Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. August 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 114/01

(BPatG: Beschluss v. 08.08.2002, Az.: 25 W (pat) 114/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Mai 2000 insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der Marke 1 060 366 zurückgewiesen wurde. Aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 1 060 366 wird die Löschung der angegriffenen Marke auch für die Dienstleistung "Büroarbeiten" angeordnet.

Gründe

I.

Die Wortmarke IDEEFIX ist unter der Nummer 397 48 565 für verschiedene Dienstleistungen, unter anderem für "Büroarbeiten", in das Markenregister eingetragen worden. Die Eintragung wurde am 9. Juli 1998 veröffentlicht. Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 1. März 1984 für verschiedene Waren und Dienstleistungen, unter anderem für die Dienstleistungen "Filmproduktion, Herausgabe von Büchern, Verwaltung und Verwertung von Urheberrechten, Marketing, Werbung" eingetragenen Marke 1 060 336 IDEFIX.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 29. Mai 2000 durch einen Beamten des höheren Dienstes die teilweise Löschung der angegriffenen Marke, nämlich für alle Dienstleistungen mit Ausnahme von "Büroarbeiten", angeordnet und den Widerspruch aus der Marke im Übrigen zurückgewiesen. Für Büroarbeiten sei die Ähnlichkeit zu den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke zu verneinen, denn Büroarbeiten hätten damit nichts gemein. Büroarbeiten seien regelmäßig anfallende Routinearbeiten, welche in der Regel von ausgebildeten Fachkräften ohne Nachweis eines Hochschulstudiums erbracht würden. Die Erledigung solcher Routinearbeiten oder ähnlicher Tätigkeiten sei jedoch im Warenverzeichnis der Widersprechenden nicht enthalten. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Dienstleistung "Büroarbeiten" regelmäßig oder zumindest in größerem Umfang von den selben Betrieben angeboten würden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag (sinngemäß), den Beschluss der Markenstelle vom 29. Mai 2000 insoweit aufzuheben, als der Widerspruch aus der Marke 1 060 336 zurückgewiesen wurde und die angegriffene Marke auch für "Büroarbeiten" zu löschen. Vorsorglich regt sie an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Die Marken seien hochgradig ähnlich und könnten auch gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Widerspruchsmarke habe erhöhte Kennzeichnungskraft. Dies könne als amtsbekannt unterstellt werden. IDEFIX sei eine Figur aus der mittlerweile bekanntesten Comic-Serie ASTERIX. An den Dienstleistungsabstand seien daher keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Die Dienstleistungen "Büroarbeiten" seien mit den Dienstleistungen der Beschwerdegegnerin "Filmproduktion, Herausgabe von Büchern, Verwaltung und Verwertung von Urheberrechten, Marketing, Werbung" nach dem im Hinblick auf den Zweck des Markenschutzes, insbesondere die Herkunftsfunktion der Marken auszulegenden Begriff der Ähnlichkeit von Dienstleistungen im markenrechtlichen Sinne ähnlich. Die Inhalte von Büroorganisation und damit auch von Büroarbeiten würden heute alternativ und gleichwertig durch Bücher aber auch durch Videofilme vermittelt. Nach einem neueren Beschluss des Bundespatentgerichts seien Büroarbeiten ähnlich zu Softwareprogrammen bzw mit damit versehenen Datenträgern. Für eine Differenzierung zwischen den sogenannten Printmedien und den Aufzeichnungen auf Datenträgern fehle die Grundlage. Deshalb seien "Büroarbeiten" mit der "Herausgabe von Büchern" ähnlich. Ebenso bestehe eine Ähnlichkeit zur "Verwaltung von Urheberrechten", weil bei dieser Verwaltung auch die dazugehörigen Büroarbeiten anfallen und sogar einen wesentlichen Teil ausmachen könnten. Nach der subjektiven Meinung des Durchschnittsverbrauchers, auf die es ankomme, sei eine Ähnlichkeit gegeben.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Mit Eingabe vom 5. August 2002, beim Bundespatentgericht eingegangen am 6. August 2002, macht er geltend, die von der Beschwerdeführerin beanspruchte Marke "IDEFIX" sei bis zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke "IDEEFIX" in den von ihm beantragten Klassen durch die Beschwerdeführerin noch nie in Benutzung genommen worden. Daher beantrage er weiterhin, die von ihm beantragten Klassen aus der Marke der Beschwerdeführerin wegen fehlender Inbenutzungnahme zu löschen. Es liege eine absolute Branchenferne vor. Eine auch nur im entferntesten annehmbare Überschneidung seiner beantragten Klassen und einem Hund, worauf die Marke der Beschwerdeführerin alleine eine gewisse Berühmtheit habe, sei nicht gegeben.

Mit Fax vom 7. August 2002 an beide Beteiligten hat der Senat mitgeteilt, dass die in der Eingabe vom 5. August 2002 ebenfalls enthaltene Bitte des Beschwerdegegners um Terminsverlegung mangels Angabe von Gründen abgelehnt werde und seine Sachausführungen als Einrede der Nichtbenutzung gewertet werden. Gleichzeitig wurde den Beteiligten eine Internet-Recherche des Senats übersandt, wonach eine Ähnlichkeit zwischen den Dienstleistungen "Büroarbeiten" und "Marketing" in Betracht kommt.

