Landessozialgericht der Länder Berlin und Brandenburg:
Urteil vom 6. Februar 2007
Aktenzeichen: L 22 R 1732/05

(LSG der Länder Berlin und Brandenburg: Urteil v. 06.02.2007, Az.: L 22 R 1732/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass der Kläger im streitigen Zeitraum versicherungspflichtig war und daher die geforderten Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung zahlen muss. Der Kläger war als selbständiger Handelsvertreter tätig und hatte einen Vertretungsvertrag mit der A-Versicherungs-AG abgeschlossen. Das Gericht hat festgestellt, dass der Kläger im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber, nämlich die A-Versicherungs-AG, tätig war. Andere vertragliche Beziehungen des Klägers zu verbundenen Unternehmen oder Kooperationspartnern der A-Gruppe seien unerheblich. Das Gericht hat weiter festgestellt, dass die Provisionszahlungen des Klägers allein von der A-Versicherungs-AG stammen und dieser gegenüber Ansprüche auf Provisionen geltend gemacht werden können. Daher seien die anderen Gesellschaften der A-Gruppe nicht als separate Auftraggeber anzusehen. Das Gericht hat auch festgestellt, dass der Kläger keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt hatte. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Kläger somit die geforderten Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung zahlen muss. Die Berufung der Beklagten wurde abgewiesen und das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin wurde aufgehoben.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LSG der Länder Berlin und Brandenburg: Urteil v. 06.02.2007, Az: L 22 R 1732/05


Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 16. August 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger wegen einer selbständigen Tätigkeit Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung in Höhe von 748,72 Euro für die Zeit vom 02. Juli bis 31. Oktober 2002 zu zahlen hat.

Der 1968 geborene Kläger, der bis August 1993 eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausübte, führte von September 1993 bis Oktober 1996 als Handelsvertreter eine Hauptvertretung für die Allianz. Während dieser Zeit war er daneben von November 1995 bis August 1996 versicherungspflichtig beschäftigt. Von November 1996 bis Juni 1999 stand er als Organisationsleiter in versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen mit der DAG und dem D Krankenversicherungsverein a. G., bevor er von Juli 1999 bis März 2001 eine selbständige Tätigkeit durch Übernahme einer Generalagentur des D ausübte. Seit April 2001 führt er erneut als Handelsvertreter eine Generalagentur der A auf der Grundlage des mit der A-AG vom 21. März 2001/18. April 2001 geschlossenen Vertretungsvertrages.

Dieser Vertrag enthält u. a. folgende Regelungen:

1.1. Rechtsstellung

1.1.1. Der Vertreter ist selbständiger Gewerbetreibender im Hauptberuf (§§ 84 ff. HGB). Er führt die Geschäftsbezeichnung Hauptvertreter oder, falls gesondert vereinbart, Generalvertreter. Er kann seine Tätigkeit im Rahmen und auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen des Vertreterrechts frei gestalten und seine Arbeitszeit frei bestimmen.

2.1. Aufgaben

2.1.1. Der Vertreter ist ständig damit betraut, der vertragschließenden Gesellschaft und den mit dieser im Rahmen der Allianzgruppe in Deutschland verbundenen Gesellschaften sowie deren Kooperationspartnern (alle nachfolgend Gesellschaften genannt) Versicherungsgeschäft sowie sonstiges Finanzdienstleistungsgeschäft nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen bzw. der dem Vertreter ausgehändigten Richtlinien und Produktbeschreibungen der Gesellschaften zu vermitteln. €

5. Tätigkeit für die Konkurrenz

Der Vertreter darf während der Laufzeit dieses Vertretungsvertrages in den Geschäftszweigen, die die Gesellschaften betreiben, für andere Unternehmen weder unmittelbar noch mittelbar tätig sein. Grundsätzlich bedarf jede anderweitige Tätigkeit des Vertreters in eigener Regie oder für ein anderes Unternehmen der Zustimmung der vertragsschließenden Gesellschaft, soweit nicht durch eine gesonderte Vereinbarung auf eine Einzelgenehmigung verzichtet wird. Die Genehmigung zu einer anderweitigen Tätigkeit des Vertreters wird im Einzelfall erteilt, wenn und soweit die Interessen der Gesellschaft dem nicht entgegenstehen.

6. Provisionen (Vergütung)

6.1 Der Vertreter erhält für seine Tätigkeit von den Beiträgen, die aufgrund der von ihm vermittelten oder ihm zur Betreuung übertragenden Versicherungsverträge gezahlt werden, Provisionen und eventuell Pflegegeld, solange diese Verträge sich in dem von ihm verwalteten Bestand befinden und für ihn noch provisionspflichtig sind, gemäß der diesem Vertrag als Vertragsbestandteil beigefügten Allgemeinen Provisionsbestimmungen, Provisionstabellen, Besonderen Provisionsbestimmungen, Zusatzprovisionstabellen, Besonderen Zusatzprovisionsbestimmungen und Richtlinien (Anlagen). €

7. Abrechnungs- und Zahlungsverkehr

7.1. Gegen einen Anspruch der Gesellschaft auf Herausgabe der Beitragsgelder kann der Vertreter nur mit Forderungen an die Gesellschaft aufrechnen, die diese schriftlich anerkannt hat.

7.3. Soweit Zahlungen durch eine der Gesellschaften direkt an den Vertreter vorgenommen werden, ist diese durch die vertragsschließende Gesellschaft bevollmächtigt, Forderungen der vertragschließenden Gesellschaft, insbesondere Provisionsrückforderungsansprüche im eigenen Namen geltend zu machen und mit Wirkung für die vertragsschließende Gesellschaft aufzurechnen.

