VerfGH des Landes Berlin:
Beschluss vom 23. August 2004
Aktenzeichen: 129/03

(VerfGH des Landes Berlin: Beschluss v. 23.08.2004, Az.: 129/03)

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und Notar. Bis zum 1. April 2003 war er Sozius einer Sozietät mit Sitz u.a. in Nürnberg und Berlin, deren Kurzbezeichnung die Namen dreier Sozietätsmitglieder, unter anderem den des L. enthielt, gegen den die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelte. Seit dem 1. April 2003 wird die Anwaltskanzlei als im Partnerschaftsregister eingetragene Partnerschaftsgesellschaft geführt, die unter dem Namen zweier Partner - ohne den L. - mit dem Zusatz €& Partner€ firmiert.

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wegen gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung unter anderem gegen den L. erließ das Amtsgericht Tiergarten am 28. Januar 2003 zwei Durchsuchungsanordnungen für die Wohn-, Geschäfts- und Nebenräume des L. sowie die Kanzlei in Nürnberg und Berlin.

Vom 18. bis 24. März 2003 fanden in den Räumen der Sozietät in Nürnberg und Berlin Durchsuchungen statt, in deren Verlauf Unterlagen beschlagnahmt wurden. Der Beschwerdeführer, der bei der Durchsuchung anwesend war, gestattete nach dem Durchsuchungsprotokoll die Durchsuchung freiwillig, widersprach jedoch der Beschlagnahme zahlreicher Ordner. Im Durchsuchungsbericht der Staatsanwaltschaft vom 19. März 2003 heißt es, dass der Beschwerdeführer nach Überreichung der Beschlüsse erklärte, dass der L. seit Anfang 2001 nicht mehr Sozietätspartner sei und zur K. Consulting gewechselt habe. Der Beschwerdeführer habe grundsätzlich Kooperationsbereitschaft gezeigt, jedoch auf seine Verschwiegenheitspflicht €gegenüber seinen Mandanten€ hingewiesen, so dass er Widerspruch gegen eine Beschlagnahme der Unterlagen einlegen müsse. Im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen habe sich herausgestellt, dass in der Kanzlei laut Auskunft des Beschwerdeführers die 14. Etage u.a. an die K. Consulting untervermietet sei. Der Beschuldigte L. sei in den Räumen der Kanzlei erschienen und von den Staatsanwälten darauf angesprochen worden, ob die Büros der K. Consulting begangen werden könnten, woraufhin auch diese Räumlichkeiten gegen 10:00 Uhr durchsucht worden seien.

Mit Beschlüssen vom 31. März 2003 bestätigte das Amtsgericht Tiergarten die Beschlagnahme mit der Begründung, dass die genannten Gegenstände als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein könnten und mildere Maßnahmen zur Erreichung des Untersuchungszieles zur Zeit, beim jetzigen Stand der Ermittlungen, nicht ersichtlich seien.

Die Partnerschaftsgesellschaft legte mit Schreiben vom 24. April 2003 sowohl gegen €den Beschluss€ vom 31. März 2003 als auch gegen €den Beschluss€ vom 28. Januar 2003 Beschwerde ein. Sie führte aus, dass der Beschluss vom 28. Januar 2003 unzulässig sei, da der Beschuldigte L. seit dem 1. Januar 2001 nicht mehr Sozius gewesen sei und demzufolge auch keine Büroräume innerhalb der Sozietät und der Partnerschaftsgesellschaft genutzt habe bzw. nutze. Ein Fall des § 102 StPO liege ersichtlich nicht vor. Die Gegenstände unterlägen nicht der Beschlagnahme.

Mit Schreiben vom 4. Juni 2003 forderte das Landgericht die Partnerschaftsgesellschaft auf, mitzuteilen, seit wann der L. keine Büroräume mehr innerhalb der Kanzlei nutze. Gleichzeitig wies es darauf hin, dass die Beschwerdeschrift in der auf Seite 2 verwendeten Kopfzeile weiterhin den Namen L. in der Kurzbezeichnung enthalte, und bat um Mitteilung, ob der L. weiterhin Zutritt zu den Kanzleiräumen habe oder für die Kanzlei tätig sei. Der Beschwerdeführer teilte am 6. Juni 2003 telefonisch mit, dass der L. seit dem 1. Januar 2001 aus der Sozietät ausgeschieden sei, seitdem keine Büroräume mehr innerhalb der Sozietät und auch keine Schlüssel zu den Büroräumen habe und zwar sowohl am Sitz in Nürnberg als auch in Berlin. Zu dem verwendeten Briefpapier führte er aus, dass bis zum 1. April 2003 die Kanzlei weiterhin die drei Namen der Sozien - auch des L. - in der Kurzbezeichnung geführt und bis zu diesem Zeitpunkt auch entsprechendes Briefpapier genutzt habe. Eine Verwendung nach diesem Zeitpunkt sei auf ein Büroversehen zurückzuführen oder auf eine besonders sparsame Mitarbeiterin, die vorhandenes Papier noch hätte aufbrauchen wollen. Ab dem 1. April 2003 sei der Name des L. in der Firma der Partnerschaftsgesellschaft nicht mehr enthalten.

