Bundespatentgericht:
Urteil vom 15. Mai 2007
Aktenzeichen: 4 Ni 53/05

(BPatG: Urteil v. 15.05.2007, Az.: 4 Ni 53/05)

Tenor

1. Das europäische Patent 0 657 139 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 657 139 (Streitpatent), das am 6. Dezember 1994 unter Inanspruchnahme der Priorität der amerikanischen Patentanmeldung US 162737 vom 6. Dezember 1993 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 694 32 241 geführt. Es betrifft ein chirurgisches Klammerinstrument mit gelenkigem Heftkopf auf einem drehbaren und biegsamen Stützschaft und umfasst 15 Ansprüche, die insgesamt angegriffen sind. Anspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch ohne Bezugszeichen wie folgt:

A surgical instrument for applying one or more surgical fasteners to tissue, comprising:

a fastener applying assembly including a fastener holder for receiving one or more surgical fasteners, an anvil for clamping the tissue against said fastener holder, and a driver for driving the fasteners from said fastener holder into the tissue clamped by said anvil against said fastener holder;

an actuator handle assembly including means for actuating said driver; and a shaft assembly for mounting said fastener applying assembly on said actuator handle assembly which ist rotatable about its longitudinal axis to orient said fastener applying assembly in different angular orientations relative to said actuator handle assembly, characterized in that said shaft assembly includes a support shaft section, connected to a flexible shaft section, adapted to be bent in any radial direction relative to the longitudinal axis of said shaft assembly.

In der deutschen Übersetzung hat Anspruch 1 ohne Bezugszeichen folgenden Wortlaut:

Chirurgisches Instrument zum Anbringen einer chirurgischen Klammer oder mehrerer chriurgischer Klammern in einem Gewebe umfassend:

eine Klammer-Anbringungs-Baugruppe, welche einen Klammerhalter zur Aufnahme einer chirurgischen Klammer oder mehrerer chirurgischen Klammern, einen Amboss zum Klemmen des Gewebes gegen den Klammerhalter und einen Drücker zum Eindrücken der Klammern aus dem Klammerhalter in das zwischen dem Amboss und dem Klammerhalter geklemmte Gewebe aufweist;

eine Betätigungsgriff-Baugruppe mit Einrichtungen zum Betätigen des Drückers undeine Schaft-Baugruppe zum Verbinden der Klammer-Anbringungs-Baugruppe mit der Betätigungsgriff-Baugruppe, welche um ihre Längsachse drehbar ist, um die Klammer-Anbringungs-Baugruppe in unterschiedlichen Winkelausrichtungen in bezug auf die Betätigungsgriff-Baugruppe auszurichtendadurch gekennzeichnet, dass die Schaft-Baugruppe einen Trägerschaft-Abschnitt aufweist, der mit einem flexiblen Schaft-Abschnitt verbunden ist, welcher in bezug auf die Längsachse der Schaft-Baugruppe in jede radiale Richtung gebogen werden kann.

Wegen der weiteren, unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 15 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 657 139 B1 Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu noch erfinderisch. Zur Begründung trägt sie vor, chirurgische Klammerinstrumente mit den Merkmalen des Patentgegenstandes seien im Stand der Technik zum Prioritätszeitpunkt bereits bekannt gewesen. Zudem beruhe der Patentgegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Hierzu beruft sie sich unter anderem auf folgende Druckschrift:

NK14 DE 38 18 983 A1.

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 657 139 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass Patentanspruch 1 (mit Merkmalsgliederung) folgende Fassung erhält, an die sich die Patentansprüche 3, 4 und 6 bis 15 der erteilten Fassung anschließen:

M1 Chirurgisches Instrument (50) zum Anbringen einer chirurgischen Klammer (65) oder mehrerer chirurgischer Klammern (65) in einem Gewebe (55) umfassend:

M2 eine Klammer-Anbringungs-Baugruppe (60), M3 welche einen Klammerhalter (64) zur Aufnahme einer chirurgischen Klammer (65) oder mehrerer chirurgischer Klammern (65), M4 einen Amboss (68) zum Klemmen des Gewebes gegen den Klammerhalter und M5 einen Drücker (320) zum Eindrücken der Klammern aus dem Klammerhalter in das zwischen dem Amboss und dem Klammerhalter geklemmte Gewebe aufweist;

M6 eine Betätigungsgriff-Baugruppe (80) mit Einrichtungen (86, 48) zum Betätigen des Drückers und M7 eine Schaft-Baugruppe (70) zum Anbringen der Klammer-Anbringungs-Baugruppe an der Betätigungsgriff-Baugruppe, M8 welche um ihre Längsachse drehbar ist, um die Klammer-Anbringungs-Baugruppe in unterschiedlichen Winkelausrichtungen in Bezug auf die Betätigungsgriff-Baugruppe auszurichten, dadurch gekennzeichnet, dass M9 die Schaft-Baugruppe einen Trägerschaft-Abschnitt (74) aufweist, der mit einem flexiblen Schaft-Abschnitt (76) verbunden ist, M10 wobei der flexible Schaft-Abschnitt in Bezug auf die Längsachse (54) der Schaft-Baugruppe in jede radiale Richtung gebogen werden kann, M11 wobei der flexible Schaft-Abschnitt am distalen Ende der Schaft-Baugruppe benachbart zur Klammer-Anbringungs-Baugruppe angeordnet ist, M12 und wobei der flexible Schaft-Abschnitt derart eingerichtet ist, dass er seine gebogene Form beibehält und einer Auslenkung widersteht, wenn die Klammer-Anbringungs-Baugruppe betätigt wird, hilfsweise mit der Maßgabe, dass Patentanspruch 1 (mit Merkmalsgliederung) folgende Fassung erhält und sich daran die Patentansprüche 3, 4 und 6 bis 15 der erteilten Fassung anschließen (Hilfsantrag):

M1 Chirurgisches Instrument (50) zum Anbringen einer chirurgischen Klammer (65) oder mehrerer chirurgischer Klammern (65) in einem Gewebe (55) umfassend:

M2 eine Klammer-Anbringungs-Baugruppe (60), M3 welche einen Klammerhalter (64) zur Aufnahme einer chirurgischen Klammer (65) oder mehrerer chirurgischer Klammern (65), M4 einen Amboss (68) zum Klemmen des Gewebes gegen den Klammerhalter und M5 einen Drücker (320) zum Eindrücken der Klammern aus dem Klammerhalter in das zwischen dem Amboss und dem Klammerhalter geklemmte Gewebe aufweist;

M6 eine Betätigungsgriff-Baugruppe (80) mit Einrichtungen (86, 48) zum Betätigen des Drückers und M7 eine Schaft-Baugruppe (70) zum Anbringen der Klammer-Anbringungs-Baugruppe an der Betätigungsgriff-Baugruppe, M8 welche um ihre Längsachse drehbar ist, um die Klammer-Anbringungs-Baugruppe in unterschiedlichen Winkelausrichtungen in Bezug auf die Betätigungsgriff-Baugruppe auszurichten, dadurch gekennzeichnet, dass M9H die Schaft-Baugruppe einen Trägerschaft-Abschnitt (74) aufweist, der mit einem im Vergleich zum Trägerschaft-Abschnitt (74) kürzeren flexiblen Schaft-Abschnitt (76) verbunden ist, M10 wobei der flexible Schaft-Abschnitt in Bezug auf die Längsachse (54) der Schaft-Baugruppe in jede radiale Richtung gebogen werden kann, M11 wobei der flexible Schaft-Abschnitt am distalen Ende der Schaft-Baugruppe benachbart zur Klammer-Anbringungs-Baugruppe angeordnet ist, M12 und wobei der flexible Schaft-Abschnitt derart eingerichtet ist, dass er seine gebogene Form beibehält und einer Auslenkung widersteht, wenn die Klammer-Anbringungs-Baugruppe betätigt wird.

Der Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag lediglich in Merkmalsgruppe M9H.