9.2. Folgen der Beendigung des Vertrages

9.2.1. Mit der Beendigung dieses Vertrages erlischt jeder weitere Folgeprovisions-, Pflegegeld- oder sonstige Anspruch gegen die Gesellschaft.

In der beigefügten Anlage €Allgemeine Provisionsbestimmungen€ gemäß Ziffer 6.1 des Vertretungsvertrages heißt es u. a.:

Die nachfolgenden Allgemeinen Provisionsbestimmungen sind wesentlicher Bestandteil des Vertretungsvertrages. Sie beziehen sich auf die Vermittlung an die im Vertretungsvertrag aufgeführten Gesellschaften und gelten für jeden Versicherungszweig, soweit nicht für ihn Besonderes bestimmt ist.

1.Vermittlung eines bindenden Versicherungsvertrages.

1.1. Der Anspruch auf Provision (in der Schaden- und Unfallversicherung auf erstjährige Provision bei Neugeschäften) ist davon abhängig, dass der Vertreter einen den Versicherungsnehmer bindenden Versicherungsvertrag vermittelt.

1.3. Die Gesellschaften sind berechtigt, einen vom Vertreter übermittelten Versicherungsantrag nach ihrem Ermessen anzunehmen, abzulehnen oder Versicherungsverträge aufzuheben; § 87 a Abs. 3 HGB bleibt unberührt.

3. Provisionstabellen

3.1. Die Provisionen für Hauptvertreter/Generalvertreter errechnen sich gemäß den jeweils vereinbarten in Anlage beigefügten Provisionstabellen, Zusatzprovisionstabellen€

8. Verrechnung von Provisionen

8.1. Die einzelne Gesellschaft ist berechtigt, ihre Provisionsrückforderung mit - bei ihr oder bei anderen Gesellschaften - anfallenden Provisionsgutschriften des Vertreters zu verrechnen€

Der Vertretungsvertrag wird außerdem durch eine Vereinbarung zwischen der (wohl Dresdner) Bank und der Allianz durch Anlage 1 Bestimmungen über die Vermittlung von Investmentfonds sowie sonstigen Anlage- und Bankprodukten berührt.

In dieser Anlage 1 heißt es eingehend: Die Bank und die Gesellschaft sind Parteien einer Kooperationsvereinbarung, die die Zusammenarbeit im Rahmen des Vertriebs von Bank- und Anlageprodukten, die von der Bank angeboten werden, geregelt.

Die nachfolgende Vereinbarung wird durch die Gesellschaft namens der und in Vollmacht für die Bank mit dem Vertreter geschlossen. Sie teilt das Schicksal des Vertretervertrages zwischen der Gesellschaft und dem Vertreter. Die Gesellschaft ist durch die Bank bevollmächtigt, in deren Namen diese Vermittlervereinbarung mit dem Vertreter abzuschließen und zu kündigen.

Der Vertreter ist selbständiger Gewerbetreibender im Hauptberuf (Handelsvertreter gemäß §§ 84 ff. HGB) und Vermittlungsagent der Gesellschaft und den mit dieser im Rahmen der Allianzgruppe in Deutschland verbundenen Unternehmen gemäß § 43 VVG. Er wird im Rahmen dieser Vereinbarung unter der Regelung des § 2 Abs. 10 KWG als Anlage- und Abschlussvermittler tätig. Im Folgenden wird er €Vertreter€ genannt.

Einen im Juni 1999 gestellten Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für arbeitnehmerähnliche Selbständige nach § 231 Abs. 5 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2001 ab, weil vor dem 10. Dezember 1998 keine der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Vorsorge getroffen worden sei. Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Neuruppin mit Urteil vom 16. Oktober 2001 als unbegründet ab. Nachdem im sich anschließenden Berufungsverfahren deutlich geworden war, dass der Kläger am 31. Dezember 1998 eine selbständige Tätigkeit nicht ausgeübt hatte, schlossen die Beteiligten am 30. April 2003 zur Erledigung des Rechtsstreits einen Vergleich, mit dem die Beklagte den Kläger für die Zeit vom 01. Juli 1999 bis 30. Juni 2002 von der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 i. V. m. § 6 Abs. 1 a SGB VI befreite und sich zugleich verpflichtete, über eine solche Befreiung für die Zeit ab 01. Juli 2002 neu zu entscheiden.

Mit Bescheid vom 06. Oktober 2003 befreite die Beklagte den Kläger von der Versicherungspflicht als Selbständiger mit einem Auftraggeber für den Zeitraum vom 01. Juli 1999 bis 01. Juli 2002. Im Bescheid heißt es weiter, ab dem 01. November 2002 besteht keine Versicherungspflicht, da Sie versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigen, deren Arbeitsentgelte aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 325 Euro im Monat übersteigt, oder weil sie nicht auf Dauer sowie im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind.

Mit weiterem Bescheid vom 06. Oktober 2003 forderte die Beklagte für die Zeit vom 02. Juli bis 31. Oktober 2002 Pflichtbeiträge von insgesamt 748,72 Euro auf der Grundlage eines Monatsbeitrages von 187,18 Euro. Der Beitrag entspreche dem anteiligen halben Regelbeitrag, dem ein Arbeitseinkommen in Höhe von 980 Euro monatlich zugrunde liege.

