Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Mai 2006
Aktenzeichen: 10 W (pat) 54/05

(BPatG: Beschluss v. 11.05.2006, Az.: 10 W (pat) 54/05)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Am 1. Dezember 1997 reichte die Anmelderin unter der Beanspruchung der Priorität einer US-Anmeldung vom 19. Dezember 1996 die internationale Anmeldung PCT/US97/21744 ein, die - nach erfolgtem Eintritt in die nationale Phase - beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 197 82 177.4-53 mit der Bezeichnung "Verfahren und Einrichtung zur Durchführung von TLB-Shootdown-Operationen in einem Multiprozessorsystem" geführt wird.

Im Juni 1999 stellte sie Prüfungsantrag. Mit (erstem) Prüfungsbescheid vom 29. April 2003 wies die Prüfungsstelle für Klasse G 06 F, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit Dipl.-Ing. A..., sondern mit Dipl.-Ing. B... besetzt war, darauf hin, die Patentansprüche seien mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar. Auf die Eingabe der Anmelderin vom November 2003, mit der sie geänderte Patentansprüche 1, 8 und 14 einreichte und sich mit dem entgegengehaltenen Stand der Technik auseinandersetzte, teilte dieselbe Prüfungsstelle, wiederum noch nicht besetzt mit Dipl.-Ing. A..., sondern mit Dr. rer.nat. C..., mit (zweitem) Prüfungsbescheid vom 25. November 2003 mit, dass die Patenterteilung in Aussicht gestellt werden könne, die Unterlagen aber noch Mängel aufwiesen; die Unteransprüche und die Beschreibung seien an die geänderten Patentansprüche anzupassen, die Figuren und die Beschreibung seien zu überarbeiten und die Entgegenhaltungen in der Beschreibungseinleitung zu würdigen. Die Anmelderin reichte hierauf im Februar 2004 geänderte Patentansprüche 1 bis 15, zum Teil geänderte Beschreibungsseiten sowie geänderte Figuren ein.

Eine Sachstandsanfrage der Anmelderin mit Schriftsatz vom 6. Juli 2004 wurde von der Prüfungsstelle mit formularmäßigem Bescheid vom 22. Juli 2004 dahingehend beantwortet, dass die Anmeldungen aus Gründen der Gleichbehandlung in der Regel in der Reihenfolge des Eingangs eines wirksamen Prüfungsantrags bzw. einer Erwiderung auf einen Sachbescheid bearbeitet würden. Die Anmelderin wies die Prüfungsstelle mit Schriftsatz vom 29. Juli 2004 darauf hin, dass die Patenterteilung in Aussicht gestellt worden sei und sich die Unterlagen seit der Eingabe vom Februar 2004 in einer erteilungsreifen Fassung befänden. Sie wandte sich zudem mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2004 an den Präsidenten des Patentamts, in dem sie u. a. ausführt, sie habe von der Geschäftsstelle erfahren, dass der Prüfer gewechselt habe und nunmehr Dipl.-Ing. A... mit der Sache befasst sei, und sie bitte um Unterstützung für einen beschleunigten Abschluss des Prüfungsverfahrens. Diese Eingabe wurde vom Leiter der Hauptabteilung 1 mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 beantwortet, u. a. mit dem Hinweis, dass ein Prüferwechsel stattgefunden habe, so dass der neu zuständige Prüfer nicht unmittelbar habe entscheiden können, sondern sich erst in den Fall einarbeiten müsse.

Mit Bescheid vom 17. November 2004 teilte die Prüfungsstelle für Klasse G 06 F, besetzt mit einer Angestellten des mittleren Dienstes, mit dem Zusatz "Auf Anordnung des Prüfers" der Anmelderin folgendes mit: "Die Anmeldung befindet sich nicht im erteilungsreifen Zustand (vgl. z. B. Patentansprüche 1, 13 mit BPatGE "Mikroprozessor"). Gegebenenfalls ist auch noch eine Nachrecherche erforderlich."

Mit Schriftsatz vom 26. November 2004 hat die Anmelderin gebeten, den Prüfer der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F, Dipl.-Ing. A..., von der weiteren Prüfung der Patentanmeldung wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 27 PatG i. V. m. § 42 ZPO zu entbinden und dies mit dem Verhalten des Prüfers im vorliegenden Verfahren in Verbindung mit dem früheren Verhalten in anderen Prüfungsverfahren (Patentanmeldungen P 42 13 073.5-53, P 43 91 002.5-53, 197 82 106.5-53 und 199 34 515.5; diese sind Gegenstand der Beschwerdeverfahren 10 W (pat) 15/05, 10 W (pat) 38/05, 10 W (pat) 39/05 und 10 W (pat) 41/05) begründet.

