Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 16. März 2010
Aktenzeichen: 17 A 391/06

(OVG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 16.03.2010, Az.: 17 A 391/06)

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit bezüglich des Sammelge-bührenbescheids vom 4. Dezember 2002 in Höhe eines Teilbetrages von 100,50 Euro für in der Hauptsache erledigt erklärt haben.

Das angefochtene Urteil wird geändert.

(1) Die im Tatbestand des angefochtenen Urteils aufgeführten Gebührenbescheide des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Mai 2000 und der Sammelgebührenbescheid vom 4. Dezember 2002 werden aufgehoben, soweit die festgesetzten Gebühren

(a) Untersuchungshandlungen in den Jahren 1991 bis 1993 betreffen und die Pauschalbeträge überschreiten, die sich aus Art. 2 Abs. 1 der Ent-scheidung 88/408/EWG ergeben,

(b) Untersuchungshandlungen betreffen, die dem Gebührenbescheid vom 5. Oktober 1995 zugrunde liegen.

(2) Der Sammelgebührenbescheid vom 4. Dezember 2002 wird darüber hinaus aufgehoben, soweit die festgesetzten Gebühren

(a) die Schlachttier- und Fleischuntersuchung sowie die Hygieneüberwachung in den Jahren 1994 und 1995 betreffen und die Beträge überschreiten, die sich bei Zugrundelegung der Untersuchungsgebühr nach § 2 Abs. 1 der Satzungen des Kreises Lippe über die Erhebung von Gebühren für Amtshandlungen nach dem Fleischhygienegesetz vom 17. Dezember 1990 bzw. 20. März 1995 ergeben,

(b) Untersuchungshandlungen betreffen, bezüglich derer ursprünglich die Firma Gebr. Pieper Fleischwerk GmbH als Gebührenschuldnerin in Anspruch genommen worden ist.

(3) Die Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 10. Mai 2000 und 14. Juni 2000 werden darüber hinaus aufgehoben, soweit sie Widersprüche betreffen, die nicht von der Gemeinschuldnerin, sondern von der Firma Gebr. Pieper Fleischwerk GmbH eingelegt worden sind.

(4) Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger als Konkursverwalter zu erstatten

(a) die für Untersuchungshandlungen in den Jah-ren 1991 bis 1993 geleisteten Gebührenzahlungen, soweit sie die Pauschalbeträge nach Art. 2 Abs. 1 der Entscheidung 88/408/EWG überschreiten,

(b) die für bakteriologische Untersuchungen in den Jahren 1994 und 1995 geleisteten Gebüh-renzahlungen, soweit sie auf an die Gemein-schuldnerin gerichteten Bescheiden beruhen,

(c) die auf den Gebührenbescheid vom 5. Oktober 1995 geleistete Gebührenzahlung.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 9/10, der Beklagte trägt 1/10 der Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig voll-streckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Firma H. . Q. M. G3. GmbH & Co. KG (nachfolgend: Gemeinschuldnerin), die einen - seit September 1993: den einzigen - öffentlichen Schlachthof im Kreis M1. betrieb. Die nach fleischhygienerechtlichen Vorschriften vorzunehmenden Untersuchungen erfolgten durch Bedienstete des Beklagten.

Für Untersuchungen im Zeitraum vom 1. Februar 1991 bis 27. September 1995

erhob der Beklagte mit 63, zwischen dem 15. März 1991 und dem 5. Oktober 1995 erlassenen Bescheiden Gebühren in Höhe von insgesamt 1.860.317,44 DM (= 951.165,20 Euro). Auf die Auflistung der Bescheide im Tatbestand des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen. 44 dieser Gebührenbescheide waren an die Gemeinschuldnerin gerichtet, 19 an ihre Komplementärin, die Firma H. . Q. Fleischwerk GmbH.

Den Gebührenbescheiden vom 15. März 1991 bis 24. April 1995 lag die Satzung des Kreises M1. über die Erhebung von Gebühren für Amtshandlungen nach dem Fleischhygienegesetz vom 17. Dezember 1990 - GebS 1990 - zugrunde. Die Gebührenbescheide vom 11. Mai 1995 bis 5. Oktober 1995 beruhten auf der gleichnamigen Satzung vom 20. März 1995 - GebS 1995 -.

Gegen sämtliche Gebührenbescheide wurde Widerspruch eingelegt. Die an die Gemeinschuldnerin gerichteten Bescheide wurden in 42 Fällen von ihr selbst und in 2 Fällen von ihrer Komplementärin angefochten. Die an die Komplementärin gerichteten Bescheide wurden jeweils von ihr selbst, in 3 Fällen unter Verwendung von Briefbögen der Gemeinschuldnerin, angefochten.

Die angeforderten Gebühren wurden ganz überwiegend, nämlich in Höhe von 1.786.178,24 DM (= 913.258,44 Euro), entrichtet. Lediglich auf die an die Komplementärin der Gemeinschuldnerin gerichteten Bescheide vom 7., 12. und 19. Juli 1995 in einer Gesamthöhe von 74.139,40 DM (= 37.906,87 Euro) ist eine Zahlung nicht erfolgt.

Im März 1995 erzielten die Komplementärin der Gemeinschuldnerin und der Beklagte Einvernehmen darüber, dass die Gebührenforderung in Höhe des EG-Pauschalbetrags von 1,30 ECU pro Schwein unstreitig sei. Im Mai 1995 einigten sie sich darauf, dass die auf den streitigen Teil der Gebührenforderung entfallenden Zahlungen von der Kreiskasse auf einem einzurichtenden Sparkonto des Kreises M1. angelegt werden sollten. In dieser Weise wurde in der Folgezeit, beginnend mit dem Gebührenbescheid vom 11. Mai 1995, verfahren; diese Praxis wurde während der Sequestration fortgesetzt.