Die gegen diese Bescheide erhobenen Widersprüche, mit denen geltend gemacht wurde, der Kläger sei für viele Auftraggeber tätig gewesen, wies die Beklagte mit dem am 08. März 2004 als Einschreiben zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid vom 03. März 2004 zurück: Ein Erwerbstätiger arbeite auch dann im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber, wenn er zwar vertragliche Vereinbarungen mit mehreren Unternehmen getroffen habe, diese aber Konzernunternehmen im Sinne des § 18 Aktiengesetz (AktG) oder verbundene Unternehmen im Sinne der §§ 229, 319 AktG darstellten. Gleiches gelte, wenn er innerhalb des Vertrages mit einem Auftraggeber zulässigerweise und gewünscht auch Produkte von Kooperationspartnern vermittle. Der Kläger sei nach dem vorgelegten Handelsvertretervertrag seit April 2001 nur für die Allianz Versicherung AG tätig.

Dagegen hat der Kläger am 13. April 2004, dem Dienstag nach Ostern, beim Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben und sein Begehren weiterverfolgt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 06. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu erteilen.

Mit Urteil vom 16. August 2005 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. März 2004 verurteilt, den Kläger über den 01. Juli 2002 hinaus von der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI zu befreien: Ausweislich des zwischen der Versicherungs-AG geschlossenen Vertretungsvertrages sei der Kläger nach der Geschäftsbezeichnung als Hauptvertreter mit der Aufgabe tätig, der vertragschließenden Gesellschaft und den mit dieser im Rahmen der A-Gruppe in Deutschland verbundenen Gesellschaften sowie deren Kooperationspartnern Versicherungsgeschäfte sowie sonstige Finanzdienstleistungsgeschäfte nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen bzw. der dem Vertreter ausgehändigten Richtlinien und Produktbeschreibungen der Gesellschaften zu vermitteln. Darüber hinaus erziele der Kläger seine Einkünfte gemäß den entsprechenden Provisionsbestimmungen. Die A als Aktiengesellschaft sei eine Gesellschaftsform für Großunternehmen mit erheblichem Kapitalbedarf. Gegenstand der Gesellschaft sei die Leitung einer internationalen Unternehmensgruppe, die in den Bereichen der Versicherung, des Bankgeschäfts, der Vermögensverwaltung und sonstiger Finanz-, Beratungs- und ähnlicher Dienstleistungen tätig sei (§ 1 der Satzung der A AG). Es bestünden keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Klägers, dass er auch von den übrigen Versicherungen, für die er tätig geworden sei, Abrechnungen und Zahlungen erhalte. Die Tätigkeit des Klägers als freier Handelsvertreter im Versicherungsgewerbe unterfalle vorliegend keiner Schutzbedürftigkeit.

Gegen das ihr am 07. Oktober 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 07. November 2005 eingelegte Berufung der Beklagten.

Sie trägt vor: Der Kläger habe lediglich einen Vertretungsvertrag mit der A-AG vorgelegt. Mit den verbundenen Gesellschaften bzw. Kooperationspartnern seien offensichtlich keine gesonderten Verträge geschlossen worden. Die Vertragsgestaltung mit allen verbundenen Gesellschaften bzw. Kooperationspartnern werde somit allein von der A -AG bestimmt. Der Gesetzesbegründung zu § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI (Bundestagsdrucksache 14/45, S. 20) sei zu entnehmen, dass der Selbständige im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber nicht nur dann tätig werde, wenn er rechtlich (vertraglich) im Wesentlichen an einen Auftraggeber gebunden sei, sondern auch, wenn er tatsächlich (wirtschaftlich) im Wesentlichen von einem einzigen Auftraggeber abhängig sei. Habe ein Auftragnehmer zwar vertragliche Bindungen zu mehreren Vertragspartnern, seien diese jedoch jeweils als Kooperationspartner an den ersten Auftraggeber des Auftragnehmers gebunden, träten sie diesem wirtschaftlich letztlich wie ein Auftraggeber gegenüber. Der Auftragnehmer könne in diesem Fall kein eigenständiges Unternehmenskonzept mit freier Partnerwahl entwickeln, sondern bleibe von einem Auftraggeber abhängig. Es möge zwar zutreffen, dass der Kläger gegenüber einzelnen Unternehmensbereichen des A-Konzerns abrechne und Provisionszahlungen erhalte. Dies ändere an der wirtschaftlichen Abhängigkeit jedoch nichts. Diese zeige sich auch daran, dass mit der Beendigung des Vertretungsvertrages zugleich jede Vermittlungstätigkeit für alle anderen Gesellschaften ende.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 16. August 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, nachdem er einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nicht mehr geltend macht,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die einzelnen Unternehmen der Allianzgruppe seien nicht lediglich rechtlich voneinander abgegrenzt und selbständig, sondern auch und gerade wirtschaftlich unabhängig. Der Kläger werde daher nicht lediglich für einen Auftraggeber tätig. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Tätigkeit auf einer einzigen Vertragsurkunde beruhe. Darin sei nicht nur ein Vertragsabschluss, sondern eine Vielzahl von Vertragsabschlüssen für die anderen eigenständigen Gesellschaften der Allianz-Gruppe zu sehen. Seine Provisionsansprüche bestünden nach Ziffer 6 des Vertretungsvertrages in Verbindung mit den Allgemeinen Provisionsbestimmungen und weiteren Anlagen zu Provisionen gegenüber den einzelnen Gesellschaften der A-Gruppe. Der Kläger sei auch für Unternehmen außerhalb der A-Gruppe, beispielsweise für die C AG, tätig geworden. Er verfüge jedoch nicht mehr über Verträge mit solchen Unternehmen, noch habe er sonstige Unterlagen für das Jahr 2002 über Provisionszahlungen solcher Unternehmen. Den beigefügten Provisionsblättern bzw. -konten sei zu entnehmen, dass er für 7 Gesellschaften der A-Gruppe tätig geworden sei.

