Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Mai 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 18/00

(BPatG: Beschluss v. 18.05.2000, Az.: 25 W (pat) 18/00)

Tenor

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin hat für die Waren "Säuglingsnahrung, nämlich Frucht- und Gemüsesäfte, Kindernahrung auf Obst- und Gemüsebasis (trinkfertig); Alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare; Grundstoffe und Essenzen (soweit in Klasse 32 enthalten) für die Herstellung vorgenannter Getränke" eine Flaschenform als dreidimensionale Marke am 26. Juni 1998 angemeldet und der Anmeldung folgende Abbildung beigefügt:

siehe Abb. 1 am Ende Auf Beanstandung der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts wegen bestehender absoluter Schutzhindernisse nach § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG und dem Hinweis, daß die Farben zu bezeichnen seien, falls eine farbige Eintragung gewünscht sei, hat die Anmelderin mit Schreiben vom 17. Dezember 1998 eine "farbige Eintragung mit den Farbangaben Glasklar und Gold" beantragt.

Die Markenstelle hat daraufhin in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Markenanmeldung zurückgewiesen. Die angemeldete Marke sei gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, da sie keine Unterscheidungskraft aufweise. Der Verbraucher sei heute an die verschiedensten Flaschenformen gewöhnt, ohne hiermit ein bestimmtes Unternehmen in Verbindung zu bringen und werde der angemeldeten handelsüblichen Flasche, die weder nach ihrer Form, Farbe und Funktion noch nach ihren graphischen Einzelheiten eine schutzbegründende Eigentümlichkeit aufweise, keine betriebskennzeichnende Eigenart beimessen und deshalb auch keinem bestimmten Unternehmen zuordnen. Daß das Glas am oberen Teil der Flasche geriffelt und rauh sei, diene eher der besseren Griffigkeit als der Unterscheidbarkeit und möglicherweise der etwas ansprechenderen und ästhetischen Gestaltung, wobei auch die Erhebungen und Einbuchtungen nichts unternehmenstypisches besäßen und nicht aus dem Rahmen üblicher Warenverpackungen fielen. Diese seien vielmehr auf dem vorliegenden Warensektor gang und gäbe. Es fehle deshalb eine schutzbegründende Eigentümlichkeit, die als Erkennungsmittel für einen bestimmten Geschäftsbetrieb dieser Branche dienen könne.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Marke einzutragen.

Es handele sich bei der angemeldeten Flaschenform nicht um eine genormte, sondern speziell für die Anmelderin gestaltete und hergestellte Flasche, welcher auch die Markenstelle eine ansprechende ästhetische Gestaltung zubillige. Bezogen auf die signifikante Dekorierung des konischen Teils der Flasche, ihrer Proportionierung und farblichen Ausgestaltung erscheine die Flaschenform in der angemeldeten Farbgebung noch hinreichend charakteristisch und eigentümlich, um vom Verbraucher als Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft des Erzeugnisses aufgefaßt zu werden. Der Verkehr werde sich deshalb an der angemeldeten Flaschenform orientieren und danach die betriebliche Herkunft der darin abgefüllten Erzeugnisse unterscheiden. Auch die durch Hinweis des Senats entgegengehaltene Tatsache, daß andere Hersteller von Babynahrung sehr ähnliche Flaschenformen verwendeten, stehe dieser Annahme nicht entgegen, da sich die jeweiligen Flaschen durch ihre unterschiedlichen Abmessungen und Oberflächengestaltung sowie durch die auffällige Farbgestaltung des Verschlusses unterschieden, wie der Vergleich der nachstehenden Abbildungen 2 und 3 zu der als Abbildung 1 dargestellten angemeldeten Marke zeige.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, den Zwischenbescheid des Senats vom 27. März 2000 sowie auf die Schriftsätze der Anmelderin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des Senats steht der Eintragung der angemeldeten Flaschenform für die beanspruchten Waren das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegen. Danach sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, denen für die Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

Dies gilt auch für die als dreidimensionale Gestaltung im Sinne von § 3 Abs 1 MarkenG angemeldete Marke unabhängig davon, ob - wovon die Markenstelle ausgegangen ist - der Prüfung eine farbige Eintragung der beanspruchten Flaschenform zugrundezulegen ist oder nicht. Insoweit hat der Senat allerdings bereits Bedenken, ob eine Unklarheit oder Unvollständigkeit bestand und die Markenstelle insoweit Veranlassung besaß, in der Beanstandung die Anmeldung einer farblichen Eintragung zur Disposition der Anmelderin zu stellen sowie diese zu einer Farbangabe auffordern, da die Anmelderin in ihrem Antrag keine farbige Eintragung gewünscht und auch keine Farben bezeichnet hatte.