Im Übrigen tritt sie dem Vortrag der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent zumindest im hilfsweise verteidigten Umfang für patentfähig.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet und führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist in der verteidigten Fassung nicht patentfähig (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a), Art. 54 EPÜ).

Soweit die Beklagte das Streitpatent nicht mehr verteidigt und sich in zulässiger Weise selbst beschränkt hat, hat die Klage insoweit ohne weiteres Erfolg (vgl. Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 83 Rdnr. 45).

Im Übrigen ist der Gegenstand nach Anspruch 1 der verteidigten Fassung nicht neu gegenüber dem Stand der Technik und die hilfsweise erklärte, weitergehende Beschränkung ist mangels Offenbarung unzulässig (vgl. Busse, a. a. O., § 83 Rdnr. 39).

II.

1. Das Streitpatent betrifft ein chirurgisches Instrument zum Anbringen chirurgischer Klammern im Gewebe, insbesondere an inneren Organen wie Lunge, Speiseröhre, Magen, Zwölffingerdarm und anderen Eingeweiden. Derartige Instrumente sind im Stand der Technik bekannt, weisen aber den Nachteil auf, dass sie nur mit einer einzelnen Klammer geladen werden können, eine komplizierte Konstruktion aufweisen, schwer und unhandlich sind und sowohl das Laden der Klammern als auch die Sterilisation nach dem Gebrauch Probleme bereiten. Auch die spätere Einführung von vorsterilisierten Einweg-Ladeeinheiten und austauschbaren Klammermagazinen konnte diese Probleme nicht eliminieren (siehe DE 694 32 241 T2, Abs. [0003, 0004]).

2. Vor diesem Hintergrund liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein besonders anpassungsfähiges Instrument zu schaffen, mit dem nicht nur den genannten Problemen begegnet wird, sondern das auch eine einfache und genaue Hinführung zu schwer zugänglichen Operationsstellen im Körperinneren ermöglicht (siehe Widerspruchsschriftsatz vom 6. Februar 2006, S. 6, 7).

3. Der zuständige Fachmann ist ein mit der Entwicklung entsprechender Instrumente betrauter Dipl.-Ing. der Fachrichtung Medizintechnik oder Feinwerktechnik.

4. Patentfähigkeit von Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag In der mündlichen Verhandlung wurden lediglich die Merkmalsgruppen M6, M8 und M9 mit M11 hinsichtlich der Länge des Trägerschaft-Abschnittes 74 streitig diskutiert.

Gemäß der Merkmalsgruppe M6 weist das chirurgische Instrument eine Betätigungsgriff-Baugruppe mit Einrichtungen zum Betätigen des Drückers auf. Das chirurgische Instrument gemäß der Druckschrift NK14 weist ebenfalls eine Betätigungsgriff-Baugruppe (Betätigungsmechanik 11) auf (siehe Fig. 1 und 3) mit Einrichtungen, z. B. den Betätigungshebel 82 in Verbindung mit Zug 36 (siehe Fig. 2) zum Betätigen eines Drückers (Schubelement 50). Gemäß der Druckschrift NK14 wird über den Zug 36 das Gehäuse 42 gegenüber dem Basiselement 27 verschoben und dabei die Klammern 14 über Vorsprünge 51 des Drückers (Schubelementes 50), der sich am Basiselement 27 abstützt, vom Gehäuse freigelegt und somit im Gewebe eingebettet (siehe Spalte 7, Zeile 41 bis Spalte 8, Zeile 19). Der Drücker wird somit durch ein Verschieben des Gehäuses von der Betätigungsgriff-Baugruppe aus betätigt. Da die konkrete Betätigung des Drückers in der Merkmalsgruppe M6 nicht beansprucht wird, ist die indirekte Betätigung des Drückers gemäß NK14 in Übereinstimmung mit den Merkmalen in Merkmalsgruppe M6 und dem Streitpatent, da gemäß dem Streitpatent der Drücker 320 ebenfalls indirekt über einen Auslösenocken 324 betätigt wird (siehe Fig. 11 und 18).

