Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. August 2006
Aktenzeichen: 26 W (pat) 10/04

(BPatG: Beschluss v. 16.08.2006, Az.: 26 W (pat) 10/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die für die Ware

"Zigaretten"

eingetragene Marke A wurde Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke 218 628 Grafikdie für die Waren

"Zigaretten, Tabak und Tabakerzeugnisse; Feuerzeuge, Streichhölzer und Raucherartikel"

eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 34 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, den Widerspruch zurückgewiesen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dem Buchstaben "A" komme innerhalb der Widerspruchsmarke keine kollisionsbegründende Wirkung zu. Das Publikum werde sich entweder an den beiden Wortbestandteilen "Craven" und "A" als Einheit oder auch nur an dem Wort "Craven" orientieren, da dieses optisch dominiere und als englisches Wort mit der deutschen Bedeutung "Feigling" in Bezug auf die betreffenden Waren zudem hinreichend unterscheidungskräftig sei.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, bei Identität der Ware "Zigaretten" seien besonders hohe Anforderungen an den Abstand der Marken zu stellen. Die Widerspruchsmarke werde durch den Bestandteil "A" geprägt, der in den Vordergrund trete. Beide Wortelemente bildeten keine optische Einheit. Durch die Einkleidung des Buchstabens "A" in Anführungszeichen sei in besonderem Maße eine kennzeichnende Verwendung nahe gelegt. Die Hervorhebung eines Begriffes in Anführungszeichen habe auch das OLG Hamburg in der Entscheidung GRUR-RR 2004, 362 "WM 2006 Germany" bejaht.

Der Verkehr neige im Übrigen dazu, Bezeichnungen in einer die Merkbarkeit und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen. Eine besondere Orientierung an dem Bestandteil "A" ergebe sich aus dem Umstand, dass der englische Begriff "Craven" beim Durchschnittsverbraucher in seiner deutschen Bedeutung nicht bekannt und daher zur Prägung der Widerspruchsmarke nicht geeignet sei. Gerade auf dem Warengebiet der Zigaretten und Tabakwaren sei der Verkehr an sehr kurze Marken gewöhnt, die zum Teil nur aus einem oder zwei Buchstaben bestünden.

Zwischen den Vergleichsmarken bestehe darüber hinaus auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr, für deren Vorliegen eine Zeichenserie nicht notwendigerweise erforderlich sei. Auf dem Tabaksektor würden sog. "Line Extensions" vorgenommen, die in einem Stammbestandteil übereinstimmten und einen häufig beschreibenden zusätzlichen Bestandteil, z. B. "Lights", "100" oder "Big Box" aufwiesen. Der Bestandteil "A", der für Tabakwaren keine beschreibende Bedeutung habe, eigne sich hervorragend für die Bildung einer solchen Zeichenserie.

Die Widersprechende beantragt daher sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Zeichenbestandteile "Craven" und "A" stellten sehr wohl eine optische Einheit dar, da sie in derselben Schriftart, demselben Schriftgrad und derselben Schriftfarbe mit einfachem Zeilenabstand geschrieben seien. Die Anführungszeichen im Textelement würden dieses als zusätzliche Produktkennzeichnung wirken lassen und darauf hinweisen, dass es weitere Produkte mit den Zusätzen "B" und "C" gebe. Das Wort "Craven" sei problemlos auszusprechen und im Gedächtnis zu behalten. Selbst wenn dessen Bedeutung nicht bekannt sei und das Wort als Fantasiebegriff aufgefasst werde, präge es den Gesamteindruck ebenso stark wie der Einzelbuchstabe "A". Eine mittelbare Verwechslungsgefahr liege ebenfalls nicht vor, da der Eindruck einer Zeichenserie nur bei einer Voranstellung des Stammbestandteils aufgrund der Gewöhnung des Verkehrs durch ähnliche Produktkennzeichnungen entstehe.

Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Widersprechende hat den zunächst gestellten Hilfsantrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nach Zustellung der Ladungsverfügung zurückgenommen. Der Termin zur mündlichen Verhandlung ist danach aufgehoben worden.

II Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Markenstelle hat die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken i. S. d. §§ 42, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu Recht verneint.

Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 594, 59 - Ferrari-Pferd; GRUR 2005, 427, 428 - Lila-Schokolade; GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella Mey).

Nach diesen Grundsätzen ist eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichszeichen zu verneinen.

Selbst unter Zugrundelegung der zwischen den Vergleichswaren bestehenden Identität und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke genügt der Abstand der Vergleichszeichen zueinander auch bei Anlegung strenger Maßstäbe, um eine Verwechslungsgefahr hinreichend sicher auszuschließen.

Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt ist von dem Grundsatz auszugehen, dass es auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen ankommt (vgl. BGH GRUR 2003, 712, 714 - Goldbarren; GRUR 2005, 326, 327 - il Padrone/Il Portone). Im Hinblick auf beide Vergleichsmarken ist stets die registrierte Form, die für den markenrechtlichen Schutz maßgeblich ist, zugrunde zu legen. Ein allgemeiner Elementenschutz eines aus einer älteren (oder jüngeren) mehrgliedrigen Marke herausgelösten Bestandteils ist im Markenrecht nicht vorgesehen (vgl. BGH GRUR 1998, 942 - ALKA SELTZER; GRUR 1999, 583, 584 - LORA DI RECOARO). Dies bedeutet aber nicht, dass die Marken stets nur in ihrer Gesamtheit zu vergleichen sind.