Im übrigen bestehen hinsichtlich des erst nachträglich gestellten Antrags auf farbige Eintragung der Marke mit der Farbangabe "Glasklar, Gold" im Sinne des § 9 Abs 1 Satz 2 MarkenV erhebliche Zweifel, ob die Erfordernisse für die Zuerkennung eines Anmeldetages vorliegen (§§ 36 Abs 1 Nr 1, Abs 2 MarkenG). So muß gemäß der in § 32 Abs 2 Nr 2 MarkenG bestimmten Mindestanforderungen die Anmeldung eine Wiedergabe der Marke enthalten. Weder die von der Anmelderin mit der Anmeldung eingereichte graphische Wiedergabe der Marke im Sinne von § 9 Abs 1 Satz 1 MarkenV (so) entspricht der wohl auf den Flaschenverschluß bezogenen nachträglichen Farbangabe - "Gold" noch erfolgte die nachträgliche Farbangabe "Glasklar, Gold" unter Bezugnahme auf ein gängiges Farbdarstellungssystem, so daß auch dadurch nicht die formalen Mindestvoraussetzungen für die Anerkennung eines Anmeldetages erfüllt werden (§§ 32 Abs 2, 33 Abs 1 MarkenG; vgl hierzu Ströbele GRUR 1999, 1041, 1046; BPatG GRUR 1996, 881, 882 - Farbmarke; insoweit bestätigt durch BGH GRUR 1999, 491, - Farbmarke gelb/schwarz; BGH GRUR 1999, 730, 731, - Farbmarke magenta/grau). Überdies ist zu berücksichtigen, daß Änderungen der Anmeldung auch durch eine nachträgliche Farbbeanspruchung zu einer Erweiterung des Schutzbereichs führen und deshalb wegen des Grundsatzes der Unveränderlichkeit der für die Zuerkennung des Anmeldetages maßgebenden Angaben (§§ 33 Abs 1, 32 Abs 2 MarkenG) unzulässig sein können (vgl hierzu auch BPatG GRUR 1998, 581, 582 - weiße Kokosflasche; PAVIS PROMA, Knoll, BPatG 28 W (pat) 259/96 - Mittelteil eines Endoskops; BPatG GRUR 1998, 1016, 1018 -grün/gelb; HABM-BK GRUR Int. 1998, 612, 613 - Orange; Althammer/Ströbele, Markengesetz, 5. Aufl, § 9 Rdn 66; Fezer, Markenrecht, 2. Aufl, § 32 MarkenG Rdn 23, § 45 Rdn 8).

Dies bedarf jedoch keiner weiteren Vertiefung, da der Senat die Auffassung der Markenstelle teilt, daß die angemeldeten Flaschenform für die beanspruchten Waren der Klassen 5 und 32 keine hinreichende Eigentümlichkeit und Originalität aufweist, welche geeignet wäre, im Verkehr nicht nur als Behältnis (Warenverpackung), sondern (auch) als betrieblicher Herkunftshinweis zu dienen und welche von den Verbrauchern neben der Etikettierung und unabhängig von dieser als herstellerspezifische Besonderheit wahrgenommen wird. Die angemeldete Marke besitzt deshalb keine Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG.

Zwar können auch Warenverpackungen als dreidimensionale Gestaltungen im Sinne des § 3 Abs 1 MarkenG über eine abstrakte Unterscheidungseignung verfügen und deshalb markenfähig sein (vgl BPatG GRUR 1998, 580 - Dimple-Flasche; GRUR 1998, 581 - weiße Kokosflasche; BPatG GRUR 1998, 1018, 1019 - Honigglas; Ströbele GRUR 1999, 1041 und 1042). Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG kommt ihnen aber nur dann zu, wenn sie sich nicht lediglich in gebräuchlichen oder naheliegenden Gestaltungsmerkmalen erschöpfen, sondern aus dem verkehrsüblichen Rahmen fallen und infolge ihrer Originalität geeignet sind, als betriebskennzeichnender Herkunftshinweis zu dienen (vgl HABM-BK MarkenR 2000, 37, 39 - Strahlregler). So ist insbesondere wenig einprägsamen Nuancen typischer Gestaltungsmerkmale keine herkunftshinweisende Funktion beizumessen (BGH GRUR 1997, 527, 529 - Autofelge), wobei der Grad der erforderlichen Originalität wesentlich von der auf dem maßgeblichen Warengebiet üblichen Gestaltungsvielfalt abhängt (vgl HABM-BK MarkenR 2000, 37, 39 - Strahlregler; BPatG GRUR 1998, 706 - Montre I), während es andererseits nicht darauf ankommt, daß sich die Gestaltung zusätzlich von jeder benutzten (möglicherweise ungewöhnlichen und deshalb kennzeichnungskräftigen) Form eines anderen Unternehmens unterscheidet.

Flaschenformen besitzen nach den vorgenannten Grundsätzen als Warenverpakkung nur dann Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, wenn sie eine über den üblichen Formenschatz hinausreichenden Eigentümlichkeit und Originalität aufweisen (vgl auch Ströbele GRUR 1999, 1041, 1043), der Verkehr sie deshalb neben und unabhängig von der Etikettierung als Besonderheit wahrnimmt und sich hieran zumindest auch orientiert (vgl BPatG GRUR 1998, 581 - weiße Kokosflasche; GRUR 1998, 582 - blaue Vierkantflasche; GRUR 1998, 584.- kleine Kullerflasche; BlPMZ 1998, 531 - Weiße Flasche mit Fußwölbung; BPatG GRUR 1998, 580 - Dimple-Flasche; HABM GRUR 1999, 1080 - GRANINI-FLASCHE).

