Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. September 2000
Aktenzeichen: 7 W (pat) 32/99

(BPatG: Beschluss v. 27.09.2000, Az.: 7 W (pat) 32/99)

Tenor

Die Beschwerde der Einsprechenden gegen den Beschluß der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. März 1999 wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Erteilung des Patents auf die am 28. Februar 1994 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist am 16. Oktober 1997 veröffentlicht worden.

Nach Prüfung eines auf den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gestützten Einspruchs hat die Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts durch Beschluß vom 26. März 1999 das Patent mit dem am 16. Juli 1998 eingereichten Patentanspruch 1 und den erteilten Patentansprüchen 2 bis 12 beschränkt aufrechterhalten.

Der Patentanspruch 1 lautet:

"Anlasser für Antriebsaggregate, insbesondere Verbrennungsmotoren, mit einem Ständer und einem - auf einer umlaufenden Welle des Antriebsaggregates sitzenden - Läufer eines Elektromotors wobei - der Läufer als Schwungmasse des Antriebsaggregates fungiert, dadurch gekennzeichnet, daß

- der Läufer als passiver Drehschwingungstilger ausgebildet ist."

Die Patentansprüche 2 bis 12 sind auf den Patentanspruch 1 rückbezogen und diesem nachgeordnet.

Gegen den Beschluß der Patentabteilung hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, der Gegenstand des Patents sei nicht patentfähig, weil er gegenüber dem von der deutschen Offenlegungsschrift 37 37 192, den deutschen Auslegeschriften 21 23 831 und 22 28 516 sowie der internationalen Anmeldung WO 90/01126 gebildeten Stand der Technik nicht neu sei, zumindest aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Einsprechenden entgegen und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Patentabteilung hat das angefochtene Patent in seiner beschränkten Fassung zu Recht aufrechterhalten.

1. Das Patent betrifft nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 einen Anlasser für Antriebsaggregate, insbesondere Verbrennungsmotoren, mit einem Ständer und einem - auf einer umlaufenden Welle des Antriebsaggregates sitzenden - Läufer eines Elektromotors, wobei der Läufer als Schwungmasse des Antriebsaggregates fungiert.

Die zu lösende Aufgabe bzw das zu erreichende Ziel besteht gemäß der Beschreibung (Sp 2 Z 20 - 22) darin, ein verbessertes Anlassersystem für Antriebsaggregate zur Verfügung zu stellen.

Diese Aufgabe wird durch die im Patentanspruch 1 insgesamt angegebenen Maßnahmen gelöst. Durch die Ausbildung des Läufers als Drehschwingungstilger ergibt sich dabei der Vorteil (Sp 6 Z 34 bis 40), daß dieser störenden Drehungleichförmigkeiten der Kurbelwelle passiv entgegenwirkt und somit unerwünschte Schwingungen des Kraftfahrzeugs und damit einhergehende Geräusche bereits in ihrem Ansatz effektiv mindert.

2. Der Gegenstand nach dem Patentanspruch 1 stellt eine patentfähige Erfindung iSd §§ 1 bis 5 PatG dar.

a) Der - gewerblich anwendbare - Anlasser für Antriebsaggregate gemäß dem Patentanspruch 1 ist neu.

Er unterscheidet sich von dem Hybridantrieb nach der deutschen Offenlegungsschrift 37 37 192 zumindest durch das Merkmal, daß der Läufer des Elektromotors als passiver Drehschwingungstilger ausgebildet ist. Bei dem bekannten Hybridantrieb bildet zwar ein auf der Getriebeeingangswelle 2 sitzender Läufer 4, 7 eines nicht dargestellten Elektromotors die Schwungmasse für das Antriebsaggregat (Sp 5 Z 32 bis 64 iVm Fig 1); dieser Läufer ist aber nicht als Drehschwingungstilger - bei dem bekanntlich eine Schwungmasse in Drehrichtung elastisch gefedert an einer Nabe angeordnet ist - ausgebildet. Dies gilt auch für das Ausführungsbeispiel nach Figur 2, bei dem die Trennkupplung 45 zwischen dem Läufer 44, 51 und der Getriebeeingangswelle 41 mit einem Dämpfer 65 versehen ist (Sp 8 Z 23 bis 26 iVm Figur 2). Der genannte Dämpfer ist nämlich nicht Bestandteil des Läufers und wirkt demgemäß auch nicht den störenden Drehungleichförmigkeiten der Kurbelwelle entgegen. Er ist vielmehr nur als "übliches Hilfsmittel" (Sp 8 Z 24) für die genannte Trennkupplung vorgesehen und soll wohl ein gedämpftes und damit weiches Einkuppeln der Getriebeeingangswelle ermöglichen.