Am 30. September 1995 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger als Konkursverwalter eingesetzt.

Während der Anhängigkeit des Widerspruchverfahrens trat die Satzung des Kreises M1. vom 13. Dezember 1999 über die Erhebung von Gebühren für Amtshandlungen nach den Vorschriften des Fleischhygienerechts - GebS 1999 - rückwirkend zum 1. Januar 1991 in Kraft. Sie sah unterschiedliche, jeweils nach Schlachtzahlen gestaffelte Gebührensätze für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung sowie für die Trichinenuntersuchung in öffentlichen Schlachthöfen, in Schlachtbetrieben außerhalb öffentlicher Schlachthöfe und bei Hausschlachtungen vor. Ferner enthielt sie einen gesonderten Gebührentatbestand für bakteriologische Untersuchungen.

Unter dem 7. Februar 2000 forderte der Kläger den Beklagten zur Rückzahlung der auf das "Sonderkonto" geleisteten Beträge auf, da das Bundesverwaltungsgericht inzwischen entschieden habe, dass die hinterlegten Gebühren nicht zu entrichten gewesen seien. Dieser Aufforderung kam der Beklagte nicht nach.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2000 wies der Beklagte die Widersprüche gegen sämtliche Gebührenbescheide mit Ausnahme derjenigen vom 7., 12. und 19. Juli 1995 zurück. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2000 wies er die Widersprüche gegen die vorgenannten drei Gebührenbescheide zurück. Beide Widerspruchsbescheide waren an den Kläger als Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin gerichtet. In den Begründungen heißt es jeweils: Die Gebührenerhebung finde ihre Rechtsgrundlage in der Gebührensatzung 1999, die ihrerseits im Einklang mit dem einschlägigen Landes-, Bundes- und Gemeinschaftsrecht stehe. Hiernach könne zur Deckung der tatsächlichen Untersuchungskosten eine die EG-Pauschalgebühr überschreitende spezifische Gebühr erhoben werden. Von dieser Möglichkeit habe der Beklagte Gebrauch gemacht.

Der Kläger hat am 23. Mai 2000 (9 K 1793/00) beziehungsweise 21. Juni 2000 (9 K 2184/00) Klage gegen die Gebührenbescheide in der Gestalt der Widerspruchsbescheide erhoben.

Während des Klageverfahrens ist das einschlägige Satzungsrecht erneut geändert worden: Durch die am 18. November 2002 beschlossene 1. Satzung zur Änderung der Satzung des Kreises M1. über die Erhebung von Gebühren für Amtshandlungen nach den Vorschriften des Fleischhygienerechts vom 2. April 2001, die ihrerseits ganz überwiegend zum 15. April 2001 in Kraft getreten war - ÄndS 2002 -, sind die in der letztgenannten Satzung enthaltenen gesonderten Gebührentatbestände für Trichinenuntersuchungen (mit Ausnahme von Wildschweinen) und bakteriologische Untersuchungen aufgehoben worden. Die Kosten dieser Untersuchungen sind in die Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung von Schweinen eingerechnet worden, die nach Betriebskategorien, Untersuchungszeiträumen und Schlachtzahlen differenziert neu festgesetzt worden sind. Die Änderungssatzung ist rückwirkend zum 1. Januar 1991 in Kraft getreten.

Gestützt auf die Änderungssatzung änderte der Beklagte die in den Verfahren 9 K 1793/00 und 9 K 2184/00 angefochtenen Bescheide durch einen an den Kläger als Konkursverwalter gerichteten Sammelgebührenbescheid vom 4. Dezember 2002 in der Weise, dass er die ursprünglich erhobenen getrennten Gebühren für die Fleischuntersuchung einschließlich Trichinenschau und die bakteriologische Untersuchung ersetzte durch die nunmehr in der Änderungssatzung für die jeweiligen Zeiträume vorgesehenen einheitlichen Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung. Die Summe der neu festgesetzten Gebühren beläuft sich auf 952.829,50 Euro. In dem Bescheid heißt es, auf den durch Rundungsdifferenzen aufgrund der Umstellung auf Euro entstandenen Differenzbetrag zu der bisherigen Gebührensumme in Höhe von 951.165,31 Euro (richtig: 951.165,20 Euro) werde verzichtet.

Der Kläger legte gegen den Sammelgebührenbescheid mit Schreiben vom 11. Dezember 2002 Widerspruch ein.

Mit Beschluss vom 7. Oktober 2005 hat das Verwaltungsgericht die Verfahren 9 K 1793/00 und 9 K 2184/00 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit Verfügung vom selben Tag hat es den Kläger um Stellungnahme gebeten, ob er den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklären und den Sammelgebührenbescheid ggf. in einem selbständigen Klageverfahren zur Überprüfung stellen oder ihn im Wege der Klageänderung zum alleinigen Klagegegenstand des fortgeführten Verfahrens 9 K 1793/00 machen wolle. Der Kläger hat daraufhin am 9. November 2005 die Klage dahin geändert, dass sich der Anfechtungsantrag gegen den Sammelgebührenbescheid richtet; zugleich hat er die Klage um einen die Rückzahlung der geleisteten Gebühren betreffenden Leistungsantrag erweitert.