Im vorliegenden Verfahren gebe die Art und Weise der Sachbehandlung Anlass, an der Unvoreingenommenheit und Objektivität des Prüfers zu zweifeln. Der Eindruck der mutwilligen Verfahrensverzögerung erhärte sich durch die nunmehr übermittelte Mitteilung vom 17. November 2004. Wenn der Prüfer lediglich der Auffassung gewesen wäre, dass unter Beachtung der (nicht rechtskräftigen) Entscheidung des BPatG "Mikroprozessor" Zweifel am Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses an mehreren nebengeordneten Patentansprüchen bestünden, hätte er dies sofort in einem kurzen Prüfungsbescheid anmerken können. Der Anmelderin wäre es relativ leicht gefallen, das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses an diesen Patentansprüchen zu begründen. Weit schwerer wiege der zweite Satz der Mitteilung. Die Ankündigung, dass sich der Prüfer zu einer Nachrecherche veranlasst sehe, sei nur vor dem Hintergrund der mutwilligen Verfahrensverzögerung plausibel, nachdem in dieser Patentanmeldung bereits zwei Recherchen von zwei unabhängigen Behörden durchgeführt worden seien, nämlich einerseits die internationale Recherche und das international vorläufige Prüfungsverfahren und andererseits die Recherche und das Prüfungsverfahren des Deutschen Patent- und Markenamts durch die vorherigen Prüfer Dipl.-Ing. B... und Dr. C.... Der danach damit befasste Prüfer habe somit nicht den geringsten Anlass anzunehmen, von den vorherigen Prüfern sei ein relevanter Stand der Technik übersehen worden. Zudem dürfte dem Prüfer bewusst sein, dass die Anmelderin über die mit Prüfungsbescheid vom 25. November 2003 in Aussicht gestellte Erteilung des Patents bereits von ihrem Vertreter unterricht worden sei, so dass die Art der Weiterführung des Prüfungsverfahrens somit auch das Verhältnis zwischen der Anmelderin und ihrem Vertreter belaste. Auch müsse sich die Prüfungsstelle an ihre mit Prüfungsbescheid vom 25. November 2003 ergangene amtliche Mitteilung über die voraussichtliche Erteilung des Patents aus Gründen des Vertrauensschutzes auch dann festhalten lassen, wenn innerhalb der Prüfungsstelle der zuständige Prüfer wechsle. Eine Ausnahme könne allenfalls dann bestehen, wenn ein relevanter Stand der Technik auftauche, der bisher unberücksichtigt geblieben sei. Eine solche Ausnahme liege aber nicht vor, denn der Prüfer wolle erst noch nach einem solchen Stand der Technik recherchieren, was nicht plausibel sei und sich lediglich mit einer mutwilligen Verfahrensverzögerung erklären lasse. Diesen Eindruck habe die Anmelderin nicht nur im vorliegenden Verfahren, sondern nahezu in sämtlichen anderen Patentanmeldungen, die von diesem Prüfer betreut werden, gewonnen; insoweit werde auf die Ablehnungsgesuche der oben genannten Verfahren, insbesondere auf das Ablehnungsgesuch vom 6. Februar 2004 in der Patentanmeldung P 43 91 002.5-53 verwiesen.

In der dienstlichen Äußerung des Prüfers vom 22. Dezember 2004 hat der Prüfer erklärt, bezüglich nebengeordneter Patentansprüche entscheide die Prüfungsstelle anhand des für den Anmeldezeitpunkt geltenden Patentgesetzes unter Berücksichtigung der Rechtsprechung, wobei die Prüfungsstelle die Entscheidung "Mikroprozessor" des BPatG, auch wenn diese zurzeit noch nicht rechtskräftig sei, für zutreffend erachte; aufgrund dieses Rechtsstandes sei das vorliegende Patentbegehren nicht gewährbar. Im Hinblick auf den für das Prüfungsverfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatz sei es, wenn eine Prüfungsstelle der Auffassung sei bzw. Zweifel bestünden, dass noch entgegenstehender Stand der Technik vorhanden sei, Pflicht der Prüfungsstelle, eine Nachrecherche durchzuführen. Die vorliegende Anmeldung sei in die IPC-Klasse G 06 F 13/14 einklassifiziert worden und betreffe einen TLB (Translation Lookaside Buffer). Für TLB's existierten von der Prüfungsstelle angelegte Privatklassen (DEKLA), und zwar die Klassen G 06 F 12/10 TLB und G 06 F 12/08 TLB. Die bisher entgegengehaltenen Druckschriften seien in den Klassen G 06 F 12/12 und G 06 F 12/10 klassifiziert. Die Prüfungsstelle halte daher noch eine Nachrecherche in den oben genannten Privatklassen für erforderlich. Da die Anmeldung somit nicht in erteilungsreifem Zustand sei, sei diese zur Bearbeitung in den Zeitrang nach Eingabe eingereiht worden. Ein begründetes Beschleunigungsgesuch, das ein Vorziehen der Bearbeitung der Anmeldung ermöglichen würde, liege nicht vor.

