Oberlandesgericht Karlsruhe:
Beschluss vom 29. August 2016
Aktenzeichen: 6 U 57/16

(OLG Karlsruhe: Beschluss v. 29.08.2016, Az.: 6 U 57/16)

1. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Erhebung einer Klage durch den Inhaber eines standardessentiellen Patents (SEP) Art. 101 AEUV entgegensteht, ist offen.

2. Ob und unter welchen Voraussetzungen die FRAND-Bereitschaftserklärung des SEP-Inhabers den Schadensersatzanspruch und die begleitende Rechnungslegung auf solche Angaben beschränkt, die für eine FRAND-Lizenzberechnung erforderlich sind, ist ungeklärt.

3. Hinsichtlich der Namen und Anschriften der nichtgewerblichen und der gewerblichen Angebotsempfänger ist dem Verletzer regelmäßig ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen.

4. Die Verwertung des Klagepatents über einen Patentpool führt nicht per se dazu, dass die nach §§ 719, 707 ZPO vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Patentinhabers ausfallen muss.

Tenor

1. Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 1 des Tenors des Landgerichts Mannheim vom 04.03.2016 (Az. 7 O 23/14) gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

2. (€)

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Folgen einer von der Klägerin behaupteten Patentverletzung sowie die hieraus resultierenden Ansprüche - nach Ablauf des Patents - auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadensersatz.

Die Klägerin ist Inhaberin des am 12.12.1995 unter Inanspruchnahme der Priorität des europäischen Patents 94203642 vom 14.12.1994 angemeldeten europäischen Patents EP 0 745 307 B3 betreffend ein Übertragungssystem für Untertitel. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Patents erfolgte am 29.12.1999. Grundlage der vorliegenden Verletzungsklage ist Anspruch 14 des Patents (nachfolgend: Klagepatent), der in der Verfahrenssprache (mit Bezugsziffern) folgenden Wortlaut hat:

A receiver coupled to a display screen for receiving encoded data defining a graphic image in the form of a rectangular region within an area of an active video signal, comprising means for decoding said encoded data into individual pixels constituting said region, means for storing said pixels, and means for generating display signals representing said pixels, characterized by further comprising means for decoding from said encoded data for each graphic image the size and position of said region and a time stamp, and means for displaying the region with said size and position from a time representated by said time stamp.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagepatentschrift, insbesondere wegen der Beschreibung und der Figuren, wird auf die Patentschrift Bezug genommen. Gegen das Klagepatent haben die Firmen A€ (Az.: 5 Ni 34/14) sowie H€ (Az.: 5 Ni 2/13) Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht erhoben.

Mit der Lizenzierung des Klagepatents hat die Klägerin den Patent-Pool €€€ (nachfolgend: €P€) beauftragt, wobei die Klägerin daneben auch selbst Lizenzen anbietet. P ist ein in K€ ansässiges Unternehmen, das neben den Patenten der Klägerin auch Schutzrechte dreier weiterer namhafter Elektronikunternehmen in deren Auftrag verwertet. P bietet seit Oktober 2012 Pool-Lizenzen für die DVD-Softwaretechnologie an.

Die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft des B-Konzerns und vertreibt Computer, darunter etwa die Modelle €€€ und €€€, die eine Software beinhalten, die Datenströme mit DVD-standardgemäßen Untertitel-Graphiken decodieren und anzeigen kann. Der DVD-Standard sieht vor, dass mit bestimmten Parametern (SET_DAREA, PTS, SP_DSCQ_STM, FSTA_DSP, STP_DSP) Untertitel-Graphiken hinsichtlich deren Größe und Position auf dem Bildschirm sowie hinsichtlich des Zeitpunkts ihres Erscheinens gesteuert werden können (angegriffene Ausführungsformen).

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die angegriffenen Ausführungsformen von sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 14 unmittelbar wortsinngemäßen Gebrauch machen, indem sie gemäß den Vorgaben des DVD-Standards ausgebildet sind.

