Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 22. Mai 2013
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 73/12

(BGH: Beschluss v. 22.05.2013, Az.: AnwZ (Brfg) 73/12)

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das seinem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 20. November 2012 zugestellte Urteil des 2. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

II.

Der zulässige Antrag, mit dem der Kläger das Bestehen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend macht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), hat keinen Erfolg.

1. Entgegen der Meinung des Klägers bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den zutreffend festgestellten Vermögensverfall nicht ausgeschlossen ist.

a) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Der pauschale Einwand des Klägers, dass Beweise für eine verstärkte Kriminalität von Rechtsanwälten mit Vermögensverfall nicht erbracht werden könnten und diese in der Regel alles daran setzen würden, ihre Zulassung nicht noch zusätzlich durch kriminelle Handlungen zu gefährden, ist ungeeignet, diese gesetzgeberische Wertung ernsthaft in Frage zu stellen; im Übrigen kann eine Gefährdung völlig unabhängig von einem kriminellen Verhalten des Betroffenen eintreten. Auch wenn die gesetzliche Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, wird diese im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden können (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur Beschlüsse vom 22. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 12/11, juris Rn. 3; vom 11. Juni 2012 - AnwZ (Brfg) 20/12, juris Rn. 4 und vom 21. Februar 2013 - AnwZ (Brfg) 68/12, juris Rn. 10). Hierfür 2 trägt der Rechtsanwalt die Feststellungslast (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2010 - AnwZ (B) 67/08, BRAK-Mitt. 2010, 129 Rn. 11; vom 11. Juni 2012, aaO und vom 5. September 2012 - AnwZ (Brfg) 26/12, NJW-RR 2013, 175 Rn. 5).

b) Zwar kann eine solche Sondersituation vorliegen, wenn der Rechtsanwalt seinen Beruf bisher ohne jede Beanstandung ausgeübt und den Insolvenzantrag selbst gestellt hat, im Insolvenzverfahren keine Anmeldungen von Gläubigern vorliegen, die aus Mandaten des Rechtsanwalts stammen und vor allem dieser seine selbständige anwaltliche Tätigkeit vollständig und nachhaltig aufgibt, diese nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511; vom 22. Juni 2011, aaO und vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 43/12, juris Rn. 9). Was diese Maßnahmen anbelangt, hat der Senat besonderen Wert auf die Überprüfung der Einhaltung der Beschränkungen durch die Sozietätsmitglieder gelegt (vgl. nur Beschluss vom 22. Juni 2011, aaO Rn. 3); die Kontrolle des angestellten Anwalts kann nicht durch andere Angestellte der Kanzlei übernommen werden (vgl. nur Beschluss vom 5. Dezember 2005 - AnwZ (B) 13/05, BRAK-Mitt. 2006, 81, 82). Wesentlich ist, dass - auch in Vertretungsfällen (Urlaub, Krankheit, sonstige Abwesenheit) - effektive Kontrollmöglichkeiten bestehen; es bedarf immer einer ausreichend engen tatsächlichen Überwachung, die gewährleistet, dass der Rechtsanwalt nicht bzw. nicht unkontrolliert mit Mandantengeldern in Berührung kommt. Die Einhaltung vertraglich vereinbarter Sicherungsmaßnahmen ist dabei nach der ständigen Senatsrechtsprechung nur in einer Sozietät, nicht aber in einer Einzelkanzlei sichergestellt (vgl. nur Beschlüsse vom 5. Dezember 2005, aaO; vom 8. Februar 2010, aaO Rn. 12 und vom 24. Oktober 2012, aaO Rn. 9 m.w.N.). 5 Darüber hinaus hat der Senat auch betont, dass besonderes Augenmerk der Frage gelten müsse, ob die arbeitsvertraglichen Beschränkungen vom angestellten Rechtsanwalt und seinen Arbeitgebern eingehalten würden, und hieraus abgeleitet, dass es nicht ausreiche, wenn ein solcher Vertrag vorgelegt werde; vielmehr müsse der Vertrag schon über einen längeren Zeitraum beanstandungsfrei "gelebt" worden sein (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2010, aaO Rn. 12; vom 6. September 2011 - AnwZ (Brfg) 5/11, juris Rn. 5 und vom 4. April 2012 - AnwZ (Brfg) 62/11, juris Rn. 7).

