Oberlandesgericht Hamburg:
Urteil vom 30. November 2005
Aktenzeichen: 5 U 17/05

(OLG Hamburg: Urteil v. 30.11.2005, Az.: 5 U 17/05)

Die Bezeichnung "SprudelPower" für ein Gerät zur Anreicherung von Trinkwasser aus der Wasserleitung mit Kohlensäure ist nicht irreführend im Sinne des § 5 UWG. Der Verkehr wird aufgrund dieser Bezeichnung nicht annehmen, durch ein solches Gerät könne ein Getränk hergestellt werden, welches dieselben Eigenschaften habe wie "Sprudel" aus natürlichem Mineralwasser im Sinne der Mineral- und Tafelwasserverordnung.

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg - Kammer 16 für Handelssachen - vom 14.12.2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin produziert und vertreibt nach eigenem Vortrag natürliches Mineralwasser aus der M.-Quelle in Norderstedt. Die Antragsgegnerin vertreibt seit einigen Jahren ein Gerät zur Anreicherung von Trinkwasser aus der Wasserleitung mit Kohlensäure (im Folgenden: Trinkwassersprudler). Das Gerät wird unter der Bezeichnung " SprudelPower " angeboten. Die Bezeichnung ist für die Antragsgegnerin auch markenrechtlich geschützt (Wort- und Wort/Bildmarken Anlagen Ag 1,2 und 5). Auf ihrer Homepage www.sprudelpower.com verwendet die Antragsgegnerin außerdem die Bezeichnung "Heimsprudelgeräte".

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch, die Bezeichnungen " SprudelPower " und "Heimsprudelgeräte" zu verwenden. Sie meint, dass eine Irreführungsgefahr bestehe (§§ 3,5 UWG). Nach § 15 Abs. 1 Nr.1 der Mineral- und Tafelwasserverordnung (MTVO) sei der Begriff "Sprudel" natürlichem Mineralwasser vorbehalten. Der Verbraucher werde annehmen, mit dem als " SprudelPower " bezeichneten Gerät könne er ein Getränk herstellen, welches dieselben Eigenschaften habe wie das im Getränkehandel als Sprudel angebotene natürliche Mineralwasser.

Die Antragstellerin erwirkte unter dem 28.9.2004 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, mit der der Antragsgegnerin verboten wurde,

im geschäftlichen Verkehr für Geräte zur Anreicherung von Trinkwasser mit Kohlensäure

a) die Bezeichnung " Sprudel POWER " zu verwenden, insbesondere solche Geräte sowie Flaschen oder Behälter mit Geschmackskonzentraten, Verpackungen oder Werbematerial mit dieser Bezeichnung zu versehen oder unter dieser Bezeichnung anzubieten, zu bewerben oder in den Verkehr zu bringen; und/oder

b) die Bezeichnung "Heimsprudelgeräte" zu verwenden.

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 14.12.2004 die einstweilige Verfügung wieder aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin, mit der sie erneut den Erlass der ursprünglichen einstweiligen Verfügung erstrebt. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag zu dem zwischen den Parteien bestehenden Wettbewerbsverhältnis (Anlagen BK 1-7). Außerdem trägt sie ergänzend vor zu den Bezeichnungsgewohnheiten des Verkehrs für Trinkwassersprudler (Anlage BK 8), für natürliches Mineralwasser und sonstige Erfrischungsgetränke (Anlagen BK 9, 11-13, 18-25) und für Arzneimittel (Anlagen BK 14-17, 26), ferner zu den Unterschieden zwischen Leitungs- und Trinkwasser (Anlage BK 10). Schließlich macht sie erneut geltend, dass die Antragsgegnerin in unlauterer Weise den Ruf des Qualitätsprodukts Sprudel ausnutze und verwässere.

Die Antragsgegnerin verteidigt das landgerichtliche Urteil.

II.

Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die zunächst erlassene einstweilige Verfügung wieder aufgehoben.