Im Hinblick auf das Klagepatent gab die Klägerin gegenüber dem sogenannten €DVD-Forum€, welches den Standard verwaltet und dessen Mitglied die Klägerin ist, jedenfalls nachträglich eine sogenannte FRAND-Erklärung ab (Anlage K 20). Ob die Klägerin eine solche Erklärung bereits abgegeben hatte, als sie das Klagepatent als für den Standard essentiell deklarierte, steht zwischen den Parteien im Streit.

Die Klägerin verhandelte mit der Muttergesellschaft der Beklagten über den Abschluss eines Lizenzvertrages. Zuvor hatte der für die Klägerin tätige Lizenzpool P der Konzernmutter der Beklagten ein Angebot auf Abschluss eines Poollizenzvertrages unterbreitet, das jene nicht angenommen hatte. P nahm für die Softwarelizenz einen Abschlag von 80 % auf den Standardlizenzsatz für DVD-Player vor und gewährte einen weiteren Abschlag von 30 % für PCs mit vorinstallierter Software. Das Angebot sah eine Rate von USD € vor.

Die Beklagte unterbreitete der Klägerin mit Schriftsatz vom 30.05.2014 ein Lizenzvertragsangebot (Anlage B&B 11), das sich auf das Klagepatent bezieht und als Lizenzgegenstand solche Produkte erfasst, die im Inland vertrieben werden. Die Bestimmung der Lizenzgebühr stellte die Beklagte wahlweise in das billige Ermessen der Klägerin oder bot unter Hinweis auf ein Sachverständigengutachten (Anlage B&B 12) eine Stücklizenz von USD € an.Die Beklagte hinterlegte beim Amtsgericht Düsseldorf berechnet aus einem Lizenzsatz von USD € für eine deutsche Einzellizenz eine Summe von USD € (Anlage B&B 30; USD€ Lizenzgebühr nebst USD € Zinsen und Sicherheitszuschlag USD €) und rechnete gegenüber der Klägerin diesbezüglich ab (Anlage B&B 31).

Die Klägerin unterbreitete der Beklagten mit Schriftsatz vom 25.07.2014 das Angebot, das ihr von der Beklagten unterbreitete Angebot mit den in diesem Schreiben enthaltenen Änderungen anzunehmen (Anlage K 5). Dieses Angebot nahm die Beklagte bzw. deren Muttergesellschaft nicht an.

Die Klägerin unterbreitete der Muttergesellschaft der Beklagten am 13.03.2015 ein weiteres Lizenzvertragsangebot, welches sich auf ihr weltweites Patentportfolio hinsichtlich der DVD-Software bezog. Zudem legte sie eine Liste von aus ihrer Sicht für das Portfolio repräsentativen Patenten vor und wies nach Patentansprüchen sortiert auf Abschnitte des DVD-Standards hin, durch die jene implementiert würden (Anlage K1f). Die Lizenzrate berechnete die Klägerin ausgehend von der P-Poollizenz, nahm gegenüber der Lizenz für Hardware einen Abschlag von 80 % vor, da Gegenstand der Lizenz nur die Softwarefunktionalität war (PCs mit vorinstallierter DVD-Software oder bloßem Playback-Laufwerk einerseits und mit DVD-Brennern mit Codierungsfunktion zum Erstellen von DVDs anderseits), differenzierte zwischen vergangener und künftiger Nutzung, bildete einen Bruchteilsfaktor entsprechend dem anteiligen von ihr angenommenen Wert des klägerischen Anteils am Pool-Portfolio und setzte für Verwaltungsmehraufwand 20 % als Aufschlag an und gelangte so zu einer Rate von USD € (Compliant Rate) bzw. € (Standard Rate).

Die Beklagte forderte hierauf Claim-charts zu allen Portfoliopatenten ein und beanstandete die Lizenzberechnung als nicht ausreichend nachvollziehbar (Anlage K 1g).Die Klägerin übersandte der Beklagten bzw. der Konzernmutter am 24.06.2015 eine Präsentation mit technischen Erläuterungen zu den Patentfamilien im Portfolio der Klägerin (Anlage K 1k).

