Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 10. August 2004
Aktenzeichen: I-20 U 147/03

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 10.08.2004, Az.: I-20 U 147/03)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 05. September 2003 teilweise abgeändert.

I.

Die Beklagte wird verurteilt,

1.es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung eines Vielfliegerprogramms die Bezeichnung

Miles & Miles

in der Bundesrepublik Deutschland zu benutzen und/oder zu bewerben wie nachstehend wiedergegeben:

- Reklamebilder -

2. Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie Handlungen gemäß Nr. 1 seit dem 21. Mai 201 begangen hat, insbesondere welche Umsätze sie insoweit getätigt und welche Werbemaßnahmen sie hierfür veranlasst hat, aufgeschlüsselt jeweils in Euro-Werten und Kalendermonaten.

II.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Nr. I.1. gekennzeichnete Handlung seit dem 21. Mai 2001 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

III.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.

V.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Voll- streckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Be- klagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klägerin betreibt für ihre Kunden ein Bonusprogramm namens "Miles & More" Sie ist Inhaberin der

nationalen Wortmarke ... "Miles & More" (angemeldet am 03. Juli 1992), eingetragen für die "Beförderung von Personen",

Gemeinschaftswortmarke ... "Miles & More", (angemeldet am 29. Juli 1999, eingetragen am 07. Februar 2001) eingetragen für "Betrieb eines Bonussystems für Flugzeugbenutzungen, Hotelbenutzungen, Mietwagenbenutzungen und Kreditkartenbenutzungen. Beförderung von Personen, Dienstleistungen einer Fluggesellschaft, Reisebuchungen, Mietwagenreservierung. Hotelreservierungen."

nationalen Wortmarke ... "Miles & More" (angemeldet am 30. Juli 1999, eingetragen am 20. Dezember 2001), mit gleichem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wie die Gemeinschaftsmarke eingetragen.

Die Beklagte betreibt gleichfalls ein Vielfliegerprogramm unter der Bezeichnung "Miles & Miles". Sie hat am 13. März 2001 die Gemeinschaftsmarken (Wort-/ Bildmarken) "Miles & Miles" (Publikationsnummer EM ...) und "Miles & Smiles" (Publikationsnummer EM ...) mit einem im Klageantrag wiedergegebenen umfangreichen Waren- und Dienstleistungsverzeichnis angemeldet. Infolge von Widerspruchsverfahren sind die Marken noch nicht eingetragen.

Die Klägerin hält die Benutzung von "Miles & Miles" sowie die Anmeldung der genannten Marken für eine Verletzung ihrer durch umfangreiche Bewerbung bekannten Marken und verlangt die Unterlassung der Benutzung von "Miles & Miles" (nebst Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht) sowie den "Verzicht der Beklagten auf den Schutz der Gemeinschaftsmarken".

Das Landgericht hat die Klage mangels Verwechslungsgefahr abgewiesen. Das übereinstimmende Anfangswort "Miles" präge die klagenden Marken nicht derart, dass die unterscheidenden Teile in den Hintergrund träten. Auf Grund der einfachen Struktur der einander gegenüber stehenden Gesamtmarken nehme der Verkehr auch die Unterschiede wahr.

Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin. Sie rügt, das Landgericht habe bei der Bemessung des Schutzbereichs der Marken die Identität der betreffenden Dienstleistungen sowie die Bekanntheit der klägerischen Marken nicht hinreichend gewürdigt. Sie beantragt daher,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

I.

die Beklagte zu verurteilen,

1.es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung eines Vielfliegerprogramms die Bezeichnung

Miles & Miles

in der Bundesrepublik Deutschland zu benutzen und/oder zu bewerben wie im Tenor wiedergegeben;

2.Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie Handlungen gemäß Nr. 1 sie seit dem 21. Mai 2001 begangen hat, insbesondere welche Umsätze sie insoweit getätigt und welche Werbemaßnahmen sie hierfür veranlasst hat, aufgeschlüsselt jeweils in Euro-Werten und Kalendermonaten;

II.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr - der Klägerin - allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Nr. I.1. gekennzeichnete Handlung seit dem 21. Mai 2001 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

III.

die Beklagte zu verurteilen,

in den Verzicht auf den Schutz der in den Anlagen 1 und 2 zu diesem Urteil wiedergegebenen Gemeinschaftsmarken gegenüber dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt einzuwilligen:

a) ... "Miles & Miles" gemäß der Anlage 1 zum vorliegenden Urteil,

b) ... "Miles & Smiles" gemäß der Anlage 2 zum vorliegenden Urteil.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages das angefochtene Urteil. Insbesondere meint sie, die einander gegenüberstehenden Marken seien nicht verwechslungsfähig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils sowie die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.

Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.

I.

Die Klage ist - wie im Termin vom 08. Juni 2004 erörtert - unzulässig, soweit sie auf die Einwilligung der Beklagten in den Verzicht auf den Schutz bestimmter Gemeinschaftsmarken (gemeint ist die Rücknahme der Anmeldung gegenüber dem HABM) gerichtet ist (Klageantrag zu III). Die Klägerin kann vielmehr die Beseitigung einer durch eine Anmeldung (sowie einer späteren Eintragung) von Gemeinschaftsmarken ausgehenden Störung ihrer älteren Kennzeichenrechte aktiv nur durch in den durch die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (GMVO) vorgesehenen Verfahren vor dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) geltend machen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei den älteren Rechte um eine Gemeinschaftsmarke oder um nationale Kennzeichenrechte handelt.

1.

Der Senat hat bereits in seinem rechtskräftigen Urteil vom 30. Juli 2002 (20 U 119/97) für eine Klage auf den Verzicht einer eingetragenen Gemeinschaftsmarke ausgeführt:

Anders als bei der Parallelregelung in § 55 MarkenG kann eine Nichtigerklärung nach Art. 52 Abs. 1, 1. Hs. GMVO nur entweder beim Amt (Harmonisierungsamt) oder "auf Widerklage im Verletzungsverfahren" erfolgen (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 55 Rdnr. 3). Mit letzterer ist die Widerklage nach Art. 92 lit. d), Art. 95, Art. 96 GMVO gemeint. Danach kann das Gemeinschaftsmarkengericht (Art. 92 lit.d) GMVO) eine Gemeinschaftsmarke nur dann für nichtig erklären, wenn der Beklagte eines Verletzungsverfahrens (Art. 92 lit.a) GMVO) wegen angeblicher Verletzung einer Gemeinschaftsmarke Widerklage erhebt. Die Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Beklagte macht keine Ansprüche aus ihrer Gemeinschaftsmarke gerichtlich geltend, so dass die Klägerinnen nicht im Wege einer (Wider-)Widerklage deren Nichtigerklärung verlangen können. Die Möglichkeit, gemäß Art. 95 Abs. 3 GMVO wegen eines älteren Rechts den Einwand der Nichtigkeit der Gemeinschaftsmarke zu erheben, kommt aus den gleichen Gründen nicht in Betracht, ganz abgesehen davon, dass dies nicht zu der begehrten Nichtigerklärung führen würde. Dass der potentielle Beklagte einer Verletzungsklage des Inhabers einer Gemeinschaftsmarke nicht im "Vorgriff" deren Nichtigerklärung durch ein Gemeinschaftsmarkengericht erreichen kann, ergibt sich zudem eindeutig aus der Regelung des Art. 95 Abs. 2 GMVO. Durch die Nichterwähnung des Art. 92 lit. B) GMVO im Rahmen des Art. 95 Abs. 3 GMVO ist schließlich klargestellt, dass im Rahmen einer negativen Feststellungsklage diese Frage nicht einmal inzidenter geprüft werden kann.

Die Klägerinnen können vor den Gerichten gemäß Art. 106 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 8 Abs. 5 GMVO allenfalls "Ansprüche wegen Verletzung älterer Rechte" geltend machen. Damit sind, wie zum einen aus der Abschnittsüberschrift hervorgeht und sich zum anderen aus der bereits geschilderten Systematik der GMVO ergibt, lediglich "Ansprüche zum Zweck der Untersagung der Benutzung der Gemeinschaftsmarke", also auf Unterlassung des Vertriebs der Waren und Dienstleistungen u.a. unter der Gemeinschaftsmarke gemeint (wie sie ... Gegenstand des Klageantrages zu 1. sind). Eine Nichtigerklärung ist bereits deswegen nicht möglich, weil ein nationales Gericht einen Gemeinschaftsakt (um einen solchen handelt es sich bei der Eintragung der Gemeinschaftsmarke) grundsätzlich nicht für nichtig erklären kann (vgl. nur Art. 234 Abs. 1 lit. b) EGV) und es für das Gegenteil ausdrücklicher Ausnahmevorschriften bedarf. Dies wird durch Art. 103 GMVO bestätigt (vgl. zur Geltung dieser Vorschrift im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 106 GMVO s. Ingerl, Die Gemeinschaftsmarke, G.III).