Zur Begründung hat er ausgeführt:

Die mit den ursprünglichen Klagen angefochtenen Gebührenbescheide seien aus den in dem Urteil des erkennenden Gerichts vom 14. Dezember 2004 9 A 4056/02 - genannten Gründen rechtswidrig gewesen. Der an ihre Stelle getretene Sammelgebührenbescheid vom 4. Dezember 2002 sei im Hinblick auf den zwischenzeitlichen Konkurs der Gemeinschuldnerin ebenfalls rechtswidrig. Er habe zur Folge, dass der Beklagte Gebührenforderungen nicht mehr durch Leistungsbescheid, sondern - wie jeder andere Konkursgläubiger - nur noch durch Anmeldung zur Konkurstabelle verfolgen könne. Die bereits gezahlten Gebühren seien zurückzuerstatten. Die dem Sammelgebührenbescheid vom 4. Dezember 2002 zu Grunde liegende Änderungssatzung von 18. November 2002 berechtige den Beklagten nicht zum Behalten der erbrachten Zahlungen. Denn das konkursrechtliche Gleichbehandlungsgebot schließe es aus, dass sich ein Konkursgläubiger durch nachträgliche Schaffung einer Rechtsgrundlage gegenüber anderen Konkursgläubigern einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffe.

Der Kläger hat beantragt,

den Sammelgebührenbescheid des Beklagten vom 4. Dezember 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 913.258,33 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht:

Die streitgegenständlichen Gebührenforderungen seien bereits vor Konkurseröffnung entstanden und erfüllt worden. Die ursprünglich fehlerhaft gewesene Gebührenheranziehung sei durch den rückwirkenden Erlass der Änderungssatzung vom 18. November 2002 geheilt worden. Der Sammelgebührenbescheid vom 4. Dezember 2002 sei Rechtsgrund für das Behaltendürfen des von der späteren Gemeinschuldnerin bis zur Konkurseröffnung Geleisteten.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. Dezember 2005 im Wesentlichen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Sammelgebührenbescheid vom 4. Dezember 2002 sei weitgehend rechtmäßig. Insbesondere verstoße sein Erlass nicht gegen das konkursrechtliche Titulierungsverbot gemäß § 12 KO, da er kein Leistungsgebot, sondern nur eine Neufestsetzung der Gebühren beinhalte. Der Beklagte habe sich auch keinen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber anderen Konkursgläubigern verschafft. Denn das Rechtsverhältnis zwischen ihm und der späteren Gemeinschuldnerin sei bereits vor Konkurseröffnung durch Erbringung von Leistung und Gegenleistung abgewickelt gewesen. Durch die rückwirkende Satzungsänderung und den auf sie gestützten Sammelgebührenbescheid seien "lediglich" die Voraussetzungen für das Behaltendürfen der erbrachten Gegenleistung geschaffen worden.

In Höhe eines Teilbetrags von 8.707,99 Euro hat das Verwaltungsgericht den Sammelgebührenbescheid wegen Verstoßes gegen § 6 Abs. 2 FlGFlHKostG NRW aufgehoben und den Beklagten unter Berücksichtigung der hierauf erbrachten Zahlungen zur Erstattung von 6.734,02 Euro verurteilt.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend:

Es sei dem Beklagten verwehrt, nach Eröffnung des Konkursverfahrens Bescheide zu erlassen, die der Durchsetzung einfacher Konkursforderungen dienten. Unerheblich sei insoweit, ob es sich um einen "echten" Leistungsbescheid handele oder um einen Bescheid, der das Behaltendürfen einer zuvor rechtswidrig eingezogenen Leistung regele. Auch sei die einseitige Schaffung einer die Einziehung nachträglich rechtfertigenden Rechtsgrundlage nach Konkurseröffnung ausgeschlossen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise zu ändern, den Sammelgebührenbescheid des Beklagten vom 4. Dezember 2002 und die im Tatbestand des angefochtenen Urteils aufgeführten Gebührenbescheide in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10. Mai und 14. Juni 2000 insgesamt aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 906.524,31 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend:

Der Sammelgebührenbescheid beinhalte keine Zahlungsverpflichtung, sondern fasse lediglich die bereits vor Konkurseröffnung erlassenen Bescheide zusammen und stelle sie auf eine neue Rechtsgrundlage. Durch die rückwirkend in Kraft gesetzte Änderungssatzung vom 18. November 2002 sei allgemeines, für jedermann gültiges Recht geschaffen worden. Der Aufstellung einer Satzung stehe weder § 240 ZPO noch § 12 KO entgegen. Auch wenn der Sammelgebührenbescheid aufgehoben werde, stehe dem Kläger kein Rückzahlungsanspruch zu. Denn in diesem Fall würden die ursprünglichen Gebührenbescheide wieder aufleben, da ihre Rechtswirkung durch den Sammelgebührenbescheid nicht aufgehoben, sondern nur geändert worden sei. Das rückwirkende Inkrafttreten der Änderungssatzung vom 18. November 2002 habe zur Folge, dass diese bereits im Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Gebührenbescheide zugrunde gelegen habe.

Der Beklagte hat den Sammelgebührenbescheid wegen einer nicht nachvollziehbaren Abweichung von dem Gebührenbescheid vom 4. Januar 1994 in Höhe eines Teilbetrages von 100,50 Euro aufgehoben. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

Gründe

Das Verfahren ist einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt haben. Dies betrifft den vom Beklagten aufgehobenen Teilbetrag des Sammelgebührenbescheids in Höhe von 100,50 Euro.

Die Berufung hat teilweise Erfolg.