Mit dem mit der Berufung angefochtenen Urteil (Urt. v. 04.03.2016 - Az. 7 O 23/14), auf das zur Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich der getroffenen Feststellungen und der Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht die Beklagte - soweit hier von Interesse - gemäß Ziffer 1 des Tenors zur Auskunft über Angebot, Vertrieb und Inverkehrbringen der angegriffenen Ausführungsformen verurteilt, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und den Schaltungszeiträumen,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei der Beklagten vorbehalten wurde, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von ihnen zu bezeichnenden, der Klägerin gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

Mit der dagegen eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Die Beklagte beantragt, soweit hier von Interesse,

die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 1 des Tenors des Landgerichts Mannheim vom 04.03.2016 (Az. 7 O 23/14) gegen Sicherheitsleistung, deren Höhe vom Senat zu bestimmen ist, einstweilen einzustellen soweit sie über die Angabe der Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen und -zeiten hinausgeht.

Die Klägerin tritt dem Einstellungsantrag entgegen.II.

Der Einstellungsantrag der Beklagten hat keinen Erfolg. Gemäß §§ 719 Abs. 1 Satz 1, 707 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann, wenn gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Berufung eingelegt wird, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt werden. Im Rahmen der demnach zu treffenden Ermessensentscheidung hat das Gericht die widerstreitenden Interessen des Gläubigers einerseits und des Schuldners andererseits abzuwägen. Dabei hat es die Wertentscheidung des Gesetzgebers zu beachten, dass grundsätzlich den Belangen des Vollstreckungsgläubigers der Vorrang gebührt. Der Vorschrift des § 709 Satz 1 ZPO ist zu entnehmen, dass der Vollstreckungsschuldner in aller Regel bereits durch die vom Gläubiger vor der Vollstreckung zu leistende Sicherheit hinreichend geschützt ist. Es entspricht daher gefestigter Rechtsprechung, dass in Fällen, in denen das angefochtene Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur in Ausnahmefällen unter besonderen Umständen in Betracht kommen kann. Es ist jedoch anerkannt, dass die Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht kommt, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einstellungsantrag bei der im Verfahren nach §§ 719, 707 ZPO gebotenen summarischen Prüfung festgestellt werden kann, dass das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird oder wenn der Schuldner die Gefahr eines besonderen Schadens darlegen und glaubhaft machen kann, der über die allgemeinen Vollstreckungswirkungen hinausgeht (vgl. OLG Düsseldorf, aaO.; Senat, GRUR-RR 2015, 326 Rn. 17 -Mobiltelefone, juris; Beschl. v. 31.05.2016 - 6 U 55/16, Rn. 17, juris).

Es kann weder bei der im Verfahren nach §§ 719, 707 ZPO gebotenen summarischen Prüfung festgestellt werden, dass das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird (1.) noch hat die Beklagte die Gefahr eines besonderen Schadens dargelegt und glaubhaft gemacht, der über die allgemeinen Vollstreckungswirkungen hinausgeht (2.).

1. Voraussichtlich keinen Bestand hat das angefochtene Urteil bei offensichtlicher bzw. evidenter Fehlerhaftigkeit (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.05.2016 - I-15 U 36/16). Ob diese vorliegt, beurteilt sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen, die für die erstinstanzliche Entscheidung tragend sind. Erweisen sich diese Feststellungen oder rechtlichen Erwägungen bereits bei der anzustellenden summarischen Prüfung als nicht tragfähig, ist die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil regelmäßig einstweilen einzustellen. Dies gilt in der Regel ungeachtet dessen, ob das angefochtene Urteil sich im Ergebnis möglicherweise mit anderen Feststellungen oder auf Grund anderer rechtlicher Erwägungen als zutreffend erweisen kann (Senat, GRUR-RR 2015, 50 - Leiterbahnstrukturen; GRUR-RR 2015, 326 - Mobiltelefone; Beschl. v. 31.05.2016 - 6 U 55/16 Rn. 19 - juris).