Das Landgericht erklärte mit Beschluss vom 30. Juni 2003 die Beschwerde bezüglich eines zurückgegebenen Aktenordners als erledigt und verwarf die Beschwerden der Partnerschaftsgesellschaft gegen die Beschlüsse vom 28. Januar 2003 und 31. März 2003 im Übrigen als unbegründet. Zur Begründung führte es aus, der Beschuldigte L. stehe in dem Verdacht, seit dem 14. November 1997 in sechs Fällen gemeinschaftlich jeweils eine Steuerhinterziehung begangen zu haben. Die Staatsanwaltschaft habe auf die Ausführungen der Partnerschaftsgesellschaft geltend gemacht, dass das Ausscheiden des L. als Seniorpartner aus der Sozietät zum 1. Januar 2001 zweifelhaft erscheine, da zum einen der Beschuldigte auf der Website im Internet vom 17. Dezember 2002 als Seniorpartner aufgeführt werde und die Internet-Seite erst zum 1. März 2003 geändert worden sei. Zum anderen habe der Beschwerdeführer am Tag der Durchsuchung gegenüber der Staatsanwaltschaft geäußert, dass die Kanzleischilder am Durchsuchungsort zum 1. März 2003 entsprechend erneuert worden seien. Des Weiteren sei der Beschuldigte L. am Tag der Durchsuchung in den Kanzleiräumen in Berlin erschienen, um mit einem der anderen anwesenden Beschuldigten ein Rechtsproblem zu erörtern. Die Durchsuchung sei im Ergebnis rechtmäßig und von § 103 StPO gedeckt. Zwar habe die bloße Angabe, dass der Beschuldigte L. in dem Verdacht stehe, in sechs Fällen gemeinschaftlich jeweils eine Steuerhinterziehung begangen zu haben, den einfach- und verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung der Durchsuchungsanordnung nicht genügt. Dieser Begründungsmangel führe aber nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückweisung an das Amtsgericht, da das Beschwerdegericht gemäß § 309 Abs. 1 StPO in der Sache selbst zu entscheiden habe und die Beschuldigten auf Grund der Sichtung der sichergestellten Beweismittel in diversen bei der Staatsanwaltschaft Berlin geführten Verfahren zum Komplex €Bankgesellschaft€ im Verdacht stünden, die im Tatbestand des landgerichtlichen Beschlusses näher dargelegte Grunderwerbssteuerhinterziehung begangen zu haben. Das Amtsgericht habe darüber hinaus nicht ausdrücklich ausgeführt, welche Tatsachen darauf schließen ließen, dass bestimmte gesuchte Beweismittel aufzufinden seien. Auch dies stelle jedoch keinen, nicht spätestens im Beschwerdeverfahren heilbaren Begründungsmangel dar, denn die Tatsache, aus der zu schließen gewesen sei, dass die gesuchten Unterlagen in den Kanzleiräumen zu finden waren, ergäbe sich aus dem Mandatsverhältnis der Sozietät zur IBG, mit der sie am 26. Januar 1996 einen pauschalen Beratungsvertrag geschlossen habe. Hinsichtlich der übrigen notwendigen Bestandteile sei der angefochtene Beschluss ausreichend bestimmt. Er bezeichne konkret die zu durchsuchenden Räume und die gesuchten Unterlagen. Es bestünden weder Bedenken hinsichtlich einer Vermengung von beschlagnahmefähigen und anderen Unterlagen noch gegen die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung. Die Durchsuchungsanordnung wäre unzulässig gewesen, wenn sie sich darauf gerichtet hätte, Gegenstände zu finden, deren Beschlagnahme nach § 97 Abs. 1 StPO ausgeschlossen sei. Dies sei jedoch nicht der Fall, da hier eine juristische Person, nämlich die IBG Klientin der zeugnisverweigerungsberechtigten Partnerschaftsgesellschaft gewesen sei, während sich das Strafverfahren selbst u.a. gegen den Geschäftsführer der IBG als einen der Mitbeschuldigten richte. Das Beschlagnahmeverbot schütze lediglich das Vertrauensverhältnis mit dem Beschuldigten und erstrecke sich nicht auf die durch diesen vertretene juristische Person. Ein das Beschlagnahmeverbot auslösendes Vertrauensverhältnis zwischen der Partnerschaftsgesellschaft und einem Mitbeschuldigten bestehe somit nicht. Der Berufsangehörige solle vor dem Konflikt zwischen Zeugen- und Verschwiegenheitspflichten geschützt werden. Nur aus diesem Grund sei das aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Interesse an einer möglichst umfassenden Wahrheitsermittlung im Strafverfahren eingeschränkt. Daneben komme es nicht darauf an, ob der weitere Beschuldigte L. als Sozietätsmitglied Gewahrsam an den beschlagnahmten Unterlagen gehabt hätte und so die Beschlagnahmefreiheit nach § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO entfallen wäre. Gegen ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis des Beschuldigten L. spreche jedenfalls nicht das angegebene Ausscheiden aus der Sozietät zum Januar 2001, denn nach diesem Zeitraum sei L. als Partner nach außen hin geführt worden, zuletzt im Briefbogen der Beschwerdeschrift, so dass jedenfalls zivilrechtlich von einer Scheinsozietät auszugehen sein dürfte. Zwar sei eine zivilrechtliche Beurteilung der Haftungssituation für die Frage des strafrechtlichen Gewahrsams nicht aussagekräftig, wenn wie hier aber erfahrene Anwälte auf der einen Seite eine zumindest €unklare€ Außendarstellung in Kauf nähmen und auf der anderen Seite sich der Beschuldigte auch im Zusammenhang der Durchsuchung noch ohne weiteres zwanglos in den Kanzleiräumen bewege, sei auch die Schlussfolgerung nach der natürlichen Auffassung des täglichen Lebens auf tatsächlich weiter bestehende faktische Verfügungsherrschaft zulässig. Auch die Beschlagnahmebeschlüsse vom 31. März 2003 seien rechtmäßig. Die sichergestellten Unterlagen könnten für die Untersuchung des vom Landgericht dargelegten Verdachts gegen die Beschuldigten von Bedeutung sein und ihre Beschlagnahme sei verhältnismäßig.