1. Allerdings ist die Antragstellerin als Mitbewerberin aktivlegitimiert, denn sie hat glaubhaft gemacht, dass sie natürliches Mineralwasser produziert und vertreibt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts besteht zwischen den Parteien damit ein Wettbewerbsverhältnis. Denn mit Trinkwassersprudlern zur Aufbereitung von Leitungswasser ist im wirtschaftlichen Ergebnis ein Substitutionsprodukt zu natürlichem Mineralwasser auf dem Markt, durch welches der Absatz des Letzteren beeinträchtigt werden kann. Trinkwassersprudler werden auch als Substitutionsprodukte beworben, wie die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat und nicht streitig ist (Anlagen Ast.15, 16, BK 3 und 4), und zwar auch durch die Antragsgegnerin selbst (Anlage BK 5: "kein Pfand, kein Kistenschleppen"). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass in Fällen, wo durch ein Produkt der Absatz eines anderen behindert werden kann, trotz Branchenverschiedenheit ein Wettbewerbsverhältnis besteht (s. Nachweise auf S. 9 des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 14.2.2005, Bl.143). So liegt es hier.

Unerheblich ist, dass die Antragsgegnerin nur Einzelhändler beliefert. Mit ihrer Werbung unter der Domain www.sprudelpower.com wendet sie sich explizit auch an Verbraucher, die ihre Produkte sodann im Einzelhandel erwerben können (s. Anlage Ast. 3).

2. Entscheidend ist somit allein die Frage, ob der Verkehr durch die Bezeichnungen " SprudelPower " oder "Heimsprudelgeräte" zu der Annahme gelangen kann, dass das mit Trinkwassersprudlern aufbereitete Leitungswasser dieselben Eigenschaften aufweise wie der im Getränkehandel abgefüllt zu erwerbende "Sprudel" aus natürlichem Mineralwasser.

a) Die Bezeichnung " SprudelPower "

Die Antragstellerin hat allerdings glaubhaft gemacht, dass nach den gesetzlichen Vorschriften, der hierzu ergangenen Rechtsprechung und den Bezeichnungsgewohnheiten für sonstige Erfrischungsgetränke der Begriff "Sprudel" dem Verkehr jedenfalls im Getränkehandel überwiegend nur im Zusammenhang mit natürlichem Mineralwasser begegnet. Dennoch vermag der Senat keine Irreführungsgefahr zu erkennen, so dass es auch keiner vertieften Erörterung bedarf, ob der hierzu weiter ergänzte Sachvortrag der Antragstellerin in der Berufungsinstanz überhaupt berücksichtigungsfähig ist.

aa) Wie das Landgericht richtig ausführt und auch die Antragstellerin nicht in Abrede nimmt, geht der Begriff "Sprudel" auf das Verb "Sprudeln" zurück, das "heftig Aufwallen" und "Brodeln" bedeutet und ein Wort des allgemeinen Sprachgebrauchs ist. Außerdem werden nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin Geräte zur Karbonisierung von Leitungswasser mit Bezeichnungen versehen, die auf dieses Verb zurückgehen, nämlich "Wassersprudler", "Trinkwassersprudler" oder "Besprudelungsgerät" (z.B. Anlagen Ast. 23, 24, 27, 28, BK 2,6 und 7,8). Die Antragsgegnerin hat sogar einige Verwendungen glaubhaft gemacht, in denen das Wort "Sprudel" im Zusammenhang mit Trinkwassersprudlern unverändert auftaucht, nämlich "Sprudelautomat" und "Sprudelgeräte" (Anlagen AG 6 und 8). Der Senat hält es für erfahrungswidrig, dass der Verkehr nun im Zusammenhang mit derartigen Geräten feinsinnige Unterscheidungen zwischen den unterschiedlichen Ableitungen aus dem Verb "Sprudeln" - Sprudler, Besprudelung, Sprudel - vornimmt, sondern er wird alle Bezeichnungen beschreibend für die Funktionsweise derartiger Geräte verstehen, mithin sie darauf zurückführen, dass Leitungswasser durch Hinzufügung von Kohlensäure "zum Sprudeln" gebracht wird.

bb) Hinzu kommt, dass der Verkehr mit dem Wort "Sprudel" zwar auch natürliches Mineralwasser bezeichnet, das er im Getränkehandel abgefüllt erwerben kann. Daneben wird "Sprudel" im allgemeinen Sprachgebrauch aber auch als Oberbegriff für kohlesäurehaltige alkoholfreie Getränke verwendet, und zwar auch solche mit Geschmackszutaten. Dieses kann der Senat, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, aus eigenem Erfahrungswissen beurteilen. Hierfür spricht - wenn auch nur indiziell - auch die hohe Trefferquote, die die Antragsgegnerin des Parallelverfahrens 5 U 46/05 mit den Worten "Orangensprudel" und "Zitronensprudel" bei der Suchmaschine Google erzielt hat (dortige Anlage BB 10). Dieses Suchergebnis ist durch die parallele Erörterung beider Verfahren im Senatstermin vom 23.11.2005 auch zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung dieses Verfahrens gemacht worden.