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten erweist sich die Auffassung des Landgerichts, der Durchsetzung der verfolgten Ansprüche stehe Art. 101 AEUV nicht entgegen, bei summarischer Prüfung als vertretbar. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt:

€Selbst wenn die Klägerin keine beachtliche FRAND-Erklärung abgegeben haben sollte und dadurch die Standardisierung und/oder Einbringung der Lehre des Klagepatents in den Standard gegen Art. 101 AEUV verstoßen würde, würde dies nicht zu einer Durchsetzungssperre der verfolgten Ansprüche, insbesondere des Unterlassungs- und Rückrufsanspruchs führen. Ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV hätte zunächst die Nichtigkeit der Standardisierungsvereinbarung zur Folge. Darüber hinaus stünden Dritten nach nationalem Recht zivilrechtliche Ansprüche zu, die in Deutschland nach § 33 GWB auf Unterlassung, Beseitigung und Schadensersatz gerichtet sind. Bezugspunkt des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs ist dabei der Kartellverstoß, nämlich die Feststellung des Standards. Dementsprechend ist weder der Unterlassungsanspruch noch der Beseitigungsanspruch gegen die Durchsetzung des betreffenden Patents gerichtet. Die Verpflichtung zur Erteilung einer Zwangslizenz besteht nur bei einem Verstoß gegen Art. 102 AEUV und kann nur unter diesem Gesichtspunkt einen kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand begründen. (€) Nichts anderes gilt für einen eventuellen Schadensersatzanspruch. Auch dieser Anspruch ist nicht auf die Erteilung einer Lizenz gerichtet.€

Diese Auffassung ist jedenfalls vertretbar (ebenso: LG Düsseldorf, Urt. v. 19.01.2016 - 4b O 123/14 Rn. 322 mwN. - juris). Ob und unter welchen Voraussetzungen die Erhebung einer Klage durch den Inhaber eines SEP gegen Art. 101 AEUV verstößt, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt und streitig. Soweit im Schrifttum vereinzelt vertreten wird, Art. 101 AEUV könne zu einem Durchsetzungshindernis für eine Klage des Patentinhabers führen, bezieht sich diese Auffassung lediglich auf den Unterlassungsanspruch (Barthelmeß/Gauß, WuW 2010, 626, 634), nicht aber auf die hier in Rede stehenden Schadensersatz- und Auskunftsansprüche.

b) Die Verurteilung der Beklagten zur Auskunft über die Gestehungskosten und des erzielten Gewinns (Tenor Ziffer 1 e) sowie der betriebenen Werbung (Tenor 1.d) erweist sich auch aus anderen Gründen nicht als offensichtlich fehlerhaft. Es ist jedenfalls vertretbar, dass das Landgericht den Auskunftsanspruch nicht auf diejenigen Angaben beschränkt hat, die zur Berechnung des Schadensersatzes in Lizenzanalogie erforderlich sind (LU S. 14). Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass sich eine solche Beschränkung nicht aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16.07.2015 (C-170/13, NJW 2015, 2783 - HUAWEI/ZTE) ergibt. Denn zu der Schadensberechnungsmethode verhält sich die Entscheidung nicht. Der EuGH stellt lediglich klar, dass Art. 102 AEUV einer Verletzungsklage auf Rechnungslegung bezüglich der vergangenen Benutzungshandlungen und Schadensersatz wegen dieser Handlungen nicht entgegensteht (aaO. Tenor Ziffer 2).

