Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. November 2001
Aktenzeichen: 7 W (pat) 68/00

(BPatG: Beschluss v. 21.11.2001, Az.: 7 W (pat) 68/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 15 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. September 2000 aufgehoben und das Patent erteilt.

B e z e i c h n u n g: Druckmittelzylinder mit einem Zylinderrohr A n m e l d e t a g: 10. September 1998 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 10 und Beschreibung Seiten 1 bis 9, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2001;

2 Seiten Zeichnungen (Figuren 1 bis 4), nach der Offenlegungsschrift 198 43 253.

In den Unterlagen ist folgende redaktionelle Änderung vorgenommen worden:

Im Patentanspruch 1, Zeile 4, wurde das Wort "den" durch das Wort "die" ersetzt.

Gründe

I Die Patentanmeldung 198 43 253.4-14 ist am 10. September 1998 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen.

In einem Prüfungsbescheid vom 4. März 1999 hat die Prüfungsstelle für Klasse F 15 B des Deutschen Patent- und Markenamts zum Stand der Technik die deutsche Offenlegungsschrift 197 54 352, das deutsche Gebrauchsmuster 91 04 747 sowie die US-Patentschrift 5 651 303 genannt und darauf hingewiesen, dass demgegenüber die Patentansprüche 1 bis 10 nicht gewährbar seien und mit der Zurückweisung der Anmeldung gerechnet werden müsse.

Nachdem die Anmelderin ihr Patentbegehren unverändert weiterverfolgt hat, hat die Prüfungsstelle mit Beschluss vom 13. September 2000 die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, dass ihr Gegenstand nicht patentfähig; insbesondere der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach der US-Patentschrift 5 651 303 nicht neu sei.

Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie überreicht in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 10 sowie eine daran angepasste Beschreibung und stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent zu erteilen mit den jeweils am 21. November 2001 überreichten Patentansprüchen 1 bis 10 mit Beschreibung Seiten 1 bis 9 und 2 Seiten Zeichnungen (Figuren 1 bis 4) aus der Offenlegungsschrift.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Druckmittelzylinder mit einem Zylinderrohr, das an einem Ende mit einem Zylinderboden verschlossen ist und an dem anderen Ende einen Zylinderdeckel trägt, der eine koaxiale mit Dichtmitteln versehene Durchgangsöffnung aufweist, durch die eine Druckstange dichtend geführt ist, die an dem im Inneren des Zylinderrohres gelegenen Ende eine Kolbenbaugruppe aufweist, die zumindest aus einem über Dichtmittel an der Innenwandung des Zylinderrohres zur Anlage kommenden Kolben besteht, der im Inneren des Zylinderrohres zumindest eine Druckkammer begrenzt, die eine Beaufschlagung mit Druckmittel in eine Längsbewegung der Druckstange umsetzt, wobei an dem außerhalb des Zylinderrohres gelegenen Ende der Druckstange Verbindungsmittel zur Koppelung an eine linear anzutreibende Baugruppe angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass zur Befestigung des Zylinderbodens und/oder des Zylinderdeckels am Zylinderrohr ein Wellen-Federring vorgesehen ist, der in einer umlaufenden Haltenut im kreisquerschnittförmigen Zylinderboden und/oder Zylinderdeckel angeordnet ist und mit einer endseitigen innenradialen Rohrnut am Zylinderrohr derart zusammenwirkt, dass der Wellen-Federring im montierten Zustand unter einer axialen sowie einer radialen Vorspannung steht, um neben der Befestigungsfunktion eine Endlagendämpfung für die Kolbenbaugruppe zu bilden."

Gemäß geltender Beschreibung (S 3 Abs 3) liegt die Aufgabe vor, eine Befestigung des Zylinderbodens und/oder des Zylinderdeckels am Zylinderrohr zu schaffen, bei der ein minimaler Fertigungs- und Montageaufwand erforderlich ist, wobei auch die Zusatzfunktion einer Endlagendämpfung berücksichtigt werden soll.

