Bundesgerichtshof:
Urteil vom 10. Dezember 2015
Aktenzeichen: IX ZR 56/15

(BGH: Urteil v. 10.12.2015, Az.: IX ZR 56/15)

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 25. Februar 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

In den Jahren 1999 und 2000 beauftragte die Unternehmerin EB (nachfolgend: EB) die beklagte Steuerberatungskanzlei mit der steuerrechtlichen Optimierung ihrer Vermögensverhältnisse. Zu diesem Zeitpunkt war EB Alleingesellschafterin der Klägerin, einer GmbH, und hielt überdies Anteile an der C. BV (Cu. ; nachfolgend: C. ).

Auf der Grundlage des im Januar 2001 durch die Beklagte zu 1 vorgelegten steuerlichen Gesamtkonzeptes gründete EB die (eigennützige) E. Stiftung (nachfolgend: Stiftung) in Liechtenstein und übertrug in Vollzug der am 15. Mai 2001 und 23. Mai 2001 geschlossenen Kaufverträge ihre Anteile an der Klägerin und der C. auf die Stiftung. Den vereinbarten Kaufpreis stundete EB der Stiftung, indem sie ein zinsloses Darlehen gewährte.

Das von der Beklagten zu 1 erarbeitete Konzept, das EB beratungskonform umsetzte, umfasste die Rückzahlung eines verzinsten Darlehens, welches die Klägerin am 3. April 2000 von der C. erhalten hatte. Hierfür gewährte die Stiftung der Klägerin ein Darlehen in Höhe von 23.570.000 DM. Der von der Beklagten zu 1 vorgelegte Entwurf des zwischen der Klägerin und der Stiftung abzuschließenden Darlehensvertrags, der schließlich am 15. Mai 2001 unterzeichnet wurde, sah - wie bereits im Gesamtkonzept vom 13. Januar 2001 angelegt - vor, dass die Darlehensforderung unverzinslich sein sollte. Die Beklagte zu 1 rechnete ihre Beratungsleistungen im Zeitraum vom 29. März 2000 bis 27. Januar 2001 gegenüber der Klägerin und mit Rechnung vom 6. Juli 2001 und 14. Januar 2003 gegenüber der Stiftung ab.

Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung für den Veranlagungszeitraum 2004 bis 2008 beanstandete das Finanzamt, dass die Klägerin die unverzinsliche Darlehensverbindlichkeit nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abgezinst habe. Gestützt auf eine tatsächliche Verständigung mit der Klägerin, wonach eine fiktive Laufzeit des Darlehens von sechseinhalb Jahren angenommen wurde, erließ das Finanzamt für die Jahre 2004 bis 2008 korrigierte Steuerbescheide.

Die Klägerin macht die ihr dadurch entstandenen steuerlichen Mehrbelastungen und Nachforderungszinsen in Höhe von insgesamt 1.675.587,87 € gegenüber der Beklagten zu 1 und deren Partnern, den Beklagten zu 2 bis 4, geltend. Hilfsweise beantragt sie die Feststellung, dass ihr Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten aus abgetretenem Recht der Stiftung zustehen. Die gegen das klagabweisende Urteil des Landgerichts gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Gründe

Die in vollem Umfang zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Ein Anspruch der Klägerin scheide mangels Darlegung eines ersatzfähigen Schadens aus. Im Rahmen einer Schadensberechnung nach der Differenzmethode sei zu berücksichtigen, dass der aufgrund der Steuernachforderung verschlechterten Vermögenssituation der Klägerin die hypothetische Belastung mit Zinsverbindlichkeiten entgegenzuhalten sei. Hierbei habe das Landgericht nach Beweiserhebung die Höhe des fiktiven Zinssatzes in nicht zu beanstandender Weise auf Zwei vom Hundert festgesetzt. Gemessen an der Darlehensvaluta übersteige demnach die hypothetische Zinsbelastung den tatsächlich eingetretenen Steuerschaden deutlich, so dass ein unmittelbarer Schaden der Klägerin zu verneinen sei.