Die Annahme des Landgerichts, auf die kartellrechtlichen Einwendungen und insbesondere die Abgabe einer FRAND-Verpflichtungserklärung komme es für die hier in Rede stehenden Schadensersatz- und Auskunftsansprüche nicht an, ist vertretbar. Zwar wird teilweise vertreten, die vom Schutzrechtsinhaber übernommene Pflicht, die Benutzung seines marktbeherrschenden Patents jedermann gegen eine ausbeutungsfreie Lizenz zu gestatten, reduziere den Schadensersatzanspruch auf diese FRAND-Lizenz und die begleitende Rechnungslegung auf solche Angaben, die für eine Lizenzberechnung erforderlich sind (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl. Kap. E Rn. 313; LG Düsseldorf, Urt. v. 19.01.2016 - 4b O 123/14 Rn. 348). Eine solche Beschränkung des Rechnungslegungsanspruchs wird jedoch von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht. So wird teilweise gefordert, dass der Patentbenutzer sich vor der Benutzung über die bestehende Patentsituation informiert und sich um eine Lizenz bemüht hat (LG Düsseldorf, Urt. v. 19.01.2016 - 4b O 123/14 Rn. 348). Nach anderer Auffassung soll die Beschränkung nur gelten, solange der Patentinhaber seinen Verpflichtungen zum Abschluss eines FRAND-Lizenzvertrages nicht nachkommt (Kühnen aaO. Rn. 313) bzw. eine Lizenzbereitschaft des Benutzers überhaupt festgestellt werden kann (Kühnen aaO. Rn. 314). Folgte man dieser Ansicht bestünde insbesondere kein Anspruch auf Auskunft über den Verletzergewinn, also über Kosten- und Gewinnangaben (LG Düsseldorf aaO.) sowie über die betriebene Werbung (vgl. BGH, GRUR 2008, 254, 258 - THE HOME STORE), sofern die genannten Voraussetzungen vorlägen.

Für eine Beschränkung des Schadensersatzanspruchs auf die FRAND-Lizenz könnte sprechen, dass sich der Inhaber eines standardessentiellen Patents durch seine FRAND-Erklärung selbst der Marktchance begeben hat, die sich daraus ergibt, dass allein der Schutzrechtsinhaber auf Grund seines Ausschließlichkeitsrechts jeden Dritten daran hindern kann, ein mit seinem schutzrechtsgemäßen Erzeugnis (technisch) identisches Produkt auf den Markt zu bringen und dass in dem Fall, in dem alle Produkte von dem Standard Gebrauch machen, gerade nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass die technischen Vorteile der Erfindung den Abnehmer veranlasst haben, Produkte des Verletzers anstelle der Produkte des Patentinhabers zu beziehen (vgl. zu dieser Zielrichtung der Berechnungsmethode des Verletzergewinns: BGH, GRUR 2012, 1226 Rn. 30 - Flaschenträger). Da die Frage höchstrichterlich jedoch noch nicht geklärt ist, und sich insbesondere aus § 139 Abs. 2 PatG, welcher die Berücksichtigung des Verletzergewinns bei der Bemessung des Schadens vorsieht, eine entsprechende Einschränkung nicht entnehmen lässt, kann bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht davon ausgegangen werden, dass die Auffassung des Landgerichts nicht vertretbar ist.

Es ist bei summarischer Prüfung im Übrigen auch nicht ausgeschlossen, dass die von der Klägerin begehrten Angaben über die Liefer- und Angebotspreise für die Ermittlung einer im Wege der Lizenzanalogie zu bestimmenden FRAND-Lizenz erforderlich sind (vgl. LU S. 14). Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Parteien seien sich einig, dass hier allein eine Stücklizenz in Betracht komme, so dass die Lizenzsumme allein durch Multiplikation des Lizenzsatzes mit der Gesamtabsatzmenge der lizenzierten Produkte zu berechnen ist und insbesondere nicht der Angebots- oder Lieferpreis zu berechnen sei. Die Klägerin macht zu Recht geltend, dass eine angemessene Lizenz nicht unabhängig vom erzielten bzw. erzielbaren Verkaufspreis bestimmt werden kann.