Der Kläger hat umfangreiche Listen über Provisionsberechnungen vorgelegt.

Die Beklagte sieht durch die übersandten Provisionsdatenblätter ihre Ansicht bestätigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Sie bedarf insbesondere nicht der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Die Berufung betrifft die Zahlung von Pflichtbeiträgen in Höhe von 748,72 Euro und überschreitet die maßgebende Grenze von 500 Euro.

Es kann daher dahinstehen, ob die Berufung auch deswegen zulässig ist, weil die einschränkenden Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 SGG ohnehin nicht einschlägig sind, weil nach dem Tenor des Urteils des Sozialgerichts auch die Befreiung von der Versicherungspflicht streitig gewesen ist.

Die Berufung ist auch begründet.

Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Bescheid vom 06. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. März 2004 aufgehoben. Dieser Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger schuldet der Beklagten die geforderten Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung in Höhe von 748,72 Euro für den Zeitraum vom 02. Juli bis 31. Oktober 2002, denn er war in diesem Zeitraum versicherungspflichtig.

Nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl I 2002, 754) sind versicherungspflichtig selbständig tätige Personen, die a) im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis 325 Euro im Monat übersteigt, und b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind.

Diese Voraussetzungen liegen vor.

Der Kläger war im streitigen Zeitraum selbständig tätig, wie bereits das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat.

Nach Ziffer 1.1.1 des Vertretungsvertrages mit der A -AG vom 21. März 2001/18. April 2001 hat der Kläger bei Durchführung des Vertrages die Rechtsstellung eines selbständigen Gewerbetreibenden im Hauptberuf als Handelsvertreter. Nach § 84 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Nach Ziffer 2.1.1 des o. g. Vertretungsvertrages ist der Kläger ständig damit betraut, der vertragschließenden Gesellschaft und den mit dieser im Rahmen der A-Gruppe in Deutschland verbundenen Gesellschaften sowie deren Kooperationspartnern (alle nachfolgend Gesellschaften genannt) Versicherungsgeschäft sowie sonstiges Finanzdienstleistungsgeschäft nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen bzw. der dem Vertreter ausgehändigten Richtlinien und Produktbeschreibungen der Gesellschaften zu vermitteln. Dabei kann er nach Ziffer 1.1.1 des o. g. Vertretungsvertrages seine Tätigkeit im Rahmen und auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen des Vertreterrechts frei gestalten und seine Arbeitszeit frei bestimmen. Demzufolge enthält der genannte Vertretungsvertrag auch keine weiteren Regelungen über die Ausführung dieser Tätigkeit in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art. Der Kläger trägt nach diesem Vertretungsvertrag insoweit auch ein eigenes Unternehmerrisiko, als seine Vergütung ausschließlich erfolgsabhängig ist. Nach Ziffer 6.1 des o. g. Vertretungsvertrages erhält der Kläger für seine Tätigkeit Provisionen und eventuell Pflegegeld (lediglich) von den Beiträgen, die aufgrund der von ihm vermittelten oder ihm zur Betreuung übertragenen Versicherungsverträge gezahlt werden. Damit korrespondiert § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB, wonach der Handelsvertreter Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte hat, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat. Eine Vergütung für das Tätigwerden als solches, wie sie abhängig Beschäftigten als Gehalt oder Lohn gezahlt wird, steht dem Kläger damit nicht zu. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Tätigkeit des Klägers tatsächlich anders als nach dem genannten Vertretungsvertrag geregelt ausgeübt wurde. Wer Handelsvertreter im Sinne der Vorschriften der §§ 84 ff. HGB ist, ist zugleich selbständig tätig im Sinne des Rechts der Sozialversicherung (BSG, Urteil vom 10. Mai 2006 - B 12 RA 2/05 R m.w.N.).

Im streitigen Zeitraum beschäftigte der Kläger keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer.

Nach seinem Vortrag im vorangegangenen Berufungsverfahren und dem im sich anschließenden Verwaltungsverfahren vorgelegten Mitarbeitervertrag mit T P vom 31. Oktober 2002 bestand erst ab 01. November 2002 ein solches Arbeitsverhältnis (Bürohilfe insbesondere mit den Aufgaben Telefonakquise, Ablage und Posteingang) bei einem Arbeitsentgelt von 340 Euro monatlich.

Der Kläger war auch auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig.

Einziger Auftraggeber war die AVersicherungs-AG. Die mit dieser Gesellschaft im Rahmen der A-Gruppe in Deutschland verbundenen Gesellschaften sowie deren Kooperationspartner haben außer Betracht zu bleiben.

Dass der Kläger darüber hinaus für andere Auftraggeber tätig war, ist nicht bewiesen. Der Kläger hat zwar vorgetragen, auch für Unternehmen außerhalb der A-Gruppe, insbesondere für die C AG, tätig geworden zu sein. Er hat dafür jedoch weder entsprechende Verträge mit diesen Unternehmen noch entsprechende Unterlagen über Provisionszahlungen durch diese Unternehmen vorgelegt. Angesichts dessen und im Hinblick auf Ziffer 5 des Vertretungsvertrages mit der A -AG vom 21. März 2001/18. April 2001, wonach ein Tätigwerden für ein Konkurrenzunternehmen grundsätzlich nicht zulässig ist, ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger für andere Unternehmen keine Tätigkeit entfaltete und dies auch nicht beabsichtigte. Im Übrigen ist vom Kläger nicht einmal substantiiert dargelegt worden, welcher Provisionsumfang ihm von jedem einzelnen Unternehmen außerhalb der A-Gruppe zugeflossen ist. Mangels eines substantiierten Vortrages gibt es damit erst Recht keine Hinweise darauf, dass solche Einnahmen gegenüber den Einnahmen, die aus seinem Tätigwerden im Übrigen resultierten, mehr als nur unwesentlich waren.