Eine spiegelbildlich eintretende, fiktive Vermögensmehrung der Stiftung in Höhe der hypothetischen Zinseinnahmen sei im Rahmen der Differenzmethode nicht zu berücksichtigen, weil es sich bei der Stiftung um eine von der Klägerin verschiedene Rechtsperson handele. Die Abweichung von dem subjektbezogenen Zuschnitt des Gesamtvermögensvergleichs im Rahmen der Differenzmethode komme auch nicht unter Berücksichtigung der sogenannten konsolidierten Schadensberechnung in Betracht. Die vorliegende Fallgestaltung unterscheide sich in grundsätzlicher Weise von den bisher höchstrichterlich anerkannten Konstellationen einer konsolidierten Schadensberechnung, denen eine endgültige Vermögensverschiebung zwischen familiär verbundenen natürlichen Personen oder aber die Verschmelzung von zwei Gesellschaften zugrunde gelegen hätten.

Mangels Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sei auch das für die hilfsweise erhobene Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse nicht gegeben. Da der Klägerin nach der Differenzmethode kein Schaden entstanden sei, könne auch der Wert der Beteiligung der Stiftung an der Klägerin nicht als gemindert angesehen werden. Soweit der Stiftung Betriebseinnahmen in Form von Zinszahlungen der Klägerin entgangen seien, falle diese fiktive Schadensposition nicht unter den Schutzzweck des Beratungs- und Gestaltungsmandats der Beklagten.

II.

Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ein der Klägerin entstandener Schaden kann mit der Begründung des Berufungsurteils nicht verneint werden.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt - eine Haftung dem Grunde nach unterstellt - für die Schadensbetrachtung nicht ausschließlich die Vermögenslage der Klägerin entscheidend. Vielmehr sind aufgrund der konkreten Ausgestaltung des der Beklagten zu 1 erteilten Mandats im Rahmen einer konsolidierten Schadensberechnung die der Stiftung (hypothetisch) entgangenen Vorteile in Form von Zinszahlungen durch die Klägerin zu berücksichtigen.

1. Ausgangspunkt der Schadensberechnung ist die Differenzhypothese. Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich regelmäßig nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 42; vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 20; vom 5. Februar 2015 - IX ZR 167/13, WM 2015, 790 Rn. 7). Erforderlich ist ein Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 1997 - IX ZR 286/96, WM 1998, 142 f; vom 20. Januar 2005 - IX ZR 416/00, WM 2005, 999, 1000; vom 7. Februar 2008 - IX ZR 149/04, WM 2008, 946 Rn. 24; vom 5. Februar 2015, aaO). Dieser erfordert hierbei nicht lediglich eine Berücksichtigung von Einzelpositionen, sondern eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2008, aaO; vom 5. Februar 2015, aaO).

2. Grundsätzlich ist Bezugspunkt des Gesamtvermögensvergleichs das Vermögen des Geschädigten, nicht aber dasjenige Dritter (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2015, aaO Rn. 8). Daher kann auf Grund eines Vertrages nur derjenige Schadensersatz verlangen, bei dem der Schaden tatsächlich eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1968 - VI ZR 212/66, BGHZ 51, 91, 93). Dies führt im Rahmen der Beraterhaftung dazu, dass der haftpflichtige Steuerberater grundsätzlich nur für den Schaden seines Mandanten einzustehen hat; eine Ausnahme bilden die Drittschadensliquidation und der Vertrag zugunsten Dritter sowie mit Schutzwirkung für Dritte (vgl. G. Fischer in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 5 Rn. 138).

3. Die hiernach grundsätzlich gebotene formale Betrachtungsweise führt dazu, dass streng zwischen den Vermögensmassen unterschiedlicher Beteiligter zu unterscheiden ist. Ist der Steuerberater - wie hier - von einem Gesellschafter mandatiert worden, ist daher zunächst festzustellen, in wessen Person ein Schaden eingetreten ist (vgl. G. Fischer, aaO). Gesellschaft und Gesellschafter sind hierbei regelmäßig als im Rahmen der schadensrechtlichen Beurteilung selbständige Zuordnungssubjekte zu behandeln (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 1973 - VI ZR 53/72, BGHZ 61, 380, 383; vom 7. November 1991 - IX ZR 3/91, WM 1992, 308, 310; G. Fischer, aaO). Weder führt die Annahme eines den Gesellschaftern entstandenen Schadens ohne das Hinzutreten weiterer Umstände zu einem vermögensrechtlichen Nachteil der Gesellschaft (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 12 ff; G. Fischer, aaO), noch kann ein Steuernachteil der Gesellschaft mit einem Anrechnungsvorteil des Gesellschafters saldiert werden (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1997 - IX ZR 153/96, NJW 1998, 1486, 1487; G. Fischer, aaO).