Von dem vorstehend dargestellten allgemeinen Sprachgebrauch geht schließlich auch das DPMA aus, welches in den von den Parteien des Parallelverfahrens 5 U 46/05 eingereichten Unterlagen zu einer Markenanmeldung der Wortmarke "Sprudel" durch die schweizerische Gesellschaft Soda Club S.A. die Auffassung vertritt, das Wort "Sprudel" sei eine "sprachüblich gebildete, beschreibende Bezeichnung in der Bedeutung "alkoholfreie Getränke mit Kohlensäure" (Schreiben vom 28.2.2005, Anlage BB 4 des Parallelverfahrens). In dem Beschluss vom 31.8.2005, mit dem die Markeneintragung abgelehnt wird, heißt es wiederum, dass "Sprudel" die Bezeichnung für "alkoholfreie Getränke mit Kohlensäure" sei und insbesondere für kohlensäurehaltiges Mineralwasser benutzt werde (Anlage BK 18 des Parallelverfahrens, S.3). Kohlensäurehaltiges Mineralwasser wird also nur beispielhaft für Sprudel genannt. Das Verständnis des DPMA ist ebenfalls in der mündlichen Verhandlung zu diesem Rechtsstreit erörtert worden.

Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft machen können, dass der allgemeine Sprachgebrauch durch die Bezeichnungsgewohnheiten im Getränkehandel, die Bestimmungen der MTVO, die "Leitsätze für Erfrischungsgetränke" und Gerichtsentscheidungen zur Berechtigung, Getränke als "Sprudel" zu bezeichnen, beseitigt worden ist. Die MTVO und die "Leitsätze für Erfrischungsgetränke" dürften im Übrigen allenfalls einem äußerst geringen Teil der Verbraucher bekannt sein, der für die Bestimmung der Verkehrsauffassung rechtlich nicht relevant ist.

cc) Ferner sind Trinkwassersprudler seit geraumer Zeit auf dem Markt. Der durchschnittlich informierte und aufgeklärte deutsche Durchschnittsverbraucher weiß, dass derartige Geräte Leitungswasser lediglich mit Kohlensäure versetzen. Dies gilt auch unter Zugrundelegung eines Verbraucherleitbildes, wie es jetzt im Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern formuliert ist ("Durchschnittsverbraucher, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist, wobei soziale, kulturelle und sprachliche Faktoren zu berücksichtigen sind", s. dazu Helm, WRP 05, 931). Der Durchschnittsverbraucher weiß dies, obwohl nur ein Teil der Verbraucher bisher tatsächlich ein solches Gerät besitzt, nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragstellerin 5 % der Verbraucherschaft. Bei Markteinführung vor etwa 10 Jahren waren derartige Geräte nämlich als Neuheit "in aller Munde" (ähnlich wie einige Zeit später die Brotbackmaschinen) und sind heutzutage etabliert, selbst wenn der Absatz infolge des Preisverfalls bei natürlichem Mineralwasser mittlerweile wieder zurückgegangen sein sollte.

Dies alles ist dem Senat ebenfalls aus eigenem Wissen geläufig.