c) Diese Voraussetzungen waren zu dem nach der Senatsrechtsprechung maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens (vgl. nur Beschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 47/12, juris Rn. 6 und vom 4. Februar 2013 - AnwZ (Brfg) 31/12, juris Rn. 7) - hier Widerrufsbescheid der Beklagten vom 21. September 2011 - nicht gegeben; sie liegen im Übrigen bis heute nicht vor.

aa) Zwar hatte der Kläger gegenüber der Beklagten mit Schriftsatz vom 29. März 2011 angekündigt, dass er zum 1. April 2011 Insolvenzantrag stellen und seine bisherige Partnerschaft mit seinem Sohn beenden werde; ab diesem Datum bestehe die Möglichkeit, dass ihn eine größere Partnerschaft einstelle, wobei der Vertrag, den er umgehend nachreichen werde, sämtlichen Anforderungen der Senatsrechtsprechung genüge. Eine entsprechende Angestelltentätigkeit für eine Sozietät hat der Kläger dann aber nicht aufgenommen. Soweit er später mit Schriftsatz vom 19. Juli 2011 einen Vertrag vom 11. Juli 2011 mit der neu gegründeten, aber noch nicht im Partnerschaftsregister eingetragenen und von der Steuerberaterkammer Niedersachsen auch noch nicht anerkannten "B. Steuerberatungsgesellschaft Partnerschaft B. 6 Steuerberater und Rechtsanwalt" vorgelegt hat - nach Ziffer 24 sollte der Vertrag mit dem Kläger beginnen, sobald die Partnerschaft im Partnerschaftsregister eingetragen ist - und vorgetragen hat, er werde ab der Eintragung seine Tätigkeit als Einzelanwalt vollständig und nachhaltig aufgeben, ist es bis zum Bescheid der Beklagten vom 21. September 2011 nicht zu einer solchen Eintragung gekommen. Die B. Steuerberatungsgesellschaft ist vielmehr erst am 19. Oktober 2011 in das Partnerschaftsregister eingetragen worden. Am 10. November 2011 erfolgte die Anerkennung durch die Steuerberaterkammer N. , sodass die Gesellschaft erst ab diesem Zeitpunkt ihre Geschäftstätigkeit hätte aufnehmen können (§ 4 Abs. 4 des Partnerschaftsvertrags).

Im Übrigen war in den Partnerschaftsverträgen vom 20./23. Juni sowie 8./9. August 2011 (wie im Anstellungsvertrag vom 11. Juli 2011) als Sitz der B. Steuerberatungsgesellschaft G. - mit Niederlassungen in Ha. , H. und I. - angegeben, wobei der Kläger nach seinem Anstellungsvertrag weiter in H. in seinen bisherigen Kanzleiräumen in der T. straße arbeiten sollte. Bei Ortsverschiedenheit ist aber regelmäßig eine effektive Kontrolle durch die Sozietät nicht möglich (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. Juni 2011, aaO Rn. 4 und vom 5. September 2012, aaO Rn. 6). Zwar war in H. in der T. straße der Sohn des Klägers (Mitglied der Partnerschaft) tätig. Abgesehen davon, dass Zweifel an dessen Eignung als Kontrollperson bestehen - der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen des Anwaltsgerichtshofs -, hätte zum Ausschluss einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden sichergestellt werden müssen, dass auch in Vertretungsfällen (Urlaub, Krankheit, sonstige Abwesenheit) effektive Kontrollmöglichkeiten durch die Sozietät bestehen. Insoweit ist jedoch weder vom Kläger hinreichend dargelegt worden noch anderweitig ersichtlich, dass und wie 8 durch die anderen Partner eine ausreichende Überwachung in H. gewährleistet worden wäre, wobei dahinstehen kann, ob Kontrollen eines insolventen Rechtsanwalts durch fachfremde Steuerberater in diesem Zusammenhang überhaupt genügen können. Dass in Ziffer 9b des Arbeitsvertrags des Klägers bestimmt war, dass - zudem nur für die Urlaubszeit und eine längere Abwesenheit seines Sohnes - für diesen als "Vertreter" ein sozietätsfremder Rechtsanwalt bestellt werden sollte, reicht jedenfalls nicht aus. Soweit der Kläger mit Schriftsätzen vom 1. und 12. September 2011 gegenüber der Beklagten angekündigt hat, der zukünftige Hauptsitz der Partnerschaft werde nunmehr in H. in der T. straße sein, hat er weder einen entsprechend geänderten Vertrag vor- noch in diesem Zusammenhang ausreichend dargelegt, dass durch diese beabsichtigte Änderung eine effektive Kontrolle vor Ort durch die Sozietätsmitglieder gewährleistet ist. Hinzu kommt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Anstellungsvertrag weder in Kraft gesetzt noch gar "gelebt" worden ist.

