Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Mai 2003
Aktenzeichen: 33 W (pat) 311/01

(BPatG: Beschluss v. 27.05.2003, Az.: 33 W (pat) 311/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. Oktober 2000 und vom 11. September 2001 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Wortmarke KLIMAVARIO soll für die Waren der Klasse 19

"Licht-, Blend- und Sonnenschutz, nämlich Fenster und Bauglas mit eingelassenen Jalousien; Baumaterial aus Glas; Bau- und Isolierglas"

in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung zunächst mit Beschluss vom 24. Oktober 2000 wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Marke im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren den beschreibenden Sinngehalt vermittle, dass diese die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit, das Klima (eines Raumes oder Zimmers oder eines ganzen Hauses/Gebäudes) veränderten oder variierten. Eine derartige Sachaussage im Sinne einer Beschaffenheits- und/oder Bestimmungsangabe werde aber auch von den Mitbewerbern zur Anpreisung ihrer Produkte benötigt, denen es unbenommen bleiben müsse, auf derartige beschreibende Angaben frei von Rechten Dritter zurückgreifen zu können. Weiterhin fehle dem Zeichen auch die erforderliche Unterscheidungskraft, wobei es genüge, dass die Marke bei den angesprochenen Fachverkehrskreisen unmittelbar die Vorstellung einer Beschaffenheits- oder Bestimmungsangabe, auch im Sinne eines Verwendungszwecks, erwecke, die sich auf die angemeldeten Waren selbst beziehe. Die gegen den Zurückweisungsbeschluss gerichtete Erinnerung der Anmelderin wurde mit Beschluss vom 11. September 2001 zurückgewiesen.

Mit ihrer Beschwerde macht die Anmelderin geltend, dass die lexikalisch nicht nachweisbare Wortbildung "KLIMAVARIO" die erforderliche geringe Unterscheidungskraft besitze. "Klima" komme aus dem Lateinischen "Neigung zum Äquator" und beschreibe den mittleren Zustand der Atmosphäre über einem bestimmten Gebiet, den für dieses Gebiet charakteristischen (durchschnittlichen) Ablauf der Witterung, die Gesamtheit der meteorologischen Erscheinungen, die den mittleren Zustand der Atmosphäre an der Erdoberfläche kennzeichnen. Weiterhin verstehe man unter dem Begriff Klima die Gesamtheit der Witterungen innerhalb eines definierten Zeitraumes (z.B. eines Jahres). Das Wort "KLIMAVARIO" rufe daher zwar Assoziationen im Hinblick auf die Beeinflussung der Klimafaktoren bei dem Publikum hervor. Es sei jedoch nicht als klare, eindeutige Sachangabe im Hinblick auf die Waren der Anmeldung geeignet. Auch durch die Hinzufügung des zweiten Wortteiles "-VARIO" werde nur eine mittelbare Assoziation zu dem Begriff "Variation" erzeugt, existiere als solche in der deutschen Sprache aber nicht. Die übliche Wortbildung wäre im übrigen "Klimavariation", nicht "KLIMAVARIO". Angaben über die Beschaffenheit, Wirkungsweise oder Zweckbestimmung der Produkte seien dem Markenwort in seiner maßgeblichen Gesamtheit nicht zu entnehmen. Da es noch nicht einmal Bezüge zu einem konkreten Gegenstand aufweise, bestehe auch kein Freihaltebedürfnis.

Die Anmelderin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet, da der angemeldeten Marke weder das Eintragungshindernis der mangelnden Unterscheidungskraft noch das des Freihaltungsbedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG entgegen stehen.

Die Internetrecherche hat bei einer Suche im gesamten Web keinen Nachweis für eine beschreibende oder eine zeichenmäßige Verwendung des angemeldeten Markenwortes ergeben. Zwar können auch Wortschöpfungen grundsätzlich einem Freihaltungsbedürfnis unterliegen bzw. nicht unterscheidungskräftig sein, wenn sie einen ausschließlich bzw. im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt aufweisen, dies ist aber bei "KLIMAVARIO" nicht der Fall.

1. Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Dabei nimmt der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so auf, wie es ihm entgegentritt und unterzieht es keiner analysierenden Betrachtungsweise. Bei der Beurteilung ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede, auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Diese Unterscheidungskraft fehlt nur dann, wenn dem Zeichen ein für die beanspruchten Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer geläufigen Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (BGH MarkenR 2001, 480 f - LOOK m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen - aber auch, soweit die Anforderungen an die Unterscheidungskraft durch das "Farbe Orange"-Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 6. Mai 2003 (RS C-104/01) strenger geworden sein sollten - verfügt die angemeldete Marke für die beanspruchten Waren über die erforderliche Unterscheidungskraft.

Das Zeichen setzt sich aus den Bestandteilen "Klima" und "vario" zusammen. Der Begriff "Klima" beschreibt, worauf die Anmelderin zutreffend hinweist, grundsätzlich den mittleren Zustand der Atmosphäre über einem bestimmten Gebiet, den für dieses Gebiet charakteristischen (durchschnittlichen) Ablauf der Witterung, oder die Gesamtheit der meteorologischen Erscheinungen, die den mittleren Zustand der Atmosphäre an der Erdoberfläche kennzeichnen. Des weiteren wird "Klima" in Verbindung mit der Wohn- oder Arbeitsumgebung auch bei Räumen verwendet. Unter "Raumklima" wird der "Luftzustand in einem Raum, gegeben durch Temperatur, Feuchtigkeit, Staub- und Schadstoffgehalt" (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch 7. Auflage 2000) verstanden. "Vario" als Ableitung des lateinischen Wortes "varius" (verschieden) kommt in der deutschen Sprache in Alleinstellung nicht vor, sondern stets als Präfix, z.B. in den Fremdwörtern "Variograph" (Gerät, das die Werte eines Variometers aufzeichnet), "Variometer" (Gerät zur Bestimmung kleinster Luftdruckschwankungen, zur Beobachtung erdmagnetischer Schwankungen pp) oder "Varioobjektiv" (Zoomobjektiv) (vgl. Duden, Das Fremdwörterbuch 7. Auflage 2001). Die Vorsilbe bezieht sich jeweils auf unterschiedliche Zustände, sei es, dass unterschiedliche Zustände erfasst oder gemessen werden oder dass mehrere Möglichkeiten (Brennweiten) zur Verfügung stehen. Auf Grund der Nähe zu den geläufigen Wörtern "variabel" (nicht auf eine Möglichkeit beschränkt) und "Variation" (Veränderung, Abwandlung) werden die angesprochenen Verkehrskreise, hier sowohl Fachleute des Bauwesens als auch das allgemeine Publikum, diesen Sinngehalt ohne weiteres erkennen. Dafür spricht auch, dass das Wort "Vario" in der Werbesprache mit einem entsprechenden Sinngehalt verwendet wird, wobei "Vario" häufig kennzeichnend oder firmenmäßig verwendet wird. Der Begriff hat stets einen Bezug zu Variationsmöglichkeiten, z.B. beim sog. "Vario-Schienensystem", das beim Renault Espace nahezu beliebige Positionen der Sitze im Passagierbereich zulässt (www. autonews. de), bei der Getreidemühle "Schnitzer-Vario", die mahlt und flockt (www. topgetreidemuehlen. de) oder beim K & G Vario-Dach, bei dem bewegliche Lamellen vorgesehen sind, um Wetter oder Sonnenschutz oder Luftzirkulation zu ermöglichen (www. lamellendach. de). Gleiches gilt im hier einschlägigen Bereich: baetzelglas hat ein "Vario Plan S"-Isolierglas im Angebot, das ein elektrisches Folienrollo enthält, ebenso das CONSAFIS VARIO, ein Isolierglas, das "die Funktionen Sonnenschutz, Blendschutz, Sichtschutz und Wärmedämmung variabel" macht, was durch rollbare, teiltransparente Folien mit Microprägung im Scheibenzwischenraum und durch dort integrierte Aluminiumlamellen geschieht (www. agsn. de/ consafis). Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass das angemeldete Zeichen einen im Vordergrund stehenden sachbeschreibenden Sinngehalt vermittelt. Die angeführten Beispiele zeigen vielmehr lediglich, dass das Hinzufügen des Wortes "vario" einen Hinweis auf eine gewisse Variabilität gibt, deren Bezug aus sich heraus jedoch nicht ohne weiteres konkret ist. Dies gilt auch bei Kombinationen mit Sachbegriffen. So ist zwar das "Vario-Dach" ein variables Dach, die "Vario-Schienen" sind aber keine variablen Schienen, sie ermöglichen nur variable Gestaltungsmöglichkeiten. Auch das angemeldete Zeichen "KLIMAVARIO" in seiner maßgeblichen Gesamtheit enthält keine eindeutige Sachaussage. Unabhängig davon, dass im Bauglasbereich der Einfluss klimatisch bedingter Zustände und deren Beeinflussung beim Raumklima eine erhebliche Rolle spielen, wie die Web-Seiten für die "INFRASTOP-Gläser" oder "Prima-Klima" und insbesondere der Artikel "Schaltbare und regelbare Verglasungen", themeninfo I/02, beispielhaft zeigen, bleibt nämlich offen, ob sich das Suffix "vario" auf den vorangestellten Begriff "Klima" unmittelbar im Sinne eines veränderbaren Klimas bezieht oder ob die beanspruchten Waren klimaabhängig variabel gestaltet sind und damit ein (Raum-) Klima beeinflussen oder ob es sich um Warenserien handelt, die auf bestimmte klimatische Bedingungen abgestimmt sind und entsprechende Warengruppen zur Verfügung gestellt werden. Hinzu kommt, dass das Zeichen "KLIMAVARIO" sprachunüblich gebildet ist, denn "vario" wird in Wortzusammensetzung sprachregelgerecht vorangestellt, wie die oben genannten Beispiele Variograph", "Variometer" oder "Varioobjektiv" zeigen. An der fehlenden Sprachüblichkeit ändert sich nichts dadurch, dass in der Werbung "vario" auch nachgestellt verwendet wird. In diesen Fällen handelt es sich jeweils nicht um zusammengesetzte Wörter, sondern um Begriffe handelt, die aus zwei oder mehr einzelnen Teilen bestehen. Schließlich ergibt sich auch aus dem Umstand, dass Gläser, die auf Grund ihrer physikalischen Eigenschaften durch entsprechende Wärmedurchtrittskoeffizienten das Raumklima abhängig vom Außenklima beeinflussen, neben "Sonnenschutzglas" und "Isolierglas" synonym auch als "Klimaglas" bezeichnet werden, keine nachteilige Beurteilung. Denn um das Zeichenwort als schlagwortartige Verkürzung für "klimaabhängig variables" oder "anpassungsfähiges Klimaglas" zu verstehen, wären analysierende Gedankenschritte erforderlich, die die angesprochenen Verkehrskreise regelmäßig nicht vornehmen.

2. Das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind nur solche Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr (u.a.) zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren dienen oder dienen können (vgl. BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE; BGH MarkenR 2000, 420 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; BGH GRUR 1999, 988, 989; BGH GRUR 1999, 1093, 1094 - FOR YOU). Wie oben bereits ausgeführt wurde, kann der Marke in ihrer konkret angemeldeten Form keine klare Aussage in Bezug auf die beanspruchten Waren zugeordnet werden. "KLIMAVARIO" vermag vielmehr lediglich Assoziationen und gewisse Erwartungen bezüglich der Eigenschaften der beanspruchten Waren nach Art einer sprechenden Marke zu wecken, enthält aber insgesamt keine naheliegende Eigenschaftsbezeichnung, so dass Anhaltspunkte dafür, daß Dritte gegenwärtig oder künftig ein legitimes Interesse an der werblichen Verwendung der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren haben könnten, somit nicht ersichtlich sind.

Winkler Baumgärtner Kätker Hu






BPatG:
Beschluss v. 27.05.2003
Az: 33 W (pat) 311/01


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