A. Hinsichtlich des Anfechtungsantrags gilt Folgendes:

I. Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass sich sein Anfechtungsbegehren auch auf die im Tatbestand des angefochtenen Urteils aufgeführten Gebührenbescheide des Beklagten in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10. Mai und 14. Juni 2000 erstreckt.

1. Diese sind durch den Sammelgebührenbescheid vom 4. Dezember 2002 nicht ersetzt, sondern lediglich modifiziert worden. Das kommt bereits im Wortlaut des Sammelgebührenbescheids zum Ausdruck, der durchgängig auf eine "Änderung" der Ursprungsbescheide abhebt. Die Änderung besteht darin, dass entsprechend der zwischenzeitlich mit Rückwirkung geänderten Satzungslage die Kosten der Trichinen- und der bakteriologischen Untersuchungen nicht mehr gesondert, sondern als Teil der allgemeinen Untersuchungsgebühr erhoben werden. Hierin liegt keine - zur Erledigung der ursprünglichen Gebührenbescheide führende - "Wesensänderung" der Heranziehung. Die gegenteilige Ansicht,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2004 9 A 4056/02 -, juris, Rdn. 111,

wird der Struktur der spezifischen Gebühr nach Kapitel I Nr. 4 lit. b des Anhangs zur Richtlinie 93/118/EG nicht gerecht. Diese Norm enthält kein Verbot einer Berechnung von Teilgebühren für abtrennbare Untersuchungsteile,

vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2007 3 C 50.06 -, NVwZ-RR 2008, 387 = juris, Rdn. 29 ff. (zu der entsprechenden Regelung in Kapitel I Nr. 4 lit. b des Anhangs A zur Richtlinie 96/43/EG).

Vielmehr kann sich die dort vorgesehene spezifische Gebühr aus mehreren Kostenelementen zusammensetzen,

vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2009 C270/07 - ("Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland"), a.a.O., Rdn. 36 f. (ebenfalls zu der entsprechenden Regelung in Kapitel I Nr. 4 lit. b des Anhangs A zur Richtlinie 96/43/EG).

Mit dieser Äquivalenz der gebührentechnischen Gestaltungsmöglichkeiten ist es nicht vereinbar, den Übergang von der einen zur anderen als "Wesensänderung" der Heranziehung zu qualifizieren.

2. Die Einbeziehung der ursprünglichen Gebührenbescheide in der Gestalt der Widerspruchsbescheide in das Anfechtungsbegehren beinhaltet keine Klageerweiterung. Sie entspricht dem in der Klageschrift angekündigten Antrag des Klägers. Die später mit Schriftsatz vom 8. November 2005 vorgenommene Umformulierung des Anfechtungsantrags erfolgte in Reaktion auf die gerichtliche Verfügung des erstinstanzlichen Berichterstatters vom 7. Oktober 2005, die ihrerseits auf die vorerwähnte Rechtsprechung des 9. Senats des erkennenden Gerichts Bezug nahm. Des ungeachtet bestand in Anbetracht des zugleich gestellten Leistungsantrags kein Zweifel daran, dass es dem Kläger darum zu tun war, jeden möglichen Rechtsgrund für ein Behalten der vom Beklagten vereinnahmten Gebührenzahlungen zu Fall zu bringen. Hierzu gehören auch die ursprünglichen Gebührenbescheide in der Gestalt der Widerspruchsbescheide, soweit deren Festsetzungen mit denen des Sammelgebührenbescheids kongruent sind.

II. Die angefochtenen Bescheide sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, da sie insoweit rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Die im Tatbestand des angefochtenen Urteils aufgeführten Gebührenbescheide des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Mai 2000 und der Sammelgebührenbescheid vom 4. Dezember 2002 sind in zweifacher Hinsicht rechtswidrig:

a) Rechtswidrig ist zunächst die Festsetzung von Gebühren, die Untersuchungshandlungen in den Jahren 1991 bis 1993 betreffen und die Pauschalbeträge überschreiten, die sich aus Art. 2 Abs. 1 der Entscheidung 88/408/EWG ergeben. Soweit § 2 Abs. 1 lit b aa und bb GebS 1999 in der Fassung von Art. 1 ÄndS 2002 für diesen Zeitraum höhere (Staffel-) Gebühren vorsieht,

zur Rückwirkung der in Art. 1 ÄndS getroffenen Neuregelung auf die entsprechenden Bestimmungen der GebS 1999 vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2004 - 9 A 4056/02 -, a.a.O., Rdn. 44,

ist dies unvereinbar mit den in § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FlGFlHKostG NRW in Bezug genommenen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben.

Gemeinschaftsrechtliche Grundlage der Gebührenbemessung war für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1993 die Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Januar 1985 in Verbindung mit der Entscheidung 88/408/EWG des Rates vom 15. Juni 1988. Hiernach werden für Fleischhygieneuntersuchungen Gebühren auf der Grundlage durchschnittlicher Pauschalbeträge erhoben. Nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 85/73/EWG können die Mitgliedstaaten einen höheren Betrag erheben, sofern die erhobene Gesamtgebühr je Mitgliedstaat die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht überschreitet. Diese Befugnis wird in Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 1 der Entscheidung 88/408/EWG dahin konkretisiert, dass die Mitgliedstaaten, in denen die Lohnkosten, die Struktur der Betriebe und das Verhältnis zwischen Tierärzten und Fleischbeschauern von dem Gemeinschaftsdurchschnitt, der für die Berechnung der Pauschalbeträge festgelegt wurde, abweichen, die Pauschalbeträge auf den Stand der tatsächlichen Untersuchungskosten senken bzw. anheben können. Nach Unterabsatz 2 gehen sie dabei von den im Anhang der Entscheidung genannten Grundsätzen aus. Dieser regelt in Nr. 1 bindende Kriterien für Abschläge und in Nr. 2 beispielhafte Voraussetzungen für Aufschläge. Letztere sind begrenzt durch die Höhe der zu deckenden Kosten.