Da es nach Auffassung des Landgerichts hinsichtlich der auf Auskunft gerichteten Anträge nicht darauf ankommt, ob ihrer Geltendmachung kartellrechtliche Einwendungen entgegenstehen, bedarf seine alternative rechtliche Begründung, wonach die Klägerin die Vorgaben des EuGH in der Entscheidung Huawei/ZTE eingehalten hat, im Einstellungsverfahren keiner Überprüfung.

c) Auch soweit das Landgericht die Beklagte zur Auskunft über die Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer (Ziffer 1a) verurteilt hat, kann von einer offenkundigen Fehlerhaftigkeit des Urteils nicht ausgegangen werden. Der Anspruch ergibt sich aus § 140b Abs. 3 Nr. 1 PatG. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Auskunft korrespondiere mit dem Rückrufsanspruch, den die Klägerin bereits für erledigt erklärt habe. Die Auskunft über den Herkunftsweg dient nämlich nicht der Vorbereitung des Rückrufsanspruchs, vielmehr soll die Auskunft den Rechtsinhaber in die Lage versetzen, den Weg der patentverletzenden Gegenstände nachzuvollziehen, um die Rechtsverletzung effektiv bekämpfen zu können (vgl. BGHZ 166, 233 Rn. 36 - juris - Parfümtestkäufe; Senat, Urt. v. 11.02.2015, 6 U 160/13 Rn. 58 - juris).

d) Es trifft zwar zu, dass der Tenor des landgerichtlichen Urteils vorgesehene Wirtschaftsprüfervorbehalt hinsichtlich der €Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger€ missverständlich formuliert ist, da vor €Angebotsempfänger€ der Artikel fehlt und damit nicht klar zum Ausdruck gebracht wird, dass entsprechend der allgemeinen Meinung der Wirtschaftsprüfervorbehalt sich auch auf gewerbliche Angebotsempfänger erstreckt (OLG Düsseldorf, Urt. v.09.01.2003, Az. 2 U 94/01, InstGE 3, 176 Rn. 110, juris - Glasscheibenbefestiger; Kühnen aaO. Kap. D Rn. 521; Grabinski/Zülch in Benkard, PatG, 11. Aufl. § 139 Rn. 89c). Ein schutzwürdiges berechtigtes Interesse der Klägerin, diese Namen und Anschriften unmittelbar zu erfahren, ist nicht erkennbar, da sie durch den Empfang von Angeboten noch nicht zu Verletzern bzw. Gehilfen des Verletzers geworden sind. Dagegen ist ein berechtigtes Interesse der Beklagten an der Geheimhaltung anzuerkennen (OLG Düsseldorf aaO. Rn. 110). Da das Landgericht als Vollstreckungsgericht verpflichtet ist, bei der Auslegung des Titels, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (BGH, Beschl. v. 05.03.2015 - I ZB 74/14, GRUR 2015, 1248 Rn. 19), wird es den Wirtschaftsprüfervorbehalt entsprechend auslegen.

e) Auch die Entscheidung des Landgerichts, den Rechtsstreit nicht gemäß § 148 ZPO wegen der Nichtigkeitsklage auszusetzen, hält der summarischen Prüfung stand. Bei der Entscheidung über die Aussetzung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, im Rahmen derer nicht nur das Interesse an widerspruchsfreien Entscheidungen zu berücksichtigen ist, sondern auch das Interesse des Verletzungsklägers an einem zeitnahen Abschluss des Verletzungsverfahrens (BGHZ 158, 372, 376 - Druckmaschinentemperiersystem; BGH, GRUR 2012, 93 f- Klimaschrank; Beschl. v. 17.07.2012 - X ZR 77/11 Rn. 2). Für den Patentverletzungsprozess ist anerkannt, dass eine Aussetzung in erster Instanz im Regelfall nur dann gerechtfertigt ist, wenn mit erheblicher Wahrscheinlichkeit von einem Widerruf oder eine Nichtigerklärung des Klagepatents ausgegangen werden kann (vgl. BGH, GRUR 1987, 284 - Transportfahrzeug; GRUR 2014, 1237 Rn. 4 - Kurznachrichten). Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass die Aussetzung angesichts der begrenzten Laufzeit des Schutzrechts und der häufig langen Zeitdauer bis zur endgültigen Klärung des Rechtsbestands typischerweise einen erheblichen Eingriff in die Rechtsposition des Patentinhabers bedeutet. Bei der vom Verletzungsgericht zu treffenden Prognoseentscheidung fällt außerdem jedenfalls im ersten Zugriff ins Gewicht, dass das Patent nur erteilt wird, wenn und soweit das Patentamt auf Grund sachkundiger technischer Prüfung die Schutzfähigkeit der beanspruchten technischen Lehre bejaht hat; auch dies spricht dafür, bei der Aussetzung des Verletzungsprozesses Zurückhaltung walten zu lassen (Senat, GRUR 2014, 352, 354 - Stanzwerkzeug). Von diesen Erwägungen hat sich zu Recht auch das Landgericht leiten lassen.

