Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Juli 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 164/02

(BPatG: Beschluss v. 23.07.2003, Az.: 28 W (pat) 164/02)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 28. September 2000 für Waren der Klasse 06 und 12, nämlich

"Schlosserwaren und Kleineisenwaren, Metallrohre; Zweiräder, Apparate zur Beförderung auf dem Lande"

eingetragene Wort-Bild-Marke 300 25 099 siehe Abb. 1 ist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren, international registrierten Wort-Bild-Marke IR 731 777 siehe Abb. 2 die seit dem 28. Januar 2000 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 12, 18, 28, 37, 39, 41, u.a.

"Vehicules, appareils de locomotion par terre; bicycles, services de reparation de cycles"

Schutz in Deutschland genießt.

Die Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch einen Beamten des gehobenen Dienstes den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, dass selbst bei Annahme einer teilweise gegebenen Identität bzw. engeren Ähnlichkeit der Waren die Marken einen ausreichenden Abstand zueinander einhielten, zumal die Wortbestandteile "Big Twins" in der angegriffenen Marke erkennbar nur die schutzunfähige Sachbezeichnung für Zweiräder mit starken Zweizylindermotoren enthielten und die betroffenen Waren mit gesteigerter Aufmerksamkeit erworben würden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die vorträgt, dass trotz des beschreibenden Gehalts von "big twins" die Wortbestandteile der Vergleichsmarken als kürzeste und einfachste Bezeichnungsform gegenübergestellt werden müssten, wobei der Wortbestandteil der angegriffenen Marke aufgrund der Ähnlichkeiten in klanglicher Hinsicht und angesichts hochgradig ähnlicher Waren den zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr erforderlichen Zeichenabstand nicht mehr einhalte.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der Marke 300 25 099 im Umfang der identischen und ähnlichen Waren zu beschließen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat Zurückweisungsantrag gestellt und die Auffassung vertreten, dass die Widerspruchsmarke vom Verkehr nur als "b' -win" gelesen und verstanden werde, nicht jedoch als "between", was hier auch gar keinen Sinn ergebe; darüber hinaus verfüge die Widerspruchsmarke in Deutschland auch nicht über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft, so dass insgesamt keine Verwechslungsgefahr bestehe.

II.

Die nach § 165 Abs. 4 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND).

Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Danach bewegen sich die Waren teilweise im Identitäts- und engeren Ähnlichkeitsbereich, was die Waren der Klasse 12 betrifft. Im übrigen ist von Warenferne bzw. Unähnlichkeit auszugehen.

Bedenkt man, dass es sich bei den identischen Waren eher um hochpreisige Artikel handelt, die von durchschnittlich informierten Verbrauchern eher mit Sorgfalt als mit einer gewissen Flüchtigkeit erworben werden, sind insoweit an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr zu stellenden Abstand der Marken keine zu strengen Anforderungen zu stellen, denen die angegriffene Marke ohne weiteres genügt.

Dass die Marken in ihrer Gesamtheit wegen der deutlich unterschiedlichen bildlichen Gestaltung und insbesondere der Abweichung am Wortanfang ("BIG" gegenüber "b'-") keine verwechslungsrelevante Ähnlichkeit aufweisen, wird auch von der Widersprechenden nicht in Abrede gestellt. Genau so wenig kann eine Verwechslungsgefahr allein schon aus dem Umstand abgeleitet werden, dass die sich gegenüberstehende Marken identische Bestandteile (hier zumindest die Buchstabenfolge "win") aufweisen; die Gefahr von Verwechslungen kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn der Widerspruchsmarke der Bestandteil "BIG TwINS" der jüngeren Marke gegenüberzustellen ist.

Hiergegen spricht jedoch bereits, dass dem Bildbestandteil der angegriffenen Marke zumindest eine mitprägende Funktion zukommt, weil die Wortbestandteile - wie die Markenstelle zu Recht ausgeführt hat und von der Widersprechenden selbst unter Einreichung einer Internet-Recherche noch unterstrichen wird - in bezug auf die hier streitigen Waren eine beschreibende Sachangabe, i.S.von "große Zweizylinder(-Motorräder)" enthalten, von Wettbewerbern bereits als Wortfolge verwendet werden und damit allenfalls in der konkreten grafischen Gestaltung kennzeichnend wirken können.

Zudem ist die Widerspruchsmarke in ihrer klanglichen Wiedergabe keineswegs eindeutig; in erster Linie wird der Verkehr aufgrund ihrer grafischen Gestaltung von der Zeichenfolge "bwin" ausgehen, die jedoch mit der angegriffenen Wortfolge insbesondere wegen der markanten Abweichung am Anfang nicht zu verwechseln ist. Das gleiche gilt auch für die Variante "b'twin", deren Ermittlung schon eine eingehende analytische Beschäftigung mit der Marke verlangt und die deshalb allenfalls von einem sehr kleinen Teil des Verkehrs so verstanden wird. Denn der zusätzliche Buchstabe "T" ergibt sich nur, wenn man die entsprechenden Striche als zusammengehörig ansieht, weil beide eine mit den übrigen Buchstaben vergleichbare Strichstärke aufweisen. Auf den ersten Blick wird der Verkehr diese Linien ohnehin als rein grafische Elemente zur Stilisierung einer Lenkstange und eines (Motor)-Radreifens auffassen, zumal die Striche für ein "T" einen recht deutlichen Abstand aufweisen. Darüber hinaus wird der Gedanke an ein "T" dadurch entkräftet, dass nicht einleuchtet, warum inmitten einer Buchstabenfolge ein Großbuchstabe erscheinen soll, der zudem deutlich unterhalb der Buchstabenzeile steht.

Noch unwahrscheinlicher erscheint dem Senat die Vermutung, dass die Buchstaben in der Widerspruchsmarke im Sinne von "between" verstanden werden, woraus erst recht keine relavante Verwechslungsgefahr abgeleitet werden kann. Sollte hingegen in der Widerspruchsmarke der Begriff "big twin" herausgelesen werden, so würde sich die Übereinstimmung mit der angegriffenen Marke lediglich im beschreibenden Bereich bewegen, so dass eine Verwechslungsgefahr aus Rechtsgründen ausgeschlossen wäre.

Andere Gesichtspunkte, die eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG begründen könnten, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.

Die Beschwerde der Widersprechenden war daher zurückzuweisen, wobei eine Kostenentscheidung gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG nicht veranlasst war.

Stoppel Richterin Hartlieb kann wegen Urlaub nicht selbst unterschreiben.

Stoppel Paetzold Ko Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)164-02.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)164-02.2.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 23.07.2003
Az: 28 W (pat) 164/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/6316ba9ab6ba/BPatG_Beschluss_vom_23-Juli-2003_Az_28-W-pat-164-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share