In der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2002 ist weder der Beschwerdegegner noch ein Vertreter erschienen.

Die Vertreterin der Beschwerdeführerin erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass sie den Schriftsatz der Gegenseite vom 5. August 2002 am 7. August 2002 erhalten habe, ihre Mandantin jedoch nicht mehr erreichen konnte und sich deshalb nicht dazu äußern könne, für welche einzelnen Waren und Dienstleistungen die Widerspruchsmarke benutzt werde. Insoweit rügt die Vertreterin der Beschwerdeführerin die Verspätung der Einrede und beantragt höchst vorsorglich Schriftsatznachlass.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Nach Auffassung des Senats besteht bei den sich gegenüberstehenden Marken auch hinsichtlich der angegriffenen Dienstleistungen "Büroarbeiten", die allein noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, da lediglich die Widersprechende Beschwerde gegen den Beschluss der Markenstelle eingelegt hat, die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so dass auf den nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobenen Widerspruch aus der Marke Nr 1 060 336 die Löschung der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG für die Dienstleistungen "Büroarbeiten" anzuordnen war.

Das Vorbringen des Beschwerdegegners in der Eingabe vom 5. August 2002, die von ihm beantragten Klassen seien aus der Marke der Beschwerdeführerin wegen fehlender Inbenutzungnahme zu löschen, wertet der Senat als Erhebung einer inhaltlich aber klärungsbedürftigen beschränkten Einrede der Nichtbenutzung nach § 43 Abs 1 MarkenG. Die Einrede der Nichtbenutzung wird jedoch als verspätet zurückgewiesen, da sie nach § 82 Abs 1 MarkenG in Verbindung mit § 282 Abs 2 ZPO nicht rechtzeitig erhoben worden ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundespatentgerichts kann eine Nichtbenutzungseinrede nach den Präklusionsvorschriften der ZPO als verspätet zurückgewiesen werden, weil insoweit der in den §§ 59, 73 Abs 1 MarkenG verankerte Grundsatz der Amtsermittlung durch den Beibringungsgrundsatz verdrängt wird (BGH, GRUR 2000, 603, 604 "Ketof/ETOP"; BPatGE 40, 127 "Ruoc/ROC"; BPatGE 36, 204 "LAILIQUE"). Einer Anwendung der zivilprozessualen Präklusionsnormen steht auch nicht entgegen, dass der Anmelder nicht anwaltlich vertreten war (BPatGE 36, 204 "LAILIQUE").

Nach § 82 Abs 1 MarkenG in Verbindung mit §§ 296 Abs 2, 282 Abs 2 ZPO können Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich nicht ohne vorhergehende Erkundigung eine Erklärung abgeben kann, zurückgewiesen werden, wenn sie durch vorbereitenden Schriftsatz nicht so rechtzeitig mitgeteilt werden, dass der Gegner die Erkundigungen noch einzuziehen vermag, und ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde sowie die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht. Die Einrede der Nichtbenutzung hat der Beschwerdegegner erstmals in der Eingabe vom 5. August 2002 erhoben, die zwei Tage vor dem Verhandlungstermin bei Gericht einging. Die Vertreter der Beschwerdeführerin, denen der Schriftsatz erst am Nachmittag des Tages vor der mündlichen Verhandlung zuging, vermochten sich - wie die Vertreterin der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung glaubhaft ausgeführt hat - in dieser kurzen Frist nicht mehr zu erkundigen, für welche einzelnen Waren und Dienstleistungen des umfangreichen Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses der Widerspruchsmarke ihre in Frankreich ansässige Mandantin die Marke in Deutschland in den jeweils für eine rechtserhaltende Benutzung relevanten Zeiträumen benutzt hat.

Die Zulassung der Einrede würde den Rechtsstreit verzögern. Da die Einrede der Nichtbenutzung aufgrund der in der Eingabe vom 5. August 2002 enthaltenen Ausführungen hinsichtlich ihres Umfangs klärungsbedürftig ist, und der nicht erschienene Beschwerdegegner in der mündlichen Verhandlung sich zum Umfang der Einrede auch nicht näher erklären konnte, hätte selbst eine Schriftsatzfrist für die Beschwerdeführerin nach § 283 ZPO die Frage der (Nicht-)Benutzung der Widerspruchsmarke nicht unstreitig stellen können. Zudem müssten von der Beschwerdeführerin einzureichende Unterlagen wiederum der Gegenseite zur Stellungnahme zugestellt werden. Nach der freien Überzeugung des Gerichts beruht die Verspätung auch auf grober Nachlässigkeit. Die Einrede der Nichtbenutzung wäre bereits zum Zeitpunkt der Einlegung des Widerspruchs 1998 gemäß § 43 Abs 1 MarkenG zulässig gewesen. Es sind auch keine nachvollziehbaren Gründe vorgetragen oder erkennbar, weshalb der Beschwerdegegner mit der Erhebung dieser Einrede bis kurz vor dem Verhandlungstermin gewartet hat, so dass nach der freien Überzeugung des Gerichts die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.

