Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Februar 2003
Aktenzeichen: 33 W (pat) 288/02

(BPatG: Beschluss v. 11.02.2003, Az.: 33 W (pat) 288/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist gegen die Eintragung der für die Dienstleistung Versicherungswesen (Klasse 36)

registrierten Marke 398 31 177 siehe Abb. 1 am Endeaufgrund der für die Dienstleistungen Ermittlung in Geschäftsangelegenheiten, Unternehmensberatung, Verwaltung fremder Geschäftsinteressen; Finanzwesen, insbesondere Absatzfinanzierung und Kreditrisikoabsicherung, Ausgabe von Kreditkarten, Beleihen von Gebrauchsgütern, Einziehen von Außenständen, Ausgabe von Reiseschecks, Effektenvermittlung, Geldwechselgeschäfte, Investmentgeschäfte, Kreditberatung, Kreditvermittlung, Nachforschung in Geldangelegenheiten, Verwahrung von Wertstücken in Safes, Grundstücks- und Hausverwaltung, Immobilien- und Hypothekenvermittlung, Leasing, Schätzen von Immobilien, Vermögensverwaltung, Wohnungsvermietungam 16. August 1979 eingetragenen Marke 989 133 siehe Abb. 2 am Endeam 11. September 1999 Widerspruch erhoben worden.

Die Markenstelle für Klasse 36 hat den Widerspruch durch Beschluss vom 11. Juni 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die beiderseitigen Dienstleistungen zwar ähnlich seien. Die gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnisse gäben den Verkehrsbeteiligten, hier den Endverbrauchern, Veranlassung einen gemeinsamen betrieblichen Ursprung der Dienstleistungen zu erwarten. Auch wenn der Markenstelle die erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bekannt sei - ohne Vorlage entsprechender Umfrageergebnisse -, werde der erforderliche erhebliche Markenabstand jedoch noch eingehalten. Selbst bei flüchtiger Betrachtung seien bei den Bildmarken keine Merkmale erkennbar, welche ihnen einen erheblich angenäherten Gesamteindruck verleihen könnten.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, dass unter Berücksichtigung der hohen Ähnlichkeit zwischen den sich gegenüberstehenden Dienstleistungen und unter Berücksichtigung der erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke der erforderliche Abstand nicht eingehalten werde. Bei einem Vergleich der Bildmarken seien erhebliche Gemeinsamkeiten festzustellen. Maßgeblich für den Gesamteindruck sei der schwarze Rahmen, der in Kontrast zu dem helleren inneren Quadrat steht. Der Strich im inneren Quadrat der Anmeldemarke entspreche in seiner Verlaufsrichtung dem Balken der Widerspruchsmarke.

Jedenfalls sei von einer mittelbaren Verwechslungsgefahr auszugehen. Selbst wenn die Verbraucher als beteiligte Verkehrskreise die Marken zwar unterschiedlichen Unternehmen zuordneten, gewännen sie den unzutreffenden Eindruck, die Anmelderin und die Widersprechende seien miteinander organisatorisch, wirtschaftlich oder in sonstiger Weise verbunden. Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin hat sich im Verfahren vor dem Bundespatentgericht nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Auch der Senat hält die Gefahr von Verwechslungen der Marken gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht für gegeben. Die Markenstelle hat den Widerspruch daher zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG von der Identität oder Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfassten Dienstleistungen ab, wobei von dem Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen ist (vgl EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH aaO - Lloyd; BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 1999, 995, 997 - HONKA). Dabei stehen die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung, so dass zB ein geringerer Grad an Markenähnlichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke bzw durch einen höheren Grad an Dienstleistungsähnlichkeit ausgeglichen werden kann (st Rspr vgl BGH GRUR 2000, 603, 604 - Cetof/ETOP). Nach diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr nicht bejaht werden.