Die Rechtsanwaltskammer Berlin teilte der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 15. August 2003 mit, dass der L. ihr nicht mitgeteilt habe, dass er aus der Kanzlei ausgeschieden sei.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, durch sämtliche angegriffenen Beschlüsse in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, der Garantie auf Unverletzlichkeit des Wohnraums sowie seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt zu sein.

Indem die Kanzleiräume am 18. März 2003 durchsucht und umfangreiche Unterlagen beschlagnahmt worden seien, sei in die Unverletzlichkeit des Wohnraums eingegriffen worden. Dadurch dass die Strafverfolgungsbehörden in einer Pressemitteilung mitgeteilt hätten, dass im Rahmen der Ermittlungen zur Aufarbeitung strafrechtlich relevanter Vorgänge im Zusammenhang mit der IBG umfangreiche Durchsuchungen einer in Berlin und Nürnberg ansässigen Großkanzlei durchgeführt worden seien, seien die Vorfälle bekannt geworden und könnten dem Ansehen des Beschwerdeführers in den Augen seiner Mandanten und der breiten Öffentlichkeit schaden. Die Durchsuchung sei unverhältnismäßig gewesen, da sowohl dem Amts- als auch dem Landgericht auf Grund der Ermittlungsunterlagen der Staatsanwaltschaft bekannt gewesen sei, dass der Beschwerdeführer seit langem zum Strafverteidiger des Beschuldigten L. bestellt worden sei. Bei der Durchsuchung der Kanzleiräume hätte berücksichtigt werden müssen, dass sich zwangsläufig auch solche Unterlagen dort befanden, die der Verteidigung des L. dienten und somit gemäß § 97 Abs. 1 StPO nicht hätten beschlagnahmt werden dürfen. L. habe im Zeitpunkt der Bestellung des Beschwerdeführers als Strafverteidiger diesem auch detailliert Unterlagen benannt, die zur Vorbereitung der Verteidigung dienen sollten. Dabei handele es sich im wesentlichen um die dann später beschlagnahmten Unterlagen. Wenn die Geschäftsräume eines Rechtsanwalts und Notars durchsucht würden, ohne zwischen Unterlagen, die der Verteidigung des Beschuldigten dienen, und anderen zu unterscheiden, so sei dies in höchstem Maße dazu geeignet, dem beruflichen Ansehen des Beschwerdeführers zu schaden, da potenzielle zukünftige Mandanten die Auffassung vertreten könnten, dass bei ihm noch nicht einmal ureigenste Verteidigungsunterlagen sicher seien.