Auf die dienstliche Äußerung des Prüfers hat die Anmelderin vorgetragen, die dienstliche Äußerung gehe nicht auf den wesentlichen Umstand ein, dass die Prüfungsstelle nach vorausgegangener internationaler Recherche und Prüfung sowie anschließender Recherche und Prüfung durch zwei Prüfer des DPMA bereits mit Prüfungsbescheid vom 25. November 2003 die Patenterteilung in Aussicht gestellt habe. Ebenso wenig enthalte sie Ausführungen dazu, weshalb der Prüfer bei Übernahme einer Akte, in der bereits die Patenterteilung in Aussicht gestellt worden sei, nicht sofort mit der Weiterprüfung begonnen und einen entsprechenden Bescheid oder Erteilungsbeschluss erlassen habe. Auch inhaltlich sei die dienstliche Äußerung nicht zutreffend. Die Entscheidung des BPatG "Mikroprozessor" sei vorliegend kaum einschlägig, da der dort getroffenen Entscheidung eine andere Anspruchskonstellation zugrunde gelegen habe. Vor allem aber könne die dienstliche Äußerung nicht erklären, weshalb der Prüfer zu der Auffassung gelangt sei, dass noch entgegenstehender Stand der Technik vorhanden sein könne, bzw. weshalb Zweifel an der Vollständigkeit der Recherche der vorherigen Prüfer bestünden. Zum einen sei eine der im internationalen Recherchenbericht aufgeführten Druckschriften auch der Klasse G 06 F 12/08 zugeordnet, so dass auch die vom Prüfer jetzt genannten Klassen zumindest in die internationale Recherche einbezogen worden seien. Zum anderen sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Prüfer aufgrund fehlender Druckschriften in den genannten Klassen zu der Auffassung gelange, diese Klassen seien nicht recherchiert worden; schließlich sei es ohne weiteres denkbar, dass bei einer Recherche keine Druckschriften in diesen Klassen gefunden worden seien, zumal einiges dafür spreche, dass sowohl die internationale Recherchenbehörde als auch die vorherigen deutschen Prüfer bereits den nächstkommenden Stand der Technik gefunden hätten. Die vorgeblich nicht erfolgte Recherche in irgendwelchen "Privatklassen" der Prüfungsstelle erweise sich somit als Scheinargument, mit dem der Prüfer zu verdecken suche, dass es keine ernsthaften Gründe für eine Nachrecherche gebe. Der Prüfer bringe lediglich zum Ausdruck, dass er die Patentanmeldung trotz der in Aussicht gestellten Erteilung entgegen der Prüfungsrichtlinien und ohne sachliche Gründe wieder in den Anfang seiner "Bearbeitungs-Pipeline" eingereiht habe.

