Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. September 2006
Aktenzeichen: 28 W (pat) 257/03

(BPatG: Beschluss v. 27.09.2006, Az.: 28 W (pat) 257/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Für die international registrierte Wortmarke IR 736 024 DIRECTVIEW als Kennzeichnung für die Waren:

Radiographies à usage medical et appareils de radiologie à usage medical, hat die Markeninhaberin Schutz in der Bundesrepublik Deutschland nachgesucht.

Die Markenstelle für Klasse 10 hat der Marke den Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses verweigert. Die sprachüblich gebildete Bezeichnung "DIRECTVIEW" sei leicht verständlich und weise auf die Funktionsweise der so gekennzeichneten Waren hin. Im Wege des digitalen Röntgens sei es durchaus möglich, Röntgenaufnahmen direkt am Computer sichtbar zu machen. Als Hinweis auf die Funktionsweise der fraglichen Ware könne das Zeichen nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden und sei zudem als fachspezifischer Begriff für die Mitbewerber freizuhalten.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Markeninhaberin ihr Schutzbegehren weiter und begründet dies damit, dass die Marke keinen bestimmten Sachbezug zu den von ihr erfassten Waren aufweise. Sie sei ihrer Struktur nach eine ungewöhnliche Verbindung und kein bekannter Ausdruck der englischen Sprache, um die unter der Marke eingetragenen Waren zu bezeichnen oder ihre wesentlichen Merkmale wiederzugeben. Konkrete Feststellungen für das Fehlen der erforderlichen Unterscheidungskraft seien nicht ersichtlich. Die Marke könne mit unterschiedlichen Bedeutungsgehalten übersetzt werden und sei damit der Interpretation zugänglich. Die Vielfalt der Verständnismöglichkeiten stehe der Annahme einer unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren entgegen. Diese könnten auch gar keine "Direktansicht" bewirken, wie dies die Markenstelle angenommen habe, sondern bedürften hierzu zunächst einer technischen Unterstützung. Somit sei auch kein Freihaltungsbedürfnis gegeben. Zudem sei auf die Registrierung der Marke in verschiedenen europäischen Ländern sowie auf die Eintragung vergleichbar gebildeter Marken durch das Deutsche Patent- und Markenamt hinzuweisen.

Durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2005 ist in das schriftliche Verfahren übergegangen worden. Der Senat hat bei verschiedenen Verbänden um Stellungnahme zu der Frage gebeten, ob aus der Sicht der beteiligten Verkehrskreise (Endabnehmer, Händler oder Hersteller) die Wortfolge "DIRECT VIEW" als bloßer Sachhinweis auf radiologische Aufnahmen oder Geräte, insbesondere "Direktsichtaufnahmen oder -geräte" verstanden werde, mit deren Hilfe eine unmittelbare - optische oder elektronische - Sichtmöglichkeit geschaffen werde. Zudem wurde die Frage gestellt, ob ein Bedürfnis der Verbandsmitglieder an der Verwendung der Sachbezeichnung für medizinische Geräte bestehe, oder ob es für wahrscheinlich gehalten werde, dass die Wortfolge in nicht allzu ferner Zukunft als Sachangabe benötigt werde, etwa um auf die Funktion von medizinischen Geräten hinzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Marke ist der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland gemäß §§ 107, 113 Abs. 2 MarkenG zu verweigern, da ihr die Eintragungshindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft und der beschreibenden freihaltungsbedürftigen Angabe entgegenstehen (§§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG i. V. m. Art. 3ter Abs. 1, 5 Abs. 2 MMA, Art. 6quinquies B Nr. 2 PVÜ).

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Dabei steht dieses Schutzhindernis einem Wortzeichen bereits entgegen, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein wesentliches Merkmal der fraglichen Waren bezeichnet (vgl. EuGH GRUR 2004, 146, Rdn. 32 - Doublemint, hier zum gleich lautenden Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c GMV). Dies ist im vorliegenden Fall zu bejahen.

Dass die Markenstelle die international registrierte Marke zutreffend als sprachüblich gebildete Bezeichnung gewertet hat, belegt bereits der Umstand, dass der Begriff "Direct View" sowohl in der englischen als auch der deutschen Sprache auf verschiedenen Produktbereichen gebräuchlich ist, etwa im EDV-Bereich (vgl. hierzu Internet-Lexikon Wikipedia, unter http://de.wikipedia.org - Stichwort "Direct View"). Auch die entsprechende deutschsprachige Bezeichnung "Direktsicht" wird als Sachbegriff verwendet, etwa bei TV-Geräten, Displays, Leuchten oder Laparoskopiegeräten.