bb) Soweit der Kläger in seiner Zulassungsbegründung darauf verweist, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit in den Kanzleiräumen in H. mit seinem Sohn mündlich Sicherungsmaßnahmen vereinbart habe sowie auf einer Personalversammlung vom 4. April 2011 den Mitarbeitern entsprechende Anweisungen erteilt und diese in der Folgezeit "gelebt" worden seien, übersieht er, dass nach der ständigen Senatsrechtsprechung (s.o.) nur eine Tätigkeit für eine Sozietät ausreichende Gewähr für einen Ausschluss der Gefährdung bieten kann. Deshalb kommt es auf die in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen gegen das - im Übrigen nach Auffassung des Senats sachgerechte - Postulat des Anwaltsgerichtshofs, wonach die Sicherungsmaßnahmen grundsätzlich schriftlich festzuhalten sind, nicht an. Im Übrigen bestand in der Zeit ab Frühjahr 2011 bezüglich des Kanzleiorts in H. , wie der Anwaltsgerichtshof, auf 9 dessen Feststellungen Bezug genommen wird, ausgeführt hat, nach außen eine Scheinsozietät zwischen dem Kläger und seinem Sohn, intern - da der Kläger erklärtermaßen nicht bei seinem Sohn angestellt war und es auch kein eindeutig vereinbartes freies Mitarbeiterverhältnis gab - eine "nicht näher zu fassende Rechtsbeziehung". Ein insolventer Anwalt darf aber nach außen nicht den Eindruck einer Scheinsozietät erwecken, wenn er den Nachweis des Ausschlusses der Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden führen will.

cc) Letztlich liegen bis heute die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Gefährdung nicht vor. Der Kläger hat - wie der Anwaltsgerichtshof festgestellt hat - seine Anstellung bei der B. Steuerberatungsgesellschaft nicht weiter verfolgt. Hintergrund dürfte gewesen sein, dass sein Sohn aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Dieser hat stattdessen mit den Steuerberatern und vormaligen Partnern in der B. Steuerberatungsgesellschaft B. eine neue, keine Steuerberatungsgesellschaft bildende Partnerschaft ("B. S. & Partner Rechtsanwalt, Steuerberater") gegründet, mit der der Kläger unter dem 28. Dezember 2011 einen Anstellungsvertrag, der inhaltlich der früheren Vereinbarung vom 11. Juli 2011 entspricht, abgeschlossen und für die er nach seiner Darstellung ab Eintragung der neuen Partnerschaft am 4. Juni 2012 gearbeitet hat. Der Hinweis des Klägers, dass nunmehr neben seinem Sohn zusätzliche potentiell aufsichtsführende Personen - die beiden Partner der neuen Gesellschaft - hinzugetreten seien, ist schon deshalb nicht erheblich, weil der Kläger in diesem Zusammenhang nicht näher darlegt, dass und wie vor Ort in der T. straße in H. in Fällen der Abwesenheit seines Sohnes eine effektive Kontrolle durch die anderen Partner gewährleistet ist. Dass die Partner unter dieser Anschrift in H. arbeiten, ist nicht ersichtlich; auf den vom Kläger im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof mit 10 Schriftsatz vom 20. August 2012 vorgelegten Fotos der Praxisschilder der B. S. & Partner sind lediglich der Kläger und sein Sohn aufgeführt.