Nachgeordnete Patentansprüche 2 bis 10 sind auf die weitere Ausgestaltung des Druckmittelzylinders nach Patentanspruch 1 gerichtet.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie hat in der Sache auch Erfolg.

Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Die Merkmale des geltenden Anspruchs 1 gehen aus dem ursprünglichen Anspruch 1 und der ursprünglichen Beschreibung (Offenlegungsschrift Sp 2 Z 6 bis 19) hervor. Die Merkmale der geltenden Ansprüche 2 bis 10 entsprechen inhaltlich denen der ursprünglichen Ansprüche gleicher Ordnungszahl.

Der Anmeldungsgegenstand stellt in der Fassung der geltenden Patentansprüche eine patentfähige Erfindung iSd §§ 1 bis 5 PatG dar.

Der Druckmittelzylinder gemäß Patentanspruch 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu. Keine der insgesamt aufgezeigten Entgegenhaltungen offenbart einen Druckmittelzylinder, bei dem zur Befestigung des Zylinderbodens und/oder des Zylinderdeckels am Zylinderrohr ein Wellen-Federring verwendet ist.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.

Das Wesentliche der Lehre des geltenden Anspruch 1 ist darin zu sehen, dem an sich bekannten Haltering zur Befestigung der stirnseitigen Zylinderböden am Zylinderrohr eines Druckmittelzylinders neben der eigentlichen Haltefunktion noch eine Dämpfungsfunktion für den Kolben in dessen Endlagen zuzuweisen, indem der Haltering erfindungsgemäß als Wellen-Federring ausgebildet ist. Unter einem Wellen-Federring ist eine in axialer Richtung gewellte und daher in diese Richtung unter Belastung eine Dämpfungsspannung aufbauende geschlitzte Scheibe zu verstehen, was die Anmelderin unter Vorlage eines Tabellenblattes für Federringe (vgl Tabelle nach DIN 128) in der mündlichen Verhandlung belegt hat. Die Ausbildung des Halterings als Wellen-Federring verbindet den Vorteil eines minimalen Fertigungs- und Montageaufwands für die Befestigung des Zylinderbodens und/oder Zylinderdeckels am Zylinderrohr mit dem Wegfall zusätzlicher, allgemein bekannter Kolben-Endlagendämpfer, wie Elastomerkörper oder dergleichen, im Zylinder.

Der Senat ist zur Überzeugung gelangt, dass der Fachmann, als hier zuständig wird ein auf dem Gebiet der Hydraulik und Pneumatik tätiger Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus angesehen, der mit der Entwicklung von Druckmittelzylindern seit mehreren Jahren befasst ist, aus dem aufgezeigten Stand der Technik keine Anregungen zum Auffinden der diesbezüglichen Lehre des Anspruchs 1 erhalten konnte.