4. Abweichend von diesen Grundsätzen kann aber bei der Bestimmung des jeweils eigenen Schadens die Einbeziehung der Vermögensinteressen eines Dritten nach dem Inhalt des Beratungsvertrags geschuldet sein mit der Folge, dass eine konsolidierte Schadensbetrachtung geboten ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2015 - IX ZR 167/13, WM 2015, 790 Rn. 10). Entscheidend ist hierbei der konkrete Auftrag, den der Mandant dem Berater ausdrücklich oder den Umständen nach erteilt hat: Wenn der Mandant im Rahmen einer Gestaltungsberatung die Berücksichtigung der Interessen eines Dritten zum Gegenstand der Beratungsleistung gemacht hat, ist die Schadensberechnung auch unter Einbeziehung dieser Drittinteressen vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2015, aaO Rn. 11 f).

a) In ständiger Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass in einer - etwa im Interesse der Steuerersparnis - gewollten und gewünschten Vermögensübertragung zugunsten von Familienangehörigen ohne gleichwertige Gegenleistung kein Schaden im Rechtssinn und in ihrem Unterbleiben kein mit dem Steuerschaden verrechenbarer Vermögensvorteil gesehen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2008 - IX ZR 104/05, WM 2008, 1042 Rn. 15, 18 mwN; vom 5. Februar 2015, aaO Rn. 10). Auch im Fall der Verschmelzung von zwei Gesellschaften, ist - sofern es sich wirtschaftlich um dieselbe Vermögensmasse handelt, deren Bestand durch zutreffende Gestaltung der Verschmelzung gerade gesichert werden sollte - eine einheitliche Schadensbetrachtung vorzunehmen, unbeschadet der Tatsache, dass es sich um zwei voneinander zu unterscheidende Rechtsträger handelt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 - IX ZR 61/96, WM 1997, 333).

b) Die Grundsätze der konsolidierten Schadensbetrachtung sind auch auf die vorliegende Fallgestaltung anzuwenden. Für die Feststellung, ob die tatsächliche von der bei pflichtgemäßer Beratung eingetretenen hypothetischen Vermögenslage nachteilig abweicht und somit ein Schaden der in den Schutzbereich des Beratungsvertrages einbezogenen Klägerin vorliegt, sind nach dem im Gesamtsteuerkonzept zum Ausdruck kommenden Willen der EB als Mandantin auch die Vermögensmassen der Klägerin und der Stiftung in die Schadensbetrachtung einzubeziehen.

aa) Neben den Vermögensinteressen der EB als wirtschaftlicher Initiatorin des Konzepts waren auch diejenigen der Klägerin und der Stiftung nach dem Beratungsvertrag zu beachten. Die Gründung der Stiftung und die Ausreichung des Darlehens von der Stiftung an die Klägerin waren wesentliche Bestandteile des von der Beklagten zu 1 erstellten Steuerkonzeptes; das Ergebnis der Beratung hatte folglich auch unmittelbaren Einfluss auf den Vermögensstand der Stiftung (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1985 - IX ZR 153/84, NJW 1986, 581, 582) und mithin auch auf das Vermögen der Mandantin EB als Stifterin. Diese Tatsache war für die Beklagte zu 1, die ihre Beratungsleistungen gegenüber der Klägerin und der Stiftung abrechnete, offensichtlich.

bb) Schon die geschuldete Einbeziehung der Vermögensinteressen sowohl der Klägerin als auch der Stiftung zeigen den nach außen getretenen Willen der Unternehmerin EB als Mandantin, dass die von ihr zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beherrschten Gesellschaften und deren Vermögensmassen als wirtschaftliche Einheit betrachtet werden sollten. Diese Tatsache, die eine Gesamtbetrachtung der Vermögensverhältnisse über die Grenzen der beteiligten juristischen Personen als grundsätzlich schadensrechtlich selbständige Zuordnungsobjekte hinaus erfordert, zeigt sich auch in der festgestellten Bereitschaft der EB, Zinszahlungen an die von ihr kontrollierte Stiftung durch die Klägerin zu veranlassen. Folglich sind den hypothetischen Zinszahlungen der Klägerin, die diese erspart hat, die entsprechenden fehlenden Zahlungseingänge bei der Stiftung gegenzurechnen, soweit ihr diese verblieben wären.

III.

Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Insbesondere ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt der klägerische Anspruch nicht als verjährt anzusehen.