dd) Dass die Beklagte davon abgesehen hat, den Sofortvollzug der Widerrufsverfügung anzuordnen, und nach Meinung des Klägers dafür die Voraussetzungen auch gefehlt haben, ist ohne Bedeutung. Daraus lässt sich weder ableiten, dass tatsächlich eine Gefährdung ausgeschlossen oder der Widerruf unverhältnismäßig ist. Der mit der Zulassungsbegründung betonte Umstand, dass der Kläger aus Altersgründen weder in der Lage noch willens sei, in größerem Umfang beruflich tätig zu werden, es ihm nur darum gehe, eine Nebentätigkeit in der Kanzlei seines Sohnes auszuüben, stellt den Zulassungswiderruf ebenfalls nicht in Frage.

2. Ernstliche Zweifel bestehen auch nicht, soweit der Anwaltsgerichtshof die formellen - auf das dem angefochtenen Bescheid vorangegangene interne Beschlussverfahren der Beklagten gestützte - Einwendungen des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit des Widerrufs zurückgewiesen hat.

a) Durch die Geschäftsordnung (GO) des Vorstands der Beklagten werden dem Präsidium gemäß § 79 Abs. 1 BRAO verschiedenen Aufgaben, so u.a. die Entscheidungen "in Personalangelegenheiten der Kammermitglieder" (§ 9 Nr. 1 GO) übertragen, soweit diese nicht dem Präsidenten gemäß § 10 GO obliegen. Nach § 10 GO sind dem Präsidenten gemäß § 80 Abs. 4 BRAO "diejenigen Personalangelegenheiten der Kammermitglieder, bei denen eine Anwendung gesetzlicher Versagungsgründe nicht in Betracht kommt", übertragen worden. 11 b) Die Annahme des Klägers, er sei nicht "Personal der Beklagten" gewesen, so dass der Vorstand (§ 33 Abs. 1, § 73 Abs. 1 Satz 2 BRAO) über den Widerruf hätte entscheiden müssen, ist unzutreffend. Es geht um die Personalangelegenheiten der Kammermitglieder, zu denen der Kläger gehört. Dass zu diesen Personalangelegenheiten auch die Entscheidung über den Widerruf der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu zählen ist, liegt auf der Hand. Die Auffassung des Klägers, aus Art. 12 Abs. 1 GG sei abzuleiten, dass die Übertragung der Zuständigkeit für den Widerruf nur ausdrücklich und nicht unter dem Oberbegriff "Personalangelegenheiten der Kammermitglieder" erfolgen dürfe, vermag der Senat ebenso wenig nachzuvollziehen wie seine Rüge, der Umstand, dass hier das Präsidium der Beklagten - und nicht der Vorstand - den Widerruf beschlossen habe, verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 GG und das Demokratieprinzip. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit der Übertragung von Befugnissen vom Vorstand auf das Präsidium nicht beschränkt (§ 79 Abs. 1 BRAO). Die Übertragung von Befugnissen auf das Präsidium dient - nicht anders als die Übertragung von Befugnissen auf einzelne Abteilungen des Vorstands nach § 77 Abs. 1 BRAO - der Erleichterung der Führung der Vorstandsgeschäfte und damit letztlich deren schnellerer Erledigung (vgl. auch BT-Drucks. 3/120 S. 88 f. zu §§ 90, 92 BRAO-E). Weshalb für den Widerruf einer Anwaltszulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO von Verfassungs wegen nur der gesamte - bei der Beklagten aus 25 Mitgliedern bestehende - Vorstand und nicht das sich aus gewählten Vorstandsmitgliedern zusammengesetzte Präsidium (§ 78 Abs. 1 BRAO) zuständig sein darf, erschließt sich dem Senat nicht.

