Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Oktober 2003
Aktenzeichen: 8 W (pat) 41/03

(BPatG: Beschluss v. 30.10.2003, Az.: 8 W (pat) 41/03)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 29 C des Patentamts vom 27. Mai 2003 aufgehoben.

2. Die Anmeldung wird zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens an das Patentamt zurückverwiesen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Am 4. Januar 1994 meldete die Beschwerdeführerin das beim Patentamt unter dem Aktenzeichen P 44 00 092.8-16 geführte "Verfahren zur Herstellung von Fahrzeugluftreifen unter Einsatz von Mikrowellenenergie" als Zusatz zu ihrer Hauptanmeldung P 43 29 145.7 an, die Offenlegung erfolgte am 6. Juli 1995. Auf den Prüfungsbescheid vom 6. Dezember 1996 hin wurde das Prüfungsverfahren zunächst mit Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 29 C vom 21. April 1997 bis zur Erteilung eines Patents auf die Hauptanmeldung bzw. bis zu deren anderweitiger endgültiger Erledigung ausgesetzt.

Nach Wegfall der Hauptanmeldung wies die Prüfungsstelle mit Bescheid vom 8. April 2003 - der den patentanwaltlichen Vertretern der Anmelderin am 22. April 2003 gegen Sammelempfangsbekenntnis zugestellt wurde - darauf hin, dass die auf ein Zusatzpatent gerichtete Anmeldung P 44 00 092.8-16 nur weiterbearbeitet werden könne, wenn der Antrag binnen Monatsfrist (beginnend mit der Zustellung des Schreibens) in einen solchen auf Erteilung eines selbständigen Patents umgewandelt werde. Bei fruchtlosem Verstreichen der Frist werde die Anmeldung gemäß § 42 Abs. 3 PatG zurückgewiesen werden. Darüber hinaus enthielt das Schreiben den Hinweis, dass evtl. aufgelaufene Jahresgebühren mit Eingang der Erklärung beim Patentamt fällig werden und innerhalb von drei Monaten zu zahlen sind.

In der Folgezeit gelangte weder der geforderte Antrag noch ein Zahlungsbeleg zu den Amtsakten. Mit Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 29 C vom 27. Mai 2003, den Bevollmächtigten der Anmelderin zugestellt am 5. Juni 2003, wies das Patentamt die Anmeldung aus den Gründen des Bescheids vom 8. April 2003 gemäß § 42 Abs. 3 PatG zurück.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Unter Vorlage eines Schreibens vom 21. Mai 2003, wegen dessen Inhalt auf die Gerichtsakten Bezug genommen wird, sowie einer vom selben Tag datierenden Einzugsermächtigung über insgesamt € 1.420.- (jeweils in Kopie), macht sie geltend, den geforderten Antrag ebenso wie einen Abbuchungsauftrag für die zwischenzeitlich aufgelaufenen Jahresgebühren noch am 21. Mai 2003 und damit rechtzeitig beim Patentamt eingereicht zu haben. Bei dieser Sachlage sei der Zurückweisungsbeschluss vom 27. Mai 2003 zu Unrecht ergangen.

Die Beschwerdeführerin beantragt daher, 1. den Beschluss aufzuheben und das Erteilungsverfahren für die Anmelddung zur Erteilung eines selbständigen Patents weiterzuführen, 2. die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

Das Patentamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie mit Verfügung vom 02. Juli 2003 dem Patentgericht zur Entscheidung vorgelegt. Wegen des Sachstands im Übrigen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Die statthafte (§ 73 Abs. 1 PatG) und auch im Übrigen zulässige (§§ 73 Abs. 2; 74 Abs. 1 PatG) Beschwerde hat hinsichtlich der erstrebten Aufhebung des Bescheids vom 27. Mai 2003 Erfolg. Dabei kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die Anmeldung bei Erlass des Beschlusses den von der Prüfungsstelle genannten Mangel fehlender Antragsumstellung aufwies, der eine Zurückweisung gemäß § 42 Abs. 3 PatG rechtfertigte. Denn jedenfalls im Beschwerdeverfahren hätte die Anmelderin die geforderte Erklärung, wonach sie - in Abwandlung des ursprünglich auf ein Zusatzpatent gerichteten Antrags - nunmehr die Erteilung eines selbständigen Patents auf die Anmeldung P 44 00 092.8-16 begehrt, vorgelegt und damit den angeführten Zurückweisungsgrund ausgeräumt. Zwar hätte sie damit die mit Bescheid vom 8. April 2003 gesetzte Monatsfrist nicht eingehalten; dies wäre jedoch unschädlich, insofern es sich hierbei nicht um eine Ausschlussfrist, deren Versäumnis kraft Gesetzes einen unmittelbaren Rechtsnachteil nach sich zieht, handelte (vgl. Schulte, PatG, 5. Aufl., § 123 Rdn. 17 lit.c.). Demnach wurde dem Zurückweisungsbeschluss vom 27. Mai 2003 - jedenfalls mit Einreichung der den Erteilungsantrag umstellenden Erklärung im Beschwerdeverfahren - die Grundlage entzogen, so dass der Bescheid bereits aus diesem Grunde aufzuheben war.