Gegen eine Vernichtungswahrscheinlichkeit spricht hier, dass die Schutzfähigkeit des Klagepatents in der nunmehr erteilten Fassung bereits vom Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 17.09.2009 - Xa ZR 128/05- juris) bejaht wurde. Insoweit kommt eine Aussetzung nur in Betracht, wenn die Erfolgsaussicht der neuen Nichtigkeitsklage offensichtlich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 17.07.2012 - X ZR 77/12 Rn. 2 - Verdichtungsvorrichtung juris) oder wenn weiterer Stand der Technik präsentiert wird, der weil er der Erfindung näher kommt als der bisher gewürdigte Stand der Technik, mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit eine Vernichtung des Klagepatents erwarten lässt (vgl. Kühnen, aaO. Kap. E Rn. 530). Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Einen offenkundigen Fehler der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt die Beklagte nicht auf. Der Bundesgerichtshof hat das Klagepatent hinsichtlich des hier maßgeblichen Anspruchs 14 auf den Hilfsantrag der Klägerin mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass vor den Wörtern €the size€ die Wörter €for each graphic image€ eingefügt wird. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird deutlich, dass in Abgrenzung zum vorbekannten MPEG-2-Standard damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die Angaben zu Größe und Lage jeweils für jedes graphische Bild kodiert sein sollen (aaO. Rn. 34, Rn. 36). Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Einschränkung, dass €Lage und Größe jeweils für jedes graphische Bild codiert sein sollten€ sei in Anspruch 14 nicht enthalten. Maßgeblich ist insoweit auf die englische Fassung des Anspruchs abzustellen. Die Annahme des Bundesgerichtshofs, sein Verständnis des Merkmals komme im geänderten Anspruch hinreichend deutlich zum Ausdruck, ist nicht offenkundig falsch. €Each€ ist sowohl Adverb als auch Adjektiv und kann im Sinne von €jeweils€ und €jedes€ sowie mit doppeltem Sinngehalt verstanden werden. Dass nach einem Verständnis in dem vom Bundesgerichtshof genannten Sinn der MPEG-2-Standard nicht neuheitsschädlich ist, stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Im ersten Nichtigkeitsverfahren nicht gewürdigten Stand der Technik führt die Beklagte nicht an. Es ist auch nicht offenkundig, dass der Bundesgerichtshof den aufrechterhaltenen Patentanspruch eben um das beschränkende Merkmal unzulässig erweitert hat.

