Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. März 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 215/99

(BPatG: Beschluss v. 20.03.2000, Az.: 30 W (pat) 215/99)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Beschwerde der Widersprechenden wurde vom Bundespatentgericht in Bezug auf die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben. Es wurde erneut die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, da eine Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke bestehe. Die Widersprechende hatte Einspruch erhoben, da sie befürchtete, dass die beiden Marken in relevantem Umfang verwechselt werden könnten, insbesondere bei der mündlichen Benennung nicht rezeptpflichtiger Arzneimittel. Das Gericht entscheidet, dass die Waren beider Marken sich sehr ähnlich sind und eine relevante Gefahr von Verwechslungen bestehe. Deshalb wird die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Es werden keine Kosten auferlegt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 20.03.2000, Az: 30 W (pat) 215/99


Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. September 1997 und vom 16. Juni 1999 aufgehoben. Wegen der Gefahr von Verwechslungen mit der Marke 1 022 298 wird erneut die Löschung der Marke 2 909 497 angeordnet für: "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Heilmittel; Nahrungsergänzungsmittel (soweit in Klasse 5 enthalten); keine der Waren zur Behandlung von Magen-Darm-Beschwerden (eingeschlossen Spasmolytika), von Wurmbefall (Antihelmintika), von Übelkeit und Erbrechen (Antiemetika), von Hämorrhoiden und von Verstopfung (Laxantia)".

Gründe I.

1995 in das Markenregister eingetragen und am 30. November 1995 bekanntgemacht worden ist die Marke 2 909 497 Libunderen Warenverzeichnis letztmals im Beschwerdeverfahren wie folgt beschränkt worden ist: "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Heilmittel; Nahrungsergänzungsmittel (soweit in Klasse 5 enthalten); Desinfektionsmittel; Pflaster, Verbandmaterial; keine der Waren zur Behandlung von Magen-Darm-Beschwerden (eingeschlossen Spasmolytika), von Wurmbefall (Antihelmintika), von Übelkeit und Erbrechen (Antiemetika), von Hämorrhoiden und von Verstopfung (Laxantia)".

Widerspruch hat erhoben die Inhaberin der 1981 eingetragenen, letztmals im Januar 2000 verlängerten Marke 1 022 298 Rifun, deren Warenverzeichnis lautet: "Arzneimittel zur Behandlung von Herz- und Kreislauferkrankungen, zur Behandlung von Bein- und Venenerkrankungen, Analgetika/Antirheumatika, Arzneimittel zur Behandlung von Durchblutungsstörungen, Magen-Darm-Präparate, ausgenommen Arzneimittel gegen bakterielle Infektionen".

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat durch einen ersten Beschluß die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund der Gefahr von Verwechslungen mit der Widerspruchsmarke angeordnet. Im Erinnerungsverfahren hat die Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke mit Ausnahme von "Magen-Darm-Präparaten" bestritten und das Warenverzeichnis der eigenen Marke durch Ausnahme dieser Waren beschränkt. Die Widersprechende hat eine über die genannten Magen-Darm-Präparate hinausgehende Benutzung der Widerspruchsmarke auch im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen. Der Erinnerungsprüfer hat den Erstbeschluß aufgehoben und den Widerspruch zurückgewiesen, da sich keine identischen Waren mehr gegenüberstünden und die Indikationsgebiete der verbliebenen Waren der angegriffenen Marke gegenüber den allein zu berücksichtigenden Magen-Darm-Präparaten der Widerspruchsmarke deutlich verschieden seien.

Die Widersprechende hat im Beschwerdeverfahren die Waren "Pflaster, Verbandmaterial, Desinfektionsmittel" der angegriffenen Marke vom Widerspruch ausgenommen. Nach ihrer Auffassung kommen eine Vielzahl von Arzneimitteln den Magen-Darm-Präparaten in der Anwendung so nahe bzw überschnitten sich mit diesen, daß bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr von engster Warenähnlichkeit wenn nicht gar von Warenidentität auszugehen sei. Sie nennt hierfür eine Reihe von Beispielen. Auch die mit der angegriffenen Marke beanspruchten diätetischen Heilmittel und Nahrungsergänzungsmittel stünden den Magen-Darm-Präparaten sehr nahe. Im Hinblick darauf sei angesichts der Ähnlichkeit der Marken vor allem bei mündlicher Benennung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel mit Verwechslungen beider Marken in relevantem Umfang zu rechnen.