Die in § 2 Abs. 1 lit b aa und bb GebS 1999 in der Fassung von Art. 1 ÄndS 2002 festgelegten Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung sowie die Hygieneüberwachung überschreiten die in der Entscheidung 88/408/EWG vorgesehenen Pauschalgebühren. Es mag insoweit zugrunde gelegt werden, dass die in Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 1 der Entscheidung 88/408/EWG normierten Anhebungsvoraussetzungen in dem streitbefangenen Untersuchungszeitraum vorlagen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2007 3 C 50/06 -, NVwZ-RR 2008, 387 = Juris Rdn. 27 unter Bezugnahme auf die Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 24. Oktober 1997 (BAnz S. 13298); ebenso bereits OVG NRW, Urteil vom 6. Dezember 2000 - 9 A 2228/97 -, NVwZ-RR 2001, 601 = Juris Rdn. 11.

Es erscheint jedoch bereits fraglich, ob die im Anhang der Entscheidung 88/408/EWG genannten Grundsätze, von denen die Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Entscheidung 88/408/EWG bei einer Anhebung der pauschalen Leitgebühr auszugehen haben, beachtet worden sind,

vgl. hierzu im Einzelnen das Urteil des Senats vom 16. September 2009 - 17 A 2539/03 -, juris;

jedenfalls ist die gebührentechnische Ausgestaltung der Abweichung mit den Vorgaben der Entscheidung 88/408/EWG nicht vereinbar.

Nach Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 1 der Entscheidung 88/408/EWG können die Mitgliedstaaten unter den dort genannten Voraussetzungen "die Pauschalbeträge (…) anheben". Diese Formulierung entspricht derjenigen in Kapitel I Nr. 4 lit. a des Anhangs A zur Richtlinie 96/43/EG des Rates vom 26. Juni 1996. Die letztgenannte Bestimmung ist nach der Rechtsprechung des EuGH dahin auszulegen, dass sie es den Mitgliedstaaten nicht erlaubt, von der in Kapitel I Nr. 1 und 2 lit. a des besagten Anhangs A vorgesehenen Gebührenstruktur abzuweichen und eine Gebühr zu erheben, deren Satz nach der Größe der Betriebe und degressiv nach der Zahl der geschlachteten Tiere innerhalb einer Tierart gestaffelt ist.

EuGH, Urteil vom 19. März 2009 Rs. C309/07 - ("Baumann"), Rdn. 18 f., LRE 58, 222.

Genau dies tut indes die Gebührensatzung: Die Gebührensätze differenzieren sowohl nach der Betriebskategorie (Schlachtbetriebe außerhalb öffentlicher Schlachthöfe / öffentliche Schlachthöfe) als auch nach der Zahl der geschlachteten Tiere. Ausweislich der zugrunde liegenden Gebührenbedarfsrechnungen sind die Gebühren jeweils kostendeckend berechnet worden. Sie beruhen damit auf einer Kalkulation, die der einer spezifischen Gebühr nach Kapitel I Nr. 4 lit. b des Anhangs zur Richtlinie 93/118/EG bzw. des Anhangs A zur Richtlinie 96/43/EG entspricht. Eine solche Erhebungsform sah die Entscheidung 88/408/EWG indes nicht vor; sie kannte allein die - dem Procedere gemäß Kapitel I Nr. 4 lit. a der genannten Anhänge entsprechende - Möglichkeit einer Anhebung der Pauschalbeträge unter Wahrung der gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Gebührenstruktur.

b) Rechtswidrig ist darüber hinaus die Festsetzung von Gebühren für Untersuchungshandlungen, die dem Bescheid vom 5. Oktober 1995 zugrunde liegen.

Dieser Bescheid ist nach der am 30. September 1995 erfolgten Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin ergangen. Er verstieß damit gegen § 12 KO, der vorliegend gemäß Art. 103 Satz 1 EG InsO Anwendung findet. Nach § 12 KO können Konkursgläubiger ihre Forderungen auf Sicherstellung oder Befriedigung aus der Konkursmasse nur nach Maßgabe der Vorschriften für das Konkursverfahren verfolgen. Mit den Verfahrensvorschriften des Konkursrechts ist es grundsätzlich nicht zu vereinbaren, dass zur Durchsetzung von Konkursforderungen während des Konkursverfahrens ein Leistungsbescheid ergeht; nach Eröffnung des Konkursverfahrens darf vielmehr wegen der Regelung des § 12 KO hinsichtlich solcher Forderungen ein Leistungsbescheid nicht mehr erlassen werden.

BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2003 - 3 C 21.02 -, NJW 2003, 3576 = juris, Rdn. 16; OVG NRW, Urteil vom 13. Mai 1996 - 4 A 2970/94 -, NWVBl. 1997, 24 = juris; Rdn. 8; Sächsisches OVG, Urteil vom 22. Januar 2003 - 1 B 301/02 -, NVwZ-RR 2003, 674 = juris, Rdn. 23; OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Juni 1986 - 9 A 1/84 -, OVGE 39, 441 = juris.

