Landgericht Köln:
Urteil vom 1. Dezember 2011
Aktenzeichen: 31 O 268/11

(LG Köln: Urteil v. 01.12.2011, Az.: 31 O 268/11)

Tenor

Die Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter der Beklagten, verurteilt, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr für das Arzneimittel „T Kapseln“ mit sogenannten Google AdWord-Anzeigen wie nachstehend wiedergegeben zu werben:

(Es folgt eine Darstellung)

und/oder

(Es folgt eine Darstellung)

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Höhe der Sicherheit beträgt für die Vollstreckung aus dem Unterlassungstenor 25.000 €, im Übrigen 110% des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger ist als branchenübergreifend und überregional tätiger Verband, der sich die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs zur Aufgabe gemacht hat, anerkannt. Die Beklagte stellt Arzneimittel her.

Die Beklagte warb für ihr Arzneimittel T mit den in den Tenor zu I. eingeblendeten Google AdWord-Anzeigen. Hierbei waren die Pflichtangaben zu den beworbenen Medikamenten erst im unteren Teil der über die Überschrift der Anzeigen verlinkten Internetseite enthalten und nur nach mehrfachem Scrollen aufrufbar.

Wegen einer vergleichbaren AdWord-Werbung für ein anderes Medikament der Beklagten erwirkte der Kläger bereits im Verfahren LG Köln 31 O 34/11 eine einstweilige Verfügung, welche die Kammer mit rechtskräftigem Urteil vom 07.04.2011 bestätigte. In den Verbotstenor war in dieser einstweiligen Verfügung auch die verlinkte Internetseite mit den Pflichtangaben, die sich ebenfalls erst im unteren Teil der Seite befanden, einbezogen. Das Urteil vom 07.04.2011 lässt ausdrücklich offen, obdie Pflichtangaben bereits in der AdWord-Anzeige enthalten sein müssen.

Der Kläger ist der Auffassung, diese Werbung verstoße gegen § 4 HWG, weil die Pflichtangaben nicht in der Anzeige selbst enthalten seien. Hilfsweise stützt er sein Unterlassungsbegehren bezüglich der zweiten in den Tenor eingeblendeten Anzeige darauf, dass - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - der Link „www.T.de/Pflichttext_hier“ nicht anklickbar sei und auch der angegebene Pfad bei Eingabe in die Adressleiste eines Internetbrowsers nicht unmittelbar zu den Pflichtangaben führe.

Er beantragt,

- wie erkannt -

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, bei einer Ad-Word-Werbung für Arzneimittel reiche es aus, wenn der Pflichttext auf der mit der Werbeanzeige verlinkten Seite enthalten sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I. Das rechtskräftige Urteil der Kammer im Verfahren 31 O 34/11 steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Das Verfahren betrifft zwar eine vergleichbare Werbung der Beklagten, das Verbot bezieht indes in der konkreten Verletzungsform auch die mit der Werbung verlinkte Internetseite, welche die Pflichtangaben enthält, ein und ist allein darauf gestützt, dass der Link in der AdWord-Anzeige nicht unmittelbar zu den Pflichtangaben führte. Demgegenüber greift der Kläger vorliegend die AdWord-Werbung der Beklagten in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Pflichtangaben in der Anzeige selbst an, was einen anderen Streitgegenstand darstellt.

Der Klage kann auch nicht im Hinblick auf die Möglichkeit, ggfls. im Verfahren 31 O 34/11 ein Ordnungsmittel zu beantragen, das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden. Da auch im vorliegenden Fall die Pflichtangaben erst im unteren Teil der verlinkten Internetseite enthalten und nur nach mehrfachem Scrollen aufrufbar waren, dürfte die streitgegenständliche Werbung zwar auch einen Verstoß gegen das Unterlassungsgebot in jenem Verfahren darstellen. Das lässt indes nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die klageweise Geltendmachung eines Unterlassungsbegehrens entfallen, das auf einen anderen rechtlichen Gesichtspunkt als das bestehende Verbot gestützt ist.

II. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 4 HWG. Gemäß § 4 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 und 3 HWG muss jede Werbung für ein Arzneimittel außerhalb der Fachkreise zumindest dessen Bezeichnung und die Anwendungsgebiete sowie den Zusatz „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker“ enthalten. Diesem Erfordernis genügen die streitgegenständlichen AdWord-Anzeigen der Antragsgegnerin nicht.