Der Einwand der Klägerinnen, dadurch würden sie an einer Nichtigerklärung gehindert, wenn nicht der Inhaber der Gemeinschaftsmarke seinerseits Klage wegen Verletzung erhebe, trifft nicht zu. Es bleibt ihnen die Möglichkeit, gemäß Art. 55 Abs. 1 lit. b) i.V.m. Art. 42 Abs. 1 lit. a) GMVO auf Grund älterer Marken im Sinne des Art. 8 Abs. 2, 5 GMVO beim Harmonisierungsamt die Einleitung auf Erklärung der Nichtigkeit der Gemeinschaftsmarke zu beantragen. Ein Verfahren vor dem Gemeinschaftsmarkengericht ist demgegenüber - und zwar weder nach der GMVO noch nach dem MarkenG - vorgesehen.€

An diesen Ausführungen hält der Senat fest. Die oben genannten Erwägungen gelten sowohl für einen Antrag auf Rücknahme der Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke (so auch Hartmann MarkenR 2003, 379) als auch für einen Antrag auf Nichtigerklärung einer bereits eingetragenen Gemeinschaftsmarke. Dabei kommt es nicht darauf an, ob derartige Ansprüche im nationalen Recht auf die Gesichtspunkte des Schadensersatzes oder der Beseitigung eines störenden Zustandes gestützt werden können (vgl. BGH GRUR 1993, 556 - TRIANGLE). Für das Anmeldeverfahren sowie für das Nichtigkeitserklärungsverfahren (dies mit bestimmten hier nicht einschlägigen Einschränkungen) ist allein das HABM zuständig. Nationale Gerichte sind nicht befugt, das Verfahren zu beeinflussen. Die Zuständigkeitsregeln der GMVO schließen es aus, dass ein nationales Gericht durch eine Art "antisuitinjunction" ein Verfahren vor dem HABM verhindert (vgl. auch Entscheidung des EuGH vom 27.04.2004 - C-159/02 - Turner, wonach die Zuständigkeitsregeln des EuGVÜ es ausschließen, dass durch ein gerichtliches Verfahren in einem Staat ein in einem anderen Staat anhängiges Verfahren untersagt werden soll). Dies steht auch mit der Auffassung des nationalen Gesetzgebers in Übereinstimmung: Während er hinsichtlich einer nationalen Marke eine auf ältere Kennzeichenrechte gestützte Löschungsklage vor nationalen Gerichten zulässt (§§ 51, 55 MarkenG), und zwar ausdrücklich auch für den Fall, dass es sich bei dem älteren Kennzeichenrecht um eine Gemeinschaftsmarke handelt (§ 125b Nr. 5 MarkenG), fehlt es für den umgekehrten Fall bewusst an einer entsprechenden Vorschrift (vgl. auch Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 125e Rdnr. 12). Die Klägerin kann ihre vermeintlichen Rechte allein im Widerspruchsverfahren nach Art. 42 GMVO - bzw. nach Eintragung - durch einen Antrag auf Nichtigerklärung nach Art. 55 GMVO geltend machen.

2.

Der Senat ist durch § 528 ZPO nicht gehindert, die Klage insoweit als unzulässig - statt als unbegründet, wie das Landgericht gemeint hat - abzuweisen. Die Änderung verstößt nicht gegen das Verschlechterungsverbot.

II.

Demgegenüber hat die Berufung, soweit sie den Klageantrag zu I. betrifft, Erfolg.

1.

Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) bestehen nicht mehr, nachdem die Klägerin im Termin vom 08. Juni 2004 klargestellt hat, dass sie Schutz nur für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und nicht - was hinsichtlich ihrer Gemeinschaftsmarke in Betracht käme (Art. 94 Abs. 1 der Verordnung [EG] Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke [GMVO]) - für das Gebiet der gesamten Europäischen Union beansprucht.

2.

Die deutschen Gerichte sind - was auch im Berufungsrechtszug ungeachtet der Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO zu überprüfen ist (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 513 Rdnr. 8) - international zuständig. Diese Zuständigkeit ergibt sich hinsichtlich der nationalen Marken aus § 32 ZPO sowie hinsichtlich der Gemeinschaftsmarke, nachdem die Klägerin nur noch Schutz für die Bundesrepublik Deutschland begehrt, aus Art. 93 Abs. 5, Art. 94 Abs. 2 GMVO.