Die Widersprechende beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Verwechselbarkeit beider Marken festzustellen und der Anmeldemarke den Schutz zu versagen.

Die Markeninhaberin beantragt, unter Berücksichtigung der von ihr vorgenommenen Beschränkung des Warenverzeichnisses nach Aktenlage zu entscheiden.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie führt hinsichtlich der im Beschwerdeverfahren noch angegriffenen Waren auch zum Erfolg. Insoweit besteht wegen der Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken die Gefahr von Verwechslungen iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

1. Aufgrund der von der Markeninhaberin in zulässiger Weise erhobenen Nichtbenutzungseinrede - die Widerspruchsmarke war im Zeitraum der Veröffentlichung der angegriffenen Marke länger als fünf Jahre eingetragen (s § 43 Abs 1 S 1 MarkenG) - sind von den eingetragenen Waren der Widerspruchsmarke nur die vom Nichtbenutzungseinwand ausgenommen "Magen-Darm-Präparate (ausgenommen Arzneimittel gegen bakterielle Infektionen)" zu berücksichtigen. Eine darüber hinausgehende Benutzung der Widerspruchsmarke hat die Widersprechende nicht geltend gemacht.

2. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (stRspr, s zB EuGH MarkenR 1999, 22 - Canon; BGH MarkenR 1999, 297 - Honka).

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich einzustufen. Es sind keine Umstände ersichtlich, die Anlaß zu einer von der Annahme eines normalen Schutzumfangs abweichenden Einstufung geben könnten. Insbesondere genügt hierfür nicht der von der Widersprechenden in der mündlichen Verhandlung herausgestellte Umsatz von ... DM jährlich. Die Annahme einer daraus eventuell folgenden erhöhten Kennzeichnungskraft würde die Kenntnis weiterer maßgeblicher Faktoren voraussetzen, wie z. B. Marktanteil, Werbeaufwand uam.

Die mit dem Widerspruch angegriffenen Waren der jüngeren Marke enthalten - trotz der im Beschwerdeverfahren vorgenommen weiteren Einschränkung des Warenverzeichnisses - nach wie vor solche Waren, die den für die Widerspruchsmarke allein zu berücksichtigenden "Magen-Darm-Präparaten (ausgenommen Arzneimittel gegen bakterielle Infektionen)" sehr nahe stehen. Zwar hat die Markeninhaberin die von der Widersprechenden in der Beschwerdebegründung als den Magen-Darm-Präparaten nahestehend beispielhaft aufgezählten Indikationen (Antihelmintika, Antiemetika, Hämorrhoidenmittel, Laxantia oder Spasmolytika) ebenso wie bereits zuvor die Magen-Darm-Präparate selbst von den Waren ausgenommen, für die mit der angegriffenen Marke Schutz begehrt wird. Gleichwohl werden jedoch nach wie vor von diesen Waren solche mit umfaßt, die den Magen-Darm-Präparaten der Widerspruchsmarke nahestehen. Das hängt vor allem damit zusammen, daß eine Störung der Magen-Darm-Funktionen entweder mit Störungen eines oder mehrerer anderer Organe des Körpers einhergehen und somit in unmittelbarem Zusammenhang stehen kann oder aber die Therapie von Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes neben der Einnahme unmittelbar einschlägiger Präparate eine Reihe anderer begleitender Maßnahmen erfordern kann. Darüber hinaus werden viele Erkrankungen häufig zunächst mit allgemeinen Magen-Darm-Mitteln behandelt, bevor speziellere Ursachen erkannt werden. Es gibt daher eine Vielzahl von Präparaten, die unter diesen Gesichtspunkten als den Magen-Darm-Präparaten sehr nahestehend beurteilt werden müssen. Magen-Darm-Präparate sind in der Roten Liste in der Hauptgruppe (Hg) 60 zusammengefaßt. Im Stichwortverzeichnis der Roten Liste werden als ihnen nahestehend neben den im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke ausgenommenen Spasmolytika und Laxantia ferner genannt: Cholinergika und Darmatonietherapeutika (beide Hg 30), Roborantia-Tonika (Hg 73) sowie Sexualhormone und ihre Hemmstoffe (Anabolika Hg 76). Darüber hinaus stehen ihnen aus den genannten Gründen noch viele andere Arzneimittel nahe, z. B. Abmagerungsmittel/Appetitzügler (Hg 01), Amöbenmittel (Hg 10), Antiallergika (Hg 07), Cholagoga und Gallenwegstherapeutika (Hg 29), Diuretika (Hg 36) oder auch Elektrolyte (Hg 62). Auch diätetische Heilmittel und Nahrungsergänzungsmittel (soweit in Klasse 5 enthalten) stehen den Magen-Darm-Präparaten aufgrund ihrer häufig gemeinsamen Anwendung sehr nahe. Insgesamt ist daher hinsichtlich der mit dem Widerspruch angegriffenen Waren trotz der von der Markeninhaberin vorgenommenen Einschränkungen von einem sehr engen Warenähnlichkeitsbereich auszugehen.

