sich bei der Verfügung über erhebliche Beträge über Auflagen einer Vertragspartei oder eines Kreditgebers hinweggesetzt. Dies ist bereits ausreichend, um eine fehlerhafte Ermessensausübung zu verneinen, da dem Senat hier nur ein eingeschränktes Prüfungsrecht zugewiesen ist (vgl. Wilke in Eylmann-Vaasen, Bundesnotarordnung-Beurkundungsgesetz, Anm. 21 zu § 39 BNotO).

Nach alledem war der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO i. V. m. § 201 Abs. 1 BRAO.

Der Geschäftswert wurde nach § 111 Abs. 4 BNotO, 202 Abs. 2 BRAO, 30 Abs. 2 KostO festgesetzt.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 20.02.2009
Az: 2 Not 8/08


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