Die Antragstellerin hat auch nicht vorgetragen, dass dem Verbraucher Trinkwassersprudler angeboten werden, mit denen weitergehende chemische Veränderungen des Leitungswassers möglich sind.

dd) Schließlich unterscheidet der durchschnittlich informierte und aufgeklärte Verbraucher zwischen natürlichem Mineralwasser, das aus einer unterirdischen Quelle stammt und Leitungswasser. Ihm ist jedenfalls bewusst, dass Leitungswasser auch Oberflächenwasser enthalten kann, dass es aufbereitet und ggf. desinfiziert werden muss und dass seine Eigenschaften, wenn er es aus dem Wasserhahn entnimmt, durch das Rohrleitungssystem beeinflusst werden können. Vor diesem Hintergrund hält der Senat es für erfahrungswidrig, der Verkehr könne annehmen, ein als " SprudelPower " bezeichnetes Gerät könne Leitungswasser so weit verändern - z.B. durch Hinzufügung oder Veränderung von Mineralien, durch Entzug von Desinfektionsmitteln wie Chlor usw. -, dass das auf diese Weise hergestellte Getränk nunmehr einem im Getränkehandel als Sprudel bezeichnetem Getränk gleichkomme. Der Verkehr wird vielmehr das Wort " SprudelPower " in Zusammenhang mit einem Trinkwassersprudler lediglich so verstehen, dass das Gerät das Leitungswasser besonders kräftig zum Sprudeln bringt.

Der Senat sieht sich mit dieser Bewertung nicht nur im Einklang mit der Vorinstanz, sondern auch mit der Zivilkammer 15 des Landgerichts Hamburg im Parallelverfahren 5 U 46/05, in dem es um die Verwendung der Bezeichnung "Sprudel-Fixx" für einen Trinkwassersprudler geht, und ferner mit der von der Antragsgegnerin vorgelegten Entscheidung des Landgerichts Bielefeld vom 1.8.2000 (Anlage AG 4). Soweit die Zivilkammer 15 des Landgerichts Hamburg im Jahre 1997 in anderer Besetzung die Bezeichnung "Sprudel-Maxx" für Geräte zur Anreicherung von Trinkwasser mit Kohlensäure verboten hat (Anlage Ast.17), ist der Erkenntniswert dieses Beschlusses gering, da er nicht begründet ist. Sollte das Verbot ebenfalls auf einer Irreführungsgefahr beruhen, ist zu berücksichtigen, dass Trinkwassersprudler und ihre Funktionsweise im Jahre 1997 noch nicht so bekannt waren wie heute. Auch die Anwendung des Verbraucherleitbildes hat sich in den letzten Jahren in der Rechtsprechung erheblich weiterentwickelt. Der Verbraucher wird heute für besser informiert und aufgeklärt eingeschätzt, als dies noch im Jahre 1997 der Fall war.

ee) Soweit die Antragstellerin die Bezeichnung " SprudelPower " zusätzlich unter dem Gesichtspunkt der unlauteren Rufausbeutung und -verwässerung nach § 3 UWG angreift, kann sie auch damit nicht durchdringen. Der Senat vermag in der Verwendung des Wortes "Sprudel" im Zusammenhang mit einem Gerät zur Leitungswasseraufbereitung mit Kohlensäure angesichts des engen Zusammenhangs mit einem Verb des allgemeinen Sprachgebrauchs, der Bezeichnungsgewohnheiten des Verkehrs und der allgemeinen Bekanntheit derartiger Geräte nicht zu erkennen, dass der Verkehr Qualitätsvorstellungen, die er in Bezug auf natürliches Mineralwasser hat, auf das Gerät " SprudelPower " oder das hiermit hergestellte Getränk übertragen könnte. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.

b) "Heimsprudelgeräte"

Zu Recht hat das Landgericht die einstweilige Verfügung auch bezüglich der Verwendung des Begriffs "Heimsprudelgeräte" aufgehoben. Noch deutlicher als bei " SprudelPower " erkennt der Verkehr, dass mit dieser Bezeichnung lediglich beschreibend auf die Funktion des Geräts hingewiesen wird, Leitungswasser mittels Kohlensäure zum Sprudeln zu bringen. Der Verkehr wird keinen Unterschied machen zu Bezeichnungen wie "Heimsprudler" oder "Heimsprudlergerät", die auch die Antragstellerin für unbedenklich hält (S. 2 des Schriftsatzes vom 13.12.2004, Bl. 69). Im Übrigen gelten die obigen Ausführungen zu " SprudelPower " sinngemäß auch für "Heimsprudelgeräte".

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.






OLG Hamburg:
Urteil v. 30.11.2005
Az: 5 U 17/05


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