Die Patentabteilung 53 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 1. August 2005 den Antrag auf Ablehnung wegen Befangenheit als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die von der Anmelderin vorgebrachten Gründe rechtfertigten bei vernünftiger Betrachtung nicht die Befürchtung, der Prüfer Dipl.-Ing. A... stehe der Anmeldung nicht unvorein- genommen und unparteiisch gegenüber. Insbesondere lasse sich nicht feststellen, dass er das Verfahren mutwillig verzögere oder zu verzögern beabsichtige. Nachrecherchen seien im Normalfall zwar nach Möglichkeit zu vermeiden, jedoch in Ausnahmefällen sinnvoll und notwendig. Zu diesen gehöre das vorliegende Verfahren. Wenn die Patentanmeldung im Kern einen "Translation Lookaside Buffer" (TLB) betreffe und dem Prüfer zwei von ihm selbst gepflegte DEKLA-Gruppen über genau diese TLB bekannt seien, so bedinge es die notwendige Sorgfalt, in diesen Gruppen zu recherchieren. DEKLA-Gruppen (frühere Bezeichnung: "Privatklassen") stellten eine Feinklassifizierung des Prüfstoffs in der Hierarchie unterhalb einer IPC-Gruppe dar. Die zugehörigen Dokumente seien damit aus der "Gruppenmappe" der darüberliegenden IPC herausselektiert und in dieser nicht mehr vorhanden. Es sei davon auszugehen, dass bei der internationalen Recherche nicht in diesem speziell im Deutschen Patent- und Markenamt zusammengestellten und gepflegten Prüfstoff recherchiert worden sei; es könne auch nicht immer davon ausgegangen werden, dass ein benachbarter DPMA-Prüfer, der die Anmeldung vor dem Prüferwechsel betreut habe, die speziellen von dem neuen Prüfer gepflegten DEKLA-Gruppen im Einzelnen kenne und nutze. Die Auffassung der Anmelderin, dass der Prüfer nicht den geringsten Anlass habe anzunehmen, dass ein relevanter Stand der Technik bisher übersehen sein könne, sei somit nicht haltbar. Ein Vertrauensschutz aufgrund der mit Prüfungsbescheid vom 25. November 2003 in Aussicht gestellten Patenterteilung sei weder aus dem Patentgesetz noch aus der Rechtsprechung herleitbar und widerspreche auch dem Amtsermittlungsgrundsatz; eine Zäsur finde erst durch die Patenterteilung statt. Darüber hinaus sei hier festzustellen, dass der deutsche Erstbescheid alle drei nebengeordneten Patentansprüche als nicht erfinderisch bezeichnet habe und der internationale Recherchenbericht sogar eine mit X bezeichnete Druckschrift aufführe. Da aus den vorgenannten Gründen noch eine Nachrecherche im Raum stehe, sei ein vorläufiges Abrücken des Prüfers von der in Aussicht gestellten Patenterteilung durchaus nachvollziehbar. Dass dieser Rückschritt im Fortgang des Prüfungsverfahrens das Innenverhältnis zwischen Anmelderin und Vertreter belaste, sei bedauerlich, müsse aber hinter der Prämisse einer sorgfältigen und sachgerechten Prüfung zurückstehen. Ebenfalls sei nicht zu beanstanden, dass der Prüfer der Entscheidung "Mikroprozessor" des BPatG folge, solange keine anders lautende Entscheidung des BGH vorliege.

Die Anmelderin verweise summarisch auf nahezu sämtliche andere Anmeldungen, die vom Prüfer betreut werden und auf die weiteren Ablehnungsgesuche, ohne jedoch nachvollziehbar die Art der Vorwürfe zu erläutern; in Ermangelung nachprüfbarer Einzelheiten sei ein Eingehen darauf nicht möglich. Im Übrigen sei das Verhalten eines Prüfers in Parallelverfahren für die Frage der Befangenheit nur soweit beachtlich, als dieses den Rückschluss auf eine Voreingenommenheit des Prüfers in dem durch das Ablehnungsgesuch betroffenen Verfahren zulasse, was hier jedoch nicht der Fall sei, da der der Ablehnung zugrunde liegende Sachverhalt ein gänzlich anderer sei.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde und beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses dem Antrag auf Ablehnung des Prüfers wegen Befangenheit stattzugeben.

Zur Begründung nimmt sie auf das Ablehnungsgesuch und ihren weiteren Vortrag vor dem Patentamt Bezug und verweist darüber hinaus auf die Ablehnungsgesuche gegen denselben Prüfer in weiteren Verfahren (in den Patentanmeldungen P 43 91 002.5-53, P 42 13 073.5-53, 199 34 515.5-53, 197 82 106.5-53, die Gegenstand der Beschwerdeverfahren 10 W (pat) 15/05, 10 W (pat) 39/05, 10 W (pat) 41/05 und 10 W (pat) 38/05 sind). Weiter wird vorgetragen, der angefochtene Beschluss stütze sich zum Teil auf Mutmaßungen und eine unvollständige Wiedergabe des dem Ablehnungsgesuch zugrunde liegenden Sachverhalts.

