Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. November 2003
Aktenzeichen: 15 W (pat) 317/02

(BPatG: Beschluss v. 24.11.2003, Az.: 15 W (pat) 317/02)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 30. März 1990 unter Inanspruchnahme der japanischen Priorität JP 82531/89 vom 31. März 1989 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patent- und Markenamt das Patent 40 10 281 mit der Bezeichnung

"Abdruckzusammensetzung"

erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 13. Juni 2002.

Die Patentansprüche 1 und 8 gemäß Streitpatent haben folgenden Wortlaut:

"1. Abdruckzusammensetzung, die folgende Komponenten enthält:

(A) ein Polyetherpolymer mit wenigstens zwei Alkenylgruppen im Molekül;

(B) ein Polyorganowasserstoffsiloxan mit einer folgenden Durchschnittsformel RaHbSiO4-(a+b)/2, wobei R eine C1-C7-Alkylgruppe, die Phenylgruppe oder eine Haloalkylgruppe darstellt, a eine Zahl a < 2 und b eine Zahl 0 < b < 1 bedeutet, mit der Maßgabe, dass 0 < a + b < 2,7, mit wenigstens drei an Silizium gebundenen Wasserstoffatomen im Molekül;

(C) einen Platinkatalysator;

(D) einen anorganischen Füller; und

(E) ein Antioxidans.

8. Gehärtetes Produkt, erhalten durch Härtung der Abdruckzusammensetzung, welche die in Anspruch 1 beanspruchten Komponenten (A), (B), (C), (D) und (E) enthält."

Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Gegen die Patenterteilung hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 13. September 2002, eingegangen am 13. September 2002, beim Deutschen Patent- und Markenamt, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Als Einspruchsgrund nennt sie mangelnde Neuheit sowie mangelnde erfinderische Tätigkeit und stützt sich auf die Druckschriften DE 37 41 575 A1 (1), die US 4 879 339 (2) bzw das englischsprachige Abstract aus den Patent Abstracts of Japan des Japanischen Patentamts betreffend die JP 63-215770 A (2a), Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 4. Aufl, Bd 19, 1980, S 30-35 (3), sowie mit Schriftsatz vom 17. Juli 2003 noch zusätzlich auf die DE 35 42 309 C2 (4) und die DE 37 25 926 A1 (5).

Die Patentinhaberin widerspricht dem Einspruchsvorbringen und reicht mit Schriftsatz vom 15. Mai 2003 eine geänderte Anspruchsfassung ein, wobei sie die Komponente (E) und damit das Antioxidans auf Vitamin E beschränkt.

Mit Zwischenverfügung vom 7. November 2003 teilte der Berichterstatter den Beteiligten mit, die Durchschnittsformel in der Fassung der Patentschrift sowie der nunmehr verteidigten Anspruchsfassung entspreche nicht der ursprünglichen Offenbarung. Des weiteren wurden die Beteiligten auf den Inhalt der bereits in DE 37 41 575 A1 (1) zitierten JP 55-78055 A und JP 60-55056 A hingewiesen.

Die Patentinhaberin überreichte mit Schriftsatz vom 20. November 2003 vorab zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Haupt- und Hilfsantrag, jeweils mit einem hinsichtlich der ursprünglichen Offenbarung präzisierten Patentanspruch 1.

In der mündlichen Verhandlung legte die Patentinhaberin einen geänderten Antrag vor und verteidigt das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 bis 7 folgenden Wortlauts:

"1. Abdruckzusammensetzung, die folgende Komponenten enthält:

(A) ein Polyetherpolymer mit wenigstens zwei Alkenylgruppen im Molekül;

(B) ein Polyorganowasserstoffsiloxan mit einer folgenden Durchschnittsformel RaHbSiO(4-(a+b))/2, wobei R eine C1-C7-Alkylgruppe, die Phenylgruppe oder eine Haloalkylgruppe darstellt, a eine Zahl 1 < a < 2 und b eine Zahl 0 < b < 1 bedeutet, mit der Maßgabe, dass 1 < a + b < 2,7, mit wenigstens drei an Silizium gebundenen Wasserstoffatomen im Molekül;

(C) einen Platinkatalysator;

(D) einen anorganischen Füller; und

(E) Vitamin E als Antioxidans.