Durch die Entscheidung des Landgerichts sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Dies habe hinsichtlich der ursprünglichen Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts eine Reihe von schwerwiegenden Mängeln festgestellt und seine Entscheidung dabei auf eine Reihe von Tatsachen gestützt, die bisher nicht in das Verfahren eingeführt gewesen seien. Es habe das Vorbringen der Staatsanwaltschaft zu Grunde gelegt, ohne zuvor dem Beschwerdeführer von diesem Vorbringen Kenntnis zu geben und ihm eine Stellungnahme zu ermöglichen. Hätte er das Vorbringen der Staatsanwaltschaft gekannt, so hätte er vorgetragen, dass die Fortführung einer Sozietät unter der selben Kurzbezeichnung nach Ausscheiden eines namensgebenden Partners in § 9 Abs. 2 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) ausdrücklich vorgesehen und damit auch das Fortführen des Namens des L. in der Kurzbezeichnung des Briefkopfes nicht zu beanstanden sei. Darüber hinaus seien auf der Rückseite des verwendeten Briefpapiers alle für die Kanzlei tätig werdenden Berufsträger namentlich aufgeführt, der L. hingegen nicht. Weiter hätte er vorgetragen, dass der L. am Tage der Durchsuchung zu einem vereinbarten Besprechungstermin mit seinem Strafverteidiger anwesend gewesen sei. Die Frage des Ausscheidens des L. aus der Sozietät zum 1. Januar 2001 sei für die Durchsuchungsbeschlüsse entscheidend, da es Büroräume des L. in Berlin und in Nürnberg gar nicht mehr gegeben habe und eine Durchsuchungsanordnung nicht auf Räumlichkeiten gerichtet sein könne, die gar nicht mehr existieren.

Die Beteiligten wurden gemäß § 53 Abs. 1 VerfGHG gehört. Der Beteiligte zu 1.) teilte mit, dass dem Landgericht bei seiner Beschlussfassung eine Verteidigerstellung des Beschwerdeführers für den L. nicht bekannt war, dass sich weder eine Vollmacht in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft befand noch eine entsprechende Mitteilung der Ermittlungsbehörde.

II. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

Gemäß § 49 Abs. 1 VerfGHG kann jedermann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt des Landes Berlin in einem seiner in der Verfassung von Berlin enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof erheben. Soweit Gegenstand der Verfassungsbeschwerde die Anwendung von Bundesrecht ist, wie des Strafverfahrensrechts, besteht eine Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofs in den Grenzen der Art. 142, 31 GG hinsichtlich solcher Grundrechte der Verfassung von Berlin, die mit dem Bundesrecht in Übereinstimmung stehen (vgl. u.a. Beschluß vom 2 Dezember 1993 - VerfGH 89/93 - LVerfGE 1, 169 <179 ff.> = NJW 1994, 437, st. Rspr.).

Eine Verfassungsbeschwerde kann regelmäßig erst nach Erschöpfung des Rechtsweges erhoben werden. Sie soll im Hinblick auf den umfassenden Rechtsschutz unseres Rechtssystems im Sinne der Art. 15 Abs. 4 VvB und Art. 19 Abs. 4 GG nicht einen wahlweisen Rechtsweg neben den sonstigen Rechtswegen gewähren, sondern nur dann zulässig sein, wenn sie trotz Erschöpfung der regelmäßigen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zur Verhinderung einer Grundrechtsverletzung erforderlich wird (vgl. für das Bundesrecht: BVerfGE 1, 97 <103>; 22, 287 <290 ff.>). Das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne erfordert, dass der Beschwerdeführer alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine solche erst gar nicht eintreten zu lassen (vgl. für das Bundesrecht: BVerfGE 81, 22 <27>).