Den beiden englischen Wörtern "direct" und "view" kommen die Bedeutungsgehalte "direkt, unmittelbar" bzw. "Bild, Ansicht, Sicht, Darstellung" zu (vgl. hierzu Internetwörterbuch LEO, English-German Dictionary, unter http://dict.leo.org), so dass sich die international registrierte Marke mit "direktes, unmittelbares Bild" übersetzen lässt. Dieser Begriffsgehalt wird sich für die angesprochenen Fachkreise im Zusammenhang mit den hier beanspruchten radiologischen Apparaten schon deshalb ohne weiteres Nachdenken erschließen, weil hier der Geschwindigkeit der Bilderstellung der fraglichen Röntgenapparate bzw. -anlagen eine zentrale Bedeutung zukommt. Dies gilt in besonderem Maß für die neuen, digitalen Röntgensysteme, also der so genannten Speicherfolientechnik bzw. Computed Radiografie (CR) und der direkt Digitalen Radiografie (DR). DR-Systeme weisen gegenüber der älteren CR-Technik eine deutlich höhere Geschwindigkeit bei der Bilderstellung auf, so dass Röntgenaufnahmen nach der Positionierung des Patienten sekundenschnell, also praktisch "unmittelbar" auf einem Monitor zu sehen sind. Mit dieser Vereinfachung des medizinischen Prozesses an sich sind weitere Vorteile für die Patienten sowie eine verbesserte Diagnostik und erhebliche Kosteneinsparungen verbunden. So verkürzt sich die Verweildauer der Patienten und dementsprechend die Strahlendosis, mit der sie belastet werden. Aufgrund der höheren Geschwindigkeit der Bilderstellung stehen die Röntgenbilder dem behandelnden Radiologen schneller zur Verfügung, was wiederum eine schnellere Diagnose möglich macht. Eine kürzere Verweildauer der Patienten erhöht den so genannten Patientendurchlauf und hat damit eine verbesserte Auslastung der einzelnen Geräte zur Folge, so dass für die Kliniken oder Arztpraxen die Zahl der benötigten Röntgensysteme sinkt. Der schnelleren Bilderstellung von DR-Geräten kommt deshalb ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial zu. So hat offensichtlich auch die Markeninhaberin die Bedeutung dieser Produkteigenschaft für den angesprochenen Verkehr erkannt und bewirbt auf ihrer Homepage die Vorteile von DR-Systemen mit dem Hinweis: "Mit DR-Systemen können Sie Ihre Imaging-Prozesse effizienter gestalten ... Durch die schnelle Verfügbarkeit von Bildern ... können Sie die Untersuchungszeiten verkürzen, die Patientenbehandlung weiter verbessern und die Produktivität im gesamten Prozess deutlich steigern." (vgl. unter http://www.kodak.com/global/de/health/productsByType/dr/drProduct.jhtml€pqpat h=5463#howDR).

Die Marke "DIRECTVIEW" ist somit geeignet, in unmittelbarer und unzweideutiger Art und Weise eine für den Verkehr wesentliche Eigenschaft der beanspruchten radiologischen Apparate zu beschreiben und ist deshalb für die freie Verwendung durch die Mitbewerber freizuhalten.

Auch im Hinblick auf die weiteren Waren "Röntgenaufnahmen für medizinische Zwecke" kommt der Marke ein beschreibender Bedeutungsgehalt zu. Derartige Röntgenaufnahmen sind insbesondere für Lehrzwecke, etwa im Rahmen der Anatomie und/oder Radiologie geeignet und ermöglichen dabei eine direkte Darstellung der inneren Strukturen des menschlichen Körpers. Damit ist die Marke in einer ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. insoweit nochmals EuGH - Doublemint, a. a. O.), nämlich dem Begriffsgehalt "direkte Darstellung, direkte Ansicht" zur Benennung des Bestimmungszwecks der genannten Waren geeignet.

Aufgrund ihres dargestellten, beschreibenden Bedeutungsgehalts werden die angesprochenen Verkehrskreise der Bezeichnung "DIRECTVIEW" auch keine betriebliche Kennzeichnungswirkung zuordnen, sondern sie lediglich als Sachhinweis werten. Sie verfügt daher nicht über die erforderliche Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (st. Rspr., vgl. EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor; BGH WRP 2001, 1310 - LOOK). Neben einem Freihaltungsbedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht der Schutzerstreckung der Marke somit auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

Der Senat sieht die vorstehenden Feststellungen auch durch die eingegangenen Auskünfte der befragten Fachverbände bestätigt. Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin, die fraglichen Stellungnahmen seien widersprüchlich, lassen sich allen Stellungnahmen klare Aussagen zur Frage eines beschreibenden Bedeutungsgehalts der fraglichen Wortfolge entnehmen. Für den Senat bestehen auch keinerlei Zweifel an der Neutralität der Stellungnahmen, wie sie von der Markeninhaberin vorgetragen, aber nicht begründet wurden.