Nach dem Prüferwechsel sei im Bescheid vom 17. November 2004 mitgeteilt worden, dass gegebenenfalls noch eine Nachrecherche erforderlich sei, ohne dass auch nur die Spur eines Anlasses für eine derartige Nachrecherche ersichtlich gewesen sei. Es möge zwar, wie im angefochtenen Beschluss ausgeführt, zutreffen, dass die DEKLA-Gruppen eine Feinklassifizierung des Prüfstoffs unterhalb einer IPC-Gruppe darstellten und der neue Prüfer diese feinklassifizierten Druckschriften aus der Gruppenmappe der darüberliegenden IPC herausselektiert habe. Weshalb aber hieraus der Schluss gezogen werden könne, der vorherige Prüfer habe diesen Prüfstoff bei seiner Recherche übergangen, ebenso der mit der internationalen Recherche befasste Prüfer des US-Patentamts, lasse sich der Begründung nicht entnehmen. Der angefochtene Beschluss enthalte nur die lapidare Feststellung, es sei davon auszugehen, dass bei der vorausgegangenen internationalen Recherche nicht in diesem speziell im Deutschen Patent- und Markenamt zusammengestellten und gepflegten Prüfstoff recherchiert worden sei. Weshalb eine Recherche von geringerer Qualität sein solle, wenn sie nicht im speziell im Deutschen Patent- und Markenamt zusammengestellten und gepflegten Prüfstoff vorgenommen worden sei, könne nicht nachvollzogen werden. Entscheidend sei doch allein, ob der danach damit befasste Prüfer Grund zu der Annahme gehabt habe, der Patentgegenstand sei derart ungenügend recherchiert worden, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit relevanter Stand der Technik übersehen worden sei. Dies habe aber weder der Prüfer in seiner dienstlichen Äußerung noch die Patentabteilung im angefochtenen Beschluss vorgetragen, so dass kein sachlicher Grund erkennbar sei, der den Prüfer objektiv veranlasst haben könnte, eine Nachrecherche ins Auge zu fassen. Angesichts der Umstände (parallele Fälle, diverse Schreiben an den Präsidenten des DPMA) habe die Anmelderin bei Erhalt des Bescheides nur davon ausgehen können, dass es sich um eine mutwillige Verfahrensverzögerung seitens des neu befassten Prüfers handle.

Aber auch die Patentabteilung scheine nicht unbefangen an die Angelegenheit heranzugehen, wie sich aus den Ausführungen im angefochtenen Beschluss ergebe, wonach ein Abrücken des Prüfers von der in Aussicht gestellten Erteilung durchaus nachvollziehbar sei. Hier ignoriere die Patentabteilung völlig, dass sowohl der internationale Recherchenbericht als auch der Erstbescheid auf der Grundlage von Patentunterlagen ergangen seien, die anschließend, nämlich vor Erlass des die Erteilung in Aussicht stellenden Bescheides, geändert worden seien. Es seien nicht die ursprünglichen, sondern die geänderten Patentansprüche, die der vorherige Prüfer der Erteilung habe zugrunde legen wollen.

II Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Gemäß § 27 Abs. 6 Satz 1 PatG i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO ist ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Prüfers zu rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung gehören hierzu nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Prüfer stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 42 Rdn. 9; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 42 Rdn. 9). Hiervon ausgehend geben die von der Anmelderin geltend gemachten Gründe - weder hinsichtlich der genannten weiteren Verfahren noch hinsichtlich des hier zu entscheidenden Verfahrens selbst - bei objektiver Betrachtung auch aus ihrer Sicht keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit des Prüfers zu zweifeln.

1. Den im Ablehnungsgesuch - durch Bezugnahme auf das Verhalten des Prüfers in den Patentanmeldungen P 42 13 073.5-53, P 43 91 002.5-53, 197 82 106.5-53, 199 34 515.5-53 - genannten weiteren Verfahren sind keine Gründe zu entnehmen, die im hier zu entscheidenden Verfahren eine Ablehnung wegen Befangenheit rechtfertigen können. Zur Begründung wird insoweit Bezug genommen auf den im Parallelverfahren 10 W (pat) 38/05 (betreffend die Patentanmeldung 197 82 106.5.53) gegenüber derselben Anmelderin ergangenen Beschluss des Senats vom gleichen Tag, und zwar auf die dortigen Ausführungen unter II.1.

2. Ebenso wenig ist dem hier zu entscheidenden Verfahren selbst ein Ablehnungsgrund zu entnehmen, insbesondere weder dem Ablauf des Verfahrens noch dem Bescheid vom 17. November 2004.