1. Der Beklagte zu 2, der den verfahrensgegenständlichen Darlehensvertrag erstellte und der Klägerin übersandte, war nicht ausschließlich rechtsberatend tätig. Bereits das im Januar 2001 von der Beklagten zu 1 erarbeitete steuerliche Gesamtkonzept sah die Auskehrung eines zinslosen Darlehens durch die Stiftung an die Klägerin vor. Mithin unterfiel die Erstellung des Darlehensvertrages nicht als rechtsberatende Tätigkeit der Verjährungsregel des § 51b BRAO aF. Vielmehr liegt eine einheitlich zu betrachtende, steuerberatende Tätigkeit der Beklagten zu 1 vor.

2. Das steuerrechtliche Beratungsmandat wurde in den Jahren 1999 und 2000 erteilt. Nach Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 EGBGB ist auf die durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214) geänderten Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes Art. 229 § 6 EGBGB entsprechend anzuwenden. Demnach richtet sich der Beginn der Verjährung für den Zeitraum vor dem 15. Dezember 2004 nach § 68 StBerG aF. Da die den Verjährungsbeginn auslösende Schadensentstehung regelmäßig die Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheides gemäß § 122 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 2 AO voraussetzte (BGH, Urteil vom 2. Juli 1992 - IX ZR 268/91, BGHZ 119, 69, 70 ff; vom 12. November 2009 - IX ZR 218/08, WM 2010, 138 Rn. 10) und eine anderweitige Verschlechterung der Vermögenslage des Mandanten vor Bekanntgabe der Steuerbescheide im Dezember 2011 nicht eingetreten war (vgl.

für diesen Fall BGH, Urteil vom 23. April 2015 - IX ZR 176/12, NJW 2015, 2190, Rn. 14; Chab, aaO § 7 Rn. 97), ist der Schaden erst nach dem 14. Dezember 2004 entstanden. Für den Verjährungsbeginn ist folglich das neue Recht maßgebend. Danach ist entscheidend, wann der Schaden entstanden ist und die Klägerin von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erhielt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 BGB). Dies gilt auch für denjenigen, der seine Ansprüche als Begünstigter aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ableitet (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - IX ZR 193/10, WM 2011, 2334 Rn. 23). Für die Frage des Zeitpunkts der Entstehung des Schadens ist auch nach neuem Recht die zuvor entwickelte Risiko-Schaden-Formel maßgebend (Chab, aaO § 7 Rn. 200). Danach ist auch jetzt ein Steuerschaden noch nicht entstanden, solange es an der Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheides fehlt (BGH, Urteil vom 23. April 2015, aaO Rn. 11), es sei denn, zuvor wäre ein anderer Schaden als der Steuerschaden bereits eingetreten (BGH, aaO Rn. 14). Da letzteres nicht der Fall war und die Steuerbescheide der Klägerin erst im Dezember 2011 zugegangen sind, ist der bereits im März 2013 gerichtlich geltend gemachte Klageanspruch nicht verjährt.

IV.

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Grundlage des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ist eine schuldhafte Verletzung der Pflichten aus dem Steuerberatungsvertrag durch die Beklagte zu 1. Sofern dieser Beratungsvertrag nicht auch mit der Klägerin zustande gekommen ist - wofür sprechen könnte, dass diese die ihr diesbezüglich von der Beklagten gestellten Rechnungen bezahlt hat - oder einen echten Vertrag zugunsten der Klägerin gemäß § 328 BGB darstellte, war die Klägerin zumindest in den Schutzbereich des Beratungsvertrages zwischen EB und der Beklagten zu 1 einbezogen. Deshalb kann sie den ihr durch eine etwaige Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 entstandenen Schaden ersetzt verlangen.