Unstrittig unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auch von den elektromagnetischen Anlassern für eine Brennkraftmaschine nach der deutschen Auslegeschrift 21 23 831 und nach der - zu letzterer im Zusatzverhältnis stehenden - deutschen Auslegeschrift 22 28 516 durch das Merkmal, daß der Läufer des Elektromotors als passiver Drehschwingungstilger ausgebildet ist.

Die internationale Anmeldung WO 90/01126 betrifft schließlich konstruktive Ausgestaltungen eines Drehschwingungsdämpfers. Von diesen bekannten Drehschwingungsdämpfern unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 zumindest durch seine oberbegrifflichen Merkmale.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffenen übrigen Entgegenhaltungen kommen dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht näher als die vorstehend abgehandelten Druckschriften.

b) Die Lehre nach dem Patentanspruch 1 beruht auf erfinderischer Tätigkeit.

Der Kern dieser Lehre liegt darin, bei einem elektromagnetischen Anlasser für ein Antriebsaggregat, wie er etwa aus Figur 4 der deutschen Auslegeschrift 21 23 831 bekannt ist, den Läufer des Elektromotors selbst als passiven Drehschwingungstilger auszubilden. Nach den Angaben in der Beschreibungseinleitung (Sp 2 Z 68 bis Sp 3 Z 4) bietet sich hierdurch die Möglichkeit, den Anlasser - ohne aufwendige Konstruktionsmaßnahmen oder zusätzliche Bauelemente - auch zur Dämpfung von Störschwingungen im Kraftfahrzeug einzusetzen.

Für diesen Kern der patentgemäßen Lehre findet der Fachmann - ein Maschinenbau- oder Elektroingenieur mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von elektrischen Anlassern für Antriebsaggregate - kein Vorbild im aufgezeigten Stand der Technik. So sind weder in den deutschen Auslegeschriften 21 23 831 und 22 28 516 noch in der deutschen Offenlegungsschrift 37 37 192 Hinweise auf die Ausbildung oder Anordnung eines passiven Drehschwingungstilgers zu finden. In den genannten Druckschriften ist vielmehr nur von Schwungscheiben bzw Schwungmassen die Rede. Die internationale Anmeldung WO 90/01126 befaßt sich zwar mit der Ausbildung eines Drehschwingungsdämpfers, der zum Tilgen störender Drehschwingungen im Automobilbau (S 1 Abs 2), und hier im großen Umfang im Antriebsstrang (S 2 Abs 3), eingesetzt werden soll. Eine irgendwie geartete Kombination eines derartigen Drehschwingungsdämpfers mit einem Anlasser für Antriebsaggregate - oder überhaupt mit einem Elektromotor - ist jedoch dort weder vorgesehen noch sonst angesprochen. Ohne einen derartigen Hinweis hatte aber der Fachmann keinerlei Veranlassung, einen aus den deutschen Auslegeschriften 21 23 831 und 22 28 516 oder aus der deutschen Offenlegungsschrift 37 37 192 bekannten Läufer eines Elektromotors durch einen aus der WO 90/01126 bekannten passiven Drehschwingungstilger zu ersetzen bzw als solchen auszubilden, auch wenn hierzu - wie die Einsprechende meint - keine erkennbaren Schwierigkeiten oder Hindernisse zu überwinden gewesen wären. Eine technische Lehre ist nämlich nicht schon dann naheliegend, wenn der Fachmann aufgrund des Standes der Technik zu dieser Lehre hätte kommen können, sondern nur, wenn er aufgrund eines hinlänglichen Anlasses durch sie eine Verbesserung oder einen Vorteil hätte erwarten können. Für den Senat sind auch keinerlei Anzeichen dafür erkennbar, daß sich die patentgemäße Lehre - ohne rückschauende Betrachtungsweise aus der Kenntnis des Patents heraus - für den Fachmann ohne weiteres aus dem ihm geläufigen Fachwissen ergibt.

3. Die Patentansprüche 2 bis 12 betreffen Ausgestaltungen des Anlassers nach dem Patentanspruch 1 und werden von dessen Patentfähigkeit mitgetragen.

Dr. Schnegg Dr. Franz Dr. Pösentrup Hochmuth Cl/Hu






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