Dass - wie hier nach Prüferwechsel - von einer bloß in Aussicht gestellten Patenterteilung wieder abgerückt wird, ist rechtlich nicht zu beanstanden, worauf im angefochtenen Beschluss zutreffend hingewiesen wird. Denn eine Bindung tritt erst mit dem Erteilungsbeschluss ein. Dass verschiedene Prüfer die Patentfähigkeit eines Anmeldungsgegenstands unterschiedlich beurteilen können, liegt im Übrigen in der Natur der Sache. Ob die Beurteilung des Prüfers zutrifft oder nicht, ist in dem hierfür vorgesehenen Beschwerdeverfahren gemäß § 73 Abs. 1 PatG zu prüfen, nicht in einem Ablehnungsgesuch.

Die Art und Weise, wie die Anmelderin von der abweichenden Beurteilung des neuen Prüfers in Kenntnis gesetzt worden ist, scheint allerdings nicht frei von Mängeln. Nachdem die Anmelderin durch einen Prüfer im November 2003 die Patenterteilung in Aussicht gestellt bekommen und sie im Februar 2004 die geforderte Anpassung der Unterlagen vorgenommen hatte, wurde eine Anfrage der Anmelderin mit Schriftsatz vom 6. Juli 2004 mit formularmäßigem Bescheid beantwortet, der auf die in Aussicht gestellte Patenterteilung mit keinem Wort einging. Da der Anmelderin aber bereits die Patenterteilung in Aussicht gestellt worden war, durfte sie von einer beschleunigten Weiterführung des Prüfungsverfahrens ausgehen, wie in den Prüfungsrichtlinien angegeben (vgl. Richtlinien für die Prüfung von Patentanmeldungen vom 1. März 2004, 3.3.1. Bearbeitungsreihenfolge; eine sinngemäß gleiche Bestimmung findet sich in den Prüfungsrichtlinien vom 2. Juni 1995, die bis Ende Februar 2004 galten). Der formularmäßige Bescheid war in dieser Verfahrenssituation für die Anmelderin in der Tat unverständlich. Sie hätte auf ihre Anfrage den Hinweis erhalten müssen, dass das Patentbegehren nun doch nicht für gewährbar gehalten wird und aus welchen Gründen. Dies ist erst durch die Mitteilung vom 17. November 2004 geschehen. Hieraus folgt aber nicht notwendigerweise die Annahme einer Voreingenommenheit des Prüfers. Denn es gilt der Grundsatz, dass selbst fehlerhafte Entscheidungen kein Ablehnungsgrund sind, sondern nur, wenn dargetan ist, dass die Fehlerhaftigkeit auf Voreingenommenheit oder Willkür beruht (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 42 Rdn. 28). Hierfür besteht aber über die missverständliche Beantwortung der Sachstandsanfrage hinaus kein Anhalt.

Auch ist der Inhalt der Bescheides vom 17. November 2004 zwar knapp, er dient aber ersichtlich nur der Ankündigung eines (weiteren) Prüfungsbescheides, denn er stammt von einer Angestellten im Auftrag des Prüfers. Jedenfalls ein sachlicher Grund für die Nichtgewährbarkeit des derzeitigen Patentbegehrens wird darin angegeben, was durch die Bezugnahme auf die Entscheidung "Mikroprozessor" zum Ausdruck kommt, nämlich, dass dem Nebenanspruch das Rechtsschutzinteresse fehlen könnte. Der weitere Satz, dass ggfs. noch eine Nachrecherche erforderlich sei, ist, wie der Anmelderin einzuräumen ist, zunächst unverständlich und geeignet, willkürlich zu erscheinen. Der Prüfer hat aber jedenfalls in seiner dienstlichen Äußerung eine patentrechtlich nachvollziehbare Begründung hierfür angegeben, dass nämlich in einem bestimmten, von ihm gepflegten Prüfstoff speziell bezüglich TLB's noch nicht recherchiert worden sei. Selbst wenn dies eine fehlerhafte Annahme des Prüfers sein sollte, wie die Anmelderin geltend macht, stellt dies doch einen nachvollziehbaren sachlichen Grund dar. Damit bietet auch der Inhalt der Mitteilung keinen Anhalt für Voreingenommenheit oder Willkür.

3. Auch die Umstände zusammengenommen bieten keinen hinreichenden Anhalt für die Annahme einer Voreingenommenheit des Prüfers. Die in diesem Zusammenhang angeführte Vielzahl von Patentanmeldungen, die bisher ebenfalls nicht zum Erfolg geführt hätten, ändern ebenfalls nichts, da nicht dargetan ist, dass die Erfolglosigkeit auf einer unsachlichen, voreingenommenen Haltung des zuständigen Prüfers beruht.






BPatG:
Beschluss v. 11.05.2006
Az: 10 W (pat) 54/05


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