c) Auch der weitere Einwand des Klägers, entgegen der Auffassung der Beklagten sei letztlich nicht das Präsidium, sondern nur der Präsident für den Widerruf zuständig gewesen, ist im Ergebnis nicht geeignet, ernsthafte Zweifel an der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs zu begründen. Zwar ist - wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat - die Regelung über die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Präsidium und Präsident nicht ganz eindeutig und könnte die Formulierung "Versagungsgründe" in § 10 GO dafür sprechen, dass nur Zulassungs-, nicht aber Widerrufsfälle gemeint sind. Der Anwaltsgerichtshof, auf dessen diesbezügliche Feststellungen die Zulassungsbegründung nicht eingeht, hat insoweit darauf hingewiesen, dass es langjähriger Praxis der Beklagten entspreche, dass Widerrufsvorgänge vom Präsidium behandelt werden und sämtliche Organe der Beklagten - Präsidium, Präsident und auch Vorstand - die Regelungen der Geschäftsordnung in diesem Sinn verstünden. Abgesehen davon hat die Beklagte, worauf der Anwaltsgerichtshof zutreffend hingewiesen hat, mit Schriftsatz vom 12. September 2012 vorgetragen, dass die Entscheidung im Präsidium einstimmig getroffen worden ist. Demnach hat der Präsident, der im Übrigen sowohl den Widerrufsbescheid wie den vorerwähnten Schriftsatz unterzeichnet hat, für den Widerruf gestimmt. Dem tritt der Kläger in seiner Zulassungsbegründung konkret nicht entgegen. Er behauptet auch nicht, der Präsident habe sich gegen den Widerruf der Zulassung ausgesprochen und sei bei der Beschlussfassung im Präsidium überstimmt worden. Mithin ist im Rahmen der internen Willensbildung der Beklagten der angefochtene Widerruf sowohl vom Willen des Präsidiums wie des Präsidenten getragen.

d) Der Kläger rügt mit näheren Ausführungen zuletzt eine nicht den Anforderungen des § 72 Abs. 3 BRAO genügende und deshalb fehlerhafte Protokollführung. Dieser Einwand ist ungeeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen. § 72 Abs. 3 BRAO betrifft Beschlüsse des Vorstands, nicht des Präsidiums. Grundsätzlich müssen Einzelheiten der Beschlussfassung über den Widerruf dem betroffenen Anwalt auch nicht mitgeteilt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 45/12, NJW-RR 2013, 303 Rn. 9). Die Gültigkeit von Präsidiumsbeschlüssen hängt auch nicht von der Vollständigkeit eines etwaigen Protokolls ab.

Soweit der Kläger bestreitet, dass eine ordnungsgemäße Sitzung des Präsidiums stattgefunden hat, ist nicht ersichtlich, dass die Abwesenheit eines Mitglieds des fünfköpfigen Präsidiums der Beklagten, auf die der Kläger in diesem Zusammenhang hinweist, dieses beschlussunfähig gemacht haben könnte.

Im Übrigen handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Widerruf um keine Ermessensentscheidung der Beklagten. Da die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vorlagen, musste die Beklagte die Zulassung des Klägers widerrufen. Etwaige Verfahrens- oder Formfehler sind aber im Rahmen der § 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 46 VwVfG regelmäßig unbeachtlich, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Tolksdorf Roggenbuck Seiters Quaas Braeuer Vorinstanz:

AGH Celle, Entscheidung vom 20.11.2012 - AGH 34/11 - 19






BGH:
Beschluss v. 22.05.2013
Az: AnwZ (Brfg) 73/12


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