Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 23. September 2004
Aktenzeichen: 6 U 147/03

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 23.09.2004, Az.: 6 U 147/03)

Tenor

Die Berufung gegen das am 25.06.2003 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß im Tenor des angefochtenen Urteils unter Ziff. I. 1. a) das Wort €insbesondere€ entfällt.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 165.000,-- EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschwer der Beklagten: 150.000,-- EUR

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit eines TV-Werbespots, der in dem nachfolgend abgebildeten Story-Board zusammengefaßt ist.

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (Bl 101 ff. d.A.) wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt,

1. a)

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft € zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern € zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einen Vergleich, bei dem die gegenüber den X-Entgelten günstigeren Y-Entgelte der Firma A den Tarifen der B gegenübergestellt werden, zu bewerben und oder bewerben zu lassen, wenn dabei gleichzeitig auf die Verbindungsnetzbetreiber-Kennzahl ... der Firma A verwiesen wird, insbesondere wenn dies geschieht wie in dem durch das in der Anlage K 5 zur Klageschrift beigefügte Story-Board gekennzeichneten TV-Spot;

b)

der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang der vorstehend unter Ziff. 1 a) genannten Geschäftstätigkeiten, insbesondere unter Angabe der seit dem ... 12.2002 erfolgten Ausstrahlungen des unter Ziff. 1 a) genannten TV-Spots, aufgeschlüsselt nach den einzelnen TV-Sendern und den Sendeterminen.

Weiter hat das Landgericht festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu erstatten, der der Klägerin dadurch entstanden ist oder künftig noch entstehen wird, daß die Beklagte seit dem ... 12.2002 die unter Ziff. 1 a) genannte Geschäftstätigkeit entfaltet hat.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der angegriffene Werbespot sei irreführend, weil durch den Satz €...€ der Eindruck vermittelt werde, der Kunde erhalte den für Gespräche vom Festnetz in das Mobilfunknetz beworbenen Preisvorteil von ... % gegenüber dem Standardtarif der Klägerin auch dann, wenn er die Nummer ... im Wege des Call-by-Call-Verfahrens voranstelle. Tatsächlich betrage der Preisvorteil dann aber nur ...%. Außerdem hat das Landgericht eine unzulässige Herabsetzung der Klägerin angenommen, die sich insbesondere aus den Äußerungen €...€ und €...€ ergebe.

Gegen diese Einschätzung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie hält den Werbespot nicht für herabsetzend und meint, auch eine Irreführung sei zu verneinen, weil sich aus dem Gesamteindruck der Werbung für den Verbraucher eindeutig ergebe, daß sich der Leistungsvergleich ausschließlich auf den Service €A... Y€, nicht aber auf Call-by-Call-Dienstleistungen, beziehe.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß im Unterlassungsantrag das Wort €insbesondere€ entfällt.

Die Klägerin tritt der Berufung entgegen, verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurde zur Verdeutlichung des beiderseitigen Parteivorbringens der im Streit stehende Werbespot angesehen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung eine wettbewerbswidrige Irreführung angenommen (§§ 3, 5 UWG). Denn die angegriffene Werbung vermittelt einem durchschnittlich aufmerksamen, informierten und verständigen Verbraucher den unzutreffenden Eindruck, der angepriesene Preisvorteil gelte auch für Telefongespräche im Call-by-Call-Verfahren und nicht nur bei Inanspruchnahme des Y-Angebots der Beklagten.

Der letzte Satz der Fernsehwerbung, in dem die von der Beklagten für das Call-by-Call-Verfahren intensiv und einprägsam beworbene Nummer ... prägnant herausgestellt wird, weist aus der Sicht des Fernsehzuschauers darauf hin, daß der angepriesene Preisvorteil (auch) im Call-by-Call-Verfahren zu erlangen sei. Zwar deutet die abschließende Formulierung €... ...€ ein Informationsangebot an. Hieraus erschließt sich für einen durchschnittlichen Zuschauer aber nicht, daß die als Call-by-Call-Vorwahlnummer bekannte Nummer ... für das vorliegende Werbeangebot eine reine Informationsfunktion haben solle, zumal er diese Nummer nicht €wählen€, sondern €vorwählen€ soll.

Die Beklagte hat zur Erläuterung vorgetragen, zur Zeit der Werbeaktion seien Kunden, die erstmals die Netzkennziffer ... der Beklagten vor einer Zielrufnummer gewählt hätten, automatisch mit einem Call-Center der Beklagten verbunden worden. Bei dieser Gelegenheit habe der Kunde dann Informationen über den Y-Service der Beklagten erhalten.

Diese Zusammenhänge erschließen sich aus der im Streit stehenden Werbung jedoch nicht. Ein Verbraucher, der noch keinen geschäftlichen Kontakt zu der Beklagten hatte, wird kaum auf den Gedanken verfallen, die Vorwahl der Nummer ... nebst der Wahl einer weiteren Nummer, solle hier nicht, wie gewohnt, das Führen eines Call-by-Call-Gesprächs ermöglichen, sondern eine Informationsquelle zu dem Y-Service der Beklagten erschließen. Für einen Verbraucher, der bereits Telekommunikationsdienstleistungen der Beklagten in Anspruch genommen hatte, war der Hinweis auf eine Informationsmöglichkeit durch Vorwahl der Nummer ... von vornherein unzutreffend. Denn er wurde bei Eingabe der Netzkennziffer ... und einer weiteren Telefonnummer nicht mit dem Call-Center der Beklagten verbunden. Man kann auch nicht, wie es die Beklagte tut, unterstellen, daß einem bei ihr bereits registrierten Kunden sämtliche Informationen, die er in der Vergangenheit von der Beklagten erhalten hat, präsent und geläufig seien, und er deshalb gegen eine Irreführung gefeit sei.