Die US-Patentschrift 5 651 303 beschäftigt sich wie die vorliegende Anmeldung mit der Befestigung von Zylinderböden am Zylinderrohr eines Druckmittelzylinders (Sp 1 Z 12 bis 15), in welchem eine Kolbenbaugruppe mit ua einer nach außen geführten Kolbenstange angeordnet und gleitbeweglich geführt ist. Gemäß einem Ausführungsbeispiel für eine Befestigung von Zylinderdeckel und Zylinderrohr ist ein Haltering (retainer ring 124) geeigneten Querschnitts, hier beispielsweise mit V-förmigem Querschnitt, vorgesehen (Fig 7 iVm Sp 5 Z 28 bis 39). Wie der Wellen-Federring gemäß Anmeldungsgegenstand nach Anspruch 1 ist der V-Ring in einer ringförmigen Nut (groove 118) des Zylinderdeckels (end cap 114) angeordnet und wirkt mit einer ringförmigen Nut (groove 116) auf der Innenseite des Zylinderrohrs (casing 112) - die Bauteile verbindend - zusammen. Er ist spielfrei zwischen den Nutflanken gehalten, so dass er im montierten Zustand mehr oder weniger unter einer axialen sowie einer radialen Vorspannung steht. Die Herstellung der Verbindung erfolgt offensichtlich durch Einschieben des mit dem V-Ring bestückten Zylinderdeckels in das Zylinderrohr. Der radial äußere Schenkel des V-Ringes übt hierbei eine Schnappfunktion aus, aus der in Verbindung mit der spielfreien Anlage der Ringkanten an den Nutwänden eine federnde Wirkung bzw eine Vorspannung des Ringes vorrangig in radialer Richtung des Halterings herleitbar ist. Eine axiale Vorspannung bzw. eine axiale Federwirkung des Ringes ist für die hier ausschliesslich geforderte Haltefunktion nicht notwendig, der Fachmann weist ihr im bekannten Fall daher bestenfalls eine untergeordnete Bedeutung, z.B. im Hinblick auf die Realisierung der Spielfreiheit des Ringes, zu. Insoweit hatte der Fachmann keine Veranlassung, bei der Wahl eines geeigneten Querschnitts für den Haltering auch solche Ausführungen zu berücksichtigen, die neben einer radialen Federwirkung auf eine bedeutsame axiale Federwirkung des Halteringes zielen. Nachdem in der US-Patentschrift auch jeglicher Hinweis auf die Problematik der Endlagendämpfung der Kolbenbaugruppe fehlt, lag es nach Vorstehendem für einen Fachmann nicht nahe, den bekannten Haltering durch einen Wellen-Federring gemäß Anspruch 1 der vorliegenden Anmeldung zu ersetzen.

Auch die zusätzliche Berücksichtigung der übrigen im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt berücksichtigten Entgegenhaltungen, die vom Gegenstand der vorliegenden Anmeldung weiter abliegen, konnte den Fachmann nicht zum Anmeldungsgegestand nach Anspruch 1 führen.

Bei dem Druckmittelzylinder nach der deutschen Gebrauchsmusterschrift 91 04 747, der sämtliche Oberbegriffsmerkmale des geltenden Anspruchs 1 der Anmeldung umfasst, ist der Haltering zur Verbindung von Zylinderrohr und Zylinderdeckel als einfacher Drahtring ausgebildet. Funktionelle Eigenschaften des Drahtringes, die in Richtung der Verwendung eines Wellenfederrings als Haltering weisen, lassen sich diesem Stand der Technik nicht entnehmen.

Aus der deutschen Offenlegungsschrift 197 54 352 ist ein Druckmittelzylinder bekannt, bei dem der Zylinderboden (Endabdeckung 12) zwischen einer Ringschulter des Zylinderrohres (11) und einem Haltering (13), der in einer ringförmigen Nut auf der Innenseite des Zylinderrohres angeordnet ist, fixiert ist (Sp 1 Z 23 bis 40 iVm Fig 3 bzw. Fig 1a). Diese Art der Befestigung von Zylinderboden und Zylinderrohr liegt der nach dem Anmeldungsgegenstand ferner als jene nach den vorstehend gewürdigten Entgegenhaltungen. Die Offenlegungsschrift ist im Prüfungsverfahren lediglich als Nachweis für die der Fachwelt geläufige Verwendung von Gewindestiften und radialen Gewindebohrungen zur Sicherung gegen ein gegenseitiges Verdrehen von Bauteilen, hier von Zylinderboden und Zylinderrohr (Sp 5 Z 7 bis 16 iVm Fig 1a), genannt worden.

Der geltende Patentanspruch 1 ist somit gewährbar.

Die direkt oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 werden von der Patentfähigkeit des Patentanspruchs 1 mitgetragen. Sie sind somit ebenfalls gewährbar.

Dr. Schnegg Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Na






BPatG:
Beschluss v. 21.11.2001
Az: 7 W (pat) 68/00


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