Gemäß Merkmalsgruppe M8 ist bei dem chirurgischen Instrument eine Schaft-Baugruppe um ihre Längsachse drehbar, um die Klammer-Anbringungs-Baugruppe in unterschiedlichen Winkelausrichtungen in Bezug auf die Betätigungsgriff-Baugruppe auszurichten. Aus der Druckschrift NK14 ist ebenfalls eine Schaft-Baugruppe bekannt (siehe Setzanordnung 12 mit Rückgratsegmenten 20 und kegelstumpfförmiges Element 25 in Fig. 1), die um ihre Längsachse drehbar ist, um die Klammer-Anbringungs-Baugruppe (Kopfanordnung 17) in unterschiedlichen Winkelausrichtungen in Bezug auf die Betätigungsgriff-Baugruppe (Betätigungsmechanik 11) auszurichten (siehe Spalte 9, Zeile 9 bis 32). Ob die Argumentation der Patentinhaberin, die Drehbarkeit der Schaft-Baugruppe sei nur beim Zusammenbau des chirurgischen Instruments gegeben, zutreffend ist, kann dahin stehen, da die beanspruchte Drehbarkeit aus der Druckschrift NK14 auf jeden Fall bekannt ist und der Anspruch diese Drehbarkeit auch nicht auf eine besondere Phase des Zusammenbaus oder der Benutzung des Instrumentes einschränkt.

Gemäß den Merkmalsgruppen M9 und M11 weist bei dem chirurgischen Instrument die Schaft-Baugruppe einen Trägerschaft-Abschnitt auf, der mit einem flexiblen Schaft-Abschnitt verbunden ist, wobei der flexible Schaft-Abschnitt am distalen Ende der Schaft-Baugruppe benachbart zur Klammer-Anbringungs-Baugruppe angeordnet ist. Bei dem chirurgische Instrument gemäß der Druckschrift NK14 weist die Schaft-Baugruppe (siehe Setzanordnung 12 mit Rückgratsegmenten 20 und kegelstumpfförmiges Element 25 in Fig. 1) ebenfalls einen Trägerschaft-Abschnitt (kegelstumpfförmiges Element 25) auf, der mit einem flexiblen Schaft-Abschnitt (Rückgratsegmente 20) verbunden ist (siehe Fig. 2, Anlage der konkaven Stirnfläche 21 von Rückgratsegment 20 an kegelstumpfförmiges Element 25), wobei der flexible Schaft-Abschnitt am distalen Ende der Schaft-Baugruppe benachbart zur Klammer-Anbringungs-Baugruppe (Kopfanordnung 17) angeordnet ist (siehe Fig. 1). Nähere Angaben über die Form oder die Länge des Trägerschaft-Abschnittes und des flexiblen Schaft-Abschnittes werden mit Patentanspruch 1 nicht beansprucht.

Aus der Druckschrift NK14 sind somit alle Merkmale im Patentanspruch 1 bekannt, nämlich (siehe insbesondere die Fig. 1 und 2) ein M1= chirurgisches Instrument 10 zum Anbringen mehrerer chirurgischer Klammern 14 in einem Gewebe umfassend:

M2= eine Klammer-Anbringungs-Baugruppe (Kopfanordnung 17, mit Setzelement 15), M3= welche einen Klammerhalter (Abschlusswandung 44 mit ringförmiger Stirnfläche 45 und Kanälen 46) zur Aufnahme mehrerer chirurgischer Klammern 14 (siehe Spalte 7, Zeilen 53 bis 64), M4= einen Amboss (Formungsfläche 16) zum Klemmen des Gewebes gegen den Klammerhalter und M5= einen Drücker (Schubelement 50) zum Eindrücken der Klammern aus dem Klammerhalter in das zwischen dem Amboss und dem Klammerhalter geklemmten Gewebe aufweist;