Über die bescheidmäßige Regelung der Zahlungspflicht hinaus verbietet § 12 KO im Grundsatz auch eine dem Zahlungsgebot vorgelagerte verbindliche Festsetzung der Gebührenschuld. Eine Gebührenfestsetzung mittels eines seinem Wesen nach auf Verbindlichkeit angelegten Bescheids dient, wenngleich sie nicht unmittelbar auf eine Befriedigung der Gebührenforderung gerichtet ist, der Durchsetzung der Forderung, die bei einer Konkursforderung den einschlägigen konkursrechtlichen Vorschriften vorbehalten ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. März 2007 20 A 1861/05 -, n.v. (betreffend § 87 InsO); BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2006 3 B 76.06 -, Rdn. 22; BFH, Urteil vom 18. Dezember 2002 - I R 33/01 -, BFHE 201, 392; Urteil vom 10. Dezember 2008 - I R 41/07 -, HFR 2009, 752 = juris, Rdn. 7.

Nur Rechtshandlungen, die materiellrechtlich für das Entstehen der anzumeldenden Forderung zwingend erforderlich sind, können von dem Verbot des § 12 KO nicht umfasst sein, weil die Forderung andernfalls konkursrechtlich überhaupt nicht geltend gemacht werden könnte.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. März 2007 20 A 1861/05 -.

Derartige Rechtshandlungen stehen vorliegend nicht in Rede, da die Gebührenpflicht der Gemeinschuldnerin unabhängig von ihrer Festsetzung durch Gebührenbescheid bestand.

2. Der Sammelgebührenbescheid vom 4. Dezember 2002 ist darüber hinaus in zwei weiteren Punkten rechtswidrig:

a) Rechtswidrig ist zunächst die Festsetzung von Gebühren, welche die Schlachttier- und Fleischuntersuchung sowie die Hygieneüberwachung in den Jahren 1994 und 1995 betreffen und die Beträge überschreiten, die sich bei Zugrundelegung der Untersuchungsgebühr nach § 2 Abs. 1 GebS 1990 bzw. § 2 Abs. 1 GebS 1995 ergeben.

Im Umfang dieser Überschreitung wiederholt der Sammelgebührenbescheid nicht lediglich deklaratorisch die bereits in den ursprünglichen Gebührenbescheiden enthaltenen Festsetzungen, sondern trifft eine Neuregelung mit konstitutiver Wirkung, die sich an § 12 KO messen lassen muss und aus den vorgenannten Gründen keinen Bestand haben kann.

Die im Sammelgebührenbescheid auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 lit b aa bis cc GebS 1999 in der Fassung von Art. 1 ÄndS 2002 erhobene Gebühr für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung sowie die Hygieneüberwachung übersteigt in dem relevanten Zeitraum die Untersuchungsgebühr nach § 2 Abs. 1 GebS 1990 bzw. § 2 Abs. 1 GebS 1995 - je nach Zeitabschnitt und Staffelstufe - um 0,01 bis 0,02 Euro pro Tier. Dies dürfte auf der kalkulatorischen Einbeziehung der Kosten für die bakteriologischen Untersuchungen beruhen, die - im Gegensatz zu den Kosten der Trichinenuntersuchungen in öffentlichen Schlachthöfen - in der Untersuchungsgebühr nach § 2 Abs. 1 GebS 1990 bzw. § 2 Abs. 1 GebS 1995 nicht enthalten waren. Die konkursrechtliche Relevanz dieser Gebührenerhöhung wird nicht dadurch berührt, dass sie im Ergebnis durch den Wegfall der vormals erhobenen selbständigen Gebühr für die bakteriologischen Untersuchungen ausgeglichen wird. Diese Kompensation betrifft die Abrechnungsebene, ändert aber nichts daran, dass dem Behalten der auf die bakteriologischen Untersuchungen entfallenden Gebührenanteile mit konstitutiver Wirkung ein anderer Rechtsgrund unterlegt wird.

b) Rechtswidrig ist darüber hinaus die Festsetzung von Gebühren für Untersuchungshandlungen, bezüglich derer ursprünglich die Firma H. . Q. G2. GmbH als Gebührenschuldnerin in Anspruch genommen worden ist. Insoweit wird mit dem Sammelgebührenbescheid erstmals der Kläger als Gebührenschuldner herangezogen, was aus den oben genannten Gründen mit § 12 KO nicht vereinbar ist.

3. Darüber hinaus unterliegen die Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 10. Mai und 14. Juni 2000 der Aufhebung, soweit sie Widersprüche betreffen, die nicht von der Gemeinschuldnerin, sondern von der Firma H. . Q. G2. GmbH eingelegt worden sind. Diese Widerspruchsbescheide gehen ins Leere, da sie nicht an die Widespruchsführerin gerichtet sind. Der Kläger ist nicht gehalten, den von ihnen ausgehenden Rechtsschein einer ihn betreffenden verbindlichen Regelung hinzunehmen.

Die Widersprüche der Firma H. . Q. G1. GmbH betreffen zum Einen alle an sie gerichteten Gebührenbescheide. Das gilt auch für die Gebührenbescheide vom 11. Februar und 3. März 1994 sowie vom 7. Juli 1995. Zwar sind die diesbezüglichen Widersprüche auf Briefbögen der Gemeinschuldnerin verfasst. Gezeichnet sind sie allerdings im Namen ihrer Komplementärin. Anhaltspunkte dafür, dass sie insoweit als Vertreterin der Gemeinschuldnerin hätte tätig werden wollen, sind nicht ersichtlich, zumal die angefochtenen Gebührenbescheide an sie selbst gerichtet waren.