Nachdem Benutzungsfragen hier nicht angesprochen worden sind, ist für die Frage der Dienstleistungsähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Zwischen der Dienstleistung "Versicherungswesen" der angegriffenen Marke und insbesondere den Dienstleistungen "Finanzwesen/Immobilien- und Hypothekenvermittlung" der Widerspruchsmarke besteht nach den für die Beurteilung ihrer Ähnlichkeit und des Ähnlichkeitsgrades maßgeblichen objektiven Kriterien des wirtschaftlichen Zusammenhangs, der regelmäßigen betrieblichen Herkunftsstätten, der Art der Erbringung, der Vertriebswege und der angesprochenen Abnehmerkreise eine beachtliche Nähe (vgl auch BPatGE 40, 192, 199 - AIG). Zwar bilden die Branchen des Finanz- und Kreditwesens einerseits und des Versicherungswesens andererseits nach den Bestimmungen des § 1 KWG und § 7 Abs 2 VAG an sich getrennte Bereiche. Die Vorschrift des § 7 Abs 2 VAG bestimmt ausdrücklich, dass Versicherungsunternehmen neben den Versicherungsgeschäften nur solche Geschäfte betreiben dürfen, die hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Die in diesem Rahmen als noch erlaubt angesehenen Geschäfte von Versicherungsunternehmen weisen allerdings teilweise beachtliche Überschneidungen mit dem Bereich der Finanzdienstleistungen auf. So gehörten zB die Vermittlung von Bausparverträgen, Sparverträgen und Investmentzertifikaten zu den als zulässig erachteten Geschäften eines Versicherers (vgl Prölls, VAG, 10. Aufl, § 7 Rdn 4a). Zu berücksichtigen ist ferner, dass Banken, Sparkassen und Versicherungen heute überwiegend durch Kooperationsabkommen und gegenseitige Kapitalbeteiligungen miteinander verbunden sind.

Die von der Widersprechenden behauptete erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke wurde von der Inhaberin der angegriffenen Marke im Verfahren vor der Markenstelle insoweit bestritten, als die Widersprechende zur Vorlage der von ihr angebotenen Umfrageergebnisse aufgefordert wurde. Diese Vorlage ist bislang nicht erfolgt. Nach Auffassung des Senats halten die sich gegenüberstehenden Marken indessen selbst bei Unterstellung einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den insoweit erforderlichen größeren Abstand insbesondere auch in bildlicher Hinsicht ein.

Übereinstimmender Bestandteil beider Marken ist ein aus schwarzen Linien gebildetes Quadrat, wobei das Quadrat der jüngeren Marke aus dünnen Linien gezeichnet, das Quadrat der Widerspruchsmarke mit einem massiven Rahmen versehen ist. Im Inneren der Widerspruchsmarke befindet sich ein ebenso massiv gestalteter Balken, der diagonal von links unten nach rechts oben nur innerhalb des Quadrates angeordnet ist. Das Quadrat der angegriffenen Marke ist dagegen auf der linken Seite von einem Bogen unterbrochen, der außerhalb des Rahmens beginnt, sich verstärkend in die Umrahmung eintritt und sich wieder verjüngend auf mittlerer Höhe in der rechten Quadrathälfte endet. Die angesprochenen Verkehrskreise, hier neben Fachkreisen auch das allgemeine Publikum, werden selbst bei flüchtiger Betrachtungsweise als einzige Gemeinsamkeit die quadratische Grundform erkennen, die jedoch bereits graphisch aufgrund der Balkendicke erheblich voneinander abweicht. Weitere Anhaltspunkte für einen rechtserheblich angenäherten Gesamteindruck sind nicht erkennbar.

Auch Anhaltspunkte für eine mittelbare Verwechslungsgefahr bestehen nicht. Voraussetzung dafür wäre, dass die angesprochenen Verkehrskreise zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen und somit keinen unmittelbaren Verwechslungen unterliegen, gleichwohl aber einen in beiden Marken übereinstimmenden enthaltenen Bestandteil als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke werten, diesem Stammbestandteil also für sich schon die maßgebliche Herkunftsfunktion zuweisen und deshalb die übrigen Markenteile nur noch als Kennzeichen für bestimmte Dienstleistungen aus dem Geschäftsbetrieb des Inhabers der älteren Marke ansehen (BGH GRUR 1999, 240, 241 - STEPHANS-KRONE I).

Dies kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil ein entsprechend übereinstimmender Bestandteil zwischen beiden Marken nicht besteht, insbesondere sind, wie ausgeführt, die jeweils in beiden Marken vorhandenen Quadrate graphisch vollkommen unterschiedlich gestaltet.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass, aus Gründen der Billigkeit einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aufzuerlegen.

Winkler Baumgärtner Dr. Hock Fa Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D94864.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/D94865.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 11.02.2003
Az: 33 W (pat) 288/02


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