2. Zusammensetzung nach Anspruch 1, worin das Polyetherpolymer der Komponente (A) eine Polyetherkette aufweist, die aus -CH2CHCH3O-Einheiten oder -CH2CHCH3O-Einheiten und -CH2CH2O-Einheiten zusammengesetzt ist.

3. Zusammensetzung nach Anspruch 1, worin das Polyetherpolymer der Komponente (A) aus 10 bis 1000 Alkylenoxideinheiten zusammengesetzt ist.

4. Zusammensetzung nach Anspruch 3, worin das Polyorganowasserstoffsiloxan der Komponente (B) ausgewählt ist aus den Verbindungen der Formeln:

worin c und e eine ganze Zahl 0 oder mehr, und d eine ganze Zahl von 1 oder mehr bedeuten, worin f eine ganze Zahl 0 oder mehr und g eine ganze Zahl 1 oder mehr bedeuten undworin h und j eine ganze von 0 oder darüber bedeuten und i eine ganze Zahl von 3 oder darüber.

5. Zusammensetzung nach Anspruch 1, worin der anorganische Füller der Komponente (D) ausgewählt ist aus der Gruppe, bestehend aus pulverförmiger Kieselerde, Quarzpulver, Glasfasern, Kohlenstoffpulver, Eisen-, Titan- und Zinkoxid, Calciumcarbonat und Magnesiumcarbonat.

6. Zusammensetzung nach Anspruch 1, welche die Komponente (B) in einer solchen Menge enthält, dass das Molverhältnis der Si-H-Bindungen in der Komponente (B) zu den Alkenylgruppen in der Komponente (A) 0,5 bis 5 beträgt, die Komponente (C) in einer Menge von 1 bis 1000 ppm, bezogen auf die Komponente (A), die Komponente (D) in einer Menge von 5 bis 500 Gew.-Teilen pro 100 Gew.-Teile der Komponente (A), unddie Komponente (E) in einer Menge von 10 ppm oder darüber, bezogen auf die Komponente (A), enthalten sind.

7. Gehärtetes Produkt, erhalten durch Härtung der Abdruckzusammensetzung, welche die in Anspruch 1 beanspruchten Komponenten (A), (B), (C), (D) und (E) enthält."

Die Patentinhaberin führt dazu aus, der beanspruchte Gegenstand entspreche nunmehr auch hinsichtlich der Durchschnittsformel des Polyorganowasserstoffsiloxans der ursprünglichen Offenbarung und sei gegenüber den im Verfahren befindlichen Druckschriften nicht nur neu, sondern auch erfinderisch.

Sie stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Patentansprüche 2 - 7 vom 15. Mai 2003, eingegangen am 16. Mai 2003, Beschreibung Seiten 1, 1a, 3 - 13 und 15 -18 in der der Erteilung zugrundeliegenden Fassung, sowie der geänderten Beschreibungsseiten 2 und 14 vom 15. Mai 2003, eingegangen am 16. Mai 2003.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet im Einspruchsverfahren auf Grund mündlicher Verhandlung in entsprechender Anwendung von § 78 PatG, nachdem sowohl die Patentinhaberin in Erwiderung auf den Einspruch mit Schriftsatz vom 15. Mai 2003 als auch die Einsprechende im Einspruchsschriftsatz hilfsweise Terminsantrag gestellt haben (vgl auch BPatG, 34. Senat, Mitt 2002, 417).

III.

Der zulässige Einspruch führt zum Erfolg. Das Patent war zu widerrufen.