3.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung der Verwendung von "Miles & Miles" nebst Folgeansprüchen aus ihrer nationalen Wortmarke 399 45 620 "Miles & More" zu. Es besteht Verwechslungsgefahr im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt WRP 2004, 907 - Kleiner Feigling; WRP 2004, 909 - Ferrari-Pferd; Urteil vom 29.04.2004 - I ZR 191/01 - Zwilling/Zweibrüder, jeweils m.w.N.) besteht bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist, eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann oder umgekehrt.

b) Danach ist von einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr auszugehen.

aa) Allerdings neigen die angesprochenen Verkehrskreise nicht leicht zu einer Verwechslung. Sowohl die unter der klägerischen Marke erbrachten Dienstleistungen als auch die unter der angegriffenen Bezeichnung durchgeführten Dienstleistungen wenden sich an Vielflieger. Es handelt sich dabei nicht um Dienstleistungen, die lediglich flüchtige Aufmerksamkeit verlangen, sondern sowohl bei der Buchung von Flugreisen als auch bei der Inanspruchnahme sonstiger Leistungen von Unternehmen, die den Bonusregeln angeschlossen sind, um Geschäfte, die zumindest eine durchschnittliche Aufmerksamkeit erfordern. Als Adressaten stehen dabei im Vordergrund Geschäftsleute und vielreisende Privatleute, die in derartigen Angelegenheiten eher als überdurchschnittlich aufmerksam angesehen werden können. Sie sind zudem international orientiert und kennen daher auch Vielfliegerprogramme anderer Fluggesellschaften.

bb) Der Beklagten ist des Weiteren zuzugestehen, dass das übereinstimmende Wort "Miles", mit dem beide Kennzeichen beginnen, auf dem fraglichen Gebiet nicht sehr unterscheidungskräftig ist. Das englische Wort ist - insbesondere bei dem angesprochenen Verkehrskreis - s. oben unter aa) - allgemein bekannt und wird stark mit dem Begriff allgemein bekannter "Flugmeilen" assoziiert (in anderem Zusammenhang wird das Wort "Meilen" kaum mehr gebraucht) und damit mit dem Flugverkehr. Allgemein bekannt ist (vgl. Senat GRUR-RR 2001, 214 - time & more), dass mit "Miles" jedenfalls in dem Gesamtbegriff "Miles & More" die durch das Sammeln von Punkten erworbene Möglichkeit gemeint ist, "Flugmeilen" vergünstigt zu erlangen. Der Begriff "Miles" ist im Flugverkehr ein gängiger Begriff im Zusammenhang mit Bonusprogrammen von Fluggesellschaften, wie die von der Beklagten vorgelegten Beispiele zeigen, die auch eine aktive Benutzung dieser Bezeichnung dokumentieren.

cc) Jedoch besteht die Marke der Klägerin nicht nur aus dem Wort "Miles", sondern aus einer besonders gut einprägsamen Kombination zweier kurzer alliterierender Wörter. Beide Wörter, die durch ein "&"-Zeichen miteinander verbunden werden, beginnen mit dem gleichen Buchstaben "M". Eine vergleichbare Bildung findet sich bei den von der Beklagten als Benutzungsbeispielen vorgelegten Marken nicht.

Die Marke der Beklagten ist nach dem gleichen Grundsatz gebildet. Auch sie besteht aus dem Wort "Miles", gefolgt von dem "&" und einem kurzen, mit "m" beginnenden Wort.

dd) Dem Landgericht ist auch zuzugestehen, dass das letzte Wort der Marken einen unterschiedlichen Klang aufweist. Die Verwechslungsgefahr wird aber durch folgende Gesichtspunkte gesteigert:

(1) Zum einen ist das erste Wort "Miles", auf das der Verkehr im Allgemeinen besonders achtet, gleich.

(2) Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die Marke der Klägerin bekannt ist und dies ihre Kennzeichnungskraft erheblich gesteigert hat. Dies wird zwar von der Beklagten bestritten, kann aber vom Senat auf Grund der von der Klägerin vorgelegten - rudimentären - Zahlen sowie der Lebenserfahrung des Senats aus eigener Anschauung bejaht werden (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 14 Rndr. 386 ff.). Bereits in der angesprochenen Entscheidung des Senats (GRUR-RR 2001, 214 - time & more) ist die Marke der Klägerin als bekannt angesehen und darauf hingewiesen worden, dass das System "... & more" vielfach "nachgeahmt" worden sei. Auf Grund der Präsenz der Klägerin auf dem deutschen Flugmarkt ist davon auszugehen, dass einem Großteil des in Betracht kommenden Verkehrskreises die Marke der Klägerin bekannt ist. Ob dies - wie die Klägerin unter Bezugnahme auf eine Befragung geltend macht, was die Beklagte aber bestreitet - bei 70 % aller Flugreisenden der Fall ist, kann offen bleiben; auch ohne konkrete Angaben zur Werbung und zum Marktanteil sowie ohne die - bestrittenen - konkreten Angaben zum Mitgliederstand sowie zur Kenntnis ist ersichtlich, dass weiten Verkehrskreisen der Slogan als ein solcher der Klägerin bekannt ist. Die Marke ist bereits in früheren Verfahren als bekannt angesehen worden; für eine Schwächung in der Folgezeit ist nichts ersichtlich. Hinzu kommt die bekannte Berichterstattung in den Medien über das Programm der Klägerin, die in Verbindung mit dessen Benutzung durch Politiker sogar die Schlagzeilen auch der Boulevard-Presse erreicht hat.