Zur Auslegung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI ist neben dem Wortlaut insbesondere der Gesetzeszweck maßgebend.

Diese Vorschrift dient dem Zweck, der zunehmenden Erosion des versicherten Personenkreises durch die wachsende Überführung von Beschäftigungen in arbeitnehmerähnliche selbständige Tätigkeiten entgegenzuwirken. Sie erfasst nur tatsächlich selbständig Tätige. Der Personenkreis der neuen arbeitnehmerähnlichen Selbständigen zeichnet sich weniger durch die Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen als vielmehr durch typische Tätigkeitsmerkmale aus. Zu diesen Merkmalen gehört vor allem, dass die Betreffenden im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und dass sie im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Da die so definierten neuen arbeitnehmerähnlichen Selbständigen nicht weniger sozial schutzbedürftig erscheinen als die derzeit von § 2 Nr. 1 bis 7 SGB VI erfassten Selbständigen, erscheint es angezeigt, sie ebenso wie diese in die Rentenversicherungspflicht einzubeziehen (so die Gesetzesbegründung in Bundestag-Drucksache 14/45 S. 20 zu Art. 4 [Änderung des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch] Nr. 3 [§ 2]).

Die Gesetzesbegründung mag zwar den Eindruck erwecken, es seien nur solche arbeitnehmerähnliche Selbständige erfasst, die in €neuen€, also in bisher nicht vorkommenden rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen zu einem Auftraggeber stehen. Es könnte daher erwogen werden, in einschränkender Auslegung insbesondere des Buchstaben b des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI solche rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse auszunehmen, die schon seit eh und je zu den typischen Auftragnehmer/Auftraggeber-Verhältnisse zu rechnen sind. Dazu mag auch der Sachverhalt des selbständigen Handelsvertreters als Hauptvertreter einer Versicherungsgesellschaft gehören. Für eine solche Auslegung bietet der Wortlaut der Vorschrift jedoch keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte. Insbesondere fehlt eine dem Bestimmtheitsgebot genügende Regelung im Gesetz, die geeignet wäre, den Personenkreis der €neuen€, von dem der €alten€ arbeitnehmerähnlichen Selbständigen abzugrenzen. Die Gesetzesbegründung stellt zudem die soziale Schutzbedürftigkeit der arbeitnehmerähnlichen Selbständigen in den Vordergrund. Es ist aber nicht erkennbar, dass der Personenkreis der €alten€ arbeitnehmerähnlichen Selbständigen weniger schutzbedürftig sein könnte, als der der €neuen€ arbeitnehmerähnlichen Selbständigen. Die in der sozialen Wirklichkeit verstärkt auftretende Gruppe der €neuen€ arbeitnehmerähnlichen Selbständigen ist mithin für den Gesetzgeber lediglich Anlass gewesen, eine gesetzliche Regelung zu treffen. Eindeutige Hinweise darauf, dass hierbei trotz Vorliegens der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale bestimmte Gruppen von arbeitnehmerähnlichen Selbständigen nicht erfasst werden sollten, sind der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. Die Auffassung des Senats wird durch das Urteil des BSG vom 24. November 2005 - B 12 RA 1/04 R bestätigt, mit dem das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI für das Verhältnis des Alleingesellschafters und alleinigen Geschäftsführers zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) bejaht worden ist. In jenem Urteil ist ausgeführt, dass die Erfüllung dieser Voraussetzungen die Zugehörigkeit eines Selbständigen zum versicherten Personenkreis und seine vom Gesetz typisierend angenommene soziale Schutzbedürftigkeit begründet, ohne dass weitere Gesichtspunkte, etwa eine €Arbeitnehmerähnlichkeit€ oder seine konkrete individuelle Schutzbedürftigkeit zu prüfen wären. Beide Aspekte hätten in den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI hinreichend und abschließend ihren konkretisierenden Ausdruck gefunden.

Nach der o. g. Gesetzesbegründung umfasst die Voraussetzung, dass der selbständig Tätige im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sein darf, nicht nur den Fall, dass der Betreffende rechtlich (vertraglich) im Wesentlichen an einen Auftraggeber gebunden ist, sondern auch den Fall, dass er tatsächlich, (wirtschaftlich) im Wesentlichen von einem einzigen Auftraggeber abhängig ist.

Nach dieser Gesetzesbegründung bleibt offen, was unter tatsächlicher, (wirtschaftlicher) Abhängigkeit zu verstehen ist. Dieser Sachverhalt dürfte wohl als quasi Auffangtatbestand dann in Erwägung zu ziehen sein, wenn zwar keine dauerhafte vertragliche Bindung zu einem bestimmten Auftraggeber besteht, aber die jeweiligen Aufträge aus tatsächlichen Gründen nur von einem Auftraggeber kommen und jeweils durch individuellen Vertrag abgewickelt werden. Dies bedarf vorliegend jedoch keiner weiteren Erörterung.