Hinsichtlich der Offenbarung der nunmehr beantragten Fassung der Patentansprüche bestehen keine Bedenken. Patentanspruch 1, der gegenüber der erteilten Fassung in zulässiger Weise eingeschränkt wurde, ergibt sich aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1, 4 sowie 7 in Verbindung mit Tabelle 1, Beispiele 1 bis 3. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Schreibweise der Formel im Anspruch 1 der Streitpatentschrift ein Druckfehler gegenüber den rechtsverbindlichen, zur Erteilung vorgesehenen Unterlagen ist. Die Patentansprüche 2 bis 7 entsprechen den ursprünglichen Patentansprüchen 2, 3, 5, 6, 8 und 9.

Die Neuheit, die von der Einsprechenden unter Bezugnahme auf die DE 37 41 575 A1 (1) angegriffen wurde (vgl Schrifts v 13. September 2002 S 5 bis 7 iVm (1) Vergleichsbeisp 3 und S 18 Z 25), ist nach der Bereichsänderung des Indexmerkmals a, insbesondere der Ausnahme von a kleiner oder gleich 1, sowie der Einschränkung des Antioxidans auf Vitamin E anzuerkennen. Auch aus den weiteren, im Verfahren befindlichen Druckschriften ist eine härtbare Polymerzusammensetzung, die sämtliche Komponenten (A) bis (E) gemäß Patentanspruch 1 in der nunmehr beantragten Fassung beinhaltet, nicht zu entnehmen.

Eine Abdruckzusammensetzung gemäß Patentanspruch 1 beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Aufgabe auszugehen, die darin besteht, die Nachteile von Abdruckzusammensetzungen des Standes der Technik wie starken Härtungsschrumpf, starken unangenehmen Geruch, geringe Hydrophilie und damit schlechtes Abdruckverhalten im Dentalbereich sowie schlechte Verarbeitbarkeit in der Formvorrichtung zu beseitigen (vgl Streitpatentschrift S 3 Z 29 bis 35) und, nach Beschränkung auf Vitamin E als Antioxidans, darüber hinaus die Härtbarkeit nach beschleunigtem Abbau zu verbessern (vgl Schrifts der Patentinhaberin vom 15. Mai 2003 S 3 Abs 3).

Gelöst wird diese Aufgabe durch die im Patentanspruch 1 beschriebene Abdruckzusammensetzung mit einem Polyetherpolyol mit wenigstens zwei Alkenylgruppen als Komponente (A), mit einem Polyorganowasserstoffsiloxan einer bestimmten Durchschnittsformel als Komponente (B), welches wenigstens drei an Silizium gebundene Wasserstoffatome aufweist, und des weiteren mit einem Platinkatalysator, einem anorganischen Füllstoff sowie Vitamin E als Komponenten (C) bis (E).

Diese Lösung war indessen für den Durchschnittsfachmann - hier ein mit der Entwicklung von Abdruckmassen auf Polymerbasis, beispielsweise im Dentalbereich, befasster und vertrauter Chemiker - in Kenntnis des Standes der Technik naheliegend.

Die japanische Offenlegungsschrift JP 55-78055 A (6), die in der DE 37 41 575 A1 (1) als Stand der Technik zitiert ist, betrifft gemäß der in der mündlichen Verhandlung seitens der Einsprechenden überreichten englischen Übersetzung härtbare Zusammensetzungen, die einen Polyether mit zwei endständigen Alkenylgruppen, ein Polyorganohydrogensiloxan mit durchschnittlich zwei oder mehr an Silizium gebundenen Wasserstoffatomen, einen Platinkatalysator sowie auch anorganische Füllstoffe enthalten (vgl englische Übersetzung zu (6), S 3 sowie S 9 Z 4 bis 8). Die Polyorganohydrogensiloxane gemäß (6) erfüllen dabei die Maßgaben der Komponente (B) des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents (vgl englische Übersetzung zu (6), S 7 le Abs bis S 8 Abs 1 iVm S 11 bis 12, Arbeitsbeisp 2 und 3). Die Druckschrift (6) offenbart somit härtbare Zusammensetzungen mit Komponenten (A) bis (D) gemäß geltendem Patentanspruch 1 des Streitpatents, jedoch fehlt in (6) ein Hinweis zur Beimischung eines Antioxidans und damit die Komponente (E).