a) Soweit der zwischen Steuerberater und Mandant geschlossene Vertrag keine ausdrücklichen Regelungen über eine mögliche Einbeziehung Dritter enthält, bedarf es der maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben geprägten ergänzenden Auslegung des Beratervertrages, um eine Schutzwirkung zugunsten eines nicht am Vertragsschluss Beteiligten feststellen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 14; D. Fischer, aaO § 10 Rn. 16). Lässt sich aus dem Willen der Vertragspartner eine Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich der Vertragsleistung des Beraters ableiten, kann der einbezogene Dritte im Fall der Schädigung einen eigenen Ersatzanspruch als sekundären vertraglichen Anspruch gegen den Berater geltend machen (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2004 - X ZR 250/02, BGHZ 159, 1, 4; vom 14. Juni 2012, aaO). Um die Haftung des Beraters nicht unbegrenzt auszudehnen, ist jedoch erforderlich, dass der Dritte mit der Hauptleistung des Steuerberaters als Schutzpflichtiger bestimmungsgemäß in Berührung kommt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - IX ZR 193/10, WM 2011, 2334 Rn. 6). Zu dieser Voraussetzung der Leistungsnähe muss ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den vertraglichen Schutzbereich hinzutreten (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 - III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 Rn. 19 ff; vom 24. April 2014 - III ZR 156/13, WM 2014, 935 Rn. 11). Des Weiteren muss, um das Haftungsrisiko berechenbar halten zu können, die Einbeziehung Dritter dem schutzpflichtigen Steuerberater bekannt oder für ihn zumindest erkennbar sein (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2011, aaO; vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 25). Ausgeschlossen ist ein zusätzlicher Drittschutz regelmäßig dann, wenn der Dritte wegen des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts bereits über einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch verfügt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2011, aaO Rn. 6; vom 7. März 2013, aaO Rn. 25; Gräfe in Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl. Rn. 437).

b) Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt ist die Klägerin in den Schutzbereich des Mandatsverhältnisses zwischen der Beklagten zu 1 und EB einbezogen. Das von der Beklagten zu 1 erarbeitete und am 13. Januar 2001 vorgelegte Konzept verfolgte die steuerrechtliche Optimierung der (gesamten) Vermögensverhältnisse der Unternehmerin EB. Durch die Beratung und die hierauf aufbauende Vertragsgestaltung sollte bewirkt werden, dass auf EB eine möglichst geringe Steuerlast, unabhängig von dem von ihr gewählten Wohnort, entfällt. Um dieses Ziel erreichen zu können, musste das von der Beklagten zu 1 erarbeitete Konzept notwendigerweise nicht nur das Privatvermögen der EB, sondern auch die von ihr zum Zeitpunkt der Mandatierung kontrollierten Gesellschaften, namentlich die Klägerin, einbeziehen. Dementsprechend enthielt der von der Beklagten zu 1 erarbeitete Gestaltungsvorschlag die Übertragung der von der EB gehaltenen Anteile an der Klägerin auf die neu zu gründende Stiftung sowie die Rückzahlung der gegenüber der C. bestehenden Darlehensverbindlichkeit mit aus dem Abschluss eines Darlehensvertrages mit der Stiftung zu gewinnenden Geldmitteln. Mithin war bereits mit der Erstellung des Gesamtkonzeptes vorgezeichnet, dass nicht nur die EB, sondern auch die Klägerin und die neu zu gründende Stiftung bestimmungsgemäß mit der Beratungsleistung in Berührung kommen würden. Hierbei bestand ein besonderes Interesse der EB, auch die wirtschaftlichen Belange der - zunächst von ihr selbst und sodann von der Stiftung kontrollierten - Klägerin, deren Geschäftsführerin sie zudem selbst weiterhin ist, im Rahmen der Neustrukturierung ihrer Vermögensverhältnisse gewahrt zu wissen, um mögliche Schäden von sich selbst und damit auch der Stiftung abzuwenden. Diese Drittbezogenheit ihrer Leistung war für die Beklagte zu 1 bei Abschluss des Beratungsvertrages und während seiner Durchführung offensichtlich. Durch die Übersendung des vorbereiteten Darlehensvertrages unmittelbar an die Klägerin, die Befassung mit der Neugründung der Stiftung und die Abrechnung sowohl gegenüber der Klägerin als auch der Stiftung selbst, zeigt sich, dass der Beklagten zu 1 eine Verwendung ihrer Beratungsleistung gegenüber der Klägerin und der Stiftung nicht nur bewusst war, sondern dass sie diese selbst steuerte. Inhaltsgleiche vertragliche Ansprüche stehen der Klägerin nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt nicht zu. Soweit ein vertraglicher Anspruch der Klägerin gegen die mit der Erstellung der Buchhaltung beauftragte Streithelferin in Betracht kommen könnte, fehlt es an diesbezüglichen Feststellungen.

2. Das Berufungsgericht hat bisher offen gelassen, ob eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 vorliegt. Die entsprechenden Feststellungen werden nachzuholen sein.

Vill Gehrlein Lohmann Grupp Schoppmeyer Vorinstanzen:

LG Köln, Entscheidung vom 13.02.2014 - 2 O 99/13 -

OLG Köln, Entscheidung vom 25.02.2015 - 16 U 50/14 -






BGH:
Urteil v. 10.12.2015
Az: IX ZR 56/15


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