Nach Auffassung des Senats sind die Dienstleistungen "Büroarbeiten" der angegriffenen Marke und die Dienstleistungen "Marketing" der Widerspruchsmarke entgegen den Ausführungen der Markenstelle in der angegriffenen Entscheidung ähnlich.

Bei der Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren und Dienstleistungen kennzeichnen, wozu insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren und Dienstleistungen gehören (vgl EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz 23 - Canon; BGH, Beschluß vom 16. März 2000 - I ZB 43/97, GRUR 2000, 886, 887 = WRP 2001, 37 - Bayer/BeiChem; BGH GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN). Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Dienstleistungen "Büroarbeiten" der jüngeren Marke und "Marketing" der älteren Marke ähnlich, wenn auch eher eine entferntere Ähnlichkeit zwischen diesen Dienstleistungen vorliegen mag, da "Büroarbeiten", worauf bereits die Markenstelle hingewiesen hat, stärker auf regelmäßig anfallende Routinearbeiten ausgerichtet sind. Aus der den Beteiligten zugesandten Internet-Recherche ist jedoch ersichtlich, dass es eine Reihe von Dienstleistungsunternehmen gibt, die sowohl "Marketing" als auch "Büroarbeiten" als wirtschaftlich selbständige Leistungen für Dritte anbieten. Es besteht danach offensichtlich die Tendenz, den Kunden im Bürobereich möglichst umfassend zu betreuen. Dabei sind die Grenzen zwischen "Büroarbeiten" und "Marketing" nicht streng voneinander getrennt, sondern die Dienstleistungen ergänzen sich und weisen zum Teil fließende Übergänge auf. Die Anbieter von "Büroarbeiten" beschränken sich oft etwa bei Schreibarbeiten - wie das Schreiben von Werbebriefen - nicht nur auf die rein technische Durchführung, sondern beraten auch noch bei der Gestaltung der Briefe und deren Einsatz. Gleiches gilt für "Büroarbeiten" wie zum Beispiel die Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten. Die Grenze zwischen "Marketing" und "Büroarbeiten" kann dabei nicht immer streng gezogen werden, sondern bemisst sich eher nach dem eigentlichen Schwerpunkt, den der Anbieter setzt. Es ist daher damit zu rechnen, dass die angesprochenen Verkehrskreise in beachtlichem Maße bei (vermeintlich) gleicher Kennzeichnung dieser Dienstleistungen und unter Annahme gesteigerter Kennzeichnungskraft der älteren Marke annehmen werden, die so gekennzeichneten Dienstleistungen würden von dem selben Unternehmen erbracht, so dass Ähnlichkeit zwischen diesen Dienstleistungen besteht (Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl § 9 Rdnr 34).

Der Senat geht zugunsten des Beschwerdegegners von einer lediglich durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Ob die ältere Marke eine von der Widersprechenden geltendgemachte und von dem Beschwerdegegner bestrittene erhöhte Verkehrsgeltung auch für die hier relevante Dienstleistung "Marketing" aufweist, erscheint eher zweifelhaft, denn allein eine Bekanntheit der "Idefix"-Figur durch die "Asterix-Comic-Serie" führt noch nicht ohne weiteres zu einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die Dienstleistung "Marketing", da die für die Beschwerdeführerin geschützte Dienstleistung "Marketing" lediglich "Marketing für Dritte", nicht aber "Marketing für eigene Produkte" umfasst. Letztlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Widerspruchsmarke für "Marketing" erhöhte Verkehrsgeltung hat, denn es besteht auch bei Annahme einer lediglich durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr.

Die sich gegenüberstehenden Marken "IDEEFIX" und "IDEFIX" sind zumindest klanglich so ähnlich, dass auch bei einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke selbst bei sich ferner stehenden aber noch ähnlichen Dienstleistungen eine erhebliche Verwechslungsgefahr besteht. Trotz unterschiedlicher Schreibweise, nämlich einmal mit einem "E" und einmal mit zwei "E" in der Wortmitte der sonst gleichen Wörter, ist damit zu rechnen, dass erhebliche Verkehrskreise die Wörter identisch aussprechen werden. Klangliche Verwechslungen sind daher nicht zu vermeiden. Um eine Verwechslungsgefahr zu bejahen reicht jedoch bereits die Ähnlichkeit in klanglicher Hinsicht aus (Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl, § 9 Rdnr 91 mwN), so dass dahingestellt bleiben kann, ob die Marken auch noch schriftbildlich oder begrifflich so ähnlich sind, dass Verwechslungen zu befürchten sind.

Nach alledem war der angefochtene Beschluss der Markenstelle insoweit aufzuheben, als der Widerspruch aus der Marke Nr 1 060 336 zurückgewiesen wurde und gleichzeitig war die Löschung der angegriffenen Marke auch für die Dienstleistungen "Büroarbeiten" anzuordnen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

Brandt Richter Engels hat Urlaubund kann daher nicht unter-

schreiben.

Brandt Bayer Pü






BPatG:
Beschluss v. 08.08.2002
Az: 25 W (pat) 114/01


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