Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Dezember 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 354/03

(BPatG: Beschluss v. 09.12.2005, Az.: 27 W (pat) 354/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Markeninhaberin begehrt in Deutschland Schutz für die "chaussures" international als marque tridimensionelle registrierte Marke 780 963 Die Markenstelle für Klasse 25 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat der Marke den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland verweigert, weil ihr jegliche Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG iVm Artikel 5 Abs 1 MMA, Artikel 6quinquies B Nr 2 PVÜ). Bei der Schutz suchenden Marke handele es sich um die Abbildung des Vorderteils eines Schuhs; bei Schuhen, insbesondere auch bei der Gestaltung der Schuhspitzen oder Schuhvorderteile, sei der Verkehr an eine Vielfalt von Formen gewöhnt. Deshalb sei bereits fraglich, ob die Käuferkreise Anlass hätten, einer bestimmten Gestaltung eine herkunftshinweisende Funktion beizumessen. Jedenfalls die konkret beanspruchte Gestaltung reihe sich zwanglos in den üblichen Formenschatz ein und weise keine hinreichend originell gestalteten Besonderheiten auf. Zum Beleg dafür wird auf zahlreiche Abbildungen aus Prospekten und Katalogen verwiesen. Es sei davon auszugehen, dass die verschiedenen Gestaltungselemente der beanspruchten Schuhvorderteile als Verstärkungs- oder Schmuckelemente angesehen würden, nicht aber als individueller Herkunftshinweis. Auf Voreintragungen bei anderen Markenämtern komme es nicht an, weil es für die Beurteilung der Unterscheidungskraft allein auf das Verständnis der inländischen Verkehrskreise ankomme.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin, mit der sie sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der IR-Marke 780 963 in vollem Umfang Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren.

Zur Begründung trägt sie vor: Die Marke zeige die Frontpartie eines Sportschuhs mit einer Kombination von verschiedenen Merkmalen. Diese Kombination sei hinreichend unterscheidungskräftig, denn sie sei spezifisch und nicht als ganz gewöhnlich anzusehen. Es sei nämlich keinerlei Grund ersichtlich - insbesondere sei keine technische Notwendigkeit gegeben - warum die aufgebrachten Wülste überhaupt angebracht seien, noch warum es gerade sechs beziehungsweise drei Wülste in der konkreten Anordnung seien. Diese Gestaltung sei einzigartig und werde von keinem anderen Sportschuhhersteller verwendet. Der Verkehr sei daran gewöhnt, dass Hersteller ihre Schuhe durch eine bestimmte stets wiederkehrende Aufmachung kennzeichneten. Deshalb liege es für ihn nahe, jede derartige Gestaltung als einen Herkunftshinweis anzusehen.

In der mündlichen Verhandlung, in der die dem Protokoll als Anlage beigefügten Unterlagen zum Gegenstand der Erörterung gemacht worden sind, hat die Markeninhaberin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft und im Übrigen angeregt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

II.

Die gemäß § 165 Abs 4 und 5 MarkenG zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet, denn der IR-Marke fehlt die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft zu Art 7 Abs 1 Buchstabe b) der Gemeinschaftsmarkenverordnung, der dem durch § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG in das deutsche Recht umgesetzten Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) der Ersten Markenrechtslinie entspricht, besitzt nur eine Marke, die erheblich von der Branchenüblichkeit abweicht, konkrete Unterscheidungskraft, weil sie nur dann ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllt (vgl EuGH MarkenR 2004, 224, 229, Nr 39 - Waschmitteltabs; MarkenR 2004, 231, 236, Nr 37 - Quadratische Waschmitteltabs).

Der Senat hat anhand des von der Markeninhaberin vorgelegten und des von ihm selbst ermittelten Bild- und Prospektmaterials, das zum Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür feststellen können, dass es in der Branche der Schuhhersteller eine allgemeine Übung dahingehend gäbe, dass die Gestaltung der Vorderkappen von Schuhen, zB durch die Anbringung von Wüsten oder Nähten, als Herstellerkennzeichnung verwendet und vom Verkehr auch in diesem Sinne aufgefasst wird. Die von der Markeninhaberin insoweit als Beispiel herangezogenen "Drei Streifen" sind als Marke in der Bundesrepublik Deutschland auf Grund ihrer Durchsetzung im Verkehr eingetragen worden (vgl Beschluss des Bundespatentgerichts 27 W (pat) 212/02 vom 21. September 2004). Dass infolgedessen aber alle beliebigen Gestaltungen der Außenseite von Schuhen vom Verkehr automatisch ebenfalls als Herstellerkennzeichnung angesehen würden, kann daraus noch nicht geschlossen werden. Es gibt zum einen, wie in der mündlichen Verhandlung anhand der vorliegenden Materialien erörtert, eine Reihe von Herstellern, die ihre Produkte nicht als Markenware, sondern gewissermaßen anonym, dafür aber zu einem deutlich niedrigeren Preis auf den Markt bringen und darauf verzichten, ihre Gestaltungselemente als Herstellerkennzeichnung einzusetzen (vergleiche Beschluss des Bundespatentgerichts vom 16. November 2004 - 27 W (pat) 371/03). Zum anderen haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass gerade die Schuhvorderteile in der von der Markeninhaberin genannten Weise wenigstens von einem Teil der Anbieter in diesem Markt zur Aufbringung von Herstellerkennzeichnungen genutzt würde. Es ist daher davon auszugehen, dass die aus der angemeldeten Abbildung ersichtlichen Nähte und Wülste vom Verbraucher letztlich nur als reine Zierelemente angesehen werden. Nicht ausgeschlossen ist überdies, dass ein Teil der Verbraucher an den sich jedenfalls bei Sportschuhen anbietenden Zweck eines Schleifschutzes auf der Schuhkappe denkt.

Begegnet der Verbraucher Schuhen, die in der beanspruchten Weise ausgestaltet sind, hat er folglich keine Veranlassung, diese konkrete Gestaltung als Marke anzusehen, es sei denn, diese wäre ihm auf Grund besonders bekannter, durchgängig verwendeter und durchgesetzter Merkmale geläufig. Von einer solchen bekannten und durchgesetzten Aufmachung kann indes bei der hier streitgegenständlichen IR-Marke nicht die Rede sein. Es mag das Bestreben der Anbieter von Sport- und Freizeitschuhen sein, die von ihnen gewählte Aufmachung ihrer Produkte als Marke durchzusetzen. Solange der Verkehr dies aber im konkreten Fall nicht nachvollzieht, ist ein Schutz solcher Gestaltungen als Marke ausgeschlossen, weil ihnen die originäre Kennzeichnungskraft fehlt (vgl EuGH MarkenR 2004, 461, 467 Rdn 50, 55 - MagLite).

Für die von der Markeninhaberin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung, denn die Entscheidung des Senats stimmt mit den Grundsätzen der höchstrichterlichen deutschen und europäischen Rechtsprechung überein; entscheidungsrelevante Rechtsfragen, die von dieser Rechtsprechung noch zu klären wären, liegen nicht vor. Soweit in einem Einzelfall das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt eine Bildmarke, die einen Schuh mit winkelig angeordneten Streifen zum Gegenstand hat, für eintragungsfähig gehalten hat (HABM GRUR 2002, 1082), ist nicht erkennbar, inwieweit der Beurteilung jenes - von dem vorliegenden unterschiedlichen - Falles eine andere Rechtsauffassung zu Grunde liegen könnte, die einer höchstrichterlichen Klärung bedürfte.

van Raden Reker Schwarz Ju






BPatG:
Beschluss v. 09.12.2005
Az: 27 W (pat) 354/03


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