Diese Voraussetzungen erfüllt die angemeldete - nicht durch Größenangaben festgelegte - Flaschenform nicht. Sie weist weder in ihren Proportionen, insbesondere von Flaschenöffnung, -hals und -bauch noch in der sonstigen Oberflächengestaltung - insbesondere auch hinsichtlich der senkrecht verlaufenden Erhebungen und flächig ausgebildeten Einbuchtungen der Oberfläche des Flaschenhalses - eine augenfällige, Unterscheidungskraft begründende Eigentümlichkeit auf und hebt sich nicht von gängigen Flaschen der marktüblichen Vergleichsprodukte anderer Unternehmer ab, wie auch die abgebildeten, sich selbst in den Proportionen und in der Oberflächengestaltung kaum unterscheidenden Flaschen anderer Unternehmer belegen. Der angemeldeten Flaschenform kommt deshalb keine Markenfunktion zu. Dies gilt nicht nur insoweit, als die Anmelderin Getränke, Grundstoffe und Essenzen der Klasse 32 beansprucht, sondern insbesondere auch hinsichtlich der unter der Klasse 5 angemeldeten trinkfertigen Säuglingszusatznahrung und Kindernahrung. Nicht entscheidungserheblich ist, ob die Oberflächengestaltung der angemeldeten Flaschenform im Bereich des Flaschenhalses eher technisch funktionell der besseren Griffigkeit wegen bedingt ist - wie die Markenstelle gemeint hat - oder ob die gestalterische, dekorative Wirkung im Vordergrund steht, wie die Anmelderin meint. Denn auch beliebig wirkende Kombinationen verschiedener Formmerkmale begründen keine Unterscheidungskraft, wenn sie - wie hier - nur typische Merkmale aufweisen (vgl auch BPatG GRUR 1998, 584, 585 - Kleine Kullerflasche). Es kommt insoweit auch nicht darauf an, ob wegen einer funktionsbedingten Gestaltung die Mitwettbewerber jedenfalls auf eine Mindestzahl von Ausweichmöglichkeiten angewiesen sind, was auch für nicht genormte Flaschenformen ein Freihaltebedürfnis (vgl hierzu BPatG GRUR 1998, 582, 583 - blaue Vierkantflasche; BPatG GRUR 1998, 580 - Dimple-Flasche) und die Vermutung fehlender Unterscheidungskraft nahelegen kann (vgl hierzu Althammer/Ströbele, Markengesetz, 5. Aufl, § 8 Rdn 18; BGH GRUR 1991, 136, 137 - NEW MAN).

Hierbei sind auch farbliche Gestaltungen der Flasche selbst oder ihrer Verschlüsse, welche technische oder werbliche Funktion haben können (vgl hierzu BlPMZ 1998, 531, 532 - Weiße Flasche mit Fußwölbung), nicht unüblich und geben deshalb in der Regel weder einen bestimmten Herkunftshinweis noch tragen sie wesentlich zur Schutzfähigkeit der Formgestaltung bei (vgl auch BPatG GRUR 1998, 581, 582 - weiße Kokosflasche; GRUR 1998, 582, 583, 584 - blaue Vierkantflasche; BlPMZ 1998, 531, 532 - Weiße Flasche mit Fußwölbung). Dies gilt insbesondere für die bei Flaschenverschlüssen bekanntermaßen gebräuchliche Farbe "Gold", die - wie zudem die vorliegenden Abbildungen belegen - auch bei im übrigen ganz ähnlich gestalteten Flaschen anderer Unternehmer verwendet werden.

Nach alledem hat die Markenstelle die Eintragung der angemeldeten Marke zutreffend wegen des absoluten Schutzhindernisses fehlender Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG versagt. Auch fehlt es im Hinblick auf den von der Anmelderin behaupteten Marktanteil von bundesweit 22,2 % für Babysäfte im Jahr 1999 nicht nur in tatsächlicher Hinsicht an hinreichendem Vorbringen dafür, daß die mangelnde Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke infolge Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs 3 MarkenG jedenfalls für diese Waren überwunden ist, sondern auch an jeglicher Glaubhaftmachung der tatsächlichen Voraussetzungen.

Die Anmelderin kann auch aus der Eintragung ähnlicher oder gleicher Marken keine Rechte herleiten kann, da diese nicht zu einer Selbstbindung des DPMA führen und jede Anmeldung einer eigenen Prüfung unterliegt (BGH GRUR 1997, 527, 529 - Autofelge; BPatG GRUR 1998, 581, 582 - weiße Kokosflasche).

Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

Kliems Knoll Engels Pü

Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/25W(pat)18-00.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 18.05.2000
Az: 25 W (pat) 18/00


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