Im Hinblick auf den geringen Abstand der sich gegenüberstehenden Waren beider Marken sind grundsätzlich an den Abstand, den die jüngere Marke gegenüber der prioritätsälteren Widerspruchsmarke einzuhalten hat, strenge Anforderungen zu stellen. Diesen Anforderungen wird die angegriffene Marke jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht gerecht, da die Gemeinsamkeiten beider Marken deutlich überwiegen und demgegenüber die Unterschiede nicht ausreichend deutlich in Erscheinung treten. Die zu vergleichenden Marken stimmen in der Silbenzahl, dem Klangrhythmus und in drei von jeweils fünf Buchstaben, nämlich den Vokalen und dem Schlußkonsonanten, überein. Dabei kommt der Übereinstimmung in der den Gesamtklang vorrangig prägenden Vokalfolge ("-iu") besondere Bedeutung zu. Im Gegensatz dazu haben die Unterschiede in den Anfangs- und Mittelkonsonanten ("L-b" bzw "R-f-") keinen so großen Einfluß auf das jeweilige Gesamtklangbild, daß sie vor allem bei undeutlicher Aussprache bzw ungünstigen Übermittlungsbedingungen, wie sie vor allem bei mündlicher Bestellung nicht rezeptpflichtiger Präparate vorkommen können, ein Auseinanderhalten beider Marken hinreichend gewährleisten könnten.

Insgesamt ist daher von einer relevanten Gefahr von Verwechslungen beider Marken auszugehen und die Löschung der angegriffenen Marke im Umfang der mit dem Widerspruch angegriffenen Waren anzuordnen.

Zu einer Auferlegung von Kosten gemäß § 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.

Dr. Buchetmann Sommer Schwarz-Angele Ko






BPatG:
Beschluss v. 20.03.2000
Az: 30 W (pat) 215/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/63d0dd534096/BPatG_Beschluss_vom_20-Maerz-2000_Az_30-W-pat-215-99


Admody

Rechtsanwälte Aktiengesellschaft

Theaterstraße 14 C
30159 Hannover
Deutschland


Tel.: +49 (0) 511 60 49 81 27
Fax: +49 (0) 511 67 43 24 73

service@admody.com
www.admody.com

Kontaktformular
Rückrufbitte



Für Recht.
Für geistiges Eigentum.
Für Schutz vor unlauterem Wettbewerb.
Für Unternehmen.
Für Sie.



