Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Januar 2007
Aktenzeichen: 17 W (pat) 16/04

(BPatG: Beschluss v. 18.01.2007, Az.: 17 W (pat) 16/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung:

"Verfahren zur Rekonstruktion eines Objekts"

ist am 3. Juli 1994 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 T des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 21. November 2003 unter der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf technischem Gebiet liege.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Der Vertreter der Anmelderin stellte den Antrag, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, noch anzupassende Patentansprüche 3 bis 7 vom Anmeldetag, noch anzupassende Beschreibung Seiten 1 bis 35 vom Anmeldetag und 21 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 21 vom Anmeldetag.

Er regte die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Die Anmelderin vertritt die Auffassung, dass das beanspruchte Verfahren zur Rekonstruktion eines dreidimensionalen Objekts auf technischem Gebiet liege. Es lehre und erfordere den Einsatz von technischen Mitteln, nämlich einer Datenverarbeitungsanlage. Dem Verfahren liege auch eine technische Problemstellung zugrunde. Die Berechnung der bei der Rekonstruktion erforderlichen Schnittpunkte benötige sehr viel Rechenzeit, die durch das vorgeschlagene Verfahren stark reduziert werde. Das vorgeschlagene Verfahren benötige auch weniger Speicherplatz als bekannte Rekonstruktionsverfahren. Deshalb sei anzuerkennen, dass dem Verfahren nach dem Patentanspruch 1 technischer Charakter zukomme.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

"Verfahren zur Rekonstruktion eines dreidimensionalen Objektes, das von einem kegelförmigen Strahlungsfeld, das von einer punktförmigen Strahlungsquelle stammt, durchleuchtet wird, dessen Schwächung für verschiedene Positionen der Strahlungsquelle mittels eines zweidimensionalen Detektors erfasst wird, mit einem Rekonstruktionsalgorithmus, der einen Rückprojektionsschritt vorsieht, so dass aus der Summe, aller zweidimensional erfassten, geschwächten Projektionsdaten, eine Rekonstruktion des dreidimensionalen Objekts erfolgt, dadurch gekennzeichnet, dass der innerhalb des Strahlkegels liegende Bereich in Zylinderkoordinaten parametrisiert und zur Rekonstruktion des dreidimensionalen Objektes nur eine einzige Schnittpunktsberechnung der Projektionsdaten durchgeführt wird, und dass die 3D-Rückprojektion durch eine Addition der gefilterten und geometrisch gewichteten Projektionsdaten bzw. Strahlungskoeffizienten und eine zyklische Vertauschung der Schnittpunktskoordinaten erfolgt."

II.

Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, da der Gegenstand des nachgesuchten Patents nicht patentfähig ist (§ 1 PatG), weil er nicht auf technischem Gebiet liegt.

1. In der Beschreibungseinleitung wird ausgeführt, dass die Entwicklung von Rekonstruktionsalgorithmen für die 3D-Computertomographie unter Verwendung einer kegelstrahlförmigen Strahlgeometrie Gegenstand der Forschung ist. Es werden mehrere bekannte Rekonstruktionsalgorithmen diskutiert und darauf hingewiesen, dass der Feldkamp-Algorithmus derzeit am häufigsten zur 3D-Rekonstruktion von tomografischen Daten eingesetzt wird. Sämtliche bekannten Verfahren hätten jedoch den Nachteil, dass die Rekonstruktionszeiten für die 3D-Computertomographie zu lang seien. Eine Verkürzung der Rekonstruktionszeit sei prinzipiell möglich durch eine Verbesserung der Rechnerarchitektur (Rechenleistung und Speicherkapazität) oder durch Optimierung der Rekonstruktionsalgorithmen (vgl. S. 3 letzter Abs. - S. 7, Abs. 2). Auf S. 7, Abs. 4 wird als dem Anmeldungsgegenstand zugrunde liegende Aufgabe genannt, ein Verfahren zur Rekonstruktion eines Objekts, bei dem das Objekt von Strahlen, die von einer Strahlungsquelle mit einer kegelförmigen Strahlgeometrie ausgehen, durchstrahlt und die Schwächung der Strahlen für verschiedene Positionen der Strahlungsquelle erfasst wird, derart weiter zu bilden, dass sich eine deutliche Verringerung der Rekonstruktionszeit und des Speicherbedarfs gegenüber bekannten Verfahren ergibt.

2. Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 versteht der zuständige Fachmann, ein Informatiker oder Mathematiker mit mehrjähriger Berufspraxis auf dem Gebiet der Bildrekonstruktion, als Verfahren, mit dem aus einer Vielzahl von zweidimensionalen Projektionsdaten, die bei der Abtastung eines Objektes unter verschiedenen Positionen erfasst wurden, die Dichteverteilung des dreidimensionalen Objekts mathematisch rekonstruiert wird.

Zu den geometrischen Verhältnissen, unter denen die einzelnen Projektionen gewonnen wurden, sagt der Anspruch nichts aus; er geht lediglich davon aus, dass die zweidimensionalen Daten von einem zweidimensionalen Detektor erfasst werden, auf den die durch das Objekt geschwächte kegelförmige Strahlung einer punktförmigen Strahlenquelle auftrifft. Der Fachmann wird aber eine Rotation der Strahlenquelle und des Detektors um eine Rotationsachse zugrunde legen, wie sie in Figur 9 angedeutet ist und durch den Winkel auf S. 15 i. V. m. Fig. 11 zum Ausdruck kommt.

In Hinsicht auf den Typ des zur Rekonstruktion der Dichteverteilung des dreidimensionalen Objektes aus den in verschiedenen Positionen gewonnenen Projektionen verwendeten Algorithmus sagt der Anspruch 1 nur aus, dass dieser einen Rückprojektionsschritt vorsehe und die Rückprojektion durch eine Addition der gefilterten und geometrisch gewichteten Projektionsdaten erfolge. Aus diesen Angaben schließt der Fachmann in Zusammenhang mit den Ausführungen auf S. 8, Abs. 1 der Beschreibung und dem ursprünglichen Anspruch 1, dass der für die Rekonstruktion benutzte Algorithmus, jedenfalls was Filterung und Wichtung der einzelnen Projektionen und die Rückprojektion anbelangt, mit dem Feldkamp-Algorithmus übereinstimmt.

Wie sich aus dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 ergibt, wird dieser Algorithmus dahingehend modifiziert, dass für die mathematische Rekonstruktion der innerhalb des Strahlkegels liegende Bereich nicht in kartesischen Koordinaten parametrisiert wird (vgl. hierzu Figur 6), sondern in Zylinderkoordinaten, wie in Figur 10 gezeigt. Die Verwendung von Zylinderkoordinaten erlaubt es, dass die zur Rekonstruktion des dreidimensionalen Objekts erforderlichen Schnittpunktsberechnungen nur einmal durchgeführt werden müssen, weil um die Rotationsachse symmetrische Verhältnisse vorliegen, wie oben erläutert.

Einzelheiten zu den mit dem Anspruch 1 vorgeschlagenen Modifikationen des in Figur 5 gezeigten Feldkamp-Algorithmus können dem in Figur 19 gezeigten Flussdiagramm für den "Zylinderalgorithmus" entnommen werden.

Es erscheint glaubhaft, dass sich durch die mit dem Anspruch 1 vorgeschlagene Verwendung von Zylinderkoordinaten an Stelle von nicht rotationssymetrischen kartesischen Koordinaten eine Reduzierung der zur Rekonstruktion erforderlichen Rechenschritte und auch eine Verringerung der Anzahl der zu berechnenden Variablen und damit des Speicherbedarfs ergibt.

3. Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist indes nicht patentfähig, weil es nicht auf technischem Gebiet liegt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Verfahren, das sich zur Herbeiführung des angestrebten Erfolgs eines Programms bedient, mit dessen Hilfe eine Datenverarbeitungsanlage so gesteuert wird, dass der gewünschte Erfolg erzielt wird, nicht schon wegen des Vorgangs der elektronischen Datenverarbeitung dem Patentschutz zugänglich. Die beanspruchte Lehre muss vielmehr Anweisungen enthalten, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen. Nichts anderes gilt nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs, wenn die beanspruchte Lehre als mathematische Methode anzusehen ist (vgl. GRUR 2005, 143, 144 - Rentabilitätsermittlung - m. w. H.).

