Bundesgerichtshof:
Urteil vom 5. April 2001
Aktenzeichen: I ZR 32/99

(BGH: Urteil v. 05.04.2001, Az.: I ZR 32/99)

Tenor

Auf die Revisionen der Parteien wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. November 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als bei der Berechnung der Vergütung der Klägerin die Nettoerlöse der Rundfunkanstalten aus Sponsoring den Rundfunkgebühren und nicht den Werbeeinnahmen zugerechnet werden sollten (Teil A § 3 Abs. 2 und Teil B § 3 Abs. 1 des festgesetzten Gesamtvertrags).

Auf die Revision der Klägerin wird das genannte Urteil ferner insoweit aufgehoben, als der festgesetzte Gesamtvertrag keine Vorschrift enthält, wonach die Abzüge bei den Werbeeinnahmen mit einem bestimmten Prozentsatz zu pauschalieren sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin ist die GVL, eine Verwertungsgesellschaft, die u.a. die Ansprüche der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller aus § 76 Abs. 2, § 86 UrhG wahrnimmt. Sie begehrt mit der vorliegenden Klage die Festsetzung eines Gesamtvertrags nach § 12 UrhWG. Die Beklagte ist eine Nutzervereinigung, in der die Rundfunkanstalten der ARD sowie die ARD-Werbegesellschaften zusammengeschlossen sind.

Zwischen den Parteien bestanden schon in der Vergangenheit Gesamtverträge über die Verwendung erschienener Tonträger, wobei ein Gesamtvertrag Sendungen des Hör- und Fernsehrundfunks, der andere die Rahmenprogramme der Hörfunk- und Fernsehwerbung betraf. Aufgrund dieser Gesamtverträge erhielt die Klägerin einen jährlichen Festbetrag für jedes Radio- und jedes Fernsehgerät (zuletzt 0,50 DM und 0,185 DM) sowie einen bestimmten Prozentsatz der Werbenettoeinnahmen (4,52 % im Bereich des Hörfunks und 0,1 % im Bereich des Fernsehens). Die beiden Gesamtverträge hat die Klägerin fristgerecht zum 31. Dezember 1993 mit dem Ziel gekündigt, eine Reihe von Änderungen zu vereinbaren.

Die Klägerin hat im Jahre 1994 ein Verfahren vor der Schiedsstelle eingeleitet und den Abschluß eines neuen Gesamtvertrags begehrt. Dabei ging es in erster Linie um eine höhere Vergütung für die Geräte, während es bei den bisherigen Vergütungssätzen für das Rahmenprogramm bleiben sollte. Die Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten und hat eine geringere Steigerung der Gerätevergütung vorgeschlagen. In ihrem den Parteien nach § 14a Abs. 2 UrhWG unterbreiteten Einigungsvorschlag vom 1. März 1996 hat die Schiedsstelle zwar an dem von den Parteien in der Vergangenheit praktizierten Vergütungskonzept festgehalten und erneut bestimmte Sätze für jedes Radio- und jedes Fernsehgerät vorgeschlagen. In der Begründung hat die Schiedsstelle aber zum Ausdruck gebracht, daß dieses Konzept nicht zu einer kontinuierlichen Beteiligung der Klägerin an den durch die fragliche Nutzung erzielten geldwerten Vorteilen führe. Gemessen an einem Referenzzeitraum von 1985 bis 1989 werde im Bereich des Hörfunks eine deutlich geringere prozentuale Beteiligung der Klägerin an den Einnahmen der Rundfunkanstalten erzielt als in der Vergangenheit (1,1 % statt 1,7 %), während die Gerätevergütung im Bereich des Fernsehens zu einem deutlich höheren Anteil führe (0,17 % statt 0,14556 %). Die Beklagte hat dem Einigungsvorschlag widersprochen (§ 14a Abs. 3 Satz 1 UrhWG).

Mit der vorliegenden Klage auf Festsetzung eines Gesamtvertrags für die Jahre 1994 bis 1996 hat sich die Klägerin die Ausführungen, mit denen die Schiedsstelle in der Begründung ihres Einigungsvorschlags das bisherige Vergütungskonzept kritisiert hat, zu eigen gemacht und nunmehr eine prozentuale Beteiligung an sämtlichen Einnahmen - und zwar in Höhe von 1,7 % an den Hörfunkeinnahmen und 0,145 % an den Fernseheinnahmen - beansprucht. Hilfsweise hat die Klägerin die Festsetzung eines Vertrages beantragt, der im wesentlichen dem von der Schiedsstelle vorgeschlagenen Vertrag entspricht. Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat die Festsetzung eines Gesamtvertrags nach bisherigem Muster beantragt, also mit einer - wie bisher zu bemessenden - prozentualen Beteiligung der Klägerin an den Werbeeinnahmen sowie mit festen Beträgen für die Radio- und Fernsehgeräte, die jedoch deutlich unter den von der Schiedsstelle vorgeschlagenen Beträgen liegen.