Die Widersprüche der Firma H. . Q. G. GmbH betreffen zum Anderen die an die Gemeinschuldnerin gerichteten Gebührenbescheide vom 24. April und 1. August 1995. Dass die GmbH auch insoweit in eigenem Namen handelte, erhellt nicht nur aus der Verwendung eigener Briefbögen, sondern auch aus dem Umstand, dass sie in ihrem Widerspruch gegen den Gebührenbescheid vom 24. April 1995 darauf hinweist, dass dieser - vermeintlich - richtigerweise an sie hätte adressiert werden müssen.

4. Das weitergehende Aufhebungsbegehren hat keinen Erfolg.

a) Die erhobenen Gebühren finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 1, 2 Abs. 1 lit b aa bis cc, 12 GebS 1999 in der Fassung von Art. 1 ÄndS 2002. Diese Regelungen sind - mit den sich aus den Ausführungen zu A.II.1.a ergebenden Einschränkungen - mit Landes-, Bundes- und Gemeinschaftsrecht vereinbar,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2004 9 A 4056/02 -, a.a.O., Rdn. 47 ff.

was von den Beteiligten auch nicht in Frage gestellt wird.

b) Entgegen der Ansicht des Klägers ist eine Berücksichtigung des nach Konkurseröffnung mit Rückwirkung auf davor liegende Zeiträume geänderten Satzungsrechts nicht durch § 12 KO ausgeschlossen. Die rückwirkende Inkraftsetzung der einschlägigen satzungsrechtlichen Bestimmungen begegnet als solche keinen rechtlichen Bedenken,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2004 9 A 4056/02 -, a.a.O., Rdn. 115.

Aufgrund seines abstraktgenerellen Charakters ist das Satzungsrecht für jeden Normadressaten in gleicher Weise verbindlich. Dies gilt im Falle einer rückwirkenden Geltungsanordnung auch für einen Normadressaten, der zwischenzeitlich in Konkurs gefallen ist. Eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Konkursgläubigergemeinschaft ist hiermit nicht verbunden, wenn und soweit die Heranziehung des nachmaligen Gemeinschuldners auf Gebührenbescheiden beruht, die bereits vor Konkurseröffnung erlassen worden sind. Die Konkursgläubigergemeinschaft hat keinen Anspruch darauf, dass die rückwirkende Heilung eines der vorkonkurslichen Gebührenheranziehung anhaftenden Rechtsmangels unterbleibt. Denn hierdurch wird nicht die Konkursmasse verkürzt, sondern lediglich ihre Erweiterung um einen - unbedingten und fälligen - Erstattungsanspruch verhindert. Die Hoffnung darauf, dass ein solcher durch rechtskräftige Aufhebung der angefochtenen Gebührenbescheide entsteht, ist indes konkursrechtlich nicht geschützt.

Für eine rückwirkende Satzungsänderung gilt insoweit nichts anderes als für eine rückwirkende Gesetzesänderung. In beiden Fällen wird die vorkonkursliche Rechtslage dergestalt modifiziert, dass sie die bereits vor Konkurseröffnung erfolgte Heranziehung des nachmaligen Gemeinschuldners trägt. Wenn und soweit dieser - wie vorliegend - die an ihn gerichteten Gebührenforderungen noch vor Konkurseröffnung erfüllt hat, ist die rückwirkende Satzungsänderung im Übrigen schon deshalb nicht an § 12 KO zu messen, weil der mit dem Satzungsgeber identische Gebührengläubiger infolge Erlöschens seiner Gebührenforderung, vgl. §§ 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b KAG NRW, 47 AO, kein Konkursgläubiger, § 3 Abs. 1KO, mehr ist.

c) Die der Gebührensatzung zugrunde liegende Kalkulation und die fallbezogene Gebührenberechnung werden von dem Kläger nicht angegriffen. Der Senat ist insoweit nicht gehalten, gleichsam ungefragt in eine Fehlersuche einzutreten,

vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 9 CN 1.01 -, BVerwGE 116, 188; Beschluss vom 11. Januar 2008 - 9 B 54.07 -, Buchholz 310 § 128a VwGO Nr. 2.

d) Die Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 10. Mai und 14. Juni 2000 sind nicht über den tenorierten Umfang hinaus aufzuheben. Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt ihr Erlass nicht gegen § 240 Satz 1 ZPO.

Diese Vorschrift bestimmte in ihrer bei Eröffnung des Konkursverfahrens gültig gewesene Fassung vom 1. Januar 1964, dass im Falle der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer Partei das Verfahren, wenn es die Konkursmasse betrifft, unterbrochen wird, bis es nach den für den Konkurs geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Konkursverfahren aufgehoben wird. Die Regelung betrifft unmittelbar das gerichtliche Verfahren; nach verbreiteter Auffassung findet sie analoge Anwendung auf außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren.

Vgl. etwa BFH, Urteil vom 2. Juli 1997 I R 11/97 -, BFHE 183, 365 (betreffend das steuerrechtliche Einspruchsverfahren); BPatG, Beschluss vom 9. Juli 2008 - 32 W (pat) 17/06 -, juris (betreffend das patentrechtliche Widerspruchsverfahren); a.A. OVG LSA, Urteil vom 25. November 1993 - 3 L 18/93 -, NVwZ 1994, 1227 (betreffend das verwaltungsrechtliche Widerspruchsverfahren).