Insoweit geht das Argument der Anmelderin fehl, dass schon der Einsatz des technischen Mittels Datenverarbeitungsanlage ausreicht, um den technischen Charakter des beanspruchten Verfahrens - ob als Datenverarbeitungsprogramm oder mathematische Methode gesehen - zu begründen.

Im Verfahren nach dem Patentanspruch 1 können auch keine Anweisungen erkannt werden, die der Lösung eines konkreten technischen Problems dienen.

Der Patentanspruch 1 schlägt vor, für einen Teil der Berechnungen an Stelle von kartesischen Koordinaten Zylinderkoordinaten zu verwenden. Die Verwendung von (rotationssymmetrischen) Zylinderkoordinaten macht es möglich, die Schnittpunktsberechnungen nur einmal durchführen zu müssen.

Andere Anweisungen, die etwa der Verbesserung der zum Einsatz kommenden technischen Mittel oder der Kompensation von technischen Unzulänglichkeiten dienen, sind aus dem Anspruch 1 nicht ersichtlich. Wie in der Beschreibungseinleitung ausgeführt (vgl. S. 7, Abs. 2), ist eine Verkürzung der Rekonstruktionszeit prinzipiell möglich durch eine Verbesserung der Rechnerarchitektur (oder anderer zur Ausführung benutzter technischer Mittel), oder durch eine Optimierung der Rekonstruktionsalgorithmen. Im vorliegenden Fall enthält der Anspruch 1 keine Anweisungen zur Modifikation der zum Einsatz kommenden technischen Mittel. Im Anspruch 1 können weder Anweisungen erkannt werden, mit denen der zur Ausführung des (modifizierten) Algorithmus verwendete Rechner abgeändert wird, noch Anweisungen, mit denen die zur Abtastung der Projektionen verwendeten Mittel irgendwie modifiziert werden. Eine Optimierung allein des mathematischen Algorithmus aber kann nicht als technische Leistung anerkannt werden.

Die Anmelderin führt hiergegen an, dass dem beanspruchten Rekonstruktionsverfahren nach der Entscheidung "Logikverifikation" des Bundesgerichtshofs technischer Charakter zukommen müsse.

Gegenstand der Entscheidung "Logikverifikation" (vgl. Bl. PMZ 2000, 273) war ein Zwischenschritt in einem mittels einer Datenverarbeitungsanlage ausgeführten Prozess, der mit der Herstellung eines Chips endete. Diesem Zwischenschritt wurde technischer Charakter zugebilligt, weil er auf technischen Überlegungen beruhte (vgl. a. a. O., Leitsatz 2). In der Begründung wird hierzu erläutert, dass die angemeldete Lehre auf Überlegungen beruhte, die sich auf körperliche bzw. physikalische Gegebenheiten konzentrieren und dass allein ein Fachmann mit schaltungstechnischen Kenntnissen (d. h. ein Techniker) in der Lage war, diesen Zwischenschritt zu leisten (vgl. a. a. O. S. 275, re. Sp.).

Im Gegensatz hierzu bedurfte es im vorliegenden Fall lediglich der Überlegungen eines Mathematikers. Einer Auseinandersetzung mit technischen Sachverhalten bedurfte es, wie oben ausgeführt, hierzu nicht.

Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 kann daher nicht als Erfindung i. S. d. § 1 PatG anerkannt werden. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

4. Die Anmelderin hat die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 100 Abs. 2 PatG angeregt. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, über die noch keine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorliegt, wird mit der vorliegenden Anmeldung nicht aufgeworfen. Insbesondere in der oben erwähnten Entscheidung "Rentabilitätsermittlung" hat der Bundesgerichtshof die wesentlichen und auch für den vorliegenden Anmeldungsgegenstand relevanten Kriterien dargelegt, unter denen ein computerimplementiertes Verfahren als dem Patentschutz zugängliche Erfindung anerkannt werden kann. Eine vom vorliegenden Beschluss abweichende Rechtsprechung eines anderen Senats des Bundespatentgerichts wurde von der Anmelderin nicht geltend gemacht und ist auch nicht erkennbar.

Die Anregung der Anmelderin auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war daher nicht aufzugreifen.






BPatG:
Beschluss v. 18.01.2007
Az: 17 W (pat) 16/04


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