Justitia

 


Bundesweite Dienstleistungen:

  • Beratung
  • Gerichtliche Vertretung
  • Außergerichtliche Vertretung

Rechtsgebiete:

Gewerblicher Rechtsschutz

  • Markenrecht
  • Wettbewerbsrecht
  • Domainrecht
  • Lizenzrecht
  • Designrecht
  • Urheberrecht
  • Patentrecht
  • Lauterkeitsrecht
  • Namensrecht

Handels- & Gesellschaftsrecht

  • Kapitalgesellschaftsrecht
  • Personengesellschaftsrecht
  • Handelsgeschäftsrecht
  • Handelsstandsrecht
  • Internationales Kaufrecht
  • Internationales Gesellschaftsrecht
  • Konzernrecht
  • Umwandlungsrecht
  • Kartellrecht
  • Wirtschaftsrecht

IT-Recht

  • Vertragsrecht der Informationstechnologien
  • Recht des elektronischen Geschäftsverkehrs
  • Immaterialgüterrecht
  • Datenschutzrecht
  • Telekommunikationsrecht


Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Google+ Social Share Facebook Social Share








Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft



Jetzt Kontakt aufnehmen:

Per Telefon: +49 (0) 511 60 49 81 27.

Per E-Mail: service@admody.com.

Zum Kontaktformular.





Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft Stamp Logo




Hinweise zur Urteilsdatenbank:
Bitte beachten Sie, dass das in der Urteilsdatenbank veröffentlichte Urteil weder eine rechtliche noch tatsächliche Meinung der Admody Rechtsanwälte Aktiengesellschaft widerspiegelt. Es wird für den Inhalt keine Haftung übernommen, insbesondere kann die Lektüre eines Urteils keine Beratung im Einzelfall ersetzen. Bitte verlassen Sie sich nicht darauf, dass die Entscheidung in der hier angegeben Art und Weise Bestand hat oder von anderen Gerichten in ähnlicher Weise entschieden werden würde.

Sollten Sie sich auf die angegebene Entscheidung [BPatG: Beschluss v. 20.03.2000, Az.: 30 W (pat) 215/99] verlassen wollen, so bitten Sie das angegebene Gericht um die Übersendung einer Kopie oder schlagen in zitierfähigen Werken diese Entscheidung nach.
Durch die Bereitstellung oder Zusammenfassung einer Entscheidung wird weder ein Mandatsverhähltnis begründet noch angebahnt.
Sollten Sie eine rechtliche Beratung und/oder eine Ersteinschätzung Ihres Falles wünschen, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.


"Admody" und das Admody-Logo sind registrierte Marken von
Rechtsanwalt Sebastian Höhne, LL.M., LL.M.

29.09.2023 - 09:42 Uhr

Tag-Cloud:
Rechtsanwalt Domainrecht - Rechtsanwalt Internetrecht - Rechtsanwalt Markenrecht - Rechtsanwalt Medienrecht - Rechtsanwalt Wettbewerbsrecht - Mitbewerber abmahnen lassen - PayPal Konto gesperrt


Aus der Urteilsdatenbank
LG Essen, Urteil vom 13. November 2014, Az.: 4 O 97/14OLG Hamm, Beschluss vom 14. November 2011, Az.: II-8 WF 256/11BPatG, Beschluss vom 15. Mai 2002, Az.: 28 W (pat) 14/01BPatG, Beschluss vom 21. Dezember 2005, Az.: 26 W (pat) 109/05BPatG, Beschluss vom 13. Januar 2011, Az.: 17 W (pat) 119/06BGH, Urteil vom 23. Juni 2005, Az.: I ZR 194/02BPatG, Beschluss vom 15. März 2006, Az.: 32 W (pat) 4/04BPatG, Beschluss vom 4. Juli 2001, Az.: 29 W (pat) 52/00LG Heidelberg, Urteil vom 14. Juni 2005, Az.: 11 0 34/04 KfHBPatG, Beschluss vom 29. Juni 2011, Az.: 26 W (pat) 551/10