Die Vorschrift des früheren § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB IV verwendete ebenfalls die Formulierung €auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig€. Die Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucksache 14/1855 S. 6 und 7) kann daher grundsätzlich zur Auslegung der genannten Begriffe herangezogen werden. Danach sind bei der Beurteilung der Dauerhaftigkeit neben den zeitlichen auch wirtschaftliche Kriterien zu beachten und branchenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. Dauerhafte Tätigkeiten für mehrere Auftragnehmer liegen danach auch dann vor, wenn der Auftragnehmer innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nacheinander für verschiedene Auftraggeber tätig ist, jedoch nicht, wenn sich zeitlich begrenzte Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber regelmäßig wiederholen. Im Übrigen kommt es darauf an, ob der Auftragnehmer nach seinem Unternehmenskonzept die Zusammenarbeit mit mehreren Auftraggebern anstrebt und dies nach den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten Erfolg verspricht. Dieses Merkmal ist nicht erfüllt, wenn der Auftragnehmer vertraglich zwar für mehrere Auftraggeber tätig sein darf, dies aber nach den tatsächlichen Umständen nicht kann.

Es kann dahinstehen, ob bei Vorliegen einer gemeinsamen Unternehmenseinheit von einem Auftraggeber im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI auszugehen ist. Die Beklagte nimmt dies bei einem Konzernunternehmen oder einem verbundenen Unternehmen im Sinne des AktG an.

Nach § 17 Abs. 1 und 2 AktG sind abhängige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen wird vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Sind ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst, so bilden sie nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG einen Konzern; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen. Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG sind Unternehmen, zwischen denen ein Beherrschungsvertrag (§ 291 AktG) besteht, oder von denen das eine in das andere eingegliedert ist (§ 319 AktG), als unter einheitlicher Leitung zusammengefasst anzusehen. Von einem abhängigen Unternehmen wird vermutet, dass es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet (§ 18 Abs. 1 Satz 3 AktG). Nach § 18 Abs. 2 AktG (schließlich) bilden rechtlich selbständige Unternehmen, ohne dass das eine Unternehmen von dem anderen abhängig ist, wenn sie unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind, auch einen Konzern; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen.

Die genannten Vorschriften des AktG haben aktienrechtliche Bedeutung und verfolgen mithin keinen sozialversicherungsrechtlichen Zweck. Sie sind daher grundsätzlich zur Auslegung einer Vorschrift des Sozialversicherungsrechts ungeeignet. Insbesondere betrifft dies die Rechtsfrage, was unter einem Auftraggeber im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI zu verstehen ist. Diese Vorschrift kann allein nach ihrem Wortlaut und den sonstigen anerkannten Auslegungsregeln interpretiert werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die von der Beklagten genannten Vorschriften des AktG gänzlich ohne Bedeutung sind.

Die Ansicht des Klägers, ein Tätigwerden für nur einen Auftraggeber scheide aus, wenn Rechtsbeziehungen zu mehr als einer natürlichen oder juristischen Person bestehen, ist nicht zwingend. Das Gesetz benutzt diese Begriffe gerade nicht. Unter Auftraggeber meint es auch nicht den Auftraggeber im Sinne des § 662 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), denn unentgeltliche Geschäftsbesorgung ist ersichtlich nicht Anlass für die Vorschrift des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI gewesen. Soweit diese Vorschrift den Begriff Auftraggeber verwendet, knüpft das Gesetz nicht an einem in der Rechtsordnung vorhandenen und durch diese Rechtsordnung definierten Rechtsbegriff an, sondern schafft einen neuen Rechtsbegriff, der einer eigenständigen Auslegung bedarf. Ausgehend vom o. g. Gesetzeszweck des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, sozial schutzbedürftig erscheinende Selbständige zu erfassen, die aus einer auch wirtschaftlichen Abhängigkeit resultiert, welche die für einen Selbständigen typische unternehmerische Freiheit beeinträchtigt und ihn deswegen in die Nähe eines abhängig Beschäftigen rückt, ist es daher grundsätzlich nicht ausgeschlossen, den Begriff des Auftraggebers €wirtschaftlich€ zu bestimmen. Dies erlaubt eine Auslegung durchaus dahingehend, dass auch mehrere rechtlich selbständige (natürliche oder juristische) Personen als ein Auftraggeber anzusehen sein können, wenn diese wegen ihrer tatsächlichen oder rechtlichen Verbundenheit untereinander gegenüber einem selbständig Tätigen einheitlich auftreten. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn trotz rechtlich selbständiger vertraglicher Rechtsbeziehungen des selbständig Tätigen zu den einzelnen natürlichen oder juristischen Personen die Begründung und die Beendigung des jeweiligen Rechtsverhältnisses von dem Bestand des oder der anderen Rechtsverhältnisse abhängig ist.

Maßgebend ist nach alledem zunächst, ob und in welchem Umfang vertragliche Beziehungen zu einem oder mehreren Auftraggebern bestehen.

Einziger Auftraggeber des Klägers ist die A-AG, denn lediglich mit dieser Gesellschaft besteht ein Vertretungsvertrag. Dies folgt nicht nur daraus, dass als Vertragspartner des Vertretungsvertrags formal ausschließlich die A-AG auftritt und benannt ist. Dies ergibt sich auch inhaltlich daraus, dass die mit der A-Gruppe in Deutschland verbundenen Gesellschaften sowie deren Kooperationspartner (alle nachfolgend Gesellschaften genannt) in Ziffer 2.1.1 des Vertretungsvertrages vom 21. März 2001/18. April 2001 neben der €vertragschließenden Gesellschaft€ erwähnt werden. Danach ist der Kläger ständig damit vertraut, nicht nur der €vertragschließenden Gesellschaft€, sondern auch den anderen Gesellschaften Versicherungsgeschäft sowie sonstiges Finanzdienstleistungsgeschäft zu vermitteln. Eine solche Regelung wäre überflüssig, wenn diese anderen Gesellschaften die €vertragschließende Gesellschaft€ wären.