Der Gesetzgeber hat die Pflichtangaben für jede Werbung für Arzneimittel vorgeschrieben und dazu angeordnet, dass diese von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt, abgegrenzt und gut lesbar sein müssen, § 4 Abs. 4 HWG. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Pflichtangaben in jedem Einzelfall wahrnehmbar sind und der Aufklärungszweck erreicht wird. Dem Werbeadressaten darf durch die Gestaltung der Pflichtangaben kein zusätzlicher Aufwand oder besonderer Einsatz abverlangt werden (BGH, Urteil vom 07.06.1990 - I ZR 206/88 - „Leserichtung bei Pflichtangaben“, Juris-Tz. 17 f.; Reinhart in: Fezer, UWG, § 4-S4, Rn. 482 m.w.Nw.). Die Pflichtangaben müssen daher in einem engen und unmittelbaren Zusammenhang mit der Werbung stehen, so dass sie von den angesprochenen Verkehrskreisen als sachlich informativer Teil der Gesamtwerbung erkannt werden (OLG München, Urteil vom 07.03.2002 - 29 U 5688/01 -, Juris-Tz. 21 f.; OLG Hamburg, Beschluss vom 03.05.2002 - 3 U 355/01 -, Juris-Tz. 5; KG, Urteil vom 24.10.2003 - 5 U 246/03 -, Juris-Tz. 14 jeweils m.w.Nw.). Mithin ist erforderlich, dass die Pflichtangaben in einer Art und Weise in der Werbung enthalten sind, dass sie unmittelbar, ohne längeres Suchen und ohne Hinzuziehung weiterer Informationsmittel wahrgenommen werden können.

Im Falle einer Internetwerbung, die sich wie die streitgegenständliche nicht an Fachkreise richtet, setzt das nach Auffassung der Kammer voraus, dass die Pflichtangaben auf der Werbeseite selbst bzw. - wenn es sich wie vorliegend um eine bloße Werbeanzeige auf einer Internetseite handelt - in dieser Anzeige vorhanden sind. Das folgt daraus, dass nach dem Willen des Gesetzgebers jede Werbung die Pflichtangaben enthalten muss und es sich bei Werbeanzeigen wie den streitgegenständlichen AdWord-Anzeigen um eigenständige Werbungen handelt, die nicht etwa nur im Zusammenspiel mit den verlinkten Werbeseiten geeignet sind, das Ziel der Absatzförderung zu erreichen. Ebenso wenig wie bei Printwerbung der Verweis auf - wenn auch leicht erreichbare - sonstige Informationsquellen den Erfordernissen des § 4 HWG genügt, können daher bei einer Internetanzeige die Pflichtangaben in der Werbung selbst durch eine Verlinkung auf eine Informationsseite ersetzt werden.

Dem steht nicht entgegen, dass bei Printwerbung für ein bestimmtes Arzneimittel mit mehrseitigen Anzeigen oder Werbeflyern die Pflichtangaben nicht zwingend auf jeder Seite der Werbung gemacht werden müssen. In diesem Fall stellen die mehrseitige Anzeige oder der Flyer insgesamt die Werbung i.S.v. § 4 Abs. 1 und 3 HWG dar, so dass es ausreicht, wenn diese die Pflichtangaben einmal enthält, so sie im Übrigen den Anforderungen des § 4 Abs. 4 HWG genügen. Dieser Fall ist indes mit dem vorliegenden nicht vergleichbar: Hier sind die Pflichtangaben eben nicht in den streitgegenständlichen AdWord-Anzeigen, sondern in einer anderen Werbung auf der verlinkten Internetseite enthalten.

Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass Google AdWord-Anzeigen aufgrund ihrer technischen Beschränkungen die Pflichtangaben gar nicht enthalten können. Ist es in einem bestimmten Werbemedium nicht möglich, eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Werbung zu schalten, ist die Werbung in diesem Medium zu unterlassen. Dass sie hierdurch in einer Weise in ihrer wirtschaftlichen Entfaltung eingeschränkt würde, dass eine Verletzung von Art. 12 GG in Betracht zu ziehen wäre, hat die Beklagte nicht dargetan. Angesichts des Umstands, dass es sich bei Google AdWord-Anzeigen lediglich um eine einzelne Art der Werbung im Medium Internet handelt, liegt die Annahme einer Grundrechtsverletzung auch fern. Zudem ist die Beklagte auch nicht gehindert, AdWord-Anzeigen etwa in Form von Erinnerungswerbung (§ 4 Abs. 6 HWG) oder unternehmensbezogener Imagewerbung, welche die Pflichtangaben nicht enthalten muss, zu schalten.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 22.000 €






LG Köln:
Urteil v. 01.12.2011
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