In dem Zusatz einer antioxidativ wirkenden Substanz zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Teilaufgabe der Stabilisierung einer härtbaren Zusammensetzung gegenüber Oxidation sieht der Senat eine übliche Vorgehensweise, die, wie die Einsprechende unter Verweis auf Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 4. Aufl, Bd 19, 1980, S 30 bis 35 (3) vorgetragen hat, auch bei Polyethern Anwendung findet (vgl (3) S 33 re Sp Z 2, 3). Der Fachmann wird somit für härtbare Zusammensetzungen auf Polyetherbasis gemäß (6) den Zusatz antioxidativ wirkender Substanzen ohne weiteres in Erwägung ziehen, zumal ihm eine solche Lehre auch durch den gattungsgemäßen Stand der Technik vermittelt wird (vgl (1), Beispiel 4, sowie die zwar nachveröffentlichte, aber von den Beteiligten als mit der vorveröffentlichten JP 63-215 770 A (2a) im wesentlichen übereinstimmend bezeichnete US 4 879 339 (2), Anspr 1 (F)). Während in Druckschrift (1) als Antioxidans ausschließlich 2,6-Ditert.butylpkresol (BHT) (vgl (1) Beisp 4) zur Anwendung kommt, erfährt der Fachmann aus der Druckschrift (2) bzw (2a), dass neben BHT auch weitere Antioxidantien in Zahnabdruckmassen geeignet sind, darunter auch Vitamin E (Tocopherol) (vgl (2) Anspr 1 (F)). Dabei fällt sein Blick vor allem auf die Ausführungsbeispiele und damit besonders auf Vitamin E (vgl (2) Sp 6 Z 66 bis Sp 7 Z 2).

Nach Ansicht des Senats konnte der Hinweis in (2), dass die Antioxidantien und damit auch Vitamin E zur Stabilisierung einer dort beigemischten, gemäß Streitpatent jedoch nicht vorgesehenen Kohlenwasserstoffkomponente dienen (vgl (2) Sp 5 Z 12 bis 26), den Fachmann nicht davon abhalten, diese Antioxidantien und besonders Vitamin E auch zur Stabilisierung der Polyetherkomponente in härtbaren Zusammensetzungen gemäß (6) zu erproben, vor allem schon deshalb nicht, weil die Zugabe von Antioxidantien bereits bei Zahnabdruckzusammensetzungen auf Basis von Polyetherpolymeren, die keine derartige Kohlenwasserstoffkomponente enthalten, empfohlen wird (vgl (1) S 18 Z 23 bis 26 iVm Beisp 4).

Eine solche Erprobung von Vitamin E neben den wenigen anderen, hierfür in Frage kommenden Antioxidantien in härtbaren Zusammensetzungen mit den Komponenten (A) bis (D) gemäß (6) bewegt sich im Rahmen routinemäßiger, üblicher Optimierungsversuche, wofür es keines erfinderischen Zutuns bedarf.

Der seitens der Patentinhaberin vorgebrachte Zusatzeffekt einer durch Vitamin E als Antioxidans bedingten verbesserten Haltbarkeit und Härte nach beschleunigtem Abbau (vgl Schrifts v 20. November 2003 Anlage C sowie Schrifts v 15. Mai 2003 Anlage C) stellt sich dabei zwangsläufig ein und kann die Patentfähigkeit nicht begründen (vgl BGH, GRUR 2003, 317 - kosmetisches Sonnenschutzmittel).

Eine Abdruckzusammensetzung enthaltend die Komponenten (A) bis (E) gemäß geltendem Patentanspruch 1 ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.

Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch alle übrigen Patentansprüche, ohne dass es einer Prüfung und Begründung dahin bedarf, ob diese etwas Schutzfähiges enthalten (BGH, GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).

Kahr Niklas Klante Egerer Pü






BPatG:
Beschluss v. 24.11.2003
Az: 15 W (pat) 317/02


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