Für die Auffassung des Klägers, die A -AG habe den Vertretungsvertrag vom 21. März 2001/18. April 2001 zugleich als Bevollmächtigte der anderen Gesellschaften geschlossen, so dass die Vertragsurkunde eine Vielzahl von Vertretungsverträgen, nämlich mit allen im Rahmen der A-Gruppe in Deutschland verbundenen Gesellschaften sowie deren Kooperationspartnern verkörpere, gibt es keinen Hinweis. Als vertragschließende Gesellschaft tritt gegenüber dem Kläger die A -AG im eigenen Namen auf. Dass sie daneben zugleich für die anderen Gesellschaften als gewillkürte Vertreterin handelt, ist diesem Vertretungsvertrag weder ausdrücklich noch konkludent zu entnehmen. Vielmehr belegt Ziffer 2.1.1 des Vertretungsvertrages vom 21. März 2001/18. April 2001 das Gegenteil. Diese Bestimmung unterscheidet nämlich zwischen der vertragschließenden Gesellschaft, der A -AG, einerseits und den mit dieser im Rahmen der A-Gruppe in Deutschland verbundenen Gesellschaften sowie deren Kooperationspartnern andererseits.

Alle gegenseitig bestehenden Ansprüche resultieren ausschließlich aus dem Vertretungsvertrag mit der A AG vom 21. März 2001/18. April 2001. Dies gilt insbesondere für die dem Kläger nach Ziffer 6.1 dieses Vertretungsvertrages zustehenden Provisionen. Danach erhält der Kläger für seine Tätigkeit Provisionen und eventuell Pflegegeld €gemäß der diesem Vertrag als Vertragsbestandteil beigefügten€ u. a. Allgemeinen Provisionsbestimmungen. Der Kläger wird mithin von der A -AG vergütet, denn allein ihr gegenüber kann er Erfüllung seiner Provisionsansprüche verlangen. Der vorliegende Sachverhalt ist daher mit dem vom BSG mit Urteil vom 10. Mai 2006 - B 12 RA 2/05 entschiedenen Sachverhalt im Wesentlichen vergleichbar.

Unbeachtlich ist, dass die dem Kläger gegenüber der A-AG zustehenden Provisionen ggf. unmittelbar von den mit dieser im Rahmen der A-Gruppe in Deutschland verbundenen Gesellschaften gezahlt werden, weil sie nach Ziffer 6.1 des Vertretungsvertrages vom 21. März 2001/18. April 2001 von den Beiträgen, die aufgrund der von ihm vermittelten oder ihm zur Betreuung übertragenen Versicherungsverträgen gezahlt werden. Dies mag zwar zulässig sein, worauf Ziffer 7.3 des Vertretungsvertrages hindeutet. Soweit danach Zahlungen durch eine der Gesellschaften direkt an den Vertreter vorgenommen werden, ist diese durch die vertragschließende Gesellschaft bevollmächtigt, Forderungen der vertragschließenden Gesellschaft, insbesondere Provisionsrückforderungsansprüche im eigenen Namen geltend zu machen und mit Wirkung für die vertragschließende Gesellschaft aufzurechnen. Diese Befugnis steht den anderen Gesellschaften damit aber gerade nicht Kraft eigenen Rechts, sondern lediglich für und zugunsten der vertragschließenden Gesellschaft, der A Versicherungs-AG, zu. Ein eigener Anspruch des Klägers gegen diese Gesellschaften resultiert mithin insbesondere auch nicht aus den Allgemeinen Provisionsbestimmungen. Ziffer 1.1 und Ziffer 1.3 der Allgemeinen Provisionsbestimmungen regeln lediglich das Entstehen und den Fortbestand eines entstandenen Provisionsanspruches. Ziffer 3 der Allgemeinen Provisionsbestimmungen regelt die Errechnung der Provisionen. Ziffer 4 der Allgemeinen Provisionsbestimmungen bestimmt den Zeitpunkt, zu dem die Provisionen dem Provisionskonto des Klägers gutgeschrieben werden. Diese Vorschriften regeln damit nähere Einzelheiten des Vergütungsanspruchs nach Ziffer 6.1 des o. g. Vertretungsvertrages. Lediglich Ziffer 8.1 der Allgemeinen Provisionsbestimmungen €berechtigt€ die einzelne Gesellschaft, ihre Provisionsrückforderung mit - bei ihr oder bei anderen Gesellschaften - anfallenden Provisionsgutschriften des Vertreters zu verrechnen. Dieses Recht gründet jedoch allein auf dem zwischen der A -AG und dem Kläger geschlossenen Vertretungsvertrag und knüpft an Ziffer 7.3 dieses Vertretungsvertrages an. Diese Regelung ist damit Ausdruck eines einheitlichen, auf einer einzigen Rechtsgrundlage beruhenden Anspruches auf Provisionen. Dies wird insbesondere an der Bestimmung der Ziffer 7.1 des o. g. Vertretungsvertrages deutlich, die als Grundsatz (gegenüber der Ausnahmeregelung der Ziffer 7.3 der o. g. Vertretungsvertrages) von €einen Anspruch der Gesellschaft€ (auch) auf Herausgabe der Beitragsgelder ausgeht, gegenüber dem nur mit Forderungen an die Gesellschaft aufgerechnet werden kann.