Der Eindruck, der herausgestellte Preisvorteil sei (auch) im Call-by-Call-Verfahren zu erlangen, wird durch die Erwähnung des Wortes €Y€ in der angegriffenen Fernsehwerbung nicht aufgehoben.

Allerdings wird in dem Werbespot dreimal der Begriff €Y€ verwendet, einmal von dem in der Werbung auftretenden Darsteller, sodann von dem Sprecher aus dem €Off€ und schließlich in einer Texteinblendung, in der die Preise der Parteien gegenübergestellt werden. Der eingeblendete Text €Y€ ist indes in einer so kleinen Schriftgröße gehalten und so kurzzeitig im Bild, daß er von einem durchschnittlichen Zuschauer schon deshalb nicht wahrgenommen wird. Damit bleibt die zweimalige Erwähnung des Begriffs €Y€ im gesprochenen Text. Sie mag für einen besonders aufmerksamen Zuschauer, dem außerdem das Wort €Y€ und dessen Bedeutung geläufig sind, genügen, um die Werbeaussage richtig einordnen zu können und zu erkennen, daß die Werbung trotz des abschließenden Satzes €...€ das Call-by-Call-Verfahren nicht mit einbezieht. Auf einen besonders aufmerksamen und kenntnisreichen Zuschauer kommt es indessen nicht an.

Auszugehen ist grundsätzlich von einem durchschnittlichen Verbraucher, der die Werbung in situationsadäquater Weise zur Kenntnis nimmt. Dies bedeutet, daß der Grad seiner Aufmerksamkeit je nach dem Gegenstand der Werbung verschieden sein kann (BGH, WRP 2004, 735, 737 € Dauertiefpreise m.w.N.). Die durchschnittliche Aufmerksamkeit der Zuschauer beim Betrachten von Fernsehwerbung ist eher gering (vgl. OLG Hamburg, OLGR 2004, 311). Hierbei ist zu berücksichtigen daß der Zuschauer eine Fernsehwerbung häufig nur deshalb wahrnimmt, weil sich ihm in der gegebenen Situation keine anderweitige Möglichkeit anbietet, die Unterbrechung der ausgewählten Sendung zu überbrücken, oder weil er die Fortsetzung des Programms nach der Werbepause nicht versäumen möchte. Verbraucher, die der TV-Werbung mit ungeteilter und gespannter Aufmerksamkeit folgen und sie in allen Details erfassen, bilden die Ausnahme. Im Unterschied zu schriftlicher Werbung in Zeitungsanzeigen, Prospekten u.ä. besteht bei der Fernsehwerbung auch keine Gelegenheit, sich einzelne Werbeaussagen nochmals genauer vor Augen zu führen.

Es kommt hinzu, daß der Begriff €Y€ und seine Bedeutung weiten Teilen des angesprochenen Verkehrs noch nicht geläufig sind. Der Senat, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, kann dies aus eigener Anschauung beurteilen. Auch von den Verbrauchern, die das Wort €Y€ schon einmal gehört haben, verbindet nur ein Teil mit diesem Begriff eine klare und gefestigte sowie sachlich zutreffende Vorstellung.

Danach besteht es trotz der Erwähnung des Wortes €Y€ eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführungsgefahr, die auch geeignet ist, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.

Bereits der damit festgestellte Wettbewerbsverstoß der Beklagten rechtfertigt es, den beanstandeten Werbespot insgesamt gemäß dem gestellten Antrag zu verbieten. Denn ein auf das Verbot der konkreten Verletzungsform gerichteter Antrag ist schon dann in vollem Umfang begründet, wenn die konkrete Verletzungsform eine einzige konkrete Wettbewerbswidrigkeit enthält; es kommt nicht darauf an, ob die Verletzungshandlung im übrigen wettbewerbsgemäß oder wettbewerbswidrig ist (vgl. BGH, WRP 2001, 400, 403 €...). Der Senat verkennt nicht, daß die Beschränkung auf die Überprüfung und Feststellung nur einer Wettbewerbswidrigkeit Konsequenzen für die Bestimmung des Kernbereichs des ausgesprochenen Verbots haben kann. Dies ist indes eine Folge der Antragsfassung, durch die sich die Klägerin dafür entschieden hat, die beiden von ihr gerügten Verstöße nicht jeweils für sich anzugreifen und das mit einem solchen Angriff verbundene Kostenrisiko zu meiden.

Danach kann offenbleiben, ob dem Landgericht auch in der Annahme einer wettbewerbswidrigen Herabsetzung der Klägerin (§ 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG) zuzustimmen ist, obwohl im Unterschied zu einem früheren, inzwischen verbotenen (Landgericht Frankfurt am Main € 3/12 O 159/02; OLG Frankfurt am Main € 6 U 45/03), Werbespot der Beklagten die Formulierung €...€ abgeschwächt wurde und sich die nun beanstandete Äußerung auf einen konkret beschriebenen Vorgang mit einer konkreten Preisangabe bezieht.

Der beantragte Schriftsatznachlaß war der Klägerin nicht zu gewähren, da der Schriftsatz der Beklagten vom 21.09.2004 kein erwiderungsbedürftiges neues Vorbringen enthielt.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hatte (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die im Termin vor dem Senat vorgenommene Klarstellung und Konkretisierung des Klageantrags beinhaltete keine kostenrelevante Teilrücknahme.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO). Maßgebend für die getroffene Entscheidung waren die konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles, die das Gericht auf der Grundlage anerkannter Rechtsgrundsätze bewertet hat.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 23.09.2004
Az: 6 U 147/03


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