Sollte hiernach das Widerspruchsverfahren gegen die ursprünglichen Gebührenbescheide durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin unterbrochen worden sein, ist es jedenfalls noch vor Erlass der Widerspruchsbescheide durch den Kläger als Konkursverwalter aufgenommen worden. Die Aufnahme richtete sich nach § 10 Abs. 1 Satz 1 KO. Hiernach können Rechtsstreitigkeiten über das zur Konkursmasse gehörige Vermögen, welche zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens für den Gemeinschuldner anhängig sind, in der Lage, in welcher sie sich befinden, von dem Konkursverwalter aufgenommen werden. Diese die Konstellation des so genannten Aktivprozesses betreffende Norm ist vorliegend einschlägig, da die Gemeinschuldnerin auf die an sie gerichteten Gebührenbescheide bereits gezahlt hatte und sie mit ihren Widersprüchen das Ziel verfolgte, durch Aufhebung der Gebührenbescheide den Weg für eine Rückabwicklung der Zahlungen zu bereiten.

Vgl. Beaucamp, Verwaltungsprozess und Insolvenz, NVwZ 2006, 258 (259).

Die Aufnahme erfolgt normalerweise durch entsprechenden Schriftsatz, kann aber auch in konkludenter Form geschehen.

Vgl. OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15. März 2001 - 7 U 46/00 -, OLG-NL 2001, 260 (konkludente Aufnahme eines Rechtsstreits durch Sachantragsstellung des Gesamtvollstreckungsverwalters).

Eine solche konkludente Aufnahme der Widerspruchsverfahren durch den Kläger als Konkursverwalter ist vorliegend darin zu sehen, dass er mit Schriftsatz vom 7. Februar 2000 den Beklagten unter Bezugnahme auf eine vermeintliche höchstrichterliche Klärung der zwischen den Beteiligten umstrittenen Fragen zur Auszahlung der "hinterlegten" - gemeint: auf das Sparbuch transferierten - Beträge aufgefordert hat. Hierdurch hat der Kläger zu erkennen gegeben, dass ihm an einem Abschluss des Verfahrens gelegen war, der nur über eine Verbescheidung der noch anhängigen Widersprüche zu erreichen war. Dem entspricht es im Übrigen, dass er nach Erlass der Widerspruchsbescheide unter dem 23. Mai bzw. 21. Juni 2000 Klage erhoben hat, ohne zunächst geltend zu machen, dass die Widerspruchsbescheide in Hinblick auf § 240 ZPO nicht hätten ergehen dürfen. Vielmehr hat er eine gerichtliche Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der Gebührenforderung erstrebt. Dies erhellt daraus, dass er mit Schriftsätzen vom 4. September 2000 und 5. Februar 2003 jeweils darum gebeten hat, die Klageverfahren ruhend zu stellen, bis in anderweitigen gerichtlichen Verfahren eine Klärung der maßgeblichen gebührenrechtlichen Fragen erfolgt sei. Erstmals nach Scheitern der dem Gericht unter dem 29. September 2005 mitgeteilten außergerichtlichen Einigungsbemühungen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 8. November 2005 geltend gemacht, der Erlass der Widerspruchsbescheide und des Sammelgebührenbescheids - sei mit § 240 ZPO nicht vereinbar.

B. Die Leistungsklage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Insoweit steht dem Kläger als Konkursverwalter ein Anspruch auf Erstattung der von der Gemeinschuldnerin geleisteten Zahlungen an die Konkursmasse zu.

I. Dies gilt zunächst hinsichtlich der für Untersuchungshandlungen in den Jahren 1991 bis 1993 geleisteten Gebührenzahlungen, soweit sie die Pauschalbeträge nach Art. 2 Abs. 1 der Entscheidung 88/408/EWG überschreiten. Diese Zahlungen sind ohne rechtlichen Grund erfolgt, da die zugrunde liegenden Bescheide insoweit aufzuheben waren (oben A.II.1.a).

II. Zu erstatten sind ferner die für bakteriologische Untersuchungen in den Jahren 1994 und 1995 geleisteten Gebührenzahlungen, soweit sie auf an die Gemeinschuldnerin gerichteten Bescheiden beruhen. Denn für diese Zahlungen fehlt es ebenfalls an einer Rechtsgrundlage, nachdem der Sammelgebührenbescheid die entsprechenden Festsetzungen in den ursprünglichen Gebührenbescheiden konkludent aufgehoben hat. Die konkludente Aufhebung ist darin zu erblicken, dass die Kosten der betreffenden Untersuchungen - entsprechend der geänderten Satzungsrechtslage - nicht mehr in der Form eines eigenständigen Gebührentatbestands, sondern als Kalkulationsposten im Rahmen der allgemeinen Untersuchungsgebühr erhoben worden sind.

III. Zu erstatten ist schließlich die auf den Gebührenbescheid vom 5. Oktober 1995 geleistete Gebührenzahlung, für die nach Aufhebung dieses Bescheids und des die zugrunde liegenden Untersuchungshandlungen betreffenden Teils des Sammelgebührenbescheids (oben A.II.1.b) ebenfalls kein Rechtsgrund gegeben ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 161 Abs. 2 VwGO. Die Quotenbildung orientiert sich am Umfang des wechselseitigen Obsiegens bzw. Unterliegens in Bezug auf das den wirtschaftlichen Kern des Rechtsstreits ausmachende Erstattungsbegehren. Die auf den in der Hauptsache für erledigt erklärten Teil des Verfahrens entfallenden Kosten waren in Hinblick auf ihre Geringfügigkeit zu vernachlässigen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 VwGO nicht vorliegen.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 16.03.2010
Az: 17 A 391/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/69f8a053eabf/OVG-Nordrhein-Westfalen_Urteil_vom_16-Maerz-2010_Az_17-A-391-06




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