M6= eine Betätigungsgriff-Baugruppe mit Einrichtungen zum Betätigen des Drückers (siehe vorherige Ausführungen) und M7= eine Schaft-Baugruppe (siehe Segmente 20 und kegelstumpfförmiges Element 25) zum Anbringen der Klammer-Anbringungs-Baugruppe 17 an der Betätigungsgriff-Baugruppe (Betätigungsmechanik 11), M8= welche um ihre Längsachse drehbar ist, um die Klammer-Anbringungs-Baugruppe in unterschiedlichen Winkelausrichtungen in Bezug auf die Betätigungsgriff-Baugruppe auszurichten (siehe Spalte 9, Zeilen 9 bis 32), wobei M9= die Schaft-Baugruppe einen Trägerschaft-Abschnitt (siehe Abschnitt mit kegelstumpfförmigen Element 25) aufweist, der mit einem flexiblen Schaft-Abschnitt (Rückgratsegmente 20) verbunden ist, M10= wobei der flexible Schaft-Abschnitt in Bezug auf die Längsachse der Schaft-Baugruppe in jede radiale Richtung gebogen werden kann (siehe Spalte 9, Zeilen 33 bis 48), M11= wobei der flexible Schaft-Abschnitt am distalen Ende der Schaft-Baugruppe benachbart zur Klammer-Anbringungs-Baugruppe angeordnet ist (siehe Fig. 1), M12= und wobei der flexible Schaft-Abschnitt derart eingerichtet ist, dass er seine gebogene Form beibehält und einer Auslenkung widersteht, wenn die Klammer-Anbringungs-Baugruppe betätigt wird (siehe Versteifungsanordnung 28, Spalte 9, Zeilen 33 bis 48).

5. Zulässigkeit von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag beansprucht in Merkmalsgruppe M9H im Unterschied zum Hauptantrag lediglich, dass der flexible Schaft-Abschnitt 76 im Vergleich zum Trägerschaft-Abschnitt 74 kürzer ist. In der Beschreibung der Streitpatentschrift werden keine Angaben über die Längen oder Längenverhältnisse dieser Schaft-Abschnitte gemacht (siehe DE 694 32 241 T2, Absatz [0074]).

Zur Offenbarung einer Erfindung gehören auch die technischen Informationen der Zeichnungen. Dies ist allerdings nur der Fall, wenn der Fachmann bei Studium der Zeichnungen ohne weiteres erkennt, dass die gezeichneten Merkmale zur Erfindung gehören, obwohl sie weder von der Beschreibung noch von den Ansprüchen erwähnt werden. Dies setzt voraus, dass der Fachmann dieses Merkmal als wesentliche technische Information den Zeichnungen entnehmen kann oder seine Aufmerksamkeit in irgendeiner Weise auf dieses Merkmal gelenkt wird. Gemäß einer Entscheidung "Unzulässige Erweiterung" des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH GRUR 1996, 204, Ls. 1 u. 2, 206, 3.b)) war ein ursprünglich in der Anmeldung nicht ausdrücklich erwähntes Merkmal zulässig, da es sich als ein zumindest bevorzugt vorgeschlagenes Lösungsmittel aus sämtlichen Patentzeichnungen in Verbindung mit auf das Merkmal hinweisenden Ausführungen in der Beschreibung für den Fachmann ergab.

In der Streitpatentschrift werden die beiden Schaftabschnitte 74 und 76 lediglich in den beiden Fig. 1 und 2 komplett dargestellt. Diese Figuren zeigen nur eine perspektivische Ansicht und eine Seitenansicht des gesamten chirurgischen Klammerinstruments, die den prinzipiellen Aufbau mit den wesentlichen Baugruppen ohne Maßstabsangaben darstellt, ohne dabei besonders auf die Schaft-Abschnitte 74, 76 einzugehen. Präzise Maße oder Größenverhältnisse, insbesondere der Schaft-Abschnitte 74 und 76, sind daher für den Fachmann aus den Zeichnungen der Streitpatentschrift nicht entnehmbar.

6. Die Unteransprüche teilen aufgrund ihres Rückbezugs auf den Patentanspruch 1 dessen Schicksal.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

Winkler Voit Dr. Häußler Dr. Morawek Bernhart






BPatG:
Urteil v. 15.05.2007
Az: 4 Ni 53/05


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