Diesen Voraussetzungen genügt die Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der amtsgerichtlichen Entscheidungen nicht. Dem Beschwerdeführer wäre es möglich gewesen, zunächst gemäß § 304 Abs. 2 StPO gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Beschwerde zu erheben, da nach dieser Vorschrift auch andere Personen berechtigt sind, Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, wie der Beschwerdeführer in der Verfassungsbeschwerde behauptet, mit dem Rechtsmittel der Beschwerde anzufechten. Insbesondere auch soweit der Beschwerdeführer erstmals mit der Verfassungsbeschwerde auf seine Verteidigerstellung gegenüber dem L. hinweist, hätte er zunächst den Rechtsweg erschöpfen müssen. Im vorliegenden Fall wurde zwar Beschwerde gegen die Beschlüsse erhoben, nicht aber durch den Beschwerdeführer, sondern vielmehr durch die Partnerschaftsgesellschaft, in der der Beschwerdeführer Partner ist. Das Landgericht hat auch dementsprechend seinen Beschluss vom 31. März 2003 an die Partnerschaftsgesellschaft gerichtet. Gegen diesen Beschluss ist die Verfassungsbeschwerde demgemäß unzulässig, da der Beschwerdeführer nicht Adressat und durch sie nicht unmittelbar betroffen sein kann.

Der Annahme der Unzulässigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Partnerschaftsgesellschaft im Sinne von § 7 Abs. 2 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) i.V.m. § 124 Abs. 1 HGB nur teilrechtsfähig ist. Bei der Partnerschaftsgesellschaft handelt es sich um eine Gesellschaftsform, die als Schwesterfigur der Offenen Handelsgesellschaft anzusehen ist und besonders für die freien Berufe geschaffen wurde. Zwar ist gemäß § 7 Abs. 3 PartGG i.V.m. § 125 Abs. 1 HGB jeder Gesellschafter ermächtigt zur Vertretung der Gesellschaft. Die Annahme, dass hier in Wahrheit eine Verfassungsbeschwerde der Partnerschaftsgesellschaft vorliegt, kommt jedoch nicht in Betracht. Der Beschwerdeführer hat die Verfassungsbeschwerde wegen der Verletzung eigener Rechte eingelegt. Seinen Anträgen und Ausführungen lässt sich nicht entnehmen, dass er die Verfassungsbeschwerde für die Partnerschaftsgesellschaft einlegen wollte. Im Gegenteil hat die Partnerschaftsgesellschaft mit Schreiben vom 4. Februar 2004 dem Verfassungsgerichtshof mitgeteilt, dass sie die rechtliche Interessenvertretung des Beschwerdeführers übernommen habe.

Die Partnerschaftsgesellschaft, die innerhalb der Frist des § 51 VerfGHG keine Verfassungsbeschwerde erhoben hat, besitzt zudem grundsätzlich selbst für die gerügten Grundrechte Grundrechtsfähigkeit im Sinne des § 49 Abs. 1 VerfGHG.

Grundrechtsfähig sind zweifelsfrei natürliche Personen. Dazu, wer im übrigen grundrechtsfähig sein kann, äußert sich die Verfassung von Berlin nicht ausdrücklich (vgl. im Bundesrecht: Art. 19 Abs. 3 GG). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sind jedoch jedenfalls solche juristischen Personen und nichtrechtsfähige Gebilde als grundrechtsfähig anzusehen, die sich nach dem in der Verfassung von Berlin zum Ausdruck kommenden Willen des Landesgesetzgebers auf die Einhaltung von Individualrechten sollen berufen können ( Urteil v. 19. Oktober 1992 - VerfGH 24/92 - NVwZ 1993, 1093 ff.; Beschluß vom 13. August 1996 - VerfGH 29/96 - LVerfGE 5, 10 <12>). Die Grundrechtsfähigkeit und damit verbunden die Parteifähigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren von Handels- und ihr ähnlichen Partnerschaftsgesellschaften ist entsprechend dem Grundgedanken des Art. 19 Abs. 3 GG jedenfalls dann gegeben, wenn sich der staatliche Eingriff auf das gesamthänderisch gebundene Gesellschaftsvermögen oder das von der Gesellschaft betriebene Geschäft bezieht (vgl. für das Bundesrecht für Handelsgesellschaften: BVerfGE 4, 7 <12>; 20, 162 <171>; 21, 271 <277>). So kann sie Trägerin des Grundrechts aus Art. 7 VvB (vgl. für das Bundesrecht: BVerfGE 42, 374 <383> für die KG; BVerfGE 29, 260 <266> für die AG; BVerfGE 10, 89 <99> für die OHG) sowie des Grundrechts aus Art. 28 Abs. 2 VvB sein, da der dort verwendete Begriff der €Wohnung€ auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume umfasst (vgl. für das Bundesrecht: BVerfGE 76, 83 <88>). Darüber hinaus kann sich die Partnerschaftsgesellschaft auf das Prozessgrundrecht des Art. 15 Abs. 1 VvB berufen (vgl. zur OHG und KG: Krebs in v. Münch/Kunig [Hrsg]: GG-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 19, Rn. 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.






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