Das Oberlandesgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage einen Gesamtvertrag für die Jahre 1994 bis 1996 festgesetzt, der zwar an der unterschiedlichen Regelung für das Werberahmenprogramm auf der einen und das sonstige Rundfunkprogramm auf der anderen Seite festhält, für beide Bereiche jedoch eine prozentuale Beteiligung der Klägerin an den Einnahmen vorsieht, und zwar in Höhe von 4,52 % (Hörfunk) bzw. 0,1 % (Fernsehen) an den Werbeeinnahmen und 0,66674 % (Hörfunk) bzw. 0,16548 % (Fernsehen) an den Einnahmen aus Rundfunkgebühren, wobei diese Sätze bereits einen Gesamtvertragsrabatt in Höhe von 20 % enthalten.

Hiergegen richten sich die Revisionen der Parteien, die der Senat jedoch nur zu einem geringen Teil angenommen hat: Die Revisionen beider Parteien sind angenommen worden, soweit sie sich dagegen wenden, daß bei der Berechnung der Vergütung der Klägerin die Nettoerlöse der Rundfunkanstalten aus Sponsoring den Rundfunkgebühren und nicht den Werbeeinnahmen zugerechnet werden sollen; die Revision der Klägerin ist darüber hinaus insoweit angenommen worden, als der festgesetzte Gesamtvertrag keine Vorschrift enthält, wonach die Abzüge bei den Werbeeinnahmen mit einem bestimmten Prozentsatz zu pauschalieren sind. Im Umfang der Annahme verfolgen die Parteien ihre vor dem Oberlandesgericht gestellten Anträge weiter. Sie beantragen jeweils, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung der Festsetzung des Gesamtvertrages - soweit für das Revisionsverfahren noch von Belang - ausgeführt:

Für die Bestimmung der angemessenen Vergütung als Entgelt für die Nutzung der Leistungsschutzrechte sei von den geldwerten Vorteilen auszugehen, die durch die Verwertung erzielt würden. Maßgeblich sei dabei der erwirtschaftete Umsatz, soweit er in unmittelbarem Zusammenhang mit der Nutzung des geschützten Gutes stehe. Angemessen sei in der Regel, was üblich sei, wobei eine Veränderung der Orientierungsmaßstäbe seit früheren Festlegungen zu berücksichtigen sei.

Die Einnahmen aus Sponsoring seien den Gebühreneinnahmen hinzuzurechnen, da ohne diese Erlöse bei gleicher Programmleistung die Gebühren entsprechend erhöht werden müßten. Bei den Werbeeinnahmen sei auf die Nettoerlöse abzustellen. Rabatte, Skonti sowie handelsübliche und angemessene Aufwendungen wie z.B. Agentur- und Handelsvertretervergütungen, die den Gesellschaften bei der Erzielung ihrer Einnahmen entstünden, seien abzuziehen. Soweit die Klägerin vorbringe, seitens der Mitglieder der Beklagten würden ungerechtfertigte Abzüge gemacht, müsse sie dies gerichtlich geltend machen.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Revisionen führen zur Aufhebung und Zurückverweisung, soweit das Oberlandesgericht die Erlöse aus Sponsoring bei den Gebühreneinnahmen und nicht bei den Werbeeinnahmen berücksichtigt hat und eine Pauschalierung der Abzüge von den Werbeeinnahmen abgelehnt hat.

1. Einnahmen aus Sponsoring:

Mit Erfolg wendet sich die Revision der Klägerin dagegen, daß das Oberlandesgericht die Einnahmen aus Sponsoring in dem festgesetzten Gesamtvertrag nicht den Werbeeinnahmen, sondern dem Gebührenaufkommen zugerechnet hat.

Die Revision der Beklagten hat Erfolg, soweit sie sich - insofern mit übereinstimmendem Ziel - gegen eine Berücksichtigung der Einnahmen aus Sponsoring bei den Gebühreneinnahmen wendet.