Die vom Kläger aufgeführten Gesellschaften, von denen er nach den vorgelegten Provisionskonten bzw. Provisionsblätter Provisionszahlungen erhalten hat, der A AG, der V/S, der V AG, der A AG, der AG, der D Versicherung AG und der D AG, gehören schon nach dem Vortrag des Klägers zu den mit der A -AG im Rahmen der A-Gruppe in Deutschland verbundenen Gesellschaften sowie deren Kooperationspartnern. Dies geht teilweise auch aus der vom Kläger während des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Liste der A-Gesellschaften Stand 02. Januar 2003 und einem von der Beklagten mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2006 übersandten Auszug aus dem Geschäftsbericht der A-Gruppe 2005 hervor. Angesichts dessen hat der Senat keinen Grund daran zu zweifeln, dass der Kläger für die genannten Gesellschaften nicht im Hinblick auf Ziffer 2.1.1 des Vertretungsvertrages mit der A-AG vom 21. März 2001/18. April 2001 tätig geworden sein könnte.

Es bedarf daher auch keiner Feststellungen dazu, in welchem Umfang der Kläger für die genannten einzelnen Gesellschaften tätig wurde, insbesondere wie die erhaltenden Provisionen im Einzelnen auf die diesen Gesellschaften vermittelten Versicherungsverträge entfallen.

Ebenfalls entbehrlich ist eine Entscheidung darüber, welche Rechtsfolgen aus Anlage 1 Bestimmung über die Vermittlung von Investmentfonds sowie sonstigen Anlage- und Bankprodukten resultieren. Die dort getroffenen Vereinbarungen, die dem Senat nicht vollständig bekannt sind, denn der Kläger hat sie trotz entsprechender Aufforderung dem Senat nicht vollumfänglich zugänglich gemacht, sind nach der Einleitung offensichtlich von der AAG als Bevollmächtigte für die (wohl D) Bank geschlossen worden. Damit besteht neben dem o. g. Vertretungsvertrag mit der A-AG zumindest eine weitere vertragliche Rechtsbeziehung. Sie teilt allerdings das Schicksal des Vertretungsvertrages zwischen dem Kläger und der A AG. Eine solche Vertragsgestaltung bedürfte unter Berücksichtigung der o. g. Ausführungen zwar grundsätzlich einer Entscheidung dazu, ob die A -AG und die (wohl D) Bank wegen des einheitlichen Auftretens gegenüber dem Kläger als lediglich ein Auftraggeber anzusehen sind. Gleichwohl muss vorliegend dieser Rechtsfrage nicht weiter nachgegangen werden, denn trotz dieser weiteren Vereinbarung ist der Kläger tatsächlich jedenfalls nicht im Wesentlichen für die (wohl D) Bank tätig geworden. Solches wird nicht einmal von ihm selbst vorgetragen. Entsprechen die tatsächlichen Verhältnisse nicht den vertraglichen Vereinbarungen, kommt letztgenannten, wie auch sonst, wenn es um die Beurteilung von Versicherungspflicht geht, keine Bedeutung zu.

War der Kläger somit im streitigen Zeitraum nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig, so schuldet er die von der Beklagten geforderten Beiträge.

Nach § 169 Nr. 1 SGB VI werden die Beiträge bei selbständig Tätigen von ihnen selbst getragen. Die Beiträge sind nach § 173 Satz 1 SGB VI, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, von denjenigen, die sie zu tragen haben (Beitragsschuldner) unmittelbar an die Träger der Rentenversicherung zu zahlen.

Die vom Kläger geschuldeten Beiträge sind der Höhe nach nicht rechtswidrig zu hoch bemessen.

Nach § 161 Abs. 1 SGB VI in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl I 2002, 754) sind die beitragspflichtigen Einnahmen Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige. Beitragspflichtige Einnahmen sind nach § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bei selbständig Tätigen ein Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße, bei Nachweis eines niedrigeren oder höheren Arbeitseinkommens jedoch dieses Arbeitseinkommen, mindestens jedoch monatlich 325 Euro.

Soweit Vorschriften des SGB VI bei Arbeitsentgelten, Arbeitseinkommen oder Beitragsbemessungsgrundlagen an die Bezugsgröße anknüpfen, ist die Bezugsgröße für das Beitrittsgebiet (Bezugsgröße [Ost]), maßgebend, wenn die Einnahmen aus einer Beschäftigung oder Tätigkeit im Beitrittsgebiet erzielt werden (§ 228 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Nach § 9 Abs. 1 SGB IV, der nach § 11 Abs. 1 SGB IV für selbständige Tätigkeiten entsprechend gilt, ist Beschäftigungsort der Ort, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird.

Im Falle des Klägers ist dies der Sitz seiner Hauptvertretung, also nicht das Beitrittsgebiet, denn diese befand sich im streitigen Zeitraum in der P in B

Nach § 2 Abs. 2 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2002 beträgt die (von der Beklagten zugrunde gelegte) Bezugsgröße (Ost) im Jahre 2002 23.520 Euro jährlich und 1.960 Euro monatlich.

Allerdings sind nach § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB VI beitragspflichtige Einnahmen bei selbständig Tätigen abweichend von § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein Arbeitseinkommen in Höhe von 50 v. H. der Bezugsgröße, auf Antrag des Versicherten jedoch ein Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße. 50 v. H. der Bezugsgröße (Ost) ergeben damit eine Bemessungsgrundlage von 980 Euro monatlich.

Bei einem Beitragssatz von 19,1 v. H. (Art. 2 § 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 € BGBl I 2001, 4010) resultiert daraus ein monatlicher Beitrag von 187,18 Euro, den die Beklagte ihrer Beitragsberechnung im Bescheid vom 06. Oktober 2003 zugrunde gelegt hat.

Die Berufung hat daher Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.






LSG der Länder Berlin und Brandenburg:
Urteil v. 06.02.2007
Az: L 22 R 1732/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/66b39b782b4c/LSG-der-Laender-Berlin-und-Brandenburg_Urteil_vom_6-Februar-2007_Az_L-22-R-1732-05




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