2. Da nach alledem die Entscheidung des Landgerichts nicht offenkundig rechtsfehlerhaft ist, käme eine Einstellung lediglich in Betracht, wenn die Beklagte die Gefahr eines besonderen Schadens dargelegt und glaubhaft gemacht hätte, der über die allgemeinen Vollstreckungswirkungen hinausgeht. (vgl. OLG Düsseldorf, aaO.; Senat, GRUR-RR 2015, 326 Rn. 17 - Mobiltelefone, juris; Beschl. v. 31.05.2016 - 6 U 55/16, Rn. 17, juris). Es kann nicht festgestellt werden, dass die von der Klägerin betriebene Zwangsvollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil hinsichtlich des in Rede stehenden Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs bei der Beklagten zu außergewöhnlichen, nicht oder wenigstens nicht mit Hilfe der vorher geleisteten Sicherheit wieder gut zu machenden Schäden führen würde. Ohne Erfolg rügt die Beklagte die Höhe der Sicherheitsleistung als unzureichend. Ihr Vortrag, die vom Landgericht vorgesehene Sicherheitsleitung in Höhe von nur 50.000,00 EUR sei völlig unzureichend, es sei mindestens eine Sicherheitsleistung von 1.000.000,00 EUR festzusetzen, ist nicht näher begründet. Insoweit ist auch von der Beklagten nicht vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das Landgericht entsprechenden Vortrag der Beklagten in erster Instanz übergangen hätte (vgl. zu § 718 ZPO: OLG Düsseldorf, InstGE 9, 47; BeckRS 2008, 17095 - Zahnimplantat; GRUR-RR 2012, 304 - Höhe des Vollstreckungsschadens; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl., Kap. H. Rn. 66, S. 721; Lackmann in Musielak, ZPO, 13. Aufl. § 718 Rn. 1). Soweit die Beklagte in erster Instanz eine Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000.000,00 EUR gefordert hat, betraf dies den Vernichtungs- und Rückrufanspruch (Klageerwiderung S. 41, AS I 134).

Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht deshalb geboten, weil deren Folgen selbst dann nicht zu beseitigen sind, wenn die Berufung Erfolg haben sollte. Allein der Umstand, dass die Vollstreckung, das Prozessergebnis vorwegnehmen würde, ist kein unersetzlicher Nachteil (vgl. BGH, GRUR 1979, 807 Rn. 6, juris -Schlumpfserie; GRUR 1991, 159 - Zwangsvollstreckungseinstellung; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07.04.2008 - I-2 U 116/07, BeckRS 2012, 13680). Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Angaben zu den Gestehungskosten und zum erzielten Gewinn beträfen den Kernbereich legitimer unternehmerischer Geheimhaltungsinteressen. Denn der Umstand, dass es sich bei den zu erteilenden Informationen um Geschäftsinterna handelt, die mit Rücksicht auf die Wettbewerbslage der Parteien vor der Klägerin geheim zu halten seien, rechtfertigt für sich alleine nicht die Annahme, dass eine Vollstreckung der Verurteilung zur Auskunftserteilung für den Schuldner nicht zu ersetzende Nachteile zur Folge hätte (vgl. BGH, NJWE-WettbR 1999, 138; OLG Düsseldorf aaO.) Es besteht kein Anlass von dieser Regel abzuweichen.

Der Aspekt, dass die Klägerin das Klagepatent über einen Patentpool verwertet, führt entgegen der Auffassung der Beklagten für sich genommen nicht dazu, dass die Interessenabwägung zu ihren Lasten ausfallen muss (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.02.2015 - I-15 U 135/14; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.08.2015 - I-2 U 24/15; Beschl. v. 13.01.2016 - I-15 U 66/15, GRUR-RS 2016, 01680, Rn. 11). Soweit der Senat in der Vergangenheit im Einstellungsverfahren dem Umstand, dass das wirtschaftliche Interesse der Klägerin primär auf die wirtschaftliche Verwertung des Patents gerichtet ist, Bedeutung beigemessen hat, erfolgte dies im Rahmen der Gesamtabwägung und betraf Fallgestaltungen, bei welchen aufgrund summarischer Prüfung angenommen wurde, dass das Urteil mit den tragenden rechtlichen Erwägungen keinen Bestand haben wird (Senat, GRUR-RR 2010, 120 Rn. 14, juris; Beschl. v. 23.04.2015 - 6 U 44/15 Rn. 25; Beschl. v. 31.05.2016 - 6 U 55/16, NZKart 2016, 334 Rn. 38 -juris).






OLG Karlsruhe:
Beschluss v. 29.08.2016
Az: 6 U 57/16


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/60914e0332ea/OLG-Karlsruhe_Beschluss_vom_29-August-2016_Az_6-U-57-16




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