Die Revision der Klägerin weist zutreffend darauf hin, daß Einnahmen aus Sponsoring - gleichgültig, ob es sich um eine Sendung im normalen Programm oder im Werberahmenprogramm handelt - Werbeeinnahmen sind. Auch im Verhältnis zu den privaten Hörfunksendern (vgl. Parallelverfahren I ZR 132/98) werden sie den Werbeeinnahmen zugerechnet. Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb Einnahmen aus dem Sponsoring einer Sendung im Werberahmenprogramm oder in einem privaten Sender der Klägerin zu 4,52 % zufließen, während Einnahmen aus dem Sponsoring einer Sendung im normalen Programm eines öffentlich-rechtlichen Senders nur mit 0,66674 % berücksichtigt werden sollten. Dementsprechend hatte auch die Schiedsstelle in ihrem Einigungsvorschlag die Einnahmen aus Sponsoring den Werbeeinnahmen zugerechnet, weil diese Mittel ausschließlich dazu bestimmt seien, für ein Unternehmen oder ein Produkt zu werben.

Auch die Revision der Beklagten wendet sich nicht dagegen, Sponsoring-Einnahmen den Werbeerlösen zuzurechnen. Sie verweist jedoch darauf, daß das Sponsoring meist Sendungen betreffe, in denen nur wenig oder gar keine Musik von erschienenen Tonträgern verwendet werde. Daher sei insofern eine Sonderregelung erforderlich. Dem kann nicht beigetreten werden. Eine derartige Differenzierung liefe auf eine an der Einzelnutzung orientierte Berechnung hinaus, auf die alle Vergütungskonzepte mit Recht verzichten.

2. Pauschalierung der Abzüge:

Das Oberlandesgericht hat ferner eine Pauschalierung der Abzüge abgelehnt, die nach dem festgesetzten Vertrag die Werbeerlöse der Rundfunkunternehmen schmälern. Auch in diesem Punkt greift die Revision der Klägerin das Urteil des Oberlandesgerichts mit Erfolg an.

Das angefochtene Urteil enthält keine stichhaltige Begründung für die Ablehnung dieses Begehrens der Klägerin. Auch die Schiedsstelle hatte in ihrem Einigungsvorschlag eine Pauschalierung der Abzüge - vorgeschlagen waren 15 %

- vorgesehen, um zeitaufwendigen und kostspieligen Auseinandersetzungen vorzubeugen.

III. Die Revisionen der Parteien führen danach in dem dargestellten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Da die in der Vertragsfestsetzung liegende Rechtsgestaltung dem Tatrichter vorbehalten ist, ist die Sache zur erneuten Festsetzung des von der Aufhebung betroffenen Teils des Gesamtvertrages an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Hinsichtlich der ebenfalls aufgehobenen Kostenentscheidung für das Verfahren vor dem Oberlandesgericht ist darauf hinzuweisen, daß die Kostenquote in Rechnung stellen sollte, in welchem Umfang sich die zu treffende Entscheidung für und gegen die Parteien auswirkt (vgl. die Revisionsbegründung der Beklagten, S. 40 bis 42).

Was die Frage der Pauschalierung der Abzüge angeht, gibt der Senat aufgrund der Erörterung in der mündlichen Verhandlung folgendes zu bedenken: Grundlage für die Berechnung der der Klägerin zustehenden angemessenen Vergütung sollten die den Sendeunternehmen tatsächlich zufließenden Beträge sein. Dies bedeutet, daß die in Rede stehenden Abzüge nicht einheitlich einer Pauschalierung unterworfen werden sollten. Rabatte und Skonti mindern unmittelbar den Preis der Radiowerbung; es spricht daher viel dafür, diese Abzüge unbeschränkt zuzulassen und keiner Pauschalierung oder Deckelung zu unterwerfen. Soweit es üblich ist, daß die Sendeanstalten die Provisionen übernehmen, die die im Rundfunk werbenden Unternehmen ihren Werbeagenturen schulden (sog. Agentur-Vergütungen), mindern sich hierdurch ebenfalls die Einnahmen des Sendeunternehmens, so daß auch insoweit ein Abzug nicht als unangemessen angesehen werden könnte; denn in der Übernahme derartiger (fremder) Kosten durch die Sendeunternehmen liegt eine - vom Markt diktierte - Minderung des Preises, den die Sendeunternehmen für die Radiowerbung erzielen können. Dagegen sind die Handelsvertreterprovisionen und die Einbehalte der sogenannten Radio-Kombis Vermarktungskosten der Sendeunternehmen. Zwar mag es üblich geworden sein, diese Kosten bei der Ermittlung der Werbeerlöse ebenfalls in Abzug zu bringen. Hier spricht jedoch vieles für eine Begrenzung oder Pauschalierung, damit die Grundlage für die Berechnung der Vergütung nicht allein durch organisatorische Maßnahmen der Sendeunternehmen geschmälert werden kann.






BGH:
Urteil v. 05.04.2001
Az: I ZR 32/99


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