Ein Markenbestandteil kann dann eine selbständig kollisionsbegründende Wirkung haben, wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt, indem er eine eigenständig kennzeichnende Funktion aufweist (vgl. BGH GRUR 1996, 200, 201 - Springende Raubkatze; GRUR 2000, 233, 234 - RAUSCH/ELFI RAUCH; GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud). Eine Prägung des Gesamteindrucks einer Marke durch einen einzelnen Bestandteil kann nur angenommen werden, wenn davon auszugehen ist, dass die übrigen Markenteile in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. BGH GRUR 2003, 880, 881 - City Plus; GRUR 2004, 778, 779 - URLAUB DIREKT; GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend unter keinem denkbaren Gesichtspunkt anzunehmen, dass der Bestandteil "A" den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke prägt und deshalb der angegriffenen Marke selbständig kollisionsbegründend gegenüber steht. Der Buchstabe "A" ist zwar als Marke in Alleinstellung ohne grafische Ausgestaltung (und ohne Nachweis einer Verkehrsdurchsetzung) für schutzfähig erachtet und ins Register eingetragen worden. Die Kennzeichnungskraft dieses Einzelbuchstabens ist aber dennoch als eher unterdurchschnittlich einzustufen, da der Eindruck einer Produkt- bzw. Sortimentskennzeichnung nicht ganz von der Hand zu weisen ist. So ist beispielsweise der Ausdruck B-Sortiment oder B-Sortierung für leicht verminderte Qualität häufiger zu finden; entsprechend würde "A" einen Hinweis auf erste bzw. beste Qualität vermitteln. Liegt ein solcher kennzeichnungsschwacher Bestandteil vor, ist diesem bereits aus Rechtsgründen die Eignung abzusprechen, den Gesamteindruck einer Marke zu prägen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 276 m. w. N.). Der Umstand, dass einem Markenteil keine selbständig kollisionsbegründende Eigenschaft zukommt, stellt häufig ein wesentliches Indiz dafür dar, dass die jeweiligen anderen Markenelemente (sofern sie kennzeichnungskräftig sind) als für den Gesamteindruck prägend angesehen werden, weil sich die Aufmerksamkeit des Verkehrs auf sie konzentriert (vgl. BGH GRUR 2001, 61, 62 - ATLAVIT C/Addivit). Dies trifft vorliegend auf das Wortelement "Craven" in der Widerspruchsmarke zu, das als normal kennzeichnungskräftiger Bestandteil erscheint, der keinerlei beschreibende Aspekte in Bezug auf die Waren Zigaretten, Tabakprodukte etc. enthält. Ob der Verkehr die deutsche Bedeutung des englischen Begriffs "Craven" (= Feigling) erkennt oder einen reinen Fantasiebegriff annimmt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, denn in beiden Fällen liegt jedenfalls kein warenbeschreibender Sinngehalt vor, der die Aufmerksamkeit des Publikums vermehrt auf den anderen Zeichenteil lenken würde.

Es sind auch keine anderen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme einer Prägung der Widerspruchsmarke durch den Bestandteil "A" rechtfertigen würden.

Zum einen ist "Craven" kein bekannter Firmenname und erweckt - mangels Namenscharakters - auch nicht den Anschein eines solchen, so dass der Verkehr gehalten wäre, den weiteren Bestandteil "A" als Produktkennzeichnung aufzufassen und demzufolge isoliert herauszugreifen.

Zum anderen erscheint der Bestandteil "A" in der Widerspruchsmarke gegenüber "Craven" auch nicht optisch so herausgestellt, dass sich die angesprochenen Verkehrskreise ausschließlich an diesem Zeichenteil orientieren würden. In der eingetragenen Form weist der Buchstabe "A" die gleiche Größe, Schriftart und auch Farbgestaltung wie der Bestandteil "Craven" auf und ist damit optisch absolut gleichwertig. Eine besonders kennzeichnende bzw. markenmäßige Hervorhebung wird auch nicht durch die Anführungszeichen, in die der Buchstabe "A" gesetzt ist, erreicht. Im Hinblick auf die von der Widersprechenden zitierte Entscheidung des OLG Hamburg "WM 2006" (vgl. GRUR-RR 2004, 362), die eine Einkleidung in Anführungszeichen als eine in besonderem Maße kennzeichnende Verwendung einordnet, ist festzustellen, dass der dortige Fall die Abgrenzung zwischen markenmäßigem Gebrauch und beschreibender Verwendung betrifft, nicht aber die Frage der Prägung des Gesamteindrucks.

Somit scheidet jede Form der unmittelbaren Verwechslungsgefahr aus.

Eine mittelbare (assoziative) Verwechslungsgefahr, die bei mangelndem Vorliegen einer Zeichenserie besonders strengen Voraussetzungen unterworfen ist, scheitert ebenfalls daran, dass der Buchstabe "A" eine ihm innewohnende originäre Kennzeichnungsschwäche aufweist, weshalb er sich nicht als kennzeichnungskräftiger Stammbestandteil mit Hinweischarakter eignet (vgl. BGH GRUR 2003, 1040, 1043 - Kinder).

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen, wonach jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.






BPatG:
Beschluss v. 16.08.2006
Az: 26 W (pat) 10/04


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