Der Berufsverband der Deutschen Radiologen e. V. hat ausgeführt, ein "direct view" stehe in verschiedenen medizinischen Anwendungen für das sofortige Zur-Verfügungstehen eines Bildes, weshalb der Vorbehalt des Begriffs "direct view" für nur ein Unternehmen Ärzte und andere vergleichbare Nutzer zu weit einschränken würde. Auch der Deutsche Verband Technischer Assistentinnen in der Medizin e. V. hat den Begriff "DIRECTVIEW" für nicht schutzwürdig erachtet und in diesem Zusammenhang angeführt, sowohl bei der analogen Durchleuchtungstechnik wie auch bei digitalen Durchleuchtungsgeräten könne ein Röntgenbild direkt auf einen Fernsehschirm übertragen werden. Ein Freihaltungsbedürfnis zur Sachbezeichnung für medizinische Geräte wurde dennoch verneint. Die Stellungnahme des "Zentrums für Telematik im Gesundheitswesen GmbH" hat ein Freihaltungsbedürfnis dagegen klar bejaht und den Begriff "Directview" als Hinweis auf eine schnelle, möglichst noch während der Bildaufnahme mögliche Sichtung interpretiert, der als solcher nicht nur auf das Röntgen beschränkt sei. Der Fachverband für Röntgen-Dienstleistungsbetriebe e. V. hat der Wortfolge "DIRECT VIEW" für den Bereich der Radiologie in einer zweifachen Ausdeutung einen technischen Begriffsinhalt zugemessen, im Sinne von "Direkte Bildgebung" und "direkter (unverzüglicher) Bilddarstellung". Der Ansicht der Markeninhaberin, aus der Anmerkung, die Mitglieder des Verbandes würden eine Verwendung dieser Worte für ihre eigenen Produkte vermeiden, um keine Verwechslung mit den Produkten der Markeninhaberin zu provozieren, ergebe sich der Beleg für die fehlende Neutralität der Stellungnahme, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der Berufsverband deutscher Nuklearmediziner e. V. hält die Eintragung des Begriffs als Wortmarke ebenfalls für nicht erstrebenswert. Da die Verbindung der beiden in der englischen und medizinischen Umgangssprache geläufigen Wortteile "DIRECT" und "VIEW" nichts Eigenständiges ergebe, solle er vielmehr wegen seiner speziellen Bedeutung geschützt werden, was der Senat als Empfehlung interpretiert, den Begriff für alle Mitbewerber freizuhalten. Von Seiten der Zentralvereinigung medizinischtechnischer Fachhändler, Hersteller, Dienstleister und Berater e. V. wurde lediglich vorgetragen, der genannte Begriff lasse sich in einem sehr breiten Spektrum anwenden, beispielsweise im augenoptischen Bereich, weshalb das Schutzbegehren für überzogen gehalten werde. Nur der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie und der Europäische Koordinierungsausschuss der Röntgen- u. Elektromedizinischen Industrie haben in wortgleichen Stellungnahmen einen beschreibenden Bedeutungsgehalt der Marke verneint und ein Freihaltungsbedürfnis an ihr für ihre Mitglieder ausgeschlossen. In den entsprechenden Fachkreisen seien für die maßgeblichen Verfahren und Geräte die Begriffe "Radiografie, Radiofluoroskopie" und "Durchleuchtung" üblich.

Nach Würdigung aller Stellungnahmen ist festzustellen, dass die Mehrzahl der befragten Verbände der fraglichen Wortfolge - wenn auch mit unterschiedlichen Formulierungen - einen beschreibenden Hinweis auf eine direkte bzw. schnelle Bilddarstellung zugeordnet hat.

Soweit die Markeninhaberin eine indizielle Wirkung verschiedener inländischer Voreintragungen mit dem Bestandteil "view" geltend macht und auf die Registrierung der Marke in mehreren europäischen Ländern hinweist, bleibt festzuhalten, dass es sich bei der Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke um keine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt. Als solche unterliegt sie einer auf den Einzelfall bezogenen Prüfung (vgl. BGH GRUR 1989, 420, 421 - KSÜD), so dass weder inländischen noch ausländischen Voreintragungen eine wie auch immer geartete verbindliche Wirkung zukommen kann. Voreintragungen können bei der Beurteilung des konkreten Falles Berücksichtigung finden, sind aber für die Entscheidung über die Eintragung einer Marke unter keinem Gesichtspunkt maßgeblich (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 ff., Rdn. 61, 63 - Henkel).

Nach alldem war der IR-Marke der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland zu versagen und die Beschwerde zurückzuweisen.






BPatG:
Beschluss v. 27.09.2006
Az: 28 W (pat) 257/03


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