Soweit die Beschwerdeführerin des weiteren die Fortsetzung des Erteilungsverfahrens begehrt, verweist der Senat in Ausübung des ihm in § 79 Abs. 3 PatG eingeräumten Ermessens die Anmeldung zur weiteren Prüfung an das Patentamt zurück (§ 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG). Der Anmelderin wird nunmehr insbesondere Gelegenheit zu geben sein, die im Prüfungsbescheid vom 06. Dezember 1996 gerügten sachlichen Mängel der Anmeldung zu beheben.

2. Darüber hinaus war auch dem Begehren der Anmelderin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zu entsprechen, § 80 Abs. 3 PatG. Denn der angefochtene Beschluss vom 27. Mai 2003 beruhte - unabhängig von den Darlegungen unter oben, Ziff. 1. - auch auf einer fehlerhaften Sachbehandlung seitens des Patentamts, insofern die Behörde es unterlassen hat, die geforderte Erklärung über die Umstellung des Erteilungsantrags, die zur Überzeugung des Senats rechtzeitig in ihren Einflussbereich gelangt war, in ihre Entscheidung mit einzubeziehen. Zwar findet sich in den Verwaltungsakten weder eine (den Antrag auf Erteilung eines selbständigen Patents enthaltende) Eingabe der Bevollmächtigten der Anmelderin vom 21. Mai 2003, noch die mit der Beschwerde ebenfalls in Kopie vorgelegte Einzugsermächtigung für die 3. bis 10. Jahresgebühr über € 1.420.- vom selben Tag. Allerdings weist das Kontoblatt vom 06. Juni 2003 (Bl. 31 VA) für den 21. Mai 2003 Einzahlungen der Bevollmächtigten der Anmelderin für die 3. bis 10. Jahresgebühr in Höhe von insgesamt € 1.420.- aus. Vor dem Hintergrund, dass nach § 2 PatKostZV bei Übergabe oder Übersendung einer Einzugsermächtigung der Tag ihres Eingangs beim Patentamt als Einzahlungstag gilt, lässt diese Buchung nur den Schluss zu, dass jedenfalls die Einzugsermächtigung bereits am 21. Mai 2003 bei der Behörde eingegangen war. Hat die Anmelderin jedoch dieses Dokument rechtzeitig übermittelt, ohne dass es zu den Akten gelangt wäre, so spricht alles dafür, dass die antragsumstellende Erklärung vom 21. Mai 2003 ebenfalls bereits zum damaligen Zeitpunkt in den Machtbereich des Patentamts gelangt war. Denn dass der Bevollmächtigte der Anmelderin die Einzugsermächtigung ohne weiteres Anschreiben bei der Behörde eingereicht hätte, dass er insbesondere auf diese Weise Gebühren entrichtet hätte, die ohne Umstellung des ursprünglichen Antrags überhaupt nicht angefallen wären (§ 17 Abs. 2 S. 1, 2 PatG), entbehrt jeglicher Plausibilität. Zur Überzeugung des Senats ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erteilung eines selbständigen Patents vom 21. Mai 2003 mit gleicher Post in den Einflussbereich des Patentamts gelangt war wie die vom selben Tag datierende Einzugsermächtigung. Dementsprechend war der Mangel, auf den der Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 29 C gestützt war, im Zeitpunkt der Entscheidung tatsächlich nicht mehr gegeben, so dass sich die Sachbehandlung als fehlerhaft darstellt. Dabei ist unerheblich, dass der Antrag der Prüfungsstelle offensichtlich nicht vorlag. Denn Organisationsmängel der Behörde, in deren Folge Schriftstücke verspätet oder wie hier, gar nicht zu den Akten gelangen, können nicht dem Betroffenen angelastet werden (vgl. BPatGE 13, 65, 69; 16, 39; 17, 241).

Hätte demnach bei ordnungsgemäßer Sachbehandlung der Zurückweisungsbeschluss nicht erlassen werden dürfen, wäre in diesem Fall auch die Beschwerde nicht erforderlich geworden und die Beschwerdegebühr mithin nicht angefallen. Es entspricht der Billigkeit, die Beschwerdeführerin von Kosten freizustellen, die ihr nur infolge patentamtlichen Fehlverhaltens erwachsen sind. Deshalb war auch die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

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