Nach einhelliger Auffassung erweitert die Bekanntheit einer Marke deren Schutzbereich, wobei lediglich streitig ist, ob dies empirisch oder nur normativ zu rechtfertigen ist (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 14 Rdnrn. 381 ff.).

(3) Schließlich ist der Sinngehalt der beiden gegenüber stehenden Marken ähnlich. Mit dem Wort "Miles" wird einerseits an die eigentliche Dienstleistung der Parteien, nämlich den Flugverkehr, angeknüpft, andererseits aber auch und vor allem ein Teil der Vergünstigungen, nämlich - kostenlose oder preisvergünstigte - "Flugmeilen" bezeichnet. Das folgende Wort bezieht sich auf die übrigen Vergünstigungen, wobei dies bei der Klägerin etwas klarer ("more"), bei der Beklagten als pars pro toto (noch mehr "miles") bezeichnet wird. In beiden Fällen verbindet der Verkehr mit den Marken zwanglos die Vorstellung von Bonussen, wobei ein Teil des Bonus in "Flugmeilen" besteht.

Zudem drückt die englischsprachige Wendung "Miles & More" durch ihren zweiten Bestandteil eine unbenannte Steigerung aus, was von den angesprochenen Verkehrskreisen wegen ihrer Englischkenntnisse erfasst wird. Eine Steigerung drückt aber auch die von der Beklagten gewählte Bezeichnung mit der Wiederholung des Begriffs "Miles" aus.

Eine Zeichenähnlichkeit kann auch durch einen gleichen bzw. ähnlichen Sinngehalt begründet oder verstärkt werden (vgl. BGH WRP 2004, 909 unter II.2.c)cc)(2) - Ferrari-Pferd; s. auch Urteil vom 29.04.2004 - I ZR 191/01 - Zwilling/Zweibrüder).

(4) Die unter den Bezeichnungen jeweils erbrachten Dienstleistungen sind identisch bzw. sehr nahe miteinander verwandt. Es geht um Bonusprogramme, die in Form unentgeltlicher oder verbilligter Flugreisen sowie von Dienstleistungen und Waren angeschlossener Unternehmen erbracht werden.

c) Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob - wie die Klägerin geltend macht - auch die Gefahr einer Verwechslung unter dem Gesichtspunkt eines Inverbindungsbringens der Marken (sei es als Marke für ein abgewandeltes Bonusprogramm der Klägerin, sei es als Marke einer Partnerfluglinie der Klägerin) besteht und ob die angegriffene Marke - verneint man eine Verwechslungsgefahr - den Ruf der klägerischen Marke unlauter ausbeutet (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG).

d) Danach kann die Klägerin von der Beklagten Unterlassung (§ 14 Abs. 5 MarkenG), Auskunft (§ 242 BGB) und Feststellung der Schadensersatzpflicht (§ 14 Abs. 6 MarkenG) auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verlangen.

4.

Ob sich gleichartige Ansprüche auch aus den übrigen Marken ergeben, kann danach offen bleiben. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche kommen allerdings daneben nicht in Betracht (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 2 Rdnr. 7 m.w.N.).

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO. Soweit das OLG Hamburg (MarkenR 2003, 401) eine Klage auf Zurücknahme einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung für zulässig erachtet hat, beruhte dies auf einer Nichterörterung der Grundsätze der GMVO (vgl. Hartmann, MarkenR 2003, 379); es ist damit nicht ersichtlich, dass die Rechtsprechung fortgesetzt wird, was zu einer höchstrichterlichen Klärung Anlass geben könnte. Soweit der Senat der Klage stattgegeben hat, wendet er lediglich die vom Bundesgerichtshof geklärten Grundsätze im Einzelfall an.

Berufungsstreitwert: 450.000 Euro






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 10.08.2004
Az: I-20 U 147/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/65f81be224